Im Handelsdeal droht wochenlange Hängepartie

Der Handelsdeal zwischen den USA und der EU schien in trockenen Tüchern. Doch nun werden in Brüssel und den Hauptstädten der EU erste Stimmen laut, die Nachverhandlungen fordern. Es droht eine wochenlange Hängepartie bei Detailfragen zu Digitalzensur und Klimapolitik.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin

Der Verhandlungsstil der EU-Europäer folgt ziemlich exakt ihrem machtpolitischen Anspruch: Es werden Maximalforderungen aufgestellt, dem Verhandlungspartner bleibt kaum Spielraum. Kommt es zu keiner Einigung, reagiert Brüssel regelmäßig mit Sanktionen. Ein besonders illustratives Beispiel bietet der Umgang mit Moskau, das sich inzwischen mit dem 18. Sanktionspaket herumschlagen muss – selbstverständlich ein ökonomisches Eigentor, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Um den Geist der Brüsseler Staatsaristokratie metaphorisch zu erfassen, sei an ein euro-phänotypisches, übel riechendes Bonmot des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker erinnert. Juncker erklärte 1999 dem Spiegel in gelöst-euphorischer Stimmung ziemlich freimütig:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Naiv-leutselig gewährte Juncker der Öffentlichkeit einen tiefen Einblick in die staatsaristokratisch geprägte Grundstimmung Brüssels und seiner Bürokratie. Von dieser Arroganz der Macht dürfte nun auch US-Präsident Donald Trump einen präziseren Eindruck gewinnen.

Grabenkämpfe und Nachverhandlungen

Denn nur Tage nach der Verkündung des Handelsvertrags zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union beginnt nun der übliche Partisanenkrieg der Europäer. In zahlreichen Pressekommentaren, Politikerstimmen und einer bereits im Vorfeld der Verhandlungen platzierten Anfrage im Europäischen Parlament baut sich Widerstand gegen die anstehende Präzisierung des Umgangs mit dem Digitalsektor sowie der Klimaregulierung auf.

Denn exakt an dieser Stelle leitet sich die Macht des Brüsseler Bürokratenapparates ab. So heißt es in einer Anfrage des EU-Parlaments vom 25. Juni an die Europäische Kommission:

„Die Kommission und das Parlament sollten sich weiterhin für den Grundsatz einsetzen, dass weltweite Herausforderungen wie die Besteuerung der digitalen Wirtschaft weltweite Lösungen erfordern. […] Das Parlament hat stets betont, dass dafür gesorgt werden muss, dass große multinationale digitale Unternehmen einen angemessenen Beitrag zu den öffentlichen Finanzen der Länder leisten, in denen sie Wertschöpfung generieren.“
 Auch wird bekräftigt, dass eine EU-eigene Digitalabgabe als neue Eigenmittel „zuletzt von der Kommissionspräsidentin erneut zur Sprache gebracht“ wurde.

Sowohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch Bundeskanzler Friedrich Merz betonten im Nachgang der Verhandlungen, dass es nun um die Detailarbeit ginge. Gemeint sind besagter Umgang mit der Digitalwirtschaft sowie die Verteidigung der klimapolitischen Grundlinie der EU.

Unterschiedliche Prioritäten

Möglicherweise war es ein Webfehler innerhalb des Verhandlungskonstrukts, Brüssel genau an dieser Stelle die Türen zu Nachverhandlungen zu öffnen. Sicherlich, aus Sicht der amerikanischen Handelspolitik besitzt die Beseitigung des gigantischen Handelsdefizits ebenso Priorität wie die Erhöhung des Volumens der Zolleinnahmen im Kampf gegen das Staatsdefizit.

Aus der Sicht der Zivilgesellschaft in der Europäischen Union wäre dies eine tragische Entwicklung. Neben der ökonomischen Komponente, die ein schnelleres Ausbluten der Wirtschaft der EU im Zuge der einseitigen Zollbelastung sowie des erzwungenen Energiekaufs bewirkt, stünde ohne amerikanischen Druck auf die Digitalpolitik Brüssels keine politische Kraft mehr zwischen den Ambitionen der EU-Führung und der Errichtung eines immer tieferreichenden, invasiven Kontrollregimes.
Die Blaupause der europäischen Zensurpolitik liefert in diesen Tagen London. Mit dem neuen „Online Safety Act“ etabliert Großbritannien eine digitale Vorzensur, die Inhalte auf Plattformen wie X, Facebook oder YouTube bereits beim Hochladen filtern lässt. Kritik an Migration, Genderpolitik oder dem Islam fällt künftig unter „hasserfüllte Kommunikation“ und kann strafrechtlich verfolgt werden.

Brüssel schaut genau hin. Was in London im Feldversuch initiiert wird, dürfte mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) EU-weit institutionalisiert werden: ein Wahrheitsministerium mit angeschlossenem Strafschnellvollzug zur Eindämmung des frei schwingenden Dissidententums. Die freie Debatte weicht moderierter Konformität.

Festhalten am Klimafeldzug

Parallel dazu beginnt die EU, ihre Netzwerke aus NGOs, Thinktanks und zivilgesellschaftlichen Gruppen in Stellung zu bringen, um die Deregulierungsstrategie der USA im Energie- und Rohstoffbereich öffentlich zu delegitimieren. Besonders im Fokus: der Green Deal, der zunehmend zur ideologischen Rückversicherung europäischer Industriepolitik avanciert. Die Regulierung des Marktzugangs – etwa durch Klimaauflagen – wird zum strategischen Hebel, um Wettbewerber zu blockieren und eigene Branchen zu bevorzugen.

Umweltverbände, die erste Verteidigungslinie der Klimaprotektionismus, kritisieren das Energiekapitel des neuen Handelsabkommens scharf und warnen vor neuen Abhängigkeiten und fossilen Lock-ins, die Investitionen in erneuerbare Energien blockieren. Wolfram Axthelm vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spricht von einer Unterminierung des European Green Deal. Auch die Deutsche Umwelthilfe sieht ein „katastrophales Signal“ für die Energiewende. Der BUND wirft Brüssel einen „Kniefall vor fossilen Interessen“ vor.

Im Chor tönt es aus dem Kreis der Umwelt-NGOs: Der vereinbarte Import fossiler Energieträger im Volumen von 750 Milliarden Dollar aus den USA konterkariere die Klimaziele der EU. Volltreffer!

Die koordiniert kommunizierten Pressestimmen geben uns einen konkreten Hinweis auf die anstehende Verhandlungstendenz aus Sicht der EU. Genau in diesem Feld der Klimapolitik befindet sich die letzte Verteidigungslinie Brüssels. Und wie wir es aus der Medienarbeit des politischen Kulturkampfs der Linken kennen, wird Brüssel nun seine überdimensionierte NGO-Maschine heißlaufen lassen und ein Szenario der Klima-Apokalypse zeichnen, das den notwendigen zivilgesellschaftlichen Rückhalt für die kommenden Verhandlungswochen stimulieren soll.

Grüne Protektionsmaschine

Doch was als „Wertepolitik“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine technokratisch motivierte Protektionsmaschinerie, die eine Schneise der Verwüstung durch die europäische Ökonomie zieht. Die Deindustrialisierung Europas ist längst Realität. Die Brüsseler Klimaorthodoxie beschleunigt, was sie angeblich verhindern will: wirtschaftlichen Selbstmord.

Die Klimapolitik zeigt das ganze intellektuelle und machtpolitische Dilemma Brüssels: Ihre Maximalhaltung der Klimaneutralität zerstört die Binnenökonomie des Kontinents. Jetzt wäre allerhöchste Zeit sämtliche Kanäle, auch den nach Russland zu öffnen, um sich in eine bessere Verhandlungsposition beim notwendigen Energieimport zu begeben. Europa bezieht 58 Prozent seines Energiebedarfs aus dem Ausland – hier liegt die Achillesferse, die zum geopolitischen Bedeutungsverlust der Europäer führt.

Der sich nun formierende Widerstand in der EU gegen den Handelsdeal mit den USA deutet darauf hin, dass uns zähe Wochen der Nachverhandlungen bevorstehen. Dass es Donald Trump gelingen wird, sowohl den Klimaabsolutismus als auch die Digitalzensur der Europäer zu knacken, ist zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Brüssel wird den europäischen Bürgern hohe wirtschaftliche Bürden aufzwingen und zur Not höhere Strafzölle in Kauf nehmen, um dieses Fundament seiner Macht zu verteidigen.

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Kommentare ( 26 )

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Joerg Gerhard
7 Tage her

Die einzige Sprache die Trump versteht, ist die der Gegen-Erpressung. Bedeutet z.B: keine Lizenzen mehr fuer Goldman, Sachs&co in der EU.
(Nur) Dann wird man sich auch schnell auf etwas wenig Schadhaftes fuer Europa einigen.

BK
7 Tage her

Ein Shake Hands ist noch kein Vertrag. Aber wer legt sich schon gern mit Sir Donald an, wenn man selbst nicht am längeren Hebel sitzt? Für die Amerikaner ist das weniger ein Problem. Ihre Konzerne sind vor Ort, man verdient in Europa Geld und beschäftigt Millionen von Mitarbeitern. Das wird man von den EU-Firmen auch in Amerika erwarten und nichts anderes haben die Chinesen mit allen anderen gemacht. Marktzugang nur, wenn Investition in China erfolgt.

Orlando M.
7 Tage her

Naiv-leutselig gewährte Juncker der Öffentlichkeit einen tiefen Einblick in die staatsaristokratisch geprägte Grundstimmung Brüssels und seiner Bürokratie.“
Das war keineswegs naiv, der kennt die Deutschen sehr genau! Der wusste sehr wohl, dass es darauf keine breite Protestreaktion gibt. Das deutsche Volk ist bei so etwas wie eine Herde Schafe, der man erklärt, dass es jetzt zum Schlachthof geht, mehr als verständnislose Blicke hat man nicht zu befürchten.

H. Hoffmeister
7 Tage her

Die EU ist der mit Abstand schwächste Block im globalen Wirtschaftsarmdrücken. China, USA und Russland haben – jeweils aus anderen Gründen – die stärkeren Hebel auf ihrer Seite. In ihrer Arroganz opfern die vdL’s, Merz‘, Macron’s etc weiteren Wohlstand der Europäer, allerdings nicht mehr lange, denn der ist bereits weitgehend verloren, wird nur noch durch besinnungsloses Gelddrucken kaschiert.

Kassandra
7 Tage her

Scott Bessent erkannte das schon, als die erste Frist eingeräumt wurde, weshalb die EU prokrastiniert und hat das Dilemma zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten akribisch in ein paar Sätzen aufgezeigt:
„This is in response to the E.U.’s pace.“ „E.U. has a collective action problem…it’s 27 countries but they’re being represented by 1 group in Brussels. The underlying countries don’t even know what the E.U. is negotiating on their behalf.“ https://x.com/townhallcom/status/1925909032906178689
.
Jetzt steht sie mit ihrem Handschlag vor laufenden Kameras halt im Obligo – die Frau von der Leyen. Manchem bricht dann so was aber auch das Genick!

Mausi
7 Tage her

Ja, die EU wird kämpfen. Wie in der Ukraine. Immer zum Schaden der Bürger. Nur um zu beweisen, wie stark die EU ist. Handlung, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Abwahl ist in meinen Augen keine Konsequenz.

H. Hoffmeister
7 Tage her
Antworten an  Mausi

Genau das wird passieren. „Kampf“ einer vdL bedeutet immer Kampf gegen die eigene Bevölkerung.

Haba Orwell
7 Tage her

> Umweltverbände, die erste Verteidigungslinie der Klimaprotektionismus, kritisieren das Energiekapitel des neuen Handelsabkommens scharf und warnen vor neuen Abhängigkeiten und fossilen Lock-ins, die Investitionen in erneuerbare Energien blockieren.

OK, dann muss Frau Von Der Trump mitteilen, dass die EUdSSR weder Öl noch Erdgas kaufen könne, weil sich wer an irgend etwas ankleben könnte. Vielleicht sollte sie ihm gleich ein Ultimatum stellen, dem Pariser Klimagemurkse-Abkommen wieder beizutreten. Mal schauen, wie er darauf reagiert?

wegmitdenaltparteien
7 Tage her

Wenn X, Meta und Youtube ihre Dienste in Uk einstellen, hat Starmer innert 8 Tagen abgedankt.

Die Qatari haben bereits zu verstehen gegeben was sie vom Brüsseler Lieferkettengesetz halten, Trump nimmt das Wort nicht einmal zur Kenntnis und ja, billiges Gas aus Russland kommt auf gar keinen Fall in Frage. Dann wird Frau von Stahlhelm wohl mit Namibia über Wasserstofflieferungen aus Wolkenkuckucksheim verhandeln müssen. Nein, die sollen besser Flak-Zimmermann dahin schicken, vielleicht fragt die ja nach Rabatt.

Kassandra
7 Tage her
Antworten an  wegmitdenaltparteien

Wir haben ein weiteres „Problem“ – denn das wird nichts, mit dem H2. Volker Wissing hat die Forschungsgelder lange gestrichen, wie auf seinem wiki zu erfahren ist – und aus Namibia hat einer, von dort in Lüderitz, wo die Anlagen entstehen sollten, Bilder geschickt: https://tkp.at/2024/12/11/produktion-von-gruenem-wasserstoff-in-namibia-milliardengrab-fuer-deutsches-steuergeld/ Nie wurde geklärt, wie man H2 „speichern“ bzw. transportieren kann, zumal schnell was korrodiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoffkorrosion . Wie bei allen Themen haben sie uns auch da hinter die Fichte geführt – es ist gar nicht angedacht, H2 in ausreichender Menge herzustellen. Wie auch? Dennoch haben sie mehr und mehr alle Grundlastfähige Energie gestrichen. Was heißt, dass… Mehr

WGreuer
7 Tage her

Um es klar zu sagen, der Deal mit den USA ist zum absouten Nachteil der Europäer, keine Frage. Aber den Deal mit den USA mit „Klima“ oder sonstigen linksgrünem Wahnsinn abzulehnen ist schon ziemlich schizophren. Ich befürchte, die Klimawahnsinnigen der EU und in Deutschland werden letztlich Europa zerstören. Denn leider werden die Europäer erst durch Leid aufwachen und sich der EU Bürokraten, der Globalisten und der linksgrünenSpinner entleigen. Europa, aber insbesondere Deutschland scheint erst durch Schmerz zu lernen.

Kassandra
7 Tage her
Antworten an  WGreuer

Zielvorstellung von Ulrike Herrmann von der taz im Abriss: https://x.com/NurderK/status/1652580228026204160
Und 75% wollen immer noch nicht merken, dass man ihnen lange die Butter vom Brot nimmt und sie zu Dhimmis degradiert hat?

Michael Palusch
7 Tage her

„Doch nun werden in Brüssel und den Hauptstädten der EU erste Stimmen laut, die Nachverhandlungen fordern.“
Das kann man nur begrüßen!
Die Gründe (DSA, Klimahysterie etc.), warum sich derzeit Widerstand gegen vdLs Deal regt, kann man durchaus als unsinnig und schädlich ansehen, der Vorgang an sich jedoch, ist m.M.n. dringend geboten.
Man kann doch nicht tatenlos hinnehmen, dass eine Frau, die auf keinen Wahlzettel stand, auf einem Golfplatz in Schottland die Zukunft Deutschlands und ganz Europas verramschte und dafür von Merz auch noch beklatscht wurde.

Last edited 7 Tage her by Michael Palusch