Einst machte die Bundeskanzlerin für das vermeintliche Hightech-Wunder Wirecard in China Reklame. Dann folgte die Insolvenz mit acht Milliarden Schadenssumme. Ein Vorstandsmitglied ist vermutlich in Russland untergetaucht, die Bankenaufsicht blamiert. Spurensuche im Fall Wirecard. Von Theo-Paul Löwengrub

Die bis heute größte Pleite eines deutschen Finanzkonzerns ist auch knapp fünf Jahre nach dem Insolvenzantrag nicht aufgearbeitet – weder juristisch noch politisch. Auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages konnte die Frage nicht zufriedenstellend beantworten, wie es windigen Managern gelang, offenbar über Jahre eine milliardenschwere Luftnummer aufrechtzuerhalten.
Dass Wirecard seine Machenschaften jahrelang ungehindert entfalten konnte, war auch einem Netzwerk von Helfershelfern geschuldet, das mit fragwürdigen Methoden Druck auf Kritiker und Gegner ausübte. Ein österreichischer Ex-Elitepolizist spielte dabei offenbar eine Schlüsselrolle. Nicht unwahrscheinlich, dass die Wirecard-Vorstände die Patronage höchster Kreise genossen – wenn auch bisher keine politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.
Mindestens ebenso wichtig aber waren Akteure auf unteren Ebenen, die „Feuerwehr“ spielten, wann immer es für die Konzernspitze brenzlig zu werden drohte: Privatschnüffler, „Problemlöser“ und wenig zimperliche Handlanger und Figuren der Halb- und Unterwelt. Denn eins ist klar: Ohne deren Zutun wäre ein Betrug dieses Ausmaßes nicht durchführbar, und die Geschichte lehrt, dass alle kriminellen Gebilde, ob in der Wirtschaft oder im organisierten Verbrechen, diese Art von Dienstleistern brauchen: Männer fürs Grobe, die Aussteiger, potenzielle Maulwürfe, behördliche Ermittler oder auch Journalisten einschüchtern, erpressen oder bedarfsweise bedrohen. Die Annahme, dass dies im Fall von Wirecard anders war, wäre naiv.
Ein Name, der im Zusammenhang mit dem Skandal immer wieder auftaucht, ist Christoph Gsottbauer. Der 1981 geborene österreichische Sicherheitsunternehmer war ehemaliger Elitepolizist der österreichischen „Cobra“, die als (inzwischen aufgelöstes) Pendant zur deutschen GSG9 galt. Seine Aktivitäten im Umfeld von Wirecard in den Jahren vor dem Zusammenbruch legen nahe, dass er eine Schlüsselfigur bei verdeckten „Spezialaufträgen“ der Konzernführung gewesen sein dürfte. Fraglos kann Gsottbauer als eine der schillerndsten Figuren der österreichischen Gesellschaft bezeichnet werden; seine Beziehungen zu Wirecard in Verbindung mit einem erheblichen Immobilienvermögen ungeklärter Herkunft geben jedenfalls Anlass zu Spekulationen.
Dass Wirecard seine Machenschaften ungehindert entfalten konnte,
war auch einem Netzwerk von Helfershelfern geschuldet
Seit 2012 ist Gsottbauer Teilhaber der in Wien von dem Ex-BKA-Beamten Markus Sperr gegründeten Sicherheitsfirma PRM GmbH, bei der er kurz darauf auch Geschäftsführer wurde. Wenig später folgte dann die Gründung der Niederlassung PRM Dubai. Besagte PRM spionierte wiederholt für Wirecard und führte nach späteren Zeugenaussagen Abhöraktionen und Einschüchterungsmaßnahmen gegen kritische und/oder misstrauisch gewordene Personen durch, die zu Wirecard unbequeme Fragen aufwarfen; dies mutmaßlich im direkten Auftrag des Wirecard-Vorstands Jan Marsalek. Unter anderem operierte er dabei auch gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY).
Unmittelbar nachdem Marsalek im Juni 2020 untergetaucht war, setzte sich Gsottbauer nach Dubai ab. Zuvor hatte die PRM in Österreich noch staatliche Corona-Beihilfen in Höhe von 350.000 Euro erhalten. In Dubai hatte Gsottbauer schon zuvor über mutmaßliche Strohmänner ein Unternehmensgeflecht mit mehreren als Scheinfirmen eingestuften Gesellschaften etabliert – darunter eine „Auslandsvertretung“ PRM Dubai. Diese übt inzwischen allerdings keine Geschäftstätigkeit mehr aus, nachdem die Personalie Gsottbauer offenbar sogar für Dubai zu dubios geworden ist. Gsottbauers Geschäftsvisum lief im November 2023 ohne Verlängerung aus.
Strohmann für Wirecard-Geld?
Erst im Mai dieses Jahres tauchte Gsottbauer in einer Hintergrundrecherche des österreichischen „Standard“ auf, in der es um Schwarzgeld in Dubai ging. Dass es sich bei den von Gsottbauer dort gehaltenen Assets auch um Wirecard-Geld handeln könnte, wird spekuliert – wenngleich dafür „harte“ Belege fehlen; maltesische Journalisten schätzten sein Vermögen im unteren achtstelligen Bereich. Gsottbauer sollen – persönlich oder über Strohmänner – ganz oder teilweise Luxusimmobilien in Dubai und Kroatien sowie neben anderen Objekten auch ein Sechsmillionen-Penthouse in Wien gehören oder gehört haben. In Wien soll er bis 2023 auch an einem Edelbordell beteiligt gewesen sein, das im Zusammenhang mit Geldwäscheermittlungen stand. Nicht nur frühere Weggefährten und Polizeikameraden stellen sich die Frage: Wie kommt ein ehemaliger Polizist zu solch sagenhaftem Reichtum?
Gsottbauers Kontakte zu Wirecard sind zweifelsfrei belegt. Sowohl in den öffentlich verfügbaren Protokollen des Wirecard-Untersuchungsausschusses, vor allem aber in den nichtöffentlichen Vernehmungen Julian Hessenthalers, des mit der Durchführung der Ibiza-Videofalle gegen den ehemaligen österreichischen Vizekanzler H. C. Strache beauftragten Detektivs, finden sich etliche Hinweise auf eine enge Geschäftsbeziehung Gsottbauers zu Wirecard.
Als er im Untersuchungsausschuss von AfD-Berichterstatter Kay Gottschalk nach den Gründen seines persönlichen Interesses an der Detektei PRM gefragt wurde, führte Hessenthaler aus, die PRM sei für ihn selbst „von besonderem Interesse“ gewesen, weil es sich um dieselbe Detektei gehandelt habe, die dann „von Strache beauftragt wurde, um mich und mein Umfeld aufzuklären nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos“. Außerdem erklärte er: „Ich kenne PRM, weil mich eine österreichische Behörde 2014 versucht hat an PRM zu vermitteln.“ In diesem Zusammenhang hätten mehrere Treffen mit den Geschäftsführern – darunter auch Gsottbauer – stattgefunden.
Von Gottschalk wurde Hessenthaler überdies gefragt, woher er wisse, dass PRM von Wirecard mit der Bedrohung und Observation von Kritikern und Konkurrenten, insbesondere in London, beauftragt worden sei. Hessenthaler antwortete hierauf, diese Kenntnisse habe er über einen ihm bekannten „Sicherheitsberater in Österreich“ erlangt, dessen Identität er in öffentlicher Sitzung jedoch nicht preisgeben wolle.
Verwicklung in Marsaleks Flucht
Nach Vermutungen von Insidern soll es sich dabei entweder um Markus Weiss oder Egisto Ott gehandelt haben. Weiss war leitender Beamte des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und stand Wirecard-Vorstand Jan Marsalek nahe. So gestand er nach der Wirecard-Pleite gegenüber der österreichischen Polizei im Rahmen eines anderen Verfahrens, dass er gemeinsam mit dem FPÖ-Politiker Thomas Schellenbacher Marsaleks Flucht vom Flugplatz Vöslau-Kottingbrunn bei Wien nach Minsk in Schellenbachers Privatflugzeug organisiert hatte.
Egisto Ott war als Polizist einst ebenfalls für das BVT tätig und galt gleichfalls als Marsalek-Vertrauter. Ott soll über Datensticks Geheiminformationen ausgetauscht und für Marsalek heikle Aufträge koordiniert haben. Dass dabei auch Gsottbauer immer wieder zum Einsatz kam, belegen Zeugenaussagen des Wiener Detektivs Rainer Patyka. Gsottbauer habe regelmäßig mit Weiss in Kontakt gestanden, der ihm auch Aufträge von Wirecard vermittelt habe. Auch sei Gsottbauer wiederholt in Marsaleks Münchner Villa zu Gast gewesen. Er, Patyka, könne jedoch nicht sagen, was genau Gsottbauer für Wirecard gemacht habe.
Beide, Weiss und Ott, nutzten ihre Netzwerke, um Informationen über vermeintliche „Feinde“ von Wirecard zu sammeln. Bei deren „Bekämpfung“ kamen dann offenbar „Spezialisten“ wie der Cobra-Veteran Gsottbauer zum Einsatz. Zu dessen Methoden gehörten offensichtlich auch physische Bedrohung und Einschüchterung – wie im Fall des Leerverkäufers Fraser Perring. Die Finanzfirma setzte später eine Belohnung von einer Million Euro für Informationen über Gsottbauer aus.
Überraschend ist, dass Gsottbauer selbst nie im Wirecard-Untersuchungsausschuss befragt wurde, obwohl er mutmaßlich über umfangreiche Russlandkontakte verfügt und seine Biografie den Verdacht nährt, dass er beim Verbleib von Wirecard-Vermögenswerten eine zentrale Rolle spielen könnte.
Bis heute tritt das von Gsottbauer geschaffene Netzwerk im Kontext von Wirtschaftskriminalität in Erscheinung. Erst Anfang vergangenen Jahres tauchte die PRM im Kontext einer illegalen Überwachung einer Grazer Anwältin auf, die Glücksspielopfer vertritt. Die Dienstleistungen des „Sicherheitsexperten“ Gsottbauer scheinen also weiterhin sehr gefragt. Wer sich in Wahrheit hinter dem Geflecht „Gsottbauer“ verbirgt und ob es sich bei seinen Verwicklungen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt, kann nur spekuliert werden. Tatsache ist, dass diese Figur eigentlich längst im Zentrum strafrechtlicher Ermittlungen stehen müsste – schon das ein Politikum.
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Die Wirklichkeit übertrifft immer mal wieder die Fiktion. Es fällt auf, dass die Namen ehemaliger oder gar noch aktiver Mitarbeiter staatlicher Sicherheitsbehörden auf der Liste der Schurken öfter auftauchen, wobei es russische FSB-Agenten wohl am brutalsten treiben. Man erinnere sich an Nowitschok-Morde und Polonium im After-noon-Tea eines Londoner Nobelhotels. Anscheinend üben Geheimdienste eine große Anziehungskraft auf Männer (fast immer Männer) mit sinistrem Charakter aus. Marsalek soll wohl in Russland leben. Putin rekrutiert seinen engsten Zirkel gerne aus FSB-Amigos.
Danke für diese Einblicke.
Zeigt übrigens auch, dass die AfD im Bundestag gute Arbeit leistet.
„““….acht Milliarden Schadenssumme….“““ bei Wirecard
Das sind Peanuts gegen die 1.046 Milliarden Schadenssumme der Bundesbank aus den Forderungen gegen die zahlungs-unfähigen, weil überschuldeten Südländer, aus dem Clearing-System des Euro-Zahlungs-Verkehrs, genannt „“Target-2″“.
Dieses Geld wird die Bundesbank niemals – never – erhalten.
Wie sind diese Forderungen zum 31.12.2024 im Jahresabschluß der Bundesbank bewertet und wer prüft den Jahresabschluß der Bundesbank ???
Und ist die BAFIN involviert bzw. hat die BAFIN dieses Thema auf dem Schirm ???
Dagegen ist Wirecard nahezu lächerlich.
Was da im Artikel beschrieben steht, ist genau die ungesunde Gemengelage, die wir seit Wegfall der Mauer haben. Alles fließt ineinander und entwickelt bisweilen ungeahnte Wechselwirkungen und produziert kaum noch steuerbare Ergebnisse. Profis auf dem freien Markt wechseln heute mal eben den Arbeitgeber wie das zu Zeiten des Kalten Kriegs niemals möglich gewesen wäre. Und zwar verschachtelt in jede erdenkliche Richtung. Und genau dieser Punkt macht die Lösung des Problems so schwierig. Wegen der internationalen Wechselwirkung in jede erdenkliche Richtung, ich erinnere: alles ist seit Mauerfall ineinandergeflossen, auch die Sicherheitsapparate, fällt dann eventuell das ganze Kartenhaus direkt zusammen und begräbt… Mehr
Das Problem bei diesem nutzlosen Artikel: Den Herrn „Löwengrub“ kann man nirgendwo dingfest machen, höchstwahrscheinlich gibt es ihn gar nicht. Die „Recherchen“ sind reine Randprobleme und haben nichts mit dem Kern der Geldwaschanlage und Politverwicklung zu tun. Hätte der imaginäre Herr „Löwengrub“ etwas Relevantes zu bieten, hätte er sich längst beim Chefermittler und prozeßstrategischen Vertreter der Geschädigten gemeldet (der Name steht öffentlich seit März 2023 zur Musterklage im Bundesanzeiger). Hat er aber nicht. Typischer TICHY-Artikel: Heiße Luft.
Was ist mit den Verbindungen zu den westlichen Geheimdiensten? Ach nee, Verschwörungstheorien.
Man könnte ja mal in den USA nachfragen… USAID, CIA oder oder….
Denn „die höheren Kreise“ dürften nur mit geringer Wahrscheinlichkeit in Europa oder der EU zu suchen bzw. zu finden sein…
Man kann auch mal fragen, auf wessen Weisung die BaFin seinerzeit ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien angeordnet hat. Aber der damalige Finanzminister wird sich garantiert nicht mehr daran erinnern können.
Die Financial Times berichtete über einen längeren Zeitraum sehr kritisch über wire card. Die BaFin, zuvor nicht durch Aktivismus aufgefallen, erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Journalisten wg. Marktmanipulation. – Gut bekannt mit wire card war auch ein Ex-Verteidigungsminister.
Immer wieder tauchen Österreicher auf, die größtmöglichen Schaden in Deutschland anrichten, oder Südtiroler wie Markus Lanz.