Volkswagen erleidet mit der Insolvenz von Northvolt einen doppelten Verlust: als Investor, der einen Milliardenbetrag abschreiben muss. Und als Autohersteller, der einen großen Teil der benötigten Speicherbatterien für seine Elektroautos von Northvolt eingeplant hatte.

Die Liste an Debakeln bei VW wird immer länger. Oder, wie es ein deutscher Fußballheroe nach verlorenem Spiel auf den Punkt brachte: „Haste Schei… am Fuß, haste Schei… am Fuß!“ (Andreas Brehme).
Das Erbe, das Ex-VW-CEO Herbert Diess im VW-Konzern hinterlassen hat, wirft immer noch lange Schatten: Mit Fehlinvestitionen in die Elektromobilität aufgrund einseitiger Konzentration auf Elektroautos; dementsprechend mit sträflicher Vernachlässigung der historischen Verbrenner-Standbeine, mit Werkschließungen und Massenentlassungen, mit Cariad und Autonomem Fahren, inhouse Elektronik-Abenteuern, mit Verlusten bei Sport-Ikone Porsche und Nobel-Marke Audi und, und, und …
Jetzt kommt als weiteres Diess-Erbe die Pleite des schwedischen Batterieherstellers Northvolt hinzu. Der Traum von eigenen Akkus für Elektroautos aus deutscher bzw. europäischer Produktion ist ausgeträumt. Northvolt ist insolvent, wird zerschlagen und trennt sich nach und nach von Geschäftsbereichen und Standorten.
Damit muss VW sein Investment in Northvolt von 1,4 Milliarden Euro abschreiben und sich überdies nach einem neuen Akku-Lieferanten umsehen – ebenso wie Porsche und Audi. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck droht auf seine letzten Tage im Amt noch der Verlust von 600 Millionen Euro an Fördermitteln des Bundes für das neue Northvolt-Akku-Werk in Heide.
Kurzgefasst: Der Wahn war kurz, die Reu ist lang.
Dabei sah alles anfangs so schön aus. 2016 wurde Northvolt von Ex-Tesla-Managern in Schweden gegründet, mit dem großen Versprechen, in Europa eine eigene Batteriefertigung ausschließlich mit grünem Strombetrieb aufblühen zu lassen. Das war Zeitgeist pur. Die Investoren standen Schlange und pumpten jeweils dreistellige Millionensummen in das Unternehmen, so etwa Goldman Sachs und Blackrock, aber eben auch Volkswagen.
Der Autoriese war unter allen Investoren mit 1,4 Milliarden Euro der größte Anteilseigner, sicherte sich 20 Prozent des Unternehmens und einen Sitz im Aufsichtsrat.
Bei dem schwedischen Startup kriselte es jedoch seit langem. Im November 2024 stellte Northvolt einen Insolvenzantrag nach US-Recht. Kurz darauf hieß es in Branchenkreisen bereits, Volkswagen habe die Bewertung seines Anteils deutlich reduziert.
Auch andere Investoren verloren nicht nur den Glauben an Northvolt, sondern auch viel Geld. Der zweite Großaktionär, Goldman Sachs, musste sein Investment – knapp 20 Prozent – in Höhe von 900 Millionen Dollar komplett abschreiben; ebenso Blackrock.
Eine Kuriosität am Rande: Wenige Monate vor der Insolvenz gab sich Goldman Sachs noch zuversichtlich und sprach davon, dass die Northvolt-Investition mehr als das Vierfache des Einkaufspreises wert sei, und in den kommenden Jahren gar auf das Sechsfache steigen würde.
Sollte es in Wolfsburg noch Hoffnungen auf einen Neustart des Batterieherstellers Northvolt gegeben haben, so haben sich diese inzwischen verflüchtigt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein wichtiger Mitgründer des insolventen Batteriezellenherstellers, der schwedische Staatsfonds AP 1-4, die Reißleine zieht und die Beteiligung an dem einstigen Vorzeigeunternehmen komplett abschreibt. Der Staatsfonds AP2 war seit 2021 an Northvolt beteiligt. Laut seiner zuletzt veröffentlichten Bilanz entfielen Anfang 2024 rund 17 Prozent der Investitionen des Fonds im Bereich Nachhaltigkeit auf Northvolt.
Die vier Fonds AP1 bis AP4 verlieren damit umgerechnet 515 Millionen Euro. Kurz vor der Insolvenz nach dem US-Recht Chapter 11 am 21. November hatte AP noch erwogen, den sich abzeichnenden Kapitalmangel durch zusätzliche Investitionen abzuwenden.
Aber nicht nur die Schweden, auch die kanadische Investment Management Corp. of Ontario (IMCO) hat dem Vernehmen nach ihr 400-Millionen-US-Dollar-Investment komplett auf null gesetzt. Ebenso der dänische Pensionsfonds ATP, der wohl die Bewertung seiner fünfprozentigen Beteiligung korrigieren muss.
Die Bundesregierung und das Land Schleswig-Holstein hatten Northvolt für den Bau einer der Gigafactory in Schleswig-Holstein gut 1,3 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, davon 600 Millionen Euro als Kredit und 700 Millionen Euro als Förderung. Gegenwärtig befindet sich am Standort lediglich eine Baustelle. Für den einstigen KfW-Kredit und dessen Zinsen bürgen der Bund und das Land Schleswig-Holstein je zur Hälfte.
Auch dieses Geld dürfte nun weg sein. Ebenso wenig wird wohl das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Rückzahlung der Förderung hoffen dürfen.
Einzig BMW hatte sich rechtzeitig aus der Zusammenarbeit mit Northvolt zurückgezogen. Die Münchner kündigten ihren Milliarden-Auftrag für deutsche Batterien bereits im Sommer 2024. Damals war abzusehen, dass der ambitionierte Zeitplan der Fertigung nicht einzuhalten war. Schon damals gab Northvolt-Chef Peter Carlsson gegenüber „Dagens industri“ zu, dass die Expansionspläne des Unternehmens „zu aggressiv“ gewesen seien. Wenig später musste Carlsson seinen Hut nehmen. Das alte Spiel: CEO weg, Geld ebenfalls.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist nichtdestotrotz optimistisch. Gegenüber dem NDR sagte er, es gebe weiterhin Gespräche mit Investoren für Northvolt. „Die schwedische Mutter hat ein technisches Problem gehabt, es gibt Interessenten, das Ding zu übernehmen. Dann können die Probleme abgestellt werden und dann könnte es auch weitergehen in Heide“, so Habeck.
Der Volkswagen-Konzern erleidet mit der Insolvenz von Northvolt einen doppelten Verlust: einmal als Investor, der einen Milliardenbetrag abschreiben muss. Und zum zweiten als Autohersteller, der einen großen Teil der benötigten Speicherbatterien für seine in noch größerer Anzahl zu produzierenden Elektroautos von Northvolt hatte beziehen wollen. Allerdings: Gemessen an den Strafzahlungen in Höhe von über 30 Milliarden Euro an die USA wegen der Dieselmanipulationen ist dieser Verlust verkraftbar.
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Da hätte man besser ein Joint Venture mit Tesla oder BYD abgeschlossen.
Wenn man das so liest, könnte man auf die Idee kommen, das die Welt Pleite ist. Kann das sein, oder wer hat jetzt das Geld?
Pleite sind sie nicht. Sie verdienen nur kein Geld und verbrennen ihr Eigenkapital.