Automobilmarkt in Bewegung – die Rückkehr der Kleinwagen

Und schon wieder dräut eine Wende heran. Diesmal keine historische politische Zeitenwende, sondern eine Trendwende am europäischen Automobilmarkt.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Valentina Stefanelli
Präsentation des neuen Dolphin Surf von BYD, Rom, Italien, 21.05.2025

In Anlehnung an Wagners Meistersinger und deren Lobeshymne: „Verachtet mir die Meister nicht, und ehret ihre Kunst“, könnte man diese Aufforderung auch auf die europäischen Autohersteller und das Kleinst- und Kleinwagensegment der A- und B-Klasse am Automobilmarkt umdeuten. Die noch vor wenigen Jahre bei allen Auto-Herstellern verpönten und deshalb peu à peu aussortierten Kleinwagen erleben zurzeit eine Wiedergeburt. Geburtshelfer sind dabei – zugegeben höchst unerwünscht – chinesische Autohersteller, die dabei sind, den europäischen Markt mit elektrischen Kleinwagen zu günstigen Preisen von unten aufzurollen.

Wer kennt nicht die Marken der im letzten Jahrzehnt aussortierten Kleinwagen in Europa: Peugeot 108, Ka, Smart, Smart fortwo, VW Up, Renault Twingo, Fiesta, demnächst Focus … die Reihe ist lang. Das sogenannte A/B-Segment wurde von Europas Herstellern in den letzten Jahren zunehmend verlassen bzw. vernachlässigt. Die Kosten für die Elektrifizierung waren hoch, die Gewinne wegen geringer Stückzahlen niedrig – also raus damit! Nur „big and luxury“ war gefragt. Im Gegensatz dazu hielt Toyota mit dem Kleinstwagen Aygo dem Einstiegssegment die Treue.

Die Gründe für die europäischen Hersteller der Kleinwagensegmente sind vielfältig – und für Controller auch nachvollziehbar, für Vertriebsfachleute eher nicht: Kostendruck durch geringe Stückzahlen sowie sinkende Margen als Folge der durch die EU geforderten Sicherheitstechnik sowie die immer schärferen Emissionsgrenzwerte hatten die Segmente unlukrativ gemacht.

In der Folge schrumpfte das Angebot im Kleinwagensegment massiv. Die Zahl der Modelle schrumpfte laut Jato Dynamics von neunzehn Modellen Anfang 2019 auf nur zehn Anfang 2024. Die fehlende Auswahl bei den Kleinstwagen trieb die durchschnittlichen Neuwagenpreise massiv in die Höhe, von durchschnittlich 12.750 Euro in 2019 auf knapp 18.400 Euro vier Jahre später.

All das ändert sich jetzt nachhaltig, überall hat laut Automobilwoche ein Umdenken eingesetzt. Der Wettbewerb macht’s möglich: Die wichtigsten Impulsgeber zum Wiedereinstieg in die Kleinstwagen-Klasse sind chinesische Hersteller mit kleinen und vor allem günstigen Elektroautos im Segment der A-Klasse. Mit Modellangeboten, wie sie kein deutscher Hersteller aktuell zu bieten hat. Und Volkswagen, dem Namen angemessen erst in 2027 mit ID.1 und ID Every.

Die chinesischen Wettbewerber wittern Morgenluft. Sie heißen BYD, Leapmotor, Xpeng etc. In den von den Europäern aufgegeben Segmenten kommen sie mit neuen kleinen Elektroautos und bringen diese zum Kampfpreis auf den Markt, auch der niedrigen Batteriepreise in China wegen.

Ende Mai präsentierte BYD den Dolphin Surf: Er kostet weniger als 20.000 Euro und soll der Türöffner zu großen Kundengruppen sein. Zusätzlich zu den günstigen Produktionsbedingungen in China hat der Autobauer weitere Vorteile: Allein die im vergangenen Jahr in China verkauften knapp 450.000 Surf/Seagull führten zu massiven Skaleneffekten.

Benchmark ist indessen Leapmotor, Partner von Stellantis, mit dem Modell T03, das bereits ein halbes Jahr früher in Deutschland mit einem Listenpreis von 18.900 Euro startete. Der T03 wird in Autohäusern von Stellantis-Marken verkauft.

Deutsche Hersteller, vor allem VW, müssen nachziehen. Auch wenn der Markt aufgrund der Preis-Explosion bei Kleinwagen in den letzten Jahren stark geschrumpft ist. Im Jahr 2009 zählte das Kraftfahrtbundesamt noch 368.000 Neuzulassungen im A-Segment, zehn Jahre später waren es noch 230.000. Im vergangenen Jahr waren es mit 80.000 Neuzulassungen noch gut ein Drittel. Grundsätzlich sind in Deutschland Fahrzeuge aus den kleinen Segmenten deutlich weniger gefragt als in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Italien oder Spanien sowie in Teilen Osteuropas.

Dennoch besteht die Hoffnung auf eine Rückkehr des Kleinwagenmarktes zu alter Stärke. Denn die Nachfrage ist zweifellos vorhanden, es fehlte bislang nur das preiswerte attraktive Angebot. Und das kommt nun eben aus China.

Allerdings begegnen deutsche Kunden den chinesischen Marken Umfragen zufolge immer noch mit einer gewissen Skepsis. VW darf also hoffen, denn der Konzern bringt bis 2027 mit dem ID.2 und ID.1 zwei kleinere attraktive Elektro-Modelle. Zu vergleichsweise günstigen Einstiegspreisen. Auch Renault arbeitet an der Rückkehr des elektrischen Twingo, der R5 steht schon bei den Händlern, ebenso der Dacia Spring. Hyundai ist bereits mit dem Inster auf dem Markt. Alles Autos in der Preislage um 20.000 Euro. Es tut sich also eine ganze Menge. „Das A-Segment wird das erste Segment in Deutschland sein, das voll elektrifiziert wird“, sagt Patrick Schulz, BYD-Vertriebschef in Deutschland.

Freunde der Elektromobiliät dürfen also hoffen. Und die Kunden sich über preiswerte Elektroautos freuen. Denn der Bedarf ist da, allein es fehlte bislang das Angebot. Und Rücksichten auf das Image nehmen Käufer, die auf solche Autos angewiesen sind, nicht.

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Kommentare ( 62 )

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62 Comments
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AM
24 Tage her

Die Chinesen werden vielleicht das Kleinwagen-BEV liefern, die Rückkehr des Kleinwagenverbrenners ist illusorisch. Neben den mannigfaltigen Sicherheitsvorschriften sorgt besonders die gewichtsabhängige Flottenverbrauchsgrenze für die Unmöglichkeit, einen Kleinwagenbenziner zu einem sinnvollen Preis anzubieten.

Letztere bedeutet, daß der Kleinwagen für sein geringeres Gewicht quasi noch bestraft wird, weil er weniger CO2 ausstoßen darf. Effektiv zahlt der Hersteller gut 3 Euro für jedes kg Masse, das er gegenüber einem schwereren Fahrzeug einspart. Das wird dann teilweise wieder durch den geringeren Verbrauch ausgeglichen, aber richtig lohnen tut sich sparen nicht. Klingt absurd? Ist aber so. Klimaschutz Made by EU.

Last edited 24 Tage her by AM
Uferlos
24 Tage her

Ich bin ein Freund der E-Mobilität, sehe aber auch, dass es grundlegende Nachteile gegenüber der Verbrenner Technik gibt. Hauptnachteil der E-Mobilität ist m.E. der Ladevorgang vs.Tankbefüllung. Man benötigt nicht nur mehr Zeit, sondern auch immer eine App incl. Smartphone oder Ladekarte. Nur EC / Kreditkarte, wie beim Tankvorgang, reicht nicht. Bargeld geht gar nicht. Die App will natürlich regelmässig aktualisiert werden, Zahlungsvorgang ebenso über die App.Günstige Strompreise sind an ein Abo gebunden, dass dann nur für ein oder wenige Anbieter gilt. Lade ich beim Fremdanbieter, wird es deutlich teurer, meist deutlich über 70 €C / KWh. Apps, Ladekarten funktionieren bei… Mehr

Peterson82
24 Tage her
Antworten an  Uferlos

kaufen Sie sich einen Tesla und ALL ihre Bedenken sind absolet. Dichtes Supercharger Ladenetz über ganz Europa. Mit die günstigsten Preise, jede Supercharger wird im Fahrzeug genau angezeigt, sogar inkl. defekten Stalls (was aber egal ist, da meist 8-24 Ladesäulen vorhanden sind) und auch kein Gehampel mit irgendwelchen Abrechnungen. Kabel anstecken, Laden startet automatisch und die Abrechnung läuft dann über Kreditkarte. Und das in ganz Europa.

Uferlos
24 Tage her

Die Kleinwagen wurden ersetzt durch stylische Fahrzeuge , die zwischen dem Kleinwagen und dem Kompaktwagen Segment angesiedelt sind. Der Mini wäre hier das beste Beispiel.
Hinzu kommt die Schwäche klassischer Kleinwagenhersteller wie Fiat. Die bekommen in West-Europa nicht mehr viel verkauft, weder Kleinwagen noch Kompaktwagen. Lediglich Renault drückt noch aktiv Kleinwagen wie den Clio in den Markt und ist damit erfolgreich.
Die Ansprüche an Größe und Komfort sind auch gestiegen, heute sind Kleinwagen nicht mehr erste Wahl bei Frauen und als Zweitwagen.

Klarofix
25 Tage her

Ohne Händler/Servicenetz werden es die Chinesen schwer haben. Wer hat schon Bock, 100km oder mehr in die nächste Werkstatt zu fahren ?

ceterum censeo
25 Tage her
Antworten an  Klarofix

Und dann die Kommunikation. Mein Mandarin beschränkt sich auf den Obstteller…

AndreasA
25 Tage her
Antworten an  Klarofix

Genau diesen Spruch habe ich gehört, als damals die Japaner auf den Markt kamen.

Uferlos
24 Tage her
Antworten an  Klarofix

Das Servicenetz greift auf bestehende Händler und Werkstätten zurück. Da gibt es auch in ländlichen Regionen genügend Servicebetriebe. Mindestens in jedem Kreis gibt es eine Fachwerkstatt.

Mausi
25 Tage her

„Die Kosten für die Elektrifizierung waren hoch, die Gewinne wegen geringer Stückzahlen niedrig – also raus damit!“ Das ist nur die halbe Wahrheit. Im Klein- und Kleinstwagen möchte der Käufer die Technik der hochpreisigen Wagen erwerben. Und das funktioniert preislich nicht. Im übrigen waren die technischen Anforderungen der EU an die Technik, die in jedem Auto verbaut werden muss, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Ein Klein(st)wagen mit E-Antrieb kann nur als Zweitwagen dienen. Und dafür wird uns demnächst das Geld und das Vermögen fehlen. Nur zu, schafft das Geld nach China. Oder zum radikalen Islam.

ceterum censeo
25 Tage her

Denn der Bedarf ist da,…“. Sorry, Herr Becker, da sprechen die Zulassungszahlen aber eine ganz andere Sprache. Außer, es wird wieder kräftig aus der Subventionskasse zugeschustert. Aber den Fehler machen wir doch sich nicht ein zweites Mal, oder?…

Mausi
25 Tage her
Antworten an  ceterum censeo

Die Subvention müsste den Strom umsonst zur Verfügung stellen. Für E-Autos und Wärmepumpen. Aber so funktioniert das bei uns nicht. Der Staat gibt nichts an Einnahmen aus der Hand, worauf er einmal die Finger hat. Also wird der Kraftstoff, das Heizöl, das Gas teuer gemacht und die Illusion erzeugt, Strom sei billig.

Klarofix
25 Tage her
Antworten an  ceterum censeo

Das ist einfach erklärt: Ohne Angebote keine Zulassungszahlen.

ceterum censeo
25 Tage her
Antworten an  Klarofix

Ach so, ich verstehe. Das Angebot war, 6000€ pro Auto plus Steuerbefreiung plus fahren auf Busspuren. Ist es das, was Sie meinen? Das Angebot an Autos können Sie nicht meinen. Das war zu Zeiten der ungerechtfertigten Zuzahlungen für Besserverdienende aus Staatskasse (dem Steuerzahler!) nicht so viel anders. Die Zulassungszahlen sind – seltsam, seltsam – mit den abgeschafften Subventionen zeitgleich in den Keller gerauscht. Kausalzusammenhänge sind da sicher nur rein zufällig…

Paprikakartoffel
25 Tage her

Gibt’s das auch in Verbrenner? Strom kann der typische Mieter & Kleinwageninteressent im Hochstrompreisland D nicht gebrauchen.

Emsfranke
25 Tage her

Verursacht durch fortwährend aktualisierte Beobachtungen gewinne ich zunehmend den Eindruck, daß Automobile renommierter deutscher Hersteller, wegen der gehobenen bzw. hohen Preislage, nur noch an sog. Betreuer der Indoor-/Outdoordamenwelt, Betäubungsmittelgroßhändler oder geschäftige Vertreter der Zuwanderungszunft verkauft werden können.

W aus der Diaspora
25 Tage her

Oh toll – Mit dem E-Auto darf ich in diversen Parkhäusern nicht parken, soll so ein Auto aber daheim in die Garage, die Teil des Hauses ist, stellen?

Ich habe nicht vor das Haus warm zu sanieren!

In meine Garage kommt nur ein Verbrenner – der verbrennt Sprit und nicht das Haus 🙂

Rasparis
25 Tage her
Antworten an  W aus der Diaspora

Wir sind dieses WE,da der Beitrag hier erscheint und ich diesen lese, einmal wieder in Thüringen mit dem von meinen Vater nachgelassenen und mittlerweile mit Kz.“H“-Saison zugelassenen BMW 750i E 32 aus 1990 zu einem Oldie-Treffen unterwegs. Mein Vater hatte das Auto 1991 als Jahreswagen von BMW gekauft hing so sehr an dem Auto, daß er es trotz horrender Unterhaltskosten bis zum gesundheitsbedingten Eintritt der Fahrunfähigkeit im Jahr 2021 30 Jahre lang als „Daily Driver“ gefahren und penibel erhalten hat, seit dem Jahr 2001 allerdings nur noch mit Saisonkennzeichen im Frühjahr und Sommer -aber immer noch im Alltagsgebrauch- bewegte. Ich… Mehr

Last edited 25 Tage her by Rasparis
W aus der Diaspora
24 Tage her
Antworten an  Rasparis

Ich würde ihrem Kommentar gerne mehr als nur einen Daumen hoch gegen, geht leider nicht.

Sehr gut geschrieben und so wahr!
Ich selbst hatte zwar noch nie so ein tolles Auto – musste mich immer mit Kleinwagen begnügen – aber ich fand dieses Röhren der großen Motoren schon immer herrlich.
Irgendwann wird es solche Autos wieder geben, dann vielleicht nur als Hobby gefahren, aber für solche Zwecke werden die wieder gebaut werden.

Rasparis
24 Tage her
Antworten an  W aus der Diaspora

Gemeint oben Prof. Indra, langjähriger Motoren-Chefentwickler von Opel (zuvor bei Alpina).
Prof. Fiala hat sich allerdings auch -als Sicherheitsentwickler von Mercedes und späterer Chefentwickler von VW sowie langjähriger Professor an der TU-Berlin mit mehr als 100 Patenten- eingehend mit verschiedenen Antriebsarten befaßt; auch mit Wankel- und e-Motoren schon in den 1970er Jahren (Elektro-Golf I von 1976)..

Peterson82
24 Tage her
Antworten an  W aus der Diaspora

Gerichte haben diese ganzen E-Auto Verbote in Tiefgaragen längst schon wieder gekippt weil sie willkürlich sind und nicht auf Fakten basieren. Die Wahrscheinlichkeit dass ihr Verbrenner den sie mit dreistelligen Temperaturen an Kat, Krümmer oder anderen Bauteilen im Motorraum in die Garage abstellen hat ein höheres Risiko als das E-Auto. Aber da bekommen Sie wahrscheinlich auch keine Schweissperlen wenn sie den Verbrenner abstellen.

Sperrdifferential
25 Tage her

Danke für diesen schönen Klima-Wende-Werbeartikel. Bitte noch Führerschein-Tipps für Geflüchtete und Hinweise, welche LGBTQ+-Label sich mit dem CO2-frei hergestellten Lack der woken Stromer am besten vertragen.

Guzzi_Cali_2
25 Tage her
Antworten an  Sperrdifferential

Genau so sehe ich das auch. Der Autor liefert einmal mehr den schlagenden Beweis, daß Bildung und Verstand selten deckungsgleich sind. Und daß Leute mit akademischen Graden deutlich eher zu linksgrün neigen, als Leute, die ihr Geld mit Hände Arbeit verdienen.