Wahlen in unruhiger Zeit

Das Wahlergebnis entspricht bis auf kleinere Abweichungen den Umfrageergebnissen der letzten Wochen. Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.

picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl war innen- wie außenpolitisch viel Dampf im Kessel. Die auf 82,5 Prozent (+6,1) gestiegene Wahlbeteiligung drückt aus, dass es für deutlich mehr Wähler als bei den letzten Bundestagswahlen um wichtige Themen ging.

Das Wahlergebnis entspricht bis auf kleinere Abweichungen den Umfrageergebnissen der letzten Wochen. Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.

Wie erwartet wurde die CDU/CSU (28,5 Prozent; +4,4) stärkste Partei. Ihr Spitzenkandidat Friedrich Merz hat damit den Auftrag zur Regierungsbildung. Unionsintern verbesserten sich CDU (22,6 Prozent; +3,6) und CSU (6,0 Prozent; +0,8). Strahlende Sieger sehen aber anders aus. Die Unionsparteien verpassten das unausgesprochene Ziel der 30-Prozent-Marke. Auch gelang es ihnen nicht, den schon lange sichtbaren spektakulären Aufschwung der AfD (20,8 Prozent; +10,4) zu verhindern, die ihr Ergebnis von 2021 verdoppeln konnte.

Wie erwartet mussten die Ampelparteien eine krachende Niederlage hinnehmen. SPD (16,4 Prozent; -9,3), GRÜNE (11,6 Prozent; -3,1) und FDP (4,3 Prozent; -7,1) verloren insgesamt fast 20 Prozentpunkte. Die Unzufriedenheit mit den Leistungen der abgewählten Bundesregierung und ihrem Spitzenpersonal fiel damit sehr deutlich aus.

Dass die LINKE (8,8 Prozent; +3,9) nach der Abspaltung des BSW wieder in den Bundestag kommen würde, war lange Zeit bezweifelt worden. Die Umfragen der letzten Wochen hatten jedoch eine ständige Verbesserung gezeigt, sodass an einem Wiedereinzug zuletzt keine Zweifel bestanden. Als Gründe für den Erfolg der LINKE werden eine Reaktion „links“ eingestellter Wähler auf die starke Zunahme der AfD genannt, aber auch ein wohl sehr erfolgreicher Wahlkampf in den sozialen Medien. Offensichtlich hat die LINKE auch davon profitiert, dass in naher Zukunft vor allem von der absehbar „wieder Regierungspartei“ SPD, aber auch von den Grünen, eine engagierte linke Politik nicht mehr erwartet wird.

Vor der Wahl war fraglich, ob FDP und BSW, beide oder eine dieser Parteien die 5-Prozent-Hürde überspringen würden. Im Falle des BSW blieb diese Frage lange offen, letztlich scheiterte die Partei mit 4,97 Prozent knapp, wobei 13.700 Stimmen als Differenz zu glatten 5 Prozent genannt werden. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Forderung des BSW, das Ergebnis zu überprüfen, erfolgreich sein wird.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Dass nun zum zweiten Mal der Regierungsauftrag an eine Partei geht, die weniger als 30 Prozent der Wählerstimmen erhalten hat, wäre noch vor 10 Jahren kaum vorstellbar gewesen. Aber der soziale Wandel hat die Stammwähler reduziert und die potentiellen Wechselwähler dafür sensibilisiert, wie die politischen Themen vom politischen Spitzenpersonal bearbeitet werden. Bemerkenswert ist aber auch, dass sich fast 14 Prozent der Wähler für ausgesprochen „linke“ Parteien entschieden haben, die politischen Ränder breiter geworden sind und die Mitte schlanker.

Was folgt aus dem Wahlergebnis?

Vor allem die Wähler der Unionsparteien, der AfD und der LINKE wollen einen Politikwechsel. Aber wie soll das geschehen? Aus dem Wahlergebnis folgt der Auftrag zur Regierungsbildung für Friedrich Merz und die Unionsparteien. Da FDP und BSW an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind, genügen zwei Parteien, um eine Regierungsmehrheit zu erreichen. Da Friedrich Merz vor der Wahl eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat, kommt nur eine Koalition aus CDU/CSU und SPD in Frage. Dass die Sozialdemokraten, nachdem sie gerade als bisher führende Regierungspartei der Ampel gescheitert sind, direkt wieder als Koalitionspartner der CDU/CSU gebraucht werden, ist eine Herausforderung der besonderen Art und wäre das auch für jede andere Partei. Wie glaubwürdig kann ein Politikwechsel unter diesen Umständen sein?

Die Themen, die den Wahlkampf bestimmten, sind schon längere Zeit bekannt:

• Reduzierung der illegalen Migration
• Wirtschaftswachstum
• Senkung der Energiepreise
• Senkung der Kosten der Lebenshaltung
• Begrenzung der Mietpreise
• Wohnungsbau

Die Liste ließe sich noch verlängern, wobei aufgrund der veränderten außenpolitischen Lage der Verstärkung der Verteidigungsbereitschaft eine besondere Bedeutung zukommt.

Die meisten der angeführten Themen sind für Mehrheiten der CDU/CSU-Wählerschaft und der Anhänger der AfD, aber auch für große Gruppen in allen anderen Parteilagern von größter Bedeutung. Inwieweit es der noch zu bildenden Koalitionsregierung gelingen wird, diese Herausforderungen so zu bearbeiten, dass die Mehrheit der Wähler einen Politikwechsel empfindet, wird darüber entscheiden, ob AfD und LINKE noch stärker werden.

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Kommentare ( 11 )

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Egozentrik
19 Tage her

„Das Wahlergebnis entspricht bis auf kleinere Abweichungen den Umfrageergebnissen der letzten Wochen. Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.“ So eindeutig ist die Schlussfolgerung nicht! Das kann mindestens Zweierlei bedeuten, wenn nicht noch mehr: ENTWEDER arbeiten die Umfrage-Institute hervorragend ODER die Vorhersagen UND die Wahlergebnisse sind „gescripted“, also vorherbestimmt und damit manipuliert. Das braucht nicht einmal im Kreis- bzw. Landesbereich zu sein. Das kann vor allem erst auf Bundesebene geschehen. Oder hat sich jemand einmal die Mühe gemacht, alle Stimmenanzahlen von der Kreisebene über die Landesebene zur Bundesebene nachzuverfolgen? In einigen veröffentlichten Fällen konnten schon… Mehr

Dundee
20 Tage her

Ich glaube das Wahlergebnis nicht. Als Statistiker kann ich gefälschte Zahlen riechen. Die AfD erreichte bei der letzten Wahl 10,4%. Und nun genau 10,4% mehr als bei der letzten Wahl! Ja klar! Die AfD Wähler der letzten Wahl haben alle eine Persönlichkeitsspaltung durchlebt und konnten dadurch diesmal zwei Stimmen abgeben – oder wie soll das gelaufen sein? Die CDU hat genau 4,4% dazu gewonnen. Also 6% weniger als die AfD. Die Summe dieser beiden Zahlen ergibt – oh Wunder – Trommelwirbel – 10,4% Da wird nicht nur gefälscht! Der Fälscher ist auch noch Zwangsneurotiker, der wohl am 10ten April Geburtstag… Mehr

Last edited 20 Tage her by Dundee
Retlapsneklow
20 Tage her

Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.

Aber vielleicht hat er wirksame Änderungen verhindert. Die Lage, die nach Veränderungen schreit, wurde verfestigt.

Laut Umfrage wären 41% für ein Verbot der AfD, was im Unterschied, sie lediglich demokratisch nicht zu wählen, absolutistische, undemokratische Züge enthält.

Diese Zahl von 41% deckt sich fast genau mit den Wahlergebnissen des linken Blocks (Summe aus: SPD, Grüne, Linke, BSW). Für mich wird Extremismus an Intoleranz gemessen.

Peewee_Bretzelmann
20 Tage her

Ich möchte ergänzen, das es doch sehr viele Hinweise auf Wahlfälschung gibt. Es gibt massive Unterschiede in NRW zwischen Landesbehörde und Bundesbehörde Video ging viral). Tausende AFD Stimmen gefunden teils schon im Fluss treibend. Dazu 216.000 im Ausland lebende Deutsche, die keine oder nicht rechtzeitig Ihre Wahlunterlagen bekamen, wie auch Briefwahlstimmen die erst am Montag eingegangen sind. Zu guter Letzt zeigen die Wabeo (Wahlbeobachtung, wabeo.de) Ergebnisse exorbitante Abweichungen an. Wie ist das zu werten und warum wird darüber nicht berichtet? Von den offiziellen Wahleinmischungen durch Regierende wie in Hamburg, sämtliche NGO´s und auch durch den ÖR wie auch die gekauften… Mehr

Dr. Muck
20 Tage her

Wie schon bei den letzten Wahlen und etwa auch bei der Landtagswahl in Thüringen, wird der Wählerwille geflissentlich ignoriert, weil es den „Etablierten“ nicht in den Kram passt. Ginge es nach dem Wahlergebnis, müsste es eine schwarz-blaue-Koalition geben, die eine „satte“ Mehrheit und damit die Macht zu einem echten Politikwechsel hätte. Stattdessen strebt Herr Merz eine Koalition ausgerechnet mit der Partei an, die der Wähler am meisten abgestraft hat, also auf keinen Fall mehr in der Regierung sehen will. Ebenso wie in Thüringen, regieren dann die Wahlverlierer mit dem Argument, man hätte ja zusammen die „demokratische Mehrheit“. Was für ein… Mehr

jwe
20 Tage her

Ich bin mal gespannt, wie der neue Bundestag mit der stark vergrößerten Afd umgeht. Wir man der Partei wieder den BUndestags-Vize vorenthalten? Wird man wieder die Ausschuss-Vorsitze mit AFD zugriff nicht wählen und dann aus eigenen Reihen den Ausschuss-Vize küren, der dann den Vorsitz übernimmt?
Wo vor haben die Altparteien so große Angst? Um ihre Demokratie sicher nicht; vielleicht davor, dass die AFD manches besser machen könnte und sie (die Altparteien) dann ziemlich alt und undemokratisch aussehen könnten?
Versucht man die AFD wieder auszuschließen, werden die nächsten Wahlen noch drastischer zugunsten der Blauen ausfallen.

radices castri
20 Tage her

Die Wahlen sind im Grunde sehr bürgerlich-konservativ-demokratisch ausgegangen: Eine kluge Frau wie Sahra Wagenknecht musste draußen bleiben, damit die fanatischen Grünen ebenfalls draußenbleiben. Schwarz-Grün wäre das größte Übel gewesen, Rot-Schwarz nur das zweitübelste. Die Chancen auf eine gutbürgerliche Renaissance sind gestiegen, vielleicht sogar auf Schwarz-Blau. Noch hätte Merz dort die Überhand. Und Sahra würde sozial wieder gebraucht als gute Opposition, sicher nicht die Linken. Und die SPD sowieso nicht. Und noch ein Nein: Von der FDP spreche ich nicht, niemals mehr. Wenn schon liberal, dann Milei. Aber das, was der geniale deutsche Tüftler braucht, hat er – politisch – noch… Mehr

Last edited 20 Tage her by radices castri
Kampfkater1969
20 Tage her

Es ist anscheinend noch nicht bemerkt worden, dass bei den letzten Wahlen gerade die Regierungsparteien teils massive Verluste hinnehmen mussten. Die SPD sollte darüber nachdenken, ob sie eine Halbierung ihrer Wähler bei der nächsten Wahl verkraftet.

imapact
20 Tage her

Ich denke, die meisten Wähler hatten ihre Entscheidung schon lange vorher getroffen. Die nichtssagenden Wahlplakate oder Fernsehinszenierungen könnten die vorgefasste Einstellung nicht ändern. Erstaunlich ist, daß die AfD vom bescheidenen Abschneiden der Union nicht profitieren könnte, ebensowenig wie Union und AfD vom schlechten Ergebnis der FDP. Auch die jüngsten Terrorattacken haben sich nicht auf die abgestumpften Gemüter ausgewirkt. Oder würde am Ende beim Auszählen etwas „nachgebessert“?

ekki
20 Tage her
Antworten an  imapact

ich würde heute nichts ausschliessen…leider. den stramm linken ist traditionell und aktuell kaum etwas heilig, um an der macht zu bleiben.

Dieter Rose
20 Tage her

Merz: „Ist mir doch egal, was der Wähler sagt!“ Gelehriger Schüler von Mutti – trotz allem.