Die Reaktion von Grünen und SPD auf die geplatzte Verfassungsrichter-Wahl zeigt: Dieses Milieu akzeptiert Wahlen und Abstimmungen nur dann, wenn sie die gewünschten Ergebnisse liefern. Darin liegt der Sinn der Wendung „unsere Demokratie".

Glaubt man den hocherregten Wortmeldungen von Politikern der Grünen und der SPD, dann erlebt die Republik gerade einen Skandal von gigantischem Ausmaß. Die Fraktionschefin der Grünen Britta Haßelmann machte ein „Desaster“ aus, das Parlament und Bundesverfassungsgericht ihrer Meinung nach schwer beschädigt. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch beklagt eine „bewusste Demontage“ des höchsten deutschen Gerichts und „demokratischer Institutionen“. Ganz ähnlich äußerte sich auch die zweite und dritte Reihe der beiden Parteien. Dort sieht man – wieder einmal – die Demokratie wanken. Haßelmann rief ins Bundestagsplenum: „Frauen der Republik, wehrt euch.“ Wogegen?
In der letzten Woche meldeten sich eine Reihe von Unionsabgeordneten bei Fraktionschef Jens Spahn, um ihm mitzuteilen, dass sie die Verfassungsrichterin-Kandidatin der SPD Frauke Brosius-Gersdorf nicht wählen würden. Da die Wahl von Bundesverfassungsrichtern eine Zweidrittelmehrheit erfordert, sagten Union und SPD die für Donnerstag geplante Kür ab. Die Ungeheuerlichkeit aus Sicht von Grünen und SPD besteht also darin, dass Unionsabgeordnete von der Freiheit ihres Mandats Gebrauch machten, als sie ihre Ablehnung von Brosius-Gersdorf signalisierten.
Für die Ablehnung von Brosius-Gersdorf lieferte die Professorin selbst gleich mehrere Gründe. Sie spricht sich beispielsweise für „Parität“ aus, also für eine gesetzliche Regelung, die Parteien vorschreibt, bei ihrer Kandidatenaufstellung für Parlamentswahlen eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent einzuhalten. Bisher beurteilten zwei Landesverfassungsgerichte – Brandenburg und Thüringen – entsprechende Gesetzesvorlagen als klar verfassungswidrig. Auf Bundesebene sähe das nicht anders aus.
In einer Talkshow nur wenige Tage vor der terminierten Richterwahl im Bundestag erklärte Brosius-Gersdorf außerdem freimütig, ein Verbot der AfD wäre ein „ganz starkes Signal“, auch wenn das die Anhänger der Partei nicht „beseitigen“ könnte. Die Juristin würde im Fall ihrer Wahl dem 2. Senat in Karlsruhe angehören, der, sollte es einen entsprechenden Antrag geben, über ein AfD-Verbot urteilen müsste. Dass sich ein Verfassungsgerichtskandidat oder -Kandidatin derart parteiisch zu einer Sache äußert, die demnächst auf dem Richtertisch landen könnte, gab es bisher noch nie. Spätestens an diesem Punkt hätte die SPD gut daran getan, der haltungs- und mitteilungsfreudigen Bewerberin den Rückzug nahezulegen.
Einer Wissenschaftlerin steht es frei, sich mit ihrer Rechtsmeinung frontal gegen das Bundesverfassungsgericht zu stellen. Nur gehört sie dann eben nicht nach Karlsruhe. Die Unionsabgeordneten, die Brosius-Gersdorf nicht wählen wollen, können sich also in erster Linie auf das Grundgesetz und die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen – und erst an zweiter Stelle darauf, dass sich dessen Entscheidungen auch mit der (bisherigen) Meinung der Unionsparteien decken. Dass der Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz diese Position mit seinem ‚Ja‘ auf die Frage, ob er die SPD-Kandidatin wählen würde, neuerdings in Frage stellte, bindet nicht die einzelnen Abgeordneten, die hier eine Gewissensfrage eben anders beantworten.
Mit ihrer mehrfach wiederholten Wendung, Spahn habe seine Fraktion „nicht im Griff“, zeigen die Grünen, was sie vom freien Abgeordnetenmandat halten: nichts, falls Parlamentarier es benutzen, um anders zu entscheiden, als die linken Fraktionen es erwarten. Es fällt auf, dass bisher niemand bei Grünen und SPD auf die sachlichen Gründe der Ablehnung eingeht. Eine Verfassungsrichterin in spe, die sich in einem zentralen Punkt gegen Verfassung und Rechtsprechung stellt – offenbar kein Problem für das Linkslager. Abgeordnete, die hier eine rote Linie sehen – ein Skandal. Und nicht nur das: Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner erklärte im Anklagemodus, es könne nicht sein, dass eine Richterkandidatin „wie Freiwild durch die Manege“ geführt werde. Abgesehen von der wirren Diktion – Freiwild läuft nicht durch eine Manege – hält Brantner es also für empörend, dass überhaupt eine öffentliche Diskussion über Verfassungsgerichtsbewerber stattfindet, wozu es auch gehört, dass Leute nachlesen, wozu und wie sie sich in der Vergangenheit äußerten.
Offenbar sieht das ideale demokratische Prozedere für sie, Haßelmann, Miersch und andere so aus, dass ein kleiner Kreis die Personalien entscheidet, Abgeordnete das Ergebnis gefälligst abnicken, und die Öffentlichkeit kommentarlos zur Kenntnis nimmt, wer demnächst für 12 Jahre in Karlsruhe Recht spricht. Dass die Grünen Anfang 2025 dem von der CDU für das Verfassungsgericht vorgeschlagenen Richter am Bundesverwaltungsgericht Robert Seegmüller schon im Vorfeld die Zustimmung begründungslos verweigerten, halten die Haßelmanns und Dröges andererseits für ihr selbstverständliches Vorrecht.
In diesen Tagen zeigt sich ein altbekanntes Phänomen, nur eben in einer besonderen Schärfe: das Problem der Linken mit demokratischen Vorgängen und Institutionen. Sie akzeptieren beide im Grunde nur dann, wenn sie die gewünschten Ergebnisse produzieren. In früheren Jahren zeigten sich die Grünen sehr angetan von dem Instrument der Volksabstimmung. Als dann eine ganze Reihe von Plebisziten nicht so ausgingen wie gewünscht – beispielsweise in Hamburg zur gegliederten Schulform, in Dresden zum Bau der von den Grünen bekämpften Waldschlößchenbrücke –, erlosch die Liebe der Partei zur direkten Demokratie ziemlich schnell. Stattdessen begeistern sich Grüne, SPD und Linkspartei heute für intransparent ausgeloste „Bürgerräte“, die unter Aufsicht einseitig zusammengestellter Experten zu vorgegebenen Themen beraten und wundersamerweise am Ende so ziemlich genau das beschließen, was schon in den linken Parteiprogrammen steht. Gibt es die passende Mehrheit im Parlament nicht, so lautet das dahinterstehende Motto, schaffen wir uns eben Pseudoparlamente – von keinem gewählt, und genau deshalb sehr zuverlässig.
Nicht nur in Deutschland findet das linke Lager Gefallen an der Idee, über politisierte Höchstgerichte zu erreichen, wofür sich an der Urne keine Mehrheiten finden. Am weitesten geht diese Entwicklung derzeit in Brasilien. Aber auch im EU-Land Rumänien griff das Verfassungsgericht bekanntlich tief in die Präsidentschaftswahl ein.
Die zweite Richterinnenkandidatin der SPD Ann-Katrin Kaufhold erklärte vor einiger Zeit, Verfassungsgerichte könnten und sollten „unpopuläre Maßnahmen anordnen“, beispielsweise zur Reduzierung von CO2. Kaufholds Begründung: Gerichte müssten schließlich nicht auf Wählermehrheiten achten.
An der vorerst geplatzten Richterwahl gibt es drei positive Aspekte. Erstens zeigt sich in aller Deutlichkeit und weit über diesen Fall hinaus, wie sehr der Respekt der Linken für Abstimmungen davon abhängt, ob sie ihren Willen bekommen. Zweitens fällt es jetzt einer größeren Öffentlichkeit auf, was „Politisierung der Justiz“ konkret bedeutet. Und drittens dürften sich deshalb in Zukunft mehr Bürger als bisher für die Wahl von Verfassungsrichtern interessieren.
Das wäre ein Gewinn für die Demokratie – und zwar für die Originalversion ohne sprachliche Zusätze.
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Was muss denn noch alles geschehen, damit sich der sogenannte Verfassungsschutz die Grünen vornimmt und als „gesichert linksextrem“ einstuft? Diese Partei ist eine Gefahr für die Demokratie, wie dieser Artikel eindrucksvoll bestätigt.
„Dort sieht man – wieder einmal – die Demokratie wanken. Haßelmann rief ins Bundestagsplenum: „Frauen der Republik, wehrt euch.“ Wogegen?“ Sehr einfach. Das Denken und Handeln einer Frau wurde kritisiert. Allein das ist ein absolutes NoGo in der heutigen linken Zeit.
Merke: 1. Frauen machen immer alles richtig und keine Äußerung, Haltung oder Entscheidung darf jemals in Frage gestellt werden, außer sie ist rechts. 2. Sollte dies einmal wider Erwarten nicht der Fall sein, gilt automatisch Regel Nummer 1.
Das Leben kann so einfach sein.
Linke Gesellschaftsingenieure und Demokratie ist schon ein Widerspruch in sich! Was blieb denn von der tollen versprochenen Mandatsrotation und der Deckelung der persönlichen Diäten in den Anfangsjahren der Grünen übrig? Der blaue Brioni Anzug fand der ehemalige Taxifahrer, Steinewerfer und EX AM Fischer dann auch schicker als ein blauer „Sun-Yat-sen-Anzug“, Mao Anzug! Wandlitz lässt grüssen. Die vereinigten linken Funktionäre im Bundestag gebären sich wie eine innerstaatliche EU, die sich erdreistet, übergriffig im Namen eines grossen Ganzen gegen die Mehrheit der Bevölkerung ihre Dogmen als einzig geltendes Glaubensbekenntnis durchzudrücken. Widerspruch unzulässig! Wie Luisa Neubauer mal so treffend erklärte: „die Demokratie ist… Mehr
Zur Klarstellung: Die sogenannte „Demokratie“ ist Chiffre für „Kommunismus“, das bedeutet, dass sie durch Kommunisten eingeführt wurde (https://www.youtube.com/watch?v=_6g7k-18dJI), um dadurch die christliche Gesellschaftsordnung mit deren Werten und den daraus speisenden Normen in der Heimat des indigenen Deutschen Volkes zu Fall zu bringen, wofür sie der Deutschen Nation auch zwei sogenannte „Weltkriege“ oktroyieren (https://www.youtube.com/watch?v=oq2XwKI1t4M)! Für jenen Sachverhalt müssen die Autochthonen endlich Verständnis aufbringen, das notwendig ist, um die sogenannte „Demokratie“ der Kommunisten zu annullieren, das wiederum Voraussetzung ist, dass der seit Jahrhunderten währende kommunistische Terror gegen unsere Heimat beenden wird!
„In diesen Tagen zeigt sich ein altbekanntes Phänomen, nur eben in einer besonderen Schärfe: das Problem der Linken mit demokratischen Vorgängen und Institutionen.“ – Ein enger Freund formulierte es einmal so: die Grünen sind für die freie Meinungsäußerung – aber nicht die der „Anderen“. Bei der jetztigen Entwicklung ist es bis zu Idi Amins Spruch „Ich kann die Freiheit der Rede garantieren – aber nicht die Freiheit nach der Rede“ nicht mehr weit.
Frau Dr. Kaufhold: Verfassungsgerichte sollten „unpopuläre Maßnahmen anordnen“.
Da hab ich in der Schule bei Montesquieu/Gewaltenteilung wohl nicht richtig aufgepaßt. Dachte bisher immer: In Karlsruhe sitzt die Judikative, das BVG, und prüft die Konformität mit dem GG. Die Legislative im Berliner Parlament ordnet mit Gesetzen an. Bin aber lernfähig.
@ Redaktion: ich denke, hier ist Ihnen ein Fehler unterlaufen. Das sollte nicht sein! Frau Brosius-Gersdorf hat sich zwar in einer Talkshow geäußert, aber an 25. Juli 2024 (Markus Lanz vom 25. Juli 2024). Also lange, bevor sie als Verfassungsrichterin benannt worden war, und keineswegs „wenige Tage vor der Richterwahl“. Sie hat sich außerdem nur für einen Verbotsantrag ausgesprochen, wenn „ausreichend Material“ die Verfassungsfeindlichkeit der AFD belegen sollte; das unsägliche Verfassungsschutzgutachen (das den Mangel solchen Materials offenkundig macht) war damals noch nicht in der Welt.
Ich frage mich, warum (wie ein Leser hier schrieb) Brosius-Gersdorf eigentlich eine öffentliche Bewerbung nachreichen darf inklusive exklusivem Vorstellungsgespräch bei der Union?
Die Frau möchte ein öffentliches Amt bekleiden. Das Privileg eines exklusiven Vorstellungsgesprächs ist meines Wissens nicht für öffentliche Ämter vorgesehen oder erlaubt. Wenn sie sich vorstellen darf bei den Abgeordneten, dann müsste es auch jeder andere Bewerber mit vergleichbarer Qualifikation tun dürfen. Was ist das überhaupt für eine verfassungswidrige Amtsvergabe?
Wie immer, nur das erstmalig darüber geschrieben wurde.
Genau, sie haben s sooft so durchgezogen, und stehen jetzt etwas belämmert da. Warum komm ich nicht durch? Computer sagt NEIN. Wie, war doch immer so vorher, warum jetzt nicht? Äh -keine Ahnung. Schick mal den Anwalt vor. Murkselland wie in Spitting Image The Krauts Edition
Wann beginnt der ideologische Wahn, mit der Beseitigung der AFD Anhängerschaft? Oder eben doch schon früher? Stände im folgenden Dokument nicht das promovierte, habilitierte Juristenpaar Gersdorf als Absender, ginge es höchstens als Spekulation eines x-beliebigen Stammtisch durch:
https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/lehrstuhl-brosius-gersdorf/Dokumente/Aktuelles/Stellungnahme_zur_Einführung_einer_allgemeinen_Impfpflicht.pdf
Es gab genug Gründe, die Bewerbung von vornherein abzulehnen. Nun geht es auf große PR-Tour und das Gezicke samt Opferstatus geht erst richtig los. So kennt man das ultralinke Spektrum, das vordergründig mit großen Kinderaugen in rosa aufmarschiert. Es dürfte klar sein, von allein verzichtet die nicht. Schließlich glaubt sie vermutlich heute noch an das, was sie oben mit dem Gatten fabulierte.
Ob die Frauen Brosius-Gersdorf und Kaufhold – in memoriam Carl Schmitt entfallen die akademischen Titel – linksextremistisch-kulturkämpferische Ausnahmen sind, oder eher die Classe politique repräsentieren, mögen Leser entscheiden. Unzweifelhaft richtet jene Causa den Fokus auf Hannah Arendts Diktum »Wenn der Bezug zur Wirklichkeit verloren geht, ist alles möglich.« Höhepunkte hierfür sind die abstruse öffentliche Erklärung Brosius-Gersdorfs, welche wahlweise juristische Hochschullehrer oder die juristische Profession in toto disqualifiziert, wie auch die Anklage der Grünen-Vors. Brantner, derzufolge es nicht angehe, eine Kandidatin „wie Freiwild durch die Manege“ zu führen. Richtig kommentierte A. Wendt jene „wirre Diktion – Freiwild läuft nicht durch die… Mehr
Richtig sie (diese Linken) haben eigentlich von gar nix eine Ahnung, aber darum kommen sie im Murkselland ja so weit nach oben…