SPD und CDU interpretieren den Koalitionsvertrag in Sachen Paragraph 218 vollkommen unterschiedlich. Wieder einmal zeigt sich hier Merz' Strategie, seine Äußerungen jeweils an das anzupassen, was machttaktisch nützlich erscheint. In der Union sorgt das für Unruhe.

Bei den aktuellen koalitionsinternen Streitereien geht es nicht nur um die Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin. Es geht vielmehr grundsätzlich um den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches und die Auslegung des Koalitionsvertrages in dieser Sache.
Aktuell gilt in Deutschland, dass Abtreibungen rechtswidrig sind, in den ersten zwölf Wochen aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben. Der Koalitionsvertrag bleibt hier vage, wird aber mittlerweile von den Koalitionspartern unterschiedlich ausgelegt. Auf Seite 102 des Koalitionsvertrages steht unter der Überschrift „Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen“: „Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen. Für Frauen in Konfliktsituationen wollen wir den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.“
Zwei Lesarten des Koalitionsvertrags
Bei der CDU/CSU heißt es dazu: „Eine Veränderung bei Paragraph 218 ist nicht vereinbart und stünde im klaren Widerspruch zur Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Ungeborenen und zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes“. So sagte es jedefalls die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker gegenüber der Welt.
Ganz anders klingt das bei der SPD. „Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen über die aktuelle Regelung hinaus erweitern. Für mich bedeutet das, dass wir diese zu einer Kassenleistung machen wollen.“, so SPD-Rechtsexpertin Carmen Wegge. «Dafür wäre es tatsächlich erforderlich, den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren, weil rechtswidrige Eingriffe nicht über die Krankenkassen finanziert werden können.“ Letzterer Lesart schloss sich die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf an.
Die Union weist diese Interpretation zurück: Mit der Formulierung sei lediglich die Verbesserung der finanziellen Unterstützung für bedürftige Frauen gemeint, so Winkelmeier-Becker. „Bei geringem Einkommen werden die Kosten schon heute von den Bundesländern aus Steuermitteln übernommen. In dem Antragsverfahren sind die Krankenkassen das Scharnier, sie leiten die Anträge an die staatlichen Stellen weiter.“ Nichts anderes sei gemeint, wenn von einer Erweiterung der Kostenübernahme die Rede sei.
Wegge widerspricht postwendend. Mit ihrem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf, Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase zu legalisieren, hätten sich SPD, Grüne und Linke vor der Bundestagswahl zwar nicht durchsetzen können – auch weil die Zeit gefehlt habe. CDU-Chef Friedrich Merz habe aber im Zuge der Debatte gesagt, dass er dazu bereit sei, nach der Wahl über eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu reden. „Daran werden wir ihn auch messen.“
Die Erwartungen und der Erfolg der SPD-Frauen
Was die SPD-Lesart betrifft, sollte man bedenken, mit welcher Vehemenz SPD-Frauen in die Koalitionsverhandlungen im März und April 2025 gegangen waren. Sie verlangten als Bedingung für die Zustimmung zu einer Koalition die Anpassung des Paragraphen §218. In einem offenen Brief an die SPD-Parteispitze schrieb die Bundesvorsitzende der SPD-Frauen, Ulrike Häfner, eine Reform der Regelungen nach Paragraph 218 StGB sei „essenziell für einen künftigen Koalitionsvertrag von Union und SPD“. „Eine Nicht-Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wäre ein Stillstand, den wir so nicht mehr akzeptieren“, so Häfner. „Die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper muss für die SPD eine rote Linie sein.“ Mit der möglichen Übernahme der Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkassen haben sie in diesem Sinn eine Tür zur Legalisierung eines Schwangerschaftsabbruchs geöffnet bekommen.
Merz im Juli 2025
Der Bundeskanzler hatte am 18. Juli bei seiner Sommerpressekonferenz gesagt, die Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag sollten ohne Abstriche kommen. „Welche Rechtsfolgen das hat, möglicherweise auch auf den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches, kann ich jetzt nicht abschließend beurteilen“, so der Kanzler. Er wies darauf hin, dass Schwangerschaftsabbrüche derzeit rechtswidrig seien, aber unter bestimmten Umständen straffrei blieben. «Ob diese Konstruktion geändert werden muss, wenn wir im Sozialrecht und im Krankenkassenrecht etwas ändern, vermag ich im Augenblick nicht zu beantworten. Meine Vermutung ist, wir werden daran, jedenfalls deswegen, nichts ändern müssen», so Merz.
Doch bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Union sich tatsächlich entgegen ihrer bisherigen Haltung in den Verhandlungen mit der SPD über den Koalitionsvertrag auf eine Legalisierung von Abtreibungen in der Frühschwangerschaft eingelassen hat, wie Brosius-Gersdorf meint? Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geriet angesichts dieser Frage ins Schwimmen.
Merz im November 2024
Das klingt alles erheblich anders als das, was Merz noch im November 2024, damals als Oppositionsführer, gesagt hatte. Damals zeigte er sich empört über einen Vorstoß zur kompletten Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche der Schwangerschaft aus der Rest-„Ampel“ heraus.
Besonders verärgert war Merz über Kanzler Scholz, der die Initiative mit unterschrieben hatte. Merz damals wörtlich: „Ich bin wirklich entsetzt darüber, dass derselbe Bundeskanzler, der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und von Gemeinsinn spricht, mit auf der Liste dieses Gruppenantrages mit seiner Unterschrift erscheint.“
Merz warnte damals vor einem „Großkonflikt“. Mit dem „Ampel“-Vorstoß solle nämlich versucht werden, den Paragraphen 218 „im Schnellverfahren zum Ende der Wahlperiode abzuschaffen“, sagte Merz. Es handele sich um ein Thema, „das wie kein zweites das Land polarisiert, das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen“.
„Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, sagte Merz. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte erst im April 2024 Empfehlungen für eine Liberalisierung der Schwangerschaftsabbrüche vorgelegt und sich dafür ausgesprochen, das Gesetz aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
In der Union gärt es derweil, die Unzufriedenheit mit dem Politikstil der Unionsspitze ist offenkundig: „Wir schauen nicht mehr auf die Dinge selbst, wir leben und denken nur noch in Machtfragen“, klagt ein erfahrener Abgeordneter. Ein anderer sekundiert, dass nicht mehr in der Sache debattiert würde. Machttaktische Fragen hätten alles andere überlagert.
Die SPD-Parteiführung um Bärbel Bas und Lars Klingbeil freilich kann kaum mehr klein beigeben kann, ohne in der SPD heftigste Proteste auszulösen. Es braut sich etwas zusammen. Es geht der Union nur vordergründig um die Wahl von Brosius-Gersdorf, die von der SPD als Wegbereiterin der Legalisierung der Abtreibung instrumentalisiert wird. Nein, es geht es geht ans Eingemachte.
Gibt es für die CDU/CSU ein Hintertürchen? Die Union könnte darauf hoffen, dass der Zweite Senat (der mögliche Brosius-Gersdorf-Senat) nicht für Paragaph 218 zuständig ist. Da scheint aber nicht eindeutig zu sein. Zu „218“ gab es Urteile des Ersten Senats (1973 und 1998) und des Zweiten Senats (1993). Es bleibt dennoch der Konflikt zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und dem feministischen Prinzip „My Body – my Choice.“
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Es geht im Endeffekt um die uneingeschränkte Legalisierung des Killens von Babys. Die alten und depressiven Menschen werden wie in Kanada durch „Sterbehilfe“ bereits entsorgt. *Der „Staat“ spielt Gott. Könnte es sein, dass höchstwahrscheinlich gestörte Persönlichkeiten an den Machthebeln installiert wären?, die Agenden des globalen US-Dollarbanksterkartells zuarbeiten?. Globale Eugenik/Euthanasie= Demozid
*Siehe dazu: Rudolph Joseph Rummel.
Ich würde eher sagen, dass der §218 zum Sprengsatz für die Union werden wird. Es könnte sein, dass gerade dieser Punkt den Abgeordneten klar macht, dass die Macht bei ihnen liegt und sie abstimmen dürfen wie es ihnen ihr Gewissen sagt – und das nicht nur bei dieser einen Abstimmung.
Es könnte somit zur Rückkehr zur Demokratie führen.
Ok, man darf doch noch hoffen …
„SPD und CDU interpretieren den Koalitionsvertrag in Sachen Paragraph 218 vollkommen unterschiedlich.“
… erfahrungsgemäß nur solange, bis Merz wieder umfällt und nachgibt.
Außer zur AFD hat Herr Merz keine Meinung mit Bestandskraft.
Tja, liebe SPD. Geht es nun ums Geld, oder geht es ums „ob“? Und bis wann soll dieses „ob“ denn nun gelten? Und warum fällt es euch (verdammt nochmal) so schwer, eure „Wünsche“ öffentlich zu äussern? Sagt doch einfach, daß die Menschenwürde für euch erst ab Geburt gilt und sagt, bis wann eine Abtreibung dann möglich sein soll. Über die Details wird dann am Ende ja ohnehin (ohne Zweifel?) das Verfassungsgericht entscheiden. Aber nein, ihr seid feige. Eure wahren Gedanken äussert ihr immer erst, wenn es für den Bürger zu spät ist, zu intervenieren. Es gilt daher nach wie vor… Mehr
Es ist mir im Grunde egal, welche Ursache diese unsägliche „Koalition“ implodieren läßt.
Wichtiger scheint mir jedoch, über der -sehr berechtigten- Abtreibungsdebatte das zweite U-Boot A-K Kaufhold nicht wieder zu vergessen. Ihre Vorstellungen sind in allen Punkten eklatant grundgesetzwidrig. Eine auch nur teilweise Durchsetzung dieser Absichten wäre das Ende der parlamentarischen Demokratie und der Übergang zu einer nicht mehr kontrollierbaren totalitären Technokratie.
Daß diese Dame in das BVG kommt muß unter allen Umständen verhindert werden.
Merz und Spahn werden wieder einen gezielten Schwächeanfall erleiden und den CDU-Abgeordneten klar machen, dass, wer nicht dem SPD-Vorschlag zustimmt, fliegt bzw. gehen kann. Die rechtskonservativen Medien werden dann einmal mehr jammern. Kann man sich aber auch sparen, wenn man weiß, dass dort, wo einstmals die bürgerliche Mitte war, nun ein Schwarzes Loch ist, dessen Anziehungskraft man sich nur noch jenseits der Brandmauer entziehen kann.
Ihr habt Merz und Söder, wir haben den Stocker. Kickl wurde ausgebremst, bei euch will man die AFD putschartig überhaupt gleich ganz verbieten. Das sind keine guten Aussichten, da braut sich was zusammen………….
Der Angriff dient der Zerstörung des Gesamtstaates durch die Linken. Alles Agieren per Wokeness, Rassismus gegen die „Weißen“, Kolonialismus, Abtreibung, Diversität, tausend Geschlechter, Ehe mit jedem für jeden, ignorante, freie Geschlechterwahl, Leugnung von Mann und Frau und ihrer biologischen Rollen dient der Zerstörung der weißen Mehrheitsgesellschaft. Parallel dazu den Staat per Energieverteuerung, Abriss von Atomkraftwerken, Industrie- und Gewerbezerstörung, damit die sichere Energie- und Wohlstandsbasis. Verbot fossiler Energieträger ohne alternativen wirtschaftlichen und funktionierenden Ersatz, Verkehrswende, Rikscha-System, Fahrradwege überall, Zurückdrängung des Individualverkehrs, auch des Reiseverkehrs. Ja, es darf sogar vermutet werden, dass der „Schlendrian“ bei der Bahn inzwischen auch Programm ist, um… Mehr
Selbst ein unpolitischer Mensch kann aus diesem Koalitätionsvertrag niergendwo das lesen, was die Verfassungsgegener der linksrotgrünen Gesellschaftstransformierer heute behaupten. Da steht nirgends, das eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vereinbart wird, sonst hätte man es ja auch genau so schreiben können. Genau aber diese penetrtanten, sich notorisch durch die Existenz spätestens der SPD zeihenden Ungenauigkeiten sind es, die man auch sozialistisches Koma nennen könnte. Eine SPD, die sich stets und bereitwillig mit den widerlichsten linksextremistischen kräften paart, vereinigt und keinerlei Distanzeritis, Vergangenheitsbewältigung oder moralisch-ethische Verantwortung angesichts von Millionen Toten durch sozialistische Experimantalgesellschaften der Menschheit, die eben auch und oft nur durch Beihilfe… Mehr
Natürlich kann man das dort hineinlesen. Die CDU wollte es nur nicht so offen drin haben. Den Laden kann man wirklich vergessen. Absolut unwählbar. Steigbügelhalter für die Kommunisten.