Deutschland entfernt sich von Brüsseler Zentralverwaltung

Deutschland schließt einen „Freundschaftsvertrag“ mit Großbritannien. Damit gibt Friedrich Merz die Haltung der beleidigten Leberwurst auf, die Deutschland nach dem Brexit eingenommen hat. Es gibt aktuelle Gründe, gegenüber der Brüsseler Verwaltung misstrauisch zu sein.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Bundeskanzler Friedrich Merz, London, 17.07.2025

Eine anti-britische Stimmung beherrschte Deutschland, das stärkste EU-Land, in der zweiten Hälfte der Zehnerjahre. 2016 hatte sich das Vereinigte Königreich in einer Volksabstimmung für den Austritt aus der EU entschlossen, Anfang 2020 wurde der vollzogen. In Berlin und Brüssel herrschte der Wunsch, die Briten für die Scheidung bestrafen zu wollen – in der festen Überzeugung, ohne einen selbst werde der Partner auf direktem Weg ins Unglück laufen.

Die allermeisten deutschen Medien übernahmen − Überraschung – die Sicht der deutschen Regierung. Der scheidende Partner solle für die Trennung bezahlen und werde anschließend von Hunger und Wirtschaftsnot heimgesucht. Seine Währung werde schmelzen wie Eiscreme im stromlosen Kühlschrank. Diese Prognose hat sich − Überraschung − als falsch erwiesen:

Für ein Pfund musste man im Jahr 2020 laut Boerse.de 1,15 Euro zahlen, dieses Jahr sind es 1,17 Euro. Die britische Wirtschaft erreichte in den vergangenen Jahren Wachstumsraten zwischen 0,7 und 1,7 Prozent − während die deutsche Wirtschaft schrumpfte. Das Statistische Bundesamt hat einen Brexit-Monitor erstellt, um online zu zeigen, wie verheerend sich das Verlassen der EU auf die britische Ökonomie auswirkt – das Statistische Bundesamt hat die Arbeit am Brexit-Monitor eingestellt.

Im Wunsch den scheidenden Partner bestrafen zu wollen, sind unsinnige Regelungen entstanden. So hatten jugendliche Analphabeten eine bessere Chance, zur Ausbildung und Arbeit nach Deutschland zu kommen als die Absolventen der britischen Eliteschulen. Deutschland und die EU haben gedacht, der scheidende Partner komme ohne sie nicht aus. Doch gerade Deutschland muss sich nun eingestehen, dass es in der Sicherheitspolitik auf Großbritannien angewiesen – ihm regelrecht ausgeliefert ist. Militärisch braucht Deutschland die Atommacht, in der inneren Sicherheit die britischen Geheimdienste. Will man deren Leistungsfähigkeit vergleichen, muss man sich die Partie FC Liverpool gegen Sportfreunde Hierscheid vorstellen. Zweite Mannschaft.

Friedrich Merz ist nun nach London gereist. Deutschland schließt einen “Freundschaftsvertrag” mit Großbritannien. Militärisch und polizeilich will Deutschland wieder enger mit dem Königreich zusammenarbeiten − ebenso wirtschaftlich. Es hört auch auf, beleidigte Leberwurst zu spielen, und erleichtert wieder den Austausch junger Menschen.

Die Details des Vertrags sind noch nicht erarbeitet oder liegen zumindest der Öffentlichkeit nicht vor. Berichten nach soll er aber auch den Punkt Migration enthalten. Was ein linker Euphemismus für Kampf gegen illegale Einwanderung ist. Ein Punkt, den deutsche Medien gerne weglassen, wenn sie den Brexit analysieren: Für diesen hätte es in einer Volksbefragung kaum für eine Mehrheit gereicht, wenn es nicht die deutsche Flüchtlingspolitik unter Angela Merkel (CDU) gegeben hätte. Die Briten hatten Angst, genauso überrannt zu werden wie Deutschland – und haben mit dem Brexit die Notbremse gezogen. Nach zehn Jahren verfehlter Einwanderungspolitik unter Merkel und Olaf Scholz (SPD) wollen die beiden alten und neuen Partner nun die Kehrtwende gemeinsam schaffen.

Die Briten sind von deutschen Medien seinerzeit gescholten und gewarnt worden. Doch die Untergangsszenarien erweisen sich eher als Journalisten-Prosa. Sich vor dem Brüsseler Übergriff geschützt zu haben, zeigt jetzt auch seine Vorteile. Entsprechend ist es nicht die EU, die nun Freundschaftsverträge mit Großbritannien schließt. Sie war es, die den Brexit-Vertrag durchgesetzt hat, der vom Charakter einer beleidigten Leberwurst geprägt war. Es sind nun die beiden wichtigsten EU-Länder Deutschland und Frankreich, die separat Freundschaftsverträge mit dem Vereinten Königreich schließen.

Es ist nicht der einzige Punkt, indem die einzelnen Staaten misstrauischer gegenüber der Brüsseler Verwaltung werden. Deren Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat nun den Finanzbedarf für die Jahre 2028 bis 2034 angemeldet: zwei Billionen Euro, rund 700 Milliarden Euro mehr als bisher. Deutschland entstünden zusätzliche Kosten von etwa 25 Milliarden Euro im Jahr. Vor dem Aufweichen der Schuldenbremse waren das noch unvorstellbare Summen – doch so wie die schwarz-rote Koalition das Geld ausgibt, ist die Höhe noch nicht das allergrößte Problem an von der Leyens Entwurf.

Die Christdemokratin will auch die Logik des Haushalts verändern − und damit den politischen Alltag. Sie will weg von fest verplanten Etats, etwa für Landwirtschaft und hin zu pauschalen Etats. Deren Verwendung will die Brüsseler Verwaltung dann projektbezogen verhandeln. Im Fall Deutschlands auch am Bund vorbei direkt mit den Ländern. Das würde mehr zentrale Steuerung aus Brüssel ermöglichen − und höhere Abhängigkeiten von der Verwaltung schaffen.

In diesem Fall will von der Leyen auch die Einkommensbasis der EU verbessern. Zusätzlich zu der Erhöhung. Die Union soll direkte Einnahmen erhalten – durch “Mindeststeuern”. Bisher ist es für Konzerne möglich, sich in Mitgliedsstaaten niederzulassen, die extrem niedrige Steuern nehmen, um so den eigenen Standort zu verbessern. Irland und Luxemburg sind dafür berüchtigt. Mit dem Sitz in diesen Ländern können die Konzerne dann die vollen Vorteile des EU-Binnenhandels genießen. Eine Mindeststeuer ginge dann direkt an die EU.

Die EU erhält schon jetzt die Einnahmen aus Zöllen. Für eine Verwaltung ändert es die Sicht auf andere Vorgänge, wenn sie ihre eigene Machtbasis ausbauen will. Ein Handelskrieg mit den USA wäre verheerend für die Handelsnation Deutschland – deren Wirtschaft aktuell nicht vor Kraft strotzt. Vorsichtig ausgedrückt. Für die EU bedeutet aber ein Handelskrieg, der mit hohen Zöllen geführt wird, höhere direkte Einnahmen. Ihre Verwaltung verhandelt die Konditionen mit den USA, würde aber gleichzeitig von einer Eskalation profitieren.

Über einen Sprecher hat Merz bereits erklären lassen, dass seine Regierung die Vorschläge seiner Parteifreundin kritisch sehe. Das war zu erwarten. Für den Vorschlag von der Leyens im Jahr 2025 war ohnehin keine Einigung vor dem Jahr 2027 vorgesehen. Doch nach Green Deal, Lieferketten-Richtlinie, skandalösem Impfstoff-Einkauf oder Richtlinien, die den Kampf gegen illegale Einwanderung unmöglich machen, nähern sich offensichtlich auch die 27 Regierungschefs der Meinung der Brexit-Befürworter, dass es gar nicht mal so schlau ist, der Brüsseler Zentralverwaltung allzu viel Macht zu geben. Die separaten Verträge mit Großbritannien sind da ein Fingerzeig.

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Kommentare ( 20 )

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Dietrich
26 Tage her

Freundschaftsvertrag mit GB. Kein Gewinn für Deutschland. Noch ein Klotz am Bein, der um Hilfe ruft, wenn die Insel im Irrsinn versinkt.

Ornhorst
26 Tage her
Antworten an  Dietrich

Auch ich sehe das mit großer Skepsis, denn tatsächlich ist Großbritannien kein Freund irgendeines Staates, sondern der Opportunist schlechthin. Insbesondere Deutschland hat unter Großbritannien extrem gelitten. Die Feindschaft der Briten 1914 war für die allermeisten Deutschen unerklärlich. Und tatsächlich hatte sie nur ökonomische, finanzielle Gründe. Die britische Führung hat das Land seinerzeit in einer Notsituation der totalen Überschuldung gesehen, zusätzlich von den USA und von Deutschland in der Industrieproduktion überflügelt. Die Lösung war bei der britischen Militärstärke Krieg. Nur erst einmal gegen Deutschland, und mit den USA wurden dazu die besten Handelsbeziehungen geschlossen. Es wurde alles prima eingefädelt.

Dietrich
25 Tage her
Antworten an  Ornhorst

Wie recht Sie haben. GB hat keine Freunde. GB folgen nur nützliche Idioten. Selbst die USA haben das erkannt, als sie in den 30er Jahren erwogen haben, den Weltausplünderer GB anzugreifen und seine Vormachtstellung niederzubomben. Aber Hitler war 1940 schneller gewesen und die Situation änderte sich grundsätzlich. 99 % der Menschen in Deutschland wissen das gar nicht. Es ist überhaupt ein Problem, dass Deutsche mit Geschichte nichts anfangen können, denn darin finden wir immer die Wahrheit über ein Geschehen. Egal, was die Faktenchecker beim ÖR faseln. Britischer Propagandasprech 1914: „Die Deutschen fressen ihre eigenen Kinder.“ Heute sind die Russen auf… Mehr

Last edited 25 Tage her by Dietrich
Reinhard Schroeter
25 Tage her

Da entfernt sich kein Buntschland nicht, keines , von Brüssel. So lange eine von niemanden gewählte alte Frau aus eben diesem Buntschland dort gegen unser Vaterland , in wessen Auftrag auch immer, wüten kann, kann das nur der Wunschtraum des Autors , wie unser aller, sein. Hier in Ungarn, sieht man diese Tante noch aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich der, dass da eine alte Frau in Brüssel , offensichtlich einen 2. Frühling in sich spürt und sich damit lächerlich macht, einem 20 Jahre jüngeren Clown aus Kiew, Avancen zu machen und wirklich zu glauben scheint, dass diiese auch erwiedert… Mehr

Kantkopf
26 Tage her

Selten so gelacht. Wie heisst es noch so schön: Die Briten kämpfen immer bis zum letzten Mann – ihrer Verbündeten. So war es schon immer und wird es auch zukünftig sein. Sie werden Deutschland (analog zur Ukraine) in einen Krieg mit Russland hetzen und sich im rechten Moment aus dem Staub machen wollen. Und unser Sauerländer lächelt dazu, als ob Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen. Doch diesmal liegen die Dinge vielleicht etwas anders. Russland hat dazugelernt und wird den Strippenziehern jenseits des Channel eine Antwort erteilen – vielleicht sogar vehementer als den Deutschen.

Last edited 26 Tage her by Kantkopf
Teiresias
26 Tage her

Das sog. „Wirtschaftswachstum“ von GB basiert auf Krediten zur Ukrainefinanzierung.
GB ist Pleite.
Deshalb brauchen sie „Freunde“, ein anderes Wort für schwachsinnige I**oten, die ihnen „helfen“ können.

Prognose:

Diese „Freundschaft“ wird für Deutschland teurer, als jene zu Griechenland.

hoho
26 Tage her

Es gibt vieles was die beide Extremisten verbindet: sie hassen eigene Leute, sie lassen jedem einreisen, sie biegen das Recht wie es gerade geht, sie verfolgen die Verbrecher aus bevorzugten Gruppen, sie sind für grün woke/grünen Mist und sie bereiten den Krieg vor. Das muss man doch lieben oder?

Mermaid
26 Tage her

Zu genau erinnere ich mich daran, wie groß die Sorge doch war, daß es Großbritannien auch ohne die EU schaffen könnte.
Wie wollte man dann noch rechtfertigen, diesen Moloch am Leben halten zu wollen.
Gut, wir konnten und können viele unserer unfähigsten Dampfplauderer aus dem Polit-Betrieb nach Europa entsorgen. Immerhin. Aber da gibt es zukünftig bestimmt auch billigere Möglichkeiten.

AmitO
26 Tage her

Militärisch und polizeilich will Deutschland wieder enger mit dem Königreich zusammenarbeiten

Yay geilo! Mit der Nation die den Friedensverhinderer Bojo der Clown nach Istanbul geschickt hat und so erst das ganze Elend in der Ukraine erst richtig ins rollen gebracht hat. Dazu jetzt noch „Two-tier Keir“ der gewalttätige Migranten aus den Gefängnissen entlässt, damit Bürger eingebuchtet werden können, die Schwachkopf-Memes posten.
Was kommt als nächstes? Freundschaftsvertrag mit den roten Khmer oder Huthi?
Worum es hier natürlich nur geht, ist gegenseitig die eigene Bevölkerung stärker zu unterdrücken wenn man militärisch gegen Russland ins Felde zieht.

Holger Wegner
26 Tage her
Antworten an  AmitO

Genau das. Evtl. benötigt man auch weiter/wieder Zugang zu anerkannten Masterabschlüssen per Schnellbleiche

hoho
26 Tage her
Antworten an  AmitO

Wie kann man nicht stolz sein, wenn man alle diese Heuchler und Verbrecher zusammenrücken sieht.

Rob Roy
26 Tage her

Mir ist aufgefallen, dass im kleinsten Lichtschimmer manche Tichy-Autoren sofort eine Wende in der Politik erblicken wollen und auch immer hoffen, dass sich die CDU noch irgendwie berappeln wird.
Nein, mit dieser Partei und ihrem Kanzler-Imitatoren ist kein Staat zu machen.
Mittlerweile bin ich so misstrauisch, dass ich fürchte, dass ein „Freundschaftsvertrag“ auch bedeuten könnte, dass wir Großbritannien Flüchtlinge abnehmen, mit denen sie überfordert sind.

Ombudsmann Wohlgemut
26 Tage her

Ich weiß nicht recht, man kann Merz nicht trauen.

Außerdem haben die Briten doch die letzten Jahre deutlich gezeigt, wie EU-konform sie die Migration angehen und totalitär die Bevölkerung unterdrücken, wenn sie es wagen, lautstark gegen Banden zu protestieren, die ihre Töchter vergewaltigen und danach zu Dönerfleisch verarbeiten.

Könnte also eine inoffizielle Wiedereingliederung in die EUdSSR sein…

Kassandra
26 Tage her

„Keir Starmer announces that the UK is lowering the voting age from 18 to 16 in all UK elections.“ https://x.com/visegrad24/status/1945787064491925683
Hoffen wir, dass wie uns dem nicht auch „anpassen“. Zumal man von hohen Anteilen von Migranten mit inzwischen deutschem Pass auch bei uns in dieser Altersgruppe ausgehen muss.

Autour
26 Tage her

Ach ist Fitz mal wieder auf Reisen… der wird selbst eine Analena im Reisen noch Steinalt aussehen lassen…
Man sollte am Ende seiner Amtszeit mal die Zeit im Innland und im Ausland vergleichen…
aber gut zu Zeiten Karls tingelten die Herrscher ja auch durch die Weltgeschichte… (Gut es war immer ihre eigene… aber Fritzchen weiss das ja nicht).