Ann-Katrin Kaufhold: Eine klimabewegte Kulturmarxistin als Verfassungsrichterin?

Eine Verfassungsrichterin, die sich offen zur kulturmarxistischen Unterwanderung der Gesellschaft bekennt? Die Union scheint nicht begriffen zu haben, was mit den beiden SPD-Richterkandidatinnen auf dem Spiel steht. Dabei müsste man nur Kaufholds eigene Aussagen zur Kenntnis nehmen.

Screenprint: LMU via Youtube

Gibt es eine Steigerung von „untragbar“? Eigentlich nicht. Dennoch ist man mittlerweile geneigt, die Frage zu stellen, welche der zwei SPD-Richterkandidatinnen die untragbarere ist.

Die eine, Frauke Brosius-Gersdorf, ist als Verfassungsrichterin unter anderem deshalb untragbar, weil sie die „Würde des Menschen“ für Ungeborene diskutiert, sie als Befürworterin eines AfD-Verbots jetzt schon befangen an diese Frage herangeht und weil sie für eine Impflicht ist, weil sie Gesetzestexte inkl. Grundgesetz „gendern“ will, und weil sie Zweifel an der Verfassungswidrigkeit eines Kopftuchverbotes für Lehrerinnen und Rechtsreferendarinnen hat.

Enteignung und keine Wahlen
Verfassungsrichterin für ein anderes System: Was Kaufhold in ihren Gutachten fordert
SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold ist noch radikaler, was die grundlegende Transformation dieses Landes betrifft. Sie ist ebenfalls vorab schon mal für ein AfD-Verbot, ferner für Enteignungen, für eine „Smart-City-Agenda“ als möglichen Ersatz von Wahlen, für Klimamaßnahmen an Regierung und Parlament vorbei, für staatliche Eingriffe in Managervergütung, Mindestlohn und Mietpreis.

Ihr ideologisches Grundgerüst hat Kaufhold in einem 20 Seiten umfassenden Kapitel einer Publikation dargelegt, die 2025 erschienen ist und unter anderem von ihrer Habilitandin Heitzer und drei weiteren Mitarbeitern ihres Münchner Lehrstuhls herausgegeben wurde. Titel des Bandes: „Protestkulturen – Kontroversen um Klima und Umwelt im demokratischen Verfassungsstaat“.

Kaufholds Kapitel ist überschrieben mit: „Protest und Partei – Über das notwendige Zusammenwirken zweier Formen kollektiver politischer Artikulation“. Kaufhold zeigt hier nicht nur viel Sympathie für Protestformen wie „Fridays for Future“ und „Letzte Generation“. Sie erweist sich auch als Jüngerin und Epigonin des Mitbegründers der italienischen KP Antonio Gramsci (1891–1937). Und dessen Strategie eines marxistischen Kulturkampfes, mit dessen Hilfe man die „kulturelle Hegemonie“ erringen müsse.

Protestbewegungen als „irgendwie wichtigere politische Ausdrucksform“

Kaufhold scheint eine Freundin von Protest- und Graswurzelbewegungen zu sein. Als „wichtigere“ und “demokratischere“ politische Ausdrucksform. Wichtiger als was? Wichtiger als Parlamentarismus? Muss man dazu folgende zwei Sätze Kaufholds eigentlich noch interpretieren?

So schreibt Kaufhold: „Wer Protest als Indikator, Verstärkung oder Weg aus der Krise politischer Parteien versteht, rückt die Konkurrenz zwischen den beiden Formen kollektiver politischer Artikulation in den Vordergrund und konzipiert sie als Alternativen. Erst und nur diese Grundkonzeption als Konkurrenzverhältnis macht die Anschlussfrage danach sinnvoll, welches die für eine demokratische Gesellschaft einflussreichere, nachhaltigere, ‚demokratischere‘ oder jedenfalls irgendwie ‚wichtigere‘ politische Ausdrucksform ist, die deshalb den Bezugs- und Fluchtpunkt aller Bemühungen um die Stabilisierung der Demokratie bilden sollte.“

Sodann: Sie wolle „vorschlagen, Proteste in tatsächlicher und normativer Hinsicht als Instrument zur Erlangung kulturelle Hegemonie im Sinne von Gramsci, Laclau und Mouffe zu lesen und damit als Bedingung der Möglichkeit fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen zu verstehen. Ökologische Proteste machen es politischen Parteien danach erst möglich, jenen grundlegenden sozial-ökologischen Wandel zu bewirken, den die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz erfordert.“

Kaufhold scheint geprägt – und kritiklos begeistert – von „Fridays for Future“, teilweise auch von der „Letzten Generation“. Welchen Weg diese beiden Bewegungen genommen haben, blendet die Juristin aus: Die Klimakleberei auf Straßen sowie Start- und Landebahnen auf Flughäfen, das Blockieren von Autobahnen, die gewalttätigen Aktionen um Lützerath usw. Auch das Abtriften der vormaligen Klima-Ikone „Greta“ in den aggressiven Antisemitismus kommt bei Kaufhold nicht vor. Sie subsumiert all diese Proteste als „demokratischen Input“, gar als „Bedingung der Möglichkeit fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen“. Auch das von Fridays for Future hochgerühmte Dogma „Follow the Science“ stellt Kaufhold nicht in Frage. Obwohl es „die“ Wissenschaft, auch „die“ einheitliche Klimawissenschaft, freilich nicht gibt.

Zugleich setzt Kaufhold sprachlich die Genderideologie um, ganz im Sinne Brosius-Gersdorfs: Die Pluralbildung des gängigen „generischen Maskulinums“ wischt sie mehrmals mit der Pluralbildung eines „generischen Femininums“ beiseite: „Wahlbewerberinnen, Politikerinnen, Bürgerinnen, Aktivistinnen, Repräsentantinnen, Kandidatinnen, Vertreterinnen.“ Männer sind demgemäß „mitgemeint“.

Gramscis Ideen als Leitbild

„Folgt man Gramsci, haben Protestbewegungen, nicht aber Parteien das Potential, eine Neudefinition gesellschaftlicher Grundüberzeugungen zu bewirken, die kulturelle Hegemonie damit zu verschieben und die Möglichkeit grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen zu schaffen“, so Kaufhold.

Dreizehnmal nennt Kaufhold in ihrem Text den marxistischen Philosophen und Politiker. Antonio Gramsci (1891–1937) war Abgeordneter, 1919 Begründer der Zeitschrift L’Ordine Nuovo (Die neue Ordnung), 1921 Mitgründer der Kommunistischen Partei Italiens. 1926 wurde er trotz Immunität verhaftet und 1927 zu 20 Jahren Kerkerhaft verurteilt. Dort schrieb Gramsci 2848 Seiten Tagebuch, veröffentlicht als 32 Bände »Gefängnishefte«. Gesundheitlich angeschlagen starb er 1937 kurz nach seiner Freilassung.

Gramsci gab in seinen »Gefängnisheften« als Ziel an, die kulturelle und politische Hegemonie zu erringen, vor allem in den Bildungsanstalten, in Kulturszenen und in den Medien. Gramscis Ansatz ist ein ähnlicher wie Trotzkis Taktik des »Entrismus«. Trotzki (1879–1949) meint damit das Eindringen in eine Organisation, zum Beispiel in die Arbeiterbewegung. Notfalls als »Überwinterungs-Entrismus« auf einem »Langen Marsch« im Sinne Mao Zedongs.

Als eine Art »Kulturguerilla« sind die Neo-Marxisten international denn auch in alle möglichen Institutionen vorgedrungen – bis weit hinein in die kulturmarxistisch ausgerichtete »Zivilgesellschaft« der »non-governmental organizations« (NGO), die mittlerweile eine Art halbstaatlicher Institutionalisierung erfahren. Sie müssten also »semi-governmental organizations« (SGO) genannt werden. Nach wie vor begeistert von Gramscis Kulturmarxismus ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei »Die Linke« nahesteht. Sie schwärmt von ihm als produktivem Vordenker der Zivilgesellschaft.

Ann-Katrin Kaufhold schickt sich nun mit Hilfe der SPD an, ihre Programmatik ins Bundesverfassungsgericht einzubringen. Wenn das nicht erfolgreicher „Entrismus“ im Sinne Trotzkis ist! Die SPD setzt darauf. Die CDU/CSU-Union aber hat nicht begriffen, welcher Strategie die linken Akteure hier folgen. Sie begnügt sich mit macht- und polittaktischem Geplänkel und übersieht die Folgen der hier versuchten Unterwanderung des Bundesverfassungsgerichts vollkommen.

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Kommentare ( 99 )

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Moses
8 Tage her

Ich frage mich, wie eine hohe Justizangestellter vor 20 Jahren gelehrt wurde, wenn nicht der geringste Respekt vor bestehenden Gesetzen vermittelt wurde. Nur bei oberflächlicher Wahrnehmung und Verständnis des Lehrmaterials ist es möglich, dass die Ideen des blutigen Diktators Mao Zedong mehr bedeuten als die vorgelegten demokratischen Gesetze.

doktorcharlyspechtgesicht
9 Tage her

Da ist viel modisches Zeitgeistblabla in Kaufholds Text; „Namedropping“ mit Gramsci, Greta und FFF kommt immer gut an. Ich fürchte nur, dass Kaufhold (und die vielen anderen Kaufholds dieser Welt) nichts mehr fürchten als Protest, auch wenn er legal, angemeldet und demokratisch ist, nämlich Protest gegen ihr eigenes heiliges Weltbild. Protest ist gut, solange er von zeitgeistmanipulierten Kiddies und verblendeten Bildungsbürgern getragen wird und die üblichen SPD-, Grünen- und Bürgerrechtler-Gestalten mitlaufen, Protest ist schlecht, wenn er spontan entsteht, z.Bsp. gegen Corona-Maßnahmen. Der alte Gramsci hätte mit Kaufholds Text vermutlich nichts anfangen können, weil er oberflächlich und heuchlerisch ist und auch… Mehr

Johann Thiel
9 Tage her

Das „nicht Begreifen“ scheint ein allgemeines Problem unserer Zeit zu sein. Die gute Frau Kaufhold scheint gar nichts zu begreifen, der Autor beklagt, dass die CDU nicht begreift, ich begreife nicht, dass der Autor nicht begreift, dass die CDU gar nicht vor hat irgendetwas zu begreifen, deswegen begreife ich auch nicht warum das so schwer zu begreifen ist.

Last edited 9 Tage her by Johann Thiel
bfwied
9 Tage her

Und da wundert sich der Laie, dass die heutigen Absolventen von Geisteswissenschaften linksversifft sind. Klar, dass die Rotgrünen solche Frauen bzw. Aktivistinnen als Verfassungsrichterinnen vorschlagen. Geht die CDU auf solche Vorschläge ein, nimmt der Erdrutsch an Geschwindigkeit schlagartig zu. Ohne AfD wird die CDU zur Oppositionspartei, die Regierung wird Grünrot, das Verfassungsgericht macht’s möglich. Die moderne DDR 2 ist installiert.
Es ist doch für jeden überdeutlich, wer das Grundgesetz faktisch abschaffen will und, endlich an allen Schalthebeln sitzend, das auch tun wird.

Simplex
9 Tage her

Der Text von Frau Prof. Dr. Kaufhold ist in diesem Konvolut nachzulesen: hier.

Montesquieu
9 Tage her
Antworten an  Simplex

Danke, das ist wirklich lesenswert, auch das ideologische Umfeld ihres Textes. „Das Zusammenwirken zweier Formen kollektiver politischer Artikulation“ sind NGO aka staatlich kontrollierte gesteuerte Agitation („Protest“) und die Parteien. Außer der AfD, die gilt ja nicht. Das Zusammenwirken erzeugt laut Kandidatin Gutes, weil es sich ergänzt und korrigiert. Wo ist der freie Bürger? Sie, ich, wir? Wie können direkt oder indirekt vom Staat finanzierte Protest „Kollektive“ die Interessen freier Bürger gegenüber dem Parteienstaat vertreten? Das ist Verar…wobei nicht auszuschließen ist, dass die Kandidatin das – aus welchen Gründen, die in ihr walten und walken auch immer- selber glaubt und sei… Mehr

Last edited 9 Tage her by Montesquieu
Eugen Karl
9 Tage her

Die Union interessiert sich für dergleichen nicht. Da müßte man ja Bücher lesen. Indes will man regieren! Im Flieger durch die Welt touren, sich überall zeigen, bedeutungsschwanger Waffen schmieden lassen: einfach Kanzler sein. Sonst nichts. Wie immer.

MartinKienzle
9 Tage her

Inhaltlich wurde bereits alles über Kaufhold mit Blick unter anderem auf den sogenannten „Klimaschutz“ geschrieben (CO² ist ein lebensnotwendiges Molekül, Stichwort: Photosynthese); bedeutsamer als Kaufholds Unsinn ist die Erkenntnis, dass uns die sogenannten „intellektuellen Frauen“ wie Kaufhold in Dauererregung halten, sodass dadurch der sogenannte „Feminismus“, sprich das gesellschaftliche Zersetzungsprogramm, nach dem bevorstehenden Untergang der BRD zwingend eine gänzliche Annullierung erfahren muss!

DDRforever
9 Tage her
Antworten an  MartinKienzle

Machen sie sich keine Sorgen, das Kalifat und die Scharia erledigen das in drei Tagen.

bfwied
8 Tage her
Antworten an  MartinKienzle

Ihr Prof. ist ihr in den Kopf gestiegen, ist leider relativ oft so. Sie sind dann nicht mehr von dieser Welt, sie schweben besserwisserisch darüber. Ich kannte nur eine Professorin, die wirklich gut war – aber sie war auch Naturwissenschaftlerin und hatte mit der Wirklichkeit zwingend zu tun!!

Mausi
9 Tage her

Sie zitieren: „Konkurrenz zwischen den beiden Formen kollektiver politischer Artikulation“. Von welcher zweiten Form kollektiver politischer Artikulation ist die Rede?
Im Grunde ist es wie mit der Energiewende: Sozialistische Gebilde konstruieren, aber keine Familie, keinen Ort, keine Gemeinde benennen können, in der das dann friedlich funktioniert.
Im übrigen ist der Wahlzettel unser Protest. Und zwar ein friedlicher. Keiner, der täglich ausgehandelt wird. Aber das schert die Dame nicht. Sie will mit Protest Veränderung hin zu Diktatur durch diejenigen, die am lautesten protestieren. Das haben wir im Grunde schon. Es wäre die Vollendung aller feuchten linken Träume.

cernunnos
9 Tage her

Wenn man vor 15 Jahren in eher konservativeren Kreisen mal den Namen Gramsci und dessen Ideen und was das bedeutet erwähnt hat, wurde man ausgelacht und als der letzte Spinner hingestellt. Wie sich die Zeiten doch ändern.