Immer mehr Rentner brauchen Sozialhilfe

Von wegen reiche Rentner: Eine Rekordzahl an Senioren bezieht die sogenannte „Grundsicherung im Alter“. Das Problem verschärft sich – und es ist hausgemacht. Die Politik unterstützt die Falschen und missachtet die Alten.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

In fast allen größeren Städten gehören sie inzwischen zum Straßenbild, so wie die Tauben und die Regenbogenfahnen: ältere Menschen mit großen Plastiktüten – oder oft auch mit diesen riesigen Ikea-Einkaufstaschen.

In den Mülleimern unserer angeblichen Wohlstandsgesellschaft suchen diese Senioren nach Pfandflaschen, mit denen sie sich ihr spärliches Monatseinkommen aufbessern. Sicher gibt es viele Mitbürger, die das inzwischen schon normal finden und gar nicht weiter beachten. Doch ich, jedenfalls, mag mich an den Anblick nicht gewöhnen.

Der Umgang dieses Landes mit seinen Alten ist erbärmlich.

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Im vergangenen März waren 742.410 Rentner auf die „Grundsicherung im Alter“ angewiesen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von 3,2 Prozent, und auch die Tendenz steigt steil nach oben.

Der Regelsatz bei der Grundsicherung im Alter liegt für Alleinstehende bei 563 Euro pro Monat (Stand 2024). Zusätzlich werden „angemessene Kosten“ für Unterkunft und Heizung übernommen.

Von den „reichsten Rentnern aller Zeiten“ reden nur satte Idioten.

Solche, die von Statistik – wie auch von Wirtschaft – keine Ahnung haben. Denn die statistische Rentenentwicklung in Deutschland sagt nichts aus über die Lebensbedingungen der Deutschen im Alter. Wenn ich mit einem Bein in einer Schüssel mit Eiswürfeln stehe und mit dem anderen Bein in einem Topf mit kochendem Wasser, dann habe ich statistisch wohltemperierte Füße.

Wer für den Staat arbeitet, darf sich auf einen sehr kommoden Lebensabend freuen. Die durchschnittliche Beamtenpension lag im Jahr 2023 monatlich bei 3.240 Euro brutto bei etwa 1,4 Millionen pensionierten Beamte.

Wer dagegen in der freien Wirtschaft tatsächliche ökonomische Werte geschöpft hat, bekam im Jahr 2023 durchschnittlich ein Drittel dieses Betrags: gerade mal 1.102 Euro brutto.

Vor allem jüngere Politiker beklagen wortreich und laut, wie gut es den älteren Generationen bei uns angeblich geht. In Wahrheit stimmt das Gegenteil. Die Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten die Rentner immer mehr zum Sparschwein der Nation gemacht.

Von den 1970er-Jahren bis in die 1990er lag das Rentenniveau bei über 55 Prozent des Bruttoverdienstes. Von 1995 bis 2010 sank es auf 50 Prozent. Seit 2012 liegt es darunter, mit einem Tiefpunkt von 47,7 Prozent im Jahr 2015. Seit 2016 sichert eine gesetzliche Haltelinie ein Mindestniveau von 48 Prozent.

Im internationalen Vergleich ist das erschütternd wenig. Andere Länder gönnen ihren Senioren einen erheblich höheren Anteil vom Durchschnittseinkommen als Altersruhegeld:

• Dänemark – 80 Prozent
• Luxemburg – 76 Prozent
• Portugal – 75 Prozent
• Italien – 74 Prozent
• Österreich – 74 Prozent
• Frankreich – 60 Prozent.

Der deutsche rechnerische „Eckrentner“ mit 45 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsjahren bei Durchschnittsentgelt bekommt auf dem Papier 1.835,55 Euro brutto. Doch das ist eine Schimäre. Alle auch nur halbwegs seriösen Modellrechnungen gehen davon aus, dass sich der Abstand zwischen Durchschnittsrente und Durchschnittseinkommen bei uns zügig und massiv weiter vergrößern wird.

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Natürlich ist es ein großes Problem, dass der Staat durch immer dreistere Steuerforderungen immer mehr Menschen in die Schwarzarbeit treibt – denn Letztere erzeugt nun mal keine Rentenansprüche.

Ein noch größeres Problem ist es, dass die SPD – die in den vergangenen 27 Jahren für volle 25 Jahre den Arbeits- und Sozialminister stellte – durch die immer großzügigere Verteilung von „Bürgergeld“ das Nicht-Arbeiten immer attraktiver gemacht hat. Weil das Jobcenter keine Beiträge an die Rentenkasse zahlt, erwirbt auch der Bürgergeldempfänger keine Rentenansprüche.

Im Ergebnis werden immer mehr Menschen alt, die entweder viel zu wenig gearbeitet oder in ihrer Arbeitszeit zu wenig Rentenansprüche angesammelt haben.

Da ist die Altersarmut vorprogrammiert.

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Eine zentrale Lösung des Problems wäre es also, Menschen aus dem Bürgergeld oder der Schwarzarbeit zu holen. Eine höhere Mindestrente für alle – also auch für jene, die kaum oder gar nie gearbeitet haben – wäre dagegen ein weiterer Schlag ins Gesicht all jener, die viele Jahre fleißig waren.

Was ebenfalls nicht hilft, ist eine abschlagfreie Frührente. Denn von der profitieren fast nur gutverdienende Facharbeiter, die sich einen vorzeitigen Ruhestand leisten können. Und ganz sicher nicht hilft die Belastung der Sozialkassen durch immer mehr Menschen, die dort nie eingezahlt haben.

Vor zehn Jahren hatte uns Angela Merkel gesagt, dass die Flüchtlinge die Rentner finanzieren werden. Heute sagt uns Friedrich Merz, dass die Rentner länger arbeiten sollen, um die Flüchtlinge zu finanzieren.

Im Ergebnis bekommen immer mehr Fremde, die hier nie gearbeitet haben, immer mehr Geld – und immer mehr Menschen, die hier oft ein Leben lang gearbeitet haben, müssen in Mülleimern nach Pfandflaschen suchen.

Die marktfernen Sozialisten in allen Parteien werden es nicht gerne hören, aber: Nur eine wachsende Wirtschaft ist das beste Mittel gegen Altersarmut.

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Kommentare ( 71 )

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71 Comments
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Klaus D
1 Monat her

Andere Länder gönnen ihren Senioren einen erheblich höheren Anteil vom Durchschnittseinkommen als Altersruhegeld….ich bin mal was hämisch – na und! Ich lese ständig (auch bei Tichy) das WIR uns diesen sozialstaat nicht mehr leisten können. Aus der sicht ist das ist das doch richtig wenn rentner wenig soziale leistungen bekommen. Im vergleich müssen „rentner“ in anderen ländern wie zb den USA wo es wenig soziale leistungen gibt noch arbeiten.

Phil
1 Monat her

Daran hätte man anno 1957 denken sollen, bevor man es dem Staat überlassen hat, alle Leute im Auftrag von allen Leuten zu bestehlen. Die einzigen für welche ein solches System attraktiv erscheint, sind jene die nicht in die selbe Kasse einbezahlen müssen, bzw. all die Politiker und Beamten die diesen Scheiss ausgeknobelt haben. Erhard hat dies bereits erkannt und die „Rentenreform“ bekämpft: „Die Blindheit und intellektuelle Fahrlässigkeit, mit der wir auf den Versorgungs- und Wohlfahrtsstaat zusteuern, kann nur zu unserem Unheil ausschlagen. Hier liegt ein wahrlich tragischer Irrtum vor, denn man will nicht erkennen, dass wirtschaftlicher Fortschritt und leistungsmäßig fundierter… Mehr

Holger Wegner
1 Monat her

Das ist eigentlich typische Linkenlogik: Erst erhöht man die Sozialleistungen, so dass die Leute nicht nur mehr bekommen, sondern es automatisch auch mehr Bezugsberechtigte werden. Dann jammert man, dass es immer mehr Leute gibt, „die auf Sozialleistungen angewiesen sind“. Deshalb wird eine dringende Erhöhung für all die Amen gefordert und durchgesetzt. Wodurch es wieder mehr Bezieher gibt,…

Thilo Braun
1 Monat her

Ein weiteres Problem liegt darin, dass die gesetzlichen Rentensysteme und die betriebliche Altersversorgung auf einer kontinuierlichen Beschäftigung bei möglichst wenigen Arbeitgebern aufbaut. Ich bin Mitte der sechziger geboren worden und viele in meiner Generation waren mal angestellt, mal selbständig, mal längere Zeit arbeitslos und oft auch nicht mit sonderlich gutem Einkommen bei zahlreichen Arbeitgebern beschäftigt. Wenn meine Generation in Rente geht, wird das Altersarmut Thema noch viel größer werden. Von der Politik kommen indes keine Lösungen. Warum auch, denn sie selbst und ihr Beamtenapparat ist bestens versorgt.

Holger Wegner
1 Monat her
Antworten an  Thilo Braun

Betriebliche Altersversorgung ist weitgehend außerhalb der Industrie nicht (mehr) vorhanden oder ein Feigenblatt in Höhe eines Monatsdöners, damit die Firma öffentlich was von Betriebsrente schreiben kann

GP
1 Monat her

Ohne den Artikel in Gänze gelesen zu haben, ich gehöre inzwischen zur Rentnergeneration, kann ich denen nur zurufen: „was habt ihr eurer Leben lang, besonders die letzten 15 – 20 Jahre, gewählt? Union oder SPD! Jetzt bekommt ihr was ihr gewählt habt.“

Aegnor
1 Monat her

In einer Stadt im Norden BWs, sah ich letztens an öffentliche Mülleimer angebrachte „Pfandboxen“, in die man die Pfandflaschen einstellen kann, damit die Rentner nicht mehr den Mülleimer durchwühlen müssen. „Die Rente ist sicher“ – ging mir durch den Kopf. Und da sag noch einer die Politik tut nichts.

Edwin Rosenstiel
1 Monat her

Ich kenne zufällig einen Rentner, der nach 33 Beschäftigungsjahren mit 52 Jahren die Arbeitsstelle verlor, sich von Erspartem und einer Erbschaft ein Haus in Rumänien kaufte und jetzt dort lebt. Seit 2020 Rentner, wurde er nach 13 Jahren ohne Krankenversicherung von der Krankenkasse mit faulen Begründungen abgelehnt und fand dann einen Weg, doch noch von einer anderen Kasse aufgenommen zu werden, allerdings zum Preis der teureren freiwilligen Versicherung, da ihm der Zugang zur KV der Rentner durch „wunderbare Regelungen des Gesetzgebers“ (O-Ton Krankenkasse!) verwehrt war. Die offizielle Armutsgrenze in Deutschland wird anhand des Medianeinkommens berechnet und liegt bei 60% dieses… Mehr

Thilo Braun
1 Monat her
Antworten an  Edwin Rosenstiel

„Unnützer Rentner, unnützer Esser, Sozialballast“. Ja, das passt sehr gut auf die Einstellung des Staates gegenüber Rentnern.

Aegnor
1 Monat her
Antworten an  Edwin Rosenstiel

Über die Zustände in Deutschland müssen wir nicht schwätzen. Da haben Sie völlig Recht. Was Ihren Rumänien-Auswanderer betrifft. Für den Mut an sich alle Daumen hoch. Bei der KK war das aber absehbar. Wer bei Renteneintritt nicht mind. 90% der zweiten Erwerbszeithälfte in der GKV war (egal ob freiwillig oder Pflicht) kommt nicht in die GKV der Rentner. Das soll Motivation sein, sich ein Leben lang von der GKV ausnehmen zu lassen, damit man dann so im Alter ein paar Almosen zurück bekommt. Wer sich dafür „drückt“ – egal ob durch PKV oder Auswanderung – muss dann halt in die… Mehr

humerd
1 Monat her

Die Gesellschaft unterstützt die Falschen und missachtet die Alten. Einfach mal die Forenbeiträge bei mickrigen Rentenerhöhungen lesen vs. die Forenbeiträge bei angedachten Bürgergeldkürzungen.

Teiresias
1 Monat her

Sozialhilfe repräsentiert das definierte Existenzminimum.
Rente ergibt sich aus einer vergleichsweise komplizierten Rechnung aus Beitragsjahren und Höhe.
Inflationsausgleich ist nicht vorgesehen, ausser bei EZB-Mitarbeitern, die sich dieses Privileg vor dem Hintergrund der Eurokrise erstreikt hatten – sie wussten, warum.
Inflation wird die Rente mehr und mehr unter das Existenzminimum drücken.
Am Ende bekommen alle die gleichen Mehlwurm- und Sojarationen, die für ein sozialverträgliches Frühableben sorgen werden – evtl. in Kombination mit einer „Impfung“.

Holger Wegner
1 Monat her
Antworten an  Teiresias

Wenn jetzt der Abstand vieler Arbeitnehmer zu Transferempfängern schon kaum noch vorhanden ist, ist ja klar, dass bei der niedrigeren Rente dieser gar nicht vorhanden bzw. negativ ist

Redlope
1 Monat her

„Eine höhere Mindestrente für alle – also auch für jene, die kaum oder gar nie gearbeitet haben – wäre dagegen ein weiterer Schlag ins Gesicht all jener, die viele Jahre fleißig waren.“ Doch, genau das braucht es. Denn alle anderen Maßnahmen greifen erst langfristig. Geholfen werden muss aber den vielen und gerade immer mehr werdenden Armutsrentnern, und das muss schnell gehen. Und dafür würde ich lieber Steuern zahlen als für all den Mist, wofür „wir“ gerade unser Geld rausschmeißen. Denn in den letzten 30-40 Jahren gab es eine Politik, die die hohe Arbeitslosigkeit mit allerlei Mitteln zu kaschieren verstand: Ich-AG,… Mehr

Last edited 1 Monat her by Redlope