Hatun Sürücü: Als der „Ehrenmord“ nach Deutschland kam

Vor 20 Jahren wurde die Deutsch-Kurdin von ihren eigenen Brüdern in Berlin erschossen. Die Familie wollte nicht hinnehmen, dass die junge Frau ein selbstbestimmtes Leben führte. Die Hauptstadt gedenkt der Toten jetzt auf Berliner Art: Der Senat verweigert ihr ein Ehrengrab.

IMAGO / Jürgen Ritter

Der Begriff „Ehrenmord“ ist noch gar nicht so lange Teil des deutschen Wortschatzes. Erst am 7. Februar 2005, als Hatun Sürücü an einer Bushaltestelle mit drei Schüssen in den Kopf hingerichtet wurde, fand er seinen festen Platz in der öffentlichen Debatte.

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Hatuns Eltern stammten aus dem kurdischen Teil der Türkei und ließen sich Anfang der 1970er-Jahre in Berlin nieder. Sie wuchs mit fünf Brüdern und drei Schwestern im Bezirk Kreuzberg auf. Ihr Vater meldete sie nach der 8. Klasse vom Gymnasium ab. Mit 16 wurde sie in Istanbul zwangsverheiratet – mit ihrem eigenen Cousin. Ein Jahr später wurde sie von ihm schwanger.

Nach einem Streit mit ihrem Mann und dessen strenggläubiger Familie kehrte sie alleine nach Berlin zurück und brachte dort ihren Sohn zur Welt. Sie zog aus der elterlichen Wohnung in ein Wohnheim für minderjährige Mütter und legte ihr Kopftuch ab. Hatun holte ihren Hauptschulabschluss nach, zog in eine eigene kleine Wohnung und begann eine Lehre als Elektroinstallateurin. Als sie ermordet wurde, stand sie kurz vor ihrer Gesellenprüfung. Direkt danach wollte sie mit ihrem kleinen Sohn nach Freiburg ziehen, wo sie bereits eine Arbeitsstelle in Aussicht hatte.

Trotz der tiefen Konflikte mit ihrer streng muslimisch-traditionellen Familie hielt sie den Kontakt. Doch ihre Brüder drohten ihr mehrfach mit dem Tod – ihr selbstständiges Leben habe die Familie „entehrt“. Hatun wandte sich mehrfach an die Polizei und meldete die Morddrohungen. Doch die Behörden unternahmen nichts.

Sie wollte einen letzten Versuch unternehmen, sich mit ihrem Bruder Ayhan auszusprechen, und traf sich mit ihm in ihrer Wohnung. Das Gespräch blieb ergebnislos. Die junge Frau begleitete ihren Bruder noch zu einer Bushaltestelle. Dort schoss er ihr dreimal in den Kopf, weil sie die Familie „entehrt“ habe.

Da wurde das Wort „Ehrenmord“ in Deutschland erst so richtig bekannt.

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Natürlich ist dieser Begriff irreführend. Ein Mord ist niemals ehrenhaft. Dennoch hat sich das Wort etabliert. In jüngster Zeit versuchen linke Kreise, es durch den Begriff „Femizid“ zu ersetzen: Tötung von Frauen aufgrund des Geschlechts.

Doch das verschleiert die wahren Hintergründe. „Ehrenmorde“ werden aus religiös-traditionellen Motiven begangen, fast immer sind muslimische Frauen oder Mädchen betroffen. In einigen Fällen trifft es auch homosexuelle muslimische Männer, deren Familien sie als „Schande“ betrachten. Diese Taten pauschal als geschlechtsspezifische Gewalt einzuordnen, bedeutet, ihre religiös-kulturellen Ursachen zu verschleiern.

Aber vielleicht ist genau das gewollt.

Hatuns Mörder wurde zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt und später in die Türkei abgeschoben. Dort betreibt er heute einen Köfte-Imbiss.

Zwei ältere Brüder, die als eigentliche Drahtzieher galten, wurden in einem ersten Prozess aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ihnen wurde vorgeworfen, die Tat geplant und ihren jüngeren Bruder zur Ausführung bestimmt zu haben. Einer soll die Waffe beschafft, der andere die Tat beobachtet haben. Beide setzten sich in die Türkei ab, wo sie unbehelligt leben – eine Auslieferung wurde verweigert.

Hatuns Sohn wuchs bis zu seiner Volljährigkeit bei Pflegeeltern auf. Sie hatte vor ihrem Tod mehrfach den Wunsch geäußert, dass der Junge weder zu seinem Vater noch zu ihrer Familie kommen solle.

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Hatun Sürücüs letzte Ruhestätte liegt auf dem islamischen Teil eines Friedhofs im Berliner Stadtteil Spandau. Dort befinden sich über 9.000 nach Mekka ausgerichtete Gräber von Muslimen. Nach 20 Jahren läuft der Nutzungsvertrag für ihr Grab nun aus.

Der Bezirk beantragte beim Berliner Senat, Hatuns Grab als sogenanntes „Ehrengrab“ anzuerkennen, um es dauerhaft zu erhalten: „Um ihre letzte Ruhestätte weiterhin als einen Ort des Gedenkens und auch für ihren Sohn zu erhalten, soll die Senatsverwaltung ersucht werden, die Grabstätte dauerhaft zu erhalten und zu pflegen.“

Ehrensache, könnte man denken.

Falsch gedacht. Wir sind in Berlin. Die unvergleichlich mitfühlende, stilsichere und den Bürgern zugewandte Stadtverwaltung hat kurz vor Hatuns 20. Todestag mitgeteilt, „dass der Vorschlag (…), die Grabstelle von Frau Sürücü als Ehrengrabstätte des Landes Berlin anzuerkennen, nicht aufgegriffen“ wird.

Etwa 700 Ehrengrabstätten gibt es in der Hauptstadt. Die Liste ist 77 Seiten lang, im Format DIN-A-4. Viele gänzlich unbekannte Lokalpolitiker stehen drauf – oder kennen Sie Julius Zimmermann? Wir kannten ihn auch nicht: Er war von 1875 bis 1902 Bürgermeister des Stadtbezirks Steglitz. Auch für Harald Juhnke und Hildegard Knef spendiert Berlin ein Ehrengrab.

Aber nicht für Hatun Sürücü.

Liegt es an fehlendem Geld? Wir wissen es nicht. Zwar ist Berlin bekanntlich chronisch pleite, für bestimmte Projekte scheinen aber immer noch Finanzmittel da zu sein. In der Trauerhalle des muslimischen Friedhofs in Spandau etwa wird demnächst ein muslimischer Gebetsraum mit einem neuen Waschraum gebaut: Weil die Totenwaschung bei islamischen Beerdigungen eine wichtige Rolle spiele, heißt es vom Senat.

Um Hatun Sürücüs Grab zu sichern, haben sich nach Angaben der Friedhofsverwaltung jetzt mehrere Privatleute gemeldet. Sie sind bereit, die Kosten zu übernehmen, die das Land Berlin nicht übernehmen will – damit die letzte Ruhestätte der jungen ermordeten Frau erhalten bleibt.

Von der Familie ist da erwartbar nichts zu erwarten. Die Sürücüs haben seinerzeit noch nicht einmal den Grabstein für ihre Tochter bezahlen wollen. Über vier Jahre blieb der Steinmetz auf offenen Kosten in Höhe von 1.600.- Euro sitzen.

Ehrenmänner eben.

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Kommentare ( 8 )

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Endlich Frei
1 Monat her

Der Berliner Senat kümmert sich lieber um eine teure Reintegration der islamischen Mörder Sürücüs, als diese Untermenschen lieber dauerhaft dahin zurückzuschicken, wo sie hingehören.

verblichene Rose
1 Monat her

Entschuldigung, aber Harald Juhnke und Hildegard Knef? Haben die keine Angehörigen, oder reichte zuletzt das Geld nicht aus? Also ich habe das jedenfalls bei der Ermordeten so verstanden, dass niemand der Angehörigen weiter für die Grabpflege zahlen will. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof gibt es übrigens zig Gräber mit dem Appell an mögliche Angehörige, das Grab weiter zu pflegen, weil es sonst eingeebnet wird. Tja, die Verstorbenen kenne und kannte ich auch nicht. Und da man über Verstorbene nicht schlecht sprechen soll, wären auch diese bestimmt jeder Ehre wert. Allerdings dürfte der Sohn nun mit 20 Jahren leidlich in der Lage… Mehr

imapact
1 Monat her

Wäre sie von einem biodeutschen Rechten ermordet worden – das Ehrengrab wäre ihr gewiß. Inklusive jährlichem staatlich organisierten Volkstrauertag. So aber… fremde „Kulturen“ sind in Deutschland sakrosant. Und die ehrbeflissene Familie führt nun wieder ein ganz normales Leben. War da was?

BK
1 Monat her

Sicherlich genießt diese Familie noch unsere Gastfreundschaft und wir sind dankbar für den uns gewährten Kulturaustausch. Als Kurde steht man in Deutschland nun mal unter Artenschutz und hat nichts zu befürchten, selbst wenn man nur die eigene Schwester umbringt. Kann sich das jemand von uns vorstellen, seine Schwester umzubringen? Und kann man sich so einen Richter vorstellen, den das ganze nicht kratzt und der die Mörder laufenlässt? Was sendet das für ein Signal in die Community der Kluturbereicherer? Dass diese diesen Staat nicht respektieren und ihn verachten, ist deren Reaktion. Dass unsere Behörden völlig versagen, meine Erkenntnis.

AlNamrood
1 Monat her
Antworten an  BK

Es zeigt doch genau das Weltbild mit dem Muslime aufwachsen. Die Familie steht über allem („Meine Brüda“) aber eine Frau ist eben doch nichts wert.

FreudLich
1 Monat her

Darüber gibt es den Film „Nur eine Frau“. Ich halte ihn für sehenswert. Wenn schon kein Ehrengrab, dann wenigstens diese Art von Gedenken.

Last edited 1 Monat her by FreudLich
MeHere
1 Monat her

Zitat: „Dort schoss er ihr dreimal in den Kopf, weil sie die Familie „entehrt“ habe.“ Den Grünen und Linksbunten ist das völlig egal, dass die Zuwanderung nicht funktioniert. Aber sie wollen immer mehr davon und der der verhasste Spiessbürger soll weiter zahlen. Die Oberspiesser sind jedoch die Linksbunten selbst. Glaube kein der der Beteiligten zeigt Reue, Im Prinzip wird es von der Türkei aus noch gefördert, während Dummmichel dahin in Urlaub fährt. Alles in allem steckt die Ideologie „Islam“ dahinter. Was machen wir jetzt ? Nicht einmal die Eltern hat man abgeschoben … sondern Deutsche Pässe verschenkt … Der Ehrendmord… Mehr

Kraichgau
1 Monat her

Entschuldigung,aber die Behauptung,von dem Mord an der jungen Frau hätte es den Begriff „Ehrenmord“ nicht gegeben in Bezug auf islamische Familienmorde,ist falsch!
Es gab schon in den 80ern Krimis über das archaische „Besitzverständniss“ unserer „lieben Dönerfreunde“ inklusive der Blutrache und eben auch der Tötungen der eigenen Töchter.
diese allgemein bekannten Fakten wurden nur immer schön relativiert nach dem Motto,die Süditaliener machen es genauso,Katholiken wären genauso radikal etcetcetc…..die Relativierung durch linke läuft seit Ewigkeiten!