Friedrich Merz zehnter Bundeskanzler und alle Fragen offen

Nach drei Jahren kehrt die CDU aus der Opposition zurück und stellt zum siebten Mal den Kanzler in der Bundesrepublik. Doch so rechte Euphorie kommt nicht auf. Nicht nur wegen der schwachen Zugewinne – sondern eher wegen der anstehenden rot-grünen CDU-Politik.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Der Kommentar zum Wahlabend kommt aus Augsburg und Berlin-Ost: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Ein gewisser Bert Brecht beendete mit diesen Worten sein Stück Der gute Mensch von Sezuan. Deutschland hat gewählt, und nichts ist klar. Das gilt auch noch dann, wenn gegen 23 Uhr oder irgendwann in der Nacht das vorläufige amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2025 feststeht.

Eine wichtige Frage wird indes in der Nacht geklärt: Schaffen es FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht in den 21. Bundestag? Das ZDF ließ in seiner Prognose offen, ob das klappt, platzierte beide Parteien exakt auf 5,0 Prozent und hielt das noch in der ersten und zweiten Hochrechnung durch. Die ARD sah indes beide Parteien knapp unter 5,0 Prozent – und damit eben nicht im 21. Bundestag vertreten.

Schaffen es beide Parteien oder auch nur eine von ihnen, dann wird es kaum für eine Koalition von nur zwei Parteien – jenseits der „Brandmauer“ – reichen. Union und SPD kommen zusammen nur auf etwa 45 Prozent, mit den Grünen wäre es noch weniger. Steht das amtliche Endergebnis fest und sind FDP und BSW draußen, dann ist nur eine Randfrage geklärt, nämlich ob die CDU/CSU mit einer oder zwei rot-grünen Parteien regieren wird.

Eine viel wichtigere Frage bleibt indes offen: Wie wird die Union unter dem zehnten deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz regieren? Im Wahlkampf hat er das Gleiche getan wie in seinen drei Jahren als CDU-Vorsitzender: immer mal wieder rechts geblinkt, um auf der Seite nicht zu viele Wähler zu verlieren, um dann aber wie Horst Seehofer (CSU) oder Wolfgang Kubicki (FDP) stabil nach links abzubiegen. Zwei Wochen vor der Wahl, nach den Anschlägen von Magdeburg und München, machte er den Kampf gegen die unbegrenzte Einwanderung zu seinem zentralen Thema – nur um sie direkt vor der Wahl schon nicht mehr unter seinen Schwerpunkten zu erwähnen.

Die Welt warte nicht auf langatmige Koalitionsverhandlungen, sagt Friedrich Merz. Eine Formulierung, die stilistisch an die berühmte Ruck-Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog erinnern soll. Stilistisch mag sie eine Reminiszenz sein – aber halt nur allerhöchstens stilistisch. Der Mann, der 20 Jahre lang Angela Merkel (CDU) ausgesessen hat und dann auf jeden linken Druck mit Zurückrudern reagierte, ist alles andere als einer, von dem ein Ruck durch Deutschland ausgehen wird.

Wenn er es sich aussuchen kann und nur mit einem Koalitionspartner regieren muss, dann wird sich Merz die SPD aussuchen. Olaf Scholz wird keine Rolle mehr spielen – das hat er selbst für den Fall gesagt, dass die Sozialdemokraten hinter der Union zurückbleiben. Bleibt ein sozialdemokratisches Restpersonal rund um Saskia Esken, Lars Klingbeil, Matthias Miersch, Rolf Mützenich, Karl Lauterbach oder Boris Pistorius. Die würden einem Koalitionspartner alles bieten, um trotz ihrer Mittelmäßigkeit an politischen Top-Karrieren festhalten zu können.

Die Grünen kommen nur als dritter Partner in eine Koalition. Auch damit hätte Merz kein Problem. Dass er sich Robert Habeck wieder als „Wirtschaftsminister“ vorstellen kann, hat der kommende Kanzler selbst schon gesagt. Und selbst Annalena Baerbock hat Merz nie hart kritisiert – selbst als sie sich dafür gefeiert hat, der Hamas Steuergelder zukommen zu lassen, am Tag, nachdem eben diese Hamas die Leichen von Kleinstkindern präsentiert und zelebriert hat, die sie in der Haft zu Tode gequält haben.

Merz war kein Kritiker, als die Ampel das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedete oder als sie das Vereinsrecht missbrauchte, um kritische Medien zu verbieten. Merz hat sich gegen den amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance gestellt, als dieser vom Bündnispartner Meinungsfreiheit einforderte. Der Rechtsanwalt nahm den linken Kampfbegriff von „Hass und Hetze“ in den Mund, um die Angriffe der rot-grünen Regierung auf die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Konrad Adenauer schmetterte den Deutschen einst entgegen: „Wir wählen die Freiheit.“ Friedrich Merz begnügt sich mit: „Ich will in das Kanzleramt.“

Alle Probleme bleiben ohne Lösung. Alle Fragen offen. Guter journalistischer Stil würde jetzt erfordern, eine inhaltliche Klammer zum Anfang des Textes zu bilden – also noch irgendeine Analogie aus Der gute Mensch von Sezuan. Aber das Stück ist nur das übliche Geblubber von Brecht, der zeitlebens dem Kommunismus das Wort geredet hat – aber auf seiner Flucht vor den Nazis dann durch die Sowjetunion eilte, um über Jahre das Asyl in Kalifornien zu genießen, wo es sich deutlich angenehmer leben ließ. So angenehm, dass Brecht vor dem McCarthy-Ausschuss abstritt, jemals Mitglied einer kommunistischen Partei gewesen zu sein. Ein rückgratloser Schwätzer also, auf den kein Verlass war. Wie soll man da eine Verbindung zu Friedrich Merz herstellen? Ohne wegen „Hass und Hetze“ im Knast zu landen.

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Kommentare ( 80 )

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DDRforever
23 Tage her

Köstlich diese BRD, einfach köstlich. Nicht nur glauben die Wähler offensichtlich die CDU wäre eine konservative eigenständige Partei und nicht Teil des Blockes „UnsereDemokratie“. Nein sie glauben auch noch die große Koalition würde das Ruder herumreißen und die BRD wieder zukunftsfähig machen. Für diese Wähler wird alles nur noch schlimmer, die Machtelite der Ukraine noch reicher, die Zahlungen an die EU noch höher, es kommen noch mehr Asylanten und diese werden noch weitaus besser alimentiert. Herzlichen Glückwunsch BRD!

John Beaufort
23 Tage her
Antworten an  DDRforever

Nicht zu vergessen: Bei den über 70jährigen glauben das 44 Prozent. Das sind wohl Personen, die aus reiner Gewohnheit wählen, ohne auch nur einen blassen Schimmer zu haben, was die Union die letzten 20 Jahre so getrieben hat. Menschen, die aus Tradition statt nach politischer Faktenlage wählen, sind Gift für die Demokratie. Das führt die Idee der Volksherrschaft ad absurdum, da solche Wähler nicht herrschen, sondern bloß abnicken.

Diogenes
23 Tage her

Warum sollte nicht Söder Kanzler einer Schwarz/blauen Koalition werden? Merz ist es noch nicht und hat auch nicht das Recht auf Alleinanspruch. Er, der selbstbewußte (Blau-weiße; passt auch besser) ist doch nicht mit Merz verheiratet und auch nicht mit dessen mehr als verdächtigen Links-Tendenzen. Jener hat doch die AfD nur schäbig mißbrauchen wollen, indem er sie klammheimlich als Stimmenbeschaffer tolerieren wollte mit der Wahlkampf-Remigrations Aktion, die dann durch eine Handvoll „Nicht Anwesender“ oder Unwilliger paar „Manderln“ verhindert (??) wurde. Sehr übles Spiel, schäbiger Trick, um die eigene Glaubwürdigkeit und Werbung für sich stärkend zur Schau zu stellen. Warum sich nicht… Mehr

Last edited 23 Tage her by Diogenes
Querdenker73
23 Tage her

Einer der ersten Gratulanten zum „Wahlsieg“ des Herrn Merz war Herr Selenskyi, wohl wissend, dass jetzt sowohl Taurus – Marschflugkörper als auch weitere bis zu 700 Mrd. € für Mord und Totschlag in Reichweite sind. Fast das anderthalbfache des jährlichen deutschen Sozialprodukts übrigens. Wie das nur so geht? Wahrscheinlich mit Sondervermögen. Die Höhe der Kosten wurde vor der „Wahl“ zurück gehalten, um den Steuerverdiener nicht zusätzlich zu verärgern. Wäre aber nicht nötig gewesen. Der Trottel hat – wie erwartet – entschieden. Nun balanciert er noch etwas näher am atomaren Abgrund. Aber er hat sicher schon den All – inclusive- Vertrag… Mehr

Kontra
23 Tage her

Was für ein seltsamer Auftritt von Merz in der Berliner Runde. Grimassen schneidend, arrogant belehrend und an den falschen stellen lachend verbockt er schon gleich den Start. Jetzt muß er Esken hinterher laufen, damit er Kanzler werden kann. Denn man los, mit Rambo Zambo!

merkelinfarkt
22 Tage her
Antworten an  Kontra

Und Esken hat Alternativen, da sie mit „Grünen“ und „Die Linke“ in einer in Thüringen bereits erprobten Koalition mehr Abgeordnete als die neben der AfD dann alleine stehende Merz-Union auf sich vereinigen kann! Mit einem Brandmaurer erlaubt das Wahlergebnis auch einen Kanzler Scholz oder Klingbeil!

Nibelung
23 Tage her

Da wird noch zukünftig manche Überraschung erfolgen, denn der erkennbar Großspurige hat bereits einen Tag nach seinem verlustreichen Sieg die große Lippe riskiert, was er nun mit den Roten alles vor hat und hat ganz dabei vergessen, wie er es umsetzen will, was sich für ihn später. sollte er wirklich Kanzler werden, noch äußerst negativ erweisen wird. Zur Frage eines Reporters, wie er die Chance zur neuen US-Adiministration einschätzt, hat er den kleinen und vorsichtigen Gang eingelegt um ja nichts falsches zu sagen, was ihm dann im Oval Office zum Verhängnis werden könnte und diese Angst sichtbar wurde und auch… Mehr

Waehler 21
24 Tage her

Einem Kanzler, dem deutsche Interessen vermeintlichen europäischen Interessen unterordnet und dies auch noch cool findet, ist nun Kanzler.

Es werden lediglich die Subventionskabel neu verdrahtet.

jopa
24 Tage her

Für Fritze ist das Ergebnis eine Klatsche. Als einziger „demokratischer“ Alternativkandidat der Nationalen Front zu Olaf versagte er die Stimmen von Olaf zu sich zu ziehen. Dafür, daß er dafür sorgte, daß sich die neofaschistische, rechtsradikale, querdenkende und schwurbelnde Afd sich verdoppelte müßte er, wie auch Olaf, von der Nationalen Front eigentlich geteert und gefedert und von der heiligen Kirche des Klimawahns für vogelfrei erklärt werden.

murphy
22 Tage her
Antworten an  jopa

Immerhin gibt es die ehemalige Volkspartei noch. Natürlich wird es auch hier – seit Merkel – Zeit, da sie den Weg von BSW oder FDP geht. Merz ist ein Abwrackkanzler für Deutschland. Allein weil er keine klare Linie kann, sollte er so schnell wie möglich ersetzt werden.

Orlando M.
24 Tage her

Mit diesem Volk ist kaum noch ein Staat zu machen. Die Sozialorgien der letzten Jahrzehnte haben das Volk gründlich verdorben! Im Westen Deutschlands hat die soziale Sicherheit eine wesentlich höhere Priorität als die Wirtschaft, der Weltraumsozialstaat ist knapp 25% wichtiger. Der Hypersozialstaat hat die Menschen derart verblöden lassen, dass sie zu scheinen glauben, dass die zuletzt min. 1,2 Billionen im Jahr für den Sozialstaat von den Politikern kommen. Oder noch viel schlimmer, sie wissen woher das Geld kommt und verlangen dennoch mehr, in dem Fall sind sie hoffnungslos verdorben. Darum finde ich die vernichtenden Forderungen von Verdi, dass der ÖD… Mehr

Joe4
23 Tage her
Antworten an  Orlando M.

Hinzu kommt, dass die Ergebnisse der Verhandlungen auf die Beamten übertragen werden. Der „Adel“ lässt streiken. Jedes Jahr die Streikerei mit überzogenen Forderungen. Damit wird die Inflation weiter angeheizt.

Spengler
24 Tage her

Die Brandmauer wird der CDU das Genick brechen.

Siggi
23 Tage her
Antworten an  Spengler

Nur Merz. Die SPD hat schon ihre Erpressertaktik offengelegt. Nun glaubt Merz durch Scheinverhandlungen mit der FDP und den Grünen die SPD weichklopfen zu können. Scheinbar unterschätzt er die Adhäsion der Esken, die man nur mit einer Hundertschaft vom Sessel gerissen kriegt. Merz ist der eigentliche Verlierer. Er hat nun alle Probleme an den Hacken. Die einzige Partei, mit der die Koalitionsverhandlungen 30 Minuten dauern würden, auch noch lösungsorientiert ist, schließlich haben die ja von der AfD die Themen geborgt, ihn zum Vereinigungskanzler machen könnte und nicht zuletzt auch noch die Probleme sieht, verprellt er, um das linke, nun abgestrafte… Mehr

Diogenes
23 Tage her
Antworten an  Spengler

Die CSU könnte mit Söder als Kanzler dieser Doppelpartei und einer prima Koalition mit der AfD dem linksextremistsichen Haufen, der schon seit Merkel längst keine Volkspartei, sondern eine narzistsiche, destruktive, astronomisch volksferne, maximal tief abgestürzte Partei noch den letzten Schubs geben.
Der Scholz-Verein war schon seit Merkel von keiner Spur Demokratie entfernt.geprägt.
Die wollten doch nur Scholz loswerden um ungehemmt ihr Zerstörungswerk Deutschlands maximal effektiv sozialistisch und narzistisch fortzusetzen. Merz würde sich wundern, wenn er sich dem geschrumpften Club als Befehlsempfänger ausgesetzt werden wird.

Last edited 23 Tage her by Diogenes
Biskaborn
24 Tage her

Kurzer Kommentar, mit Merz wird es für dieses Land noch schlimmer!

Siggi
24 Tage her
Antworten an  Biskaborn

Aber er war immerhin für ein paar Wochen Kanzler. Mehr wollte er eigentlich nie.