Friedrich Merz und die Wahlkampf-Falle: Strategielos ins Kanzleramt?

CDU-Chef Merz legt sich früh auf mögliche Koalitionen fest – und riskiert damit, Wähler zu verschrecken. Warum seine Strategie zur Selbstsabotage werden könnte und welche Fehler ihn bereits in der Vergangenheit scheitern ließen.

IMAGO / Fussball-News Saarland

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat noch nie eine Wahl gewonnen, er hat aber auch – außer parteiintern – noch nie eine Wahl verloren. Warum er sich jetzt, 16 Tage vor der Bundestagswahl, schon auf zwei mögliche Koalitionen festlegt, weiß er wohl selbst nicht so ganz. Vielleicht wissen es seine schlauen Wahlkampfmanager. Warum sich Merz indes kategorisch auf eine bestimmte No-go-Koalition kapriziert, dürfte klar sein: Er scheut das konzertierte Geschrei der Linksparteien, der Alt-Medien, der Kirchen, der „zivilgesellschaftlich“ linken NGOs und der ewig-gestrigen Merkelianer innerhalb und außerhalb der CDU.

Nun hat Merz seine Optionen weiter eingeengt. Bei einer Wahlveranstaltung im Saarland zeigte er sich offen für gemeinsame Lösungen mit der SPD, „vielleicht auch mit den Grünen“. Die FDP, die er womöglich für eine Dreier-Koalition brauchen könnte, hat er ohnehin abgeschrieben. Soeben sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest-France: „Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union … Die Wählerinnen und Wähler müssen sich überlegen, ob Stimmen für die FDP am Ende verlorene Stimmen sind.“

Das Problem für Merz ist allerdings: Es könnte nach dem aktuellen Stand der Sonntagsfrage weder für Schwarz-Rot noch für Schwarz-Grün ganz reichen. Was ist dann? Gibt es dann eine Minderheitsregierung? Mit oder – wenn sie denn im Bundestag sitzen werden – mit ein paar Stimmen der Linkspartei und/oder des BSW, wie in Thüringen und Sachsen?

Nein, das kleine Einmaleins des Wahlkampfes lehrt uns, und die Achtung vor der Wählerschaft gebietet es, dass Koalitionen nicht vor der Wahl geschmiedet werden – wie es offenbar CDU-Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet bei einer privaten Party bereits am 30. Januar einfädeln wollte. Nicht nur am Rande: Mit solchen Aktionen ist Merkels Ex-Kanzleraspirant Laschet, auf anderen Wegen Ex-Kanzlerin Merkel selbst, ohnehin dabei, nach 2021 ein weiteres Mal die Wahl eines Unionsmannes zum Kanzler zu vergeigen.

Der allergrößte Teil der Wählerschaft möchte jedenfalls gerne eine Partei wählen, die ihm programmatisch und personell pur gegenübertritt und nicht schon vor der Wahl eine Partei der Kompromissler gibt. Warum also stellt sich Merz nicht hin, wie er es immerhin einmal (nur einmal) recht mutig getan hat, und sinngemäß sagt: „Ich habe ein Ziel, und da schaue ich nicht nach rechts und nicht nach links.“

Wenn Merz bereits jetzt mehr oder weniger ziemlich eindeutig Schwarz-Rot und vielleicht ein wenig Schwarz-Grün prognostiziert, dann weiß der Wähler vorab schon, welche Prinzipien die CDU opfert.

Am Rande: Was eine mögliche schwarz-grüne Koalition betrifft, kommt der Mann im Hintergrund, Markus Söder, bei aller ihm durchaus eigenen Wendehalsigkeit von seiner klaren Absage gegen die Grünen ohnehin nicht mehr herunter. Und die CSU wird von den voraussichtlich 30 Prozent für Merz rund 6 Prozent beitragen. Das ist ein Pfund, mit dem Söder wuchern wird.

Zurück zur oben erwähnten Erinnerung, dass Merz parteiintern schon Wahlen – nämlich zwei – verloren hat: Bei der Wahl zum CDU-Vorsitz Ende 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Anfang 2021 gegen Armin Laschet. Warum Merz damals verloren hat? Weil er samtpfotig und kompromisslerisch aufgetreten ist. Merz sollte daraus seine Lehren ziehen – statt sich jetzt schon offen zu zeigen für die eine oder andere Koalition.

Tut er das nicht, kämpft er auch nicht um die Stimmen abtrünniger vormaliger Unionswähler, die zur AfD gingen, bekämpft er sie implizit sogar pauschal als Faschisten, Demokratiefeinde oder Populisten, dann dümpelt er mit seiner CDU außerhalb Bayerns bei 25 Prozent dahin.

Das ist nach drei Jahren Ampel-Desaster kein Glanzstück.

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Kommentare ( 25 )

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Joe4
1 Monat her

Herr Kraus, welche Optionen hat die cdu denn? Herr Merz rechnet damit, dass es die fdp nicht schaffen wird. Realistisch wären dann eben nur die beiden genannten. Die AfD ist raus; das wurde nun oft genug versichert.

Boehm
1 Monat her

Die Ausagen von Herrn Merz sind klar, für mich ist es noch klarer: Keine CDU!!!
Ein weiterso bringt Deutschland Nähe an den Abgrund

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her

Wieso „strategielos ins Kanzleramt“? Die Strategie ist, dass Friedrich Merz Bundeskanzler werden will. Das war’s. Um mehr muss er sich doch gar keine Gedanken machen. Seine künftigen Koalitionspartner werden ihm nach der Wahl schon ansagen, wo’s lang geht.

Gut, natürlich hätte die Union auch genauso gut einen Besenstiel als Kanzlerkandidat aufstellen können. Der hätte wohl die selben Ambitionen gehabt.

Teiresias
1 Monat her

Ich würde bei Merz schon von einer Wigerung sprechen, einen Elfmeter ohne Torwart zu verwandeln.
Es geht ihm nicht um die Macht, es geht ihm um die Agenda.
Solange eine Allparteienkoalition mit CDU mehr Stimmen hat als die AfD, wird Merz die Agendakoalition eingehen.
Und selbst wenn der Preis dafür ein Kanzler Habeck ist, wird Merz m.E. zustimmen.
Blackrock will es so.

Last edited 1 Monat her by Teiresias
Biskaborn
1 Monat her

Merz wird mit Rot oder, und Grün koalieren. Definitiv, da kann noch soviel über dieses Thema philosophiert werden!

H. Hoffmeister
1 Monat her

Was soll dieses lächerliche Theater denn ? Am Ende muss Merz – wenn er tatsächlich etwas am zerstörerischen Kurs ändern will – dann doch Flagge zeigen und die von Ihnen genannten Wähler vergrätzen. Die Situation ist viel zu kritisch für Spielchen, daher halte ich das für den falschen Weg.

H. Hoffmeister
1 Monat her

Herr Kraus,
der Futtertrogmagnetismus wird jegliche Arten von Koalitionen ermöglichen, darunter auch Schwarz-Grün-Rot, Schwarz-Rot-Dunkelrot etc. Das Land wird vor den Baum gefahren, so oder so. Erst danach wird das Wahlschaf aufgewacht sein und sich wundern, dass es wieder passieren konnte.

Martin Mueller
1 Monat her

Ein guter Kanzler braucht Mut, Rückgrat und Willen.
Sonst löst er keine Probleme, sondern verschleppt und vergrößert diese in die Zukunft hinein.
Und die derzeitigen großen Probleme sind die schlecht laufende Wirtschaft, die politisch verursachte Energiekrise und die zügellose Migration.
Daneben noch einige andere Probleme…

Herr Merz ist zu sehr der Typ des Rückversicherers. Da fehlt der Schneid, sich gegen den Zeitgeist zu stellen…

Last edited 1 Monat her by Martin Mueller
BellaCiao
1 Monat her
Antworten an  Martin Mueller

Friedrich Merz hat es nicht leicht. Denn er führt einen gefährlichen Balanceakt durch, für eine erhoffte, aber nur kleine Mehrheit der Union mit den Sozialdemokraten. Darum schont er die SPD, denn er muss paradoxerweise hoffen, dass diese nicht zu schwach wird. Gleichzeitig steigt so die Gefahr einer großen Linksregierung (alle Parteien außer Union und AfD). Sogar eine linke Minderheitsregierung wäre möglich. Merz könnte in diesem Fall nicht einmal zusammen mit der AfD opponieren. Ein Vabanquespiel mit sehr ungewissem Ausgang. Wenn es schlecht ausgeht, wird Deutschland für weitere 4 Jahre massiv wirtschaftlich und sozial abstürzen. Die einzige Hoffnung wären dann vorgezogene… Mehr

Joe4
1 Monat her
Antworten an  BellaCiao

So ist es. Und man kann es nicht oft genug sagen: Eine mögliche Linksregierung ist eine reale Gefahr! Wer meint, die AfD wählen zu müssen, erhöht sie, da er damit Links (rotgrünbswlinke) stärkt.

BellaCiao
1 Monat her

Idiotischerweise hat Merz eine eigene Minderheitsregierung kategorisch ausgeschlossen. Nach den zigfach wiederholten Schwüren der Union, auf keinen Fall eine schwarz-blaue Koalition bilden zu wollen, geht im besten Fall nur noch Schwarz-Rot. Falls es dazu nun nicht reichen sollte, bliebe Merz nur Schwarz-Rot-Grün. Mit einer solchen Schwampel-Regierung würde sich aber im Land natürlich so gut wie nichts verbessern können. Denn Grün und Rot würden das mit ihren hunderten NGOs und der grün-rot-woken Medienmacht sicher wie bisher zu verhindern wissen. Ich fürchte, dass es womöglich sogar zu einer linken Mehrheit in Form einer Regenbogen-Koalition kommen könnte, also alle gegen Schwarz und Blau.… Mehr

EndofRome
1 Monat her

Die Koalitionsverhandlungen ab dem 23. dürften zu einer Hängepartie werden. Am Horizont erscheinen dann schon Neuwahlen. Inzwischen wird es auch neue Umfragen geben und plötzlich ist die AfD stärkste Kraft. Was macht der Herr Merz dann nur? Noch könnte er mit den Blauen eine Koalition bilden und wäre der Koch. Nach Neuwahlen aber wären er oder sein Nachfolger nur noch Kellner.

H. Hoffmeister
1 Monat her
Antworten an  EndofRome

Ich glaube inzwischen, dass eine AfD – oder Werteunion etc. – es nicht verdient hat, für den Irrsinn, den wohlstandsverwahrloste Ideologen inklusive naive Wahlschafe verursacht haben, in die Bresche springen zu müssen. Das Altparteienkartell mit seinen Adlaten in ÖRR und MSM mögen die Suppe selbst auslöffeln. Leider liegt das Land dann in Trümmern. Ein Wahnsinn !