Fast 20 Jahre lang war unser Hauptstadtkorrespondent Mitglied der FDP. Nun sieht er, wie die Liberalen am Sonntag mit ihrem politischen Tod rechnen müssen – oder mit noch Schlimmerem.

„Es gibt weitaus Schlimmeres als den Tod, Tom.“ So belehrt der Schulleiter von Hogwarts, Albus Dumbledore, seinen ehemaligen Schützling, Lord Voldemort. Der größte Zauberer aller Zeiten meint damit ein Leben ohne Liebe oder ein Leben in ewiger Verdammnis, was für ihn auf das Gleiche herausläuft. Nun wäre es vermessen, sich selbst mit Albus Dumbledore zu vergleichen – und gefährlich, die FDP in eine Analogie mit dem Bösewicht Lord Voldemort zu bringen. Drei Jahre mit einem Justizminister der FDP haben gereicht, um für einen solchen Vergleich mit einem Bein im Knast zu stehen. Drei Jahre mit einem Justizminister der FDP haben gereicht, dass die internationalen Partner Deutschlands dessen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen.
Das ist einer der Gründe, warum der FDP am Sonntag der politische Tod droht. Die anderen aufzuzählen ist mühselig. Denn mit der FDP ist es wie mit einem Verwandten, der an Geräte angeschlossen auf der Intensivstation liegt: Klar könnte man jetzt darüber reden, dass er ein Ehebrecher war, ein notorischer Betrüger und ein Tagedieb. Aber so wie der Verwandte da röchelt, denkt man nur noch, das ist es nicht wert, und hofft, dass er es bald hinter sich hat. Am besten noch an diesem Sonntag.
Doch, doch. Ich kenne die FDP. Ich stehe auch an ihrem Sterbebett. 1995 bin ich zum ersten Mal ihr Mitglied geworden. Ich war gerade von Neunkirchen nach Homburg Saar umgezogen. Aus den Grünen war ich ausgetreten, weil deren Homburger Kreisverband in seiner Führung potenziell kriminell war. Doch ich vermisste die Politik und entschied mich daher für das liberale Original. Die saarländische FDP war damals nicht im Landtag vertreten und in Homburg trat ein junger Mann an, um den Landesverband wieder aufzubauen. Beim zweiten Treffen machte er mich zum Kassenwart des Kreisverbands, beim dritten bot er mir an, jederzeit Geld besorgen zu können – für die Partei, aber auch für mich persönlich. Zwei Tage habe ich über das Angebot nachgedacht, bis ich zum Ergebnis kam, dass mich dieser Weg ins Gefängnis führen würde. Worauf ich mich nie wieder bei der FDP Homburg meldete.
Zwei Jahre später zog ich nach Mainz weiter. Bis 2008 blieb ich eine Karteileiche der FDP – und habe in 13 Jahren weder einen Pfennig noch einen Cent Beitrag gezahlt. Die Partei bekam durch meine Mitgliedschaft mehr Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Der Mainzer Kreisverband erhielt dadurch mehr Stimmrechte auf Parteitagen. Das genügte offensichtlich. Niemand fragte nach Geld. 2003 habe ich sogar versucht, mich zu engagieren. Ich besuchte die Jahreshauptversammlung der FDP Mainz-Neustadt. Im Weinhaus suchte ich zuerst nach einem Nebenzimmer, dann nach voll besetzten Tischen, um letztlich eine Kellnerin zu fragen: „Wo trifft sich denn die FDP?“ „Die FDP? Das sind die beiden da in der Ecke.“ Von mir nahmen sie keine Notiz, da sie sich aus vollstem Herzen stritten. Mehr als eine volle Stunde. Es gibt Schlimmeres als den Tod, Tom.
2008 verließ ich die FDP. Plötzlich sollte ich doch Beitrag bezahlen – und das auch noch rückwirkend. Da ich mein privates Geld nicht der Allgemeinheit zuführen, sondern für mich behalten wollte, habe ich der FDP den Rücken zugekehrt. Mal ehrlich: Gibt es ein besseres liberales Motiv? Eben. Apropos Geld. Nochmal ein Jahr später habe ich angefangen, für die Grünen zu arbeiten.
Für die FDP war die Zeit zwischen 1995 und 2009 nicht die schlechteste. Mit Guido Westerwelle hatten sie einen der klügsten Köpfe der eigenen Parteigeschichte als Vorsitzenden. Als Theoretiker. Machtpolitisch war er Angela Merkel (CDU) nicht gewachsen, wie sich ab 2009 in der gemeinsamen Regierung zeigte. Westerwelle versprach Steuersenkungen, die Kanzlerin verweigerte diese. Damit war die Partei erledigt und flog 2013 aus dem Bundestag. Das war nicht mehr mein Problem. Im Gegenteil. Als Pressesprecher der Grünen setzte ich mich in der Wahlnacht – leicht angetrunken – über die eigene Sprachregelung hinweg, setzte einen Tweet ab, der das Ende der FDP feierte, und traf damit den Nerv von hunderten Parteifreundinnen in den Grünen. Drei Monate später wechselte ich den Job und wurde wieder Journalist.
2015 war aber dann schon wieder kein gutes Jahr mehr für Journalisten. Die Mainzer Lokalzeitung hatte mich als ehemaligen Grünen eingestellt, um der rot-grünen Landesregierung zu schmeicheln. Die rot-grün regierte Stadt Mainz war der wichtigste Anzeigenkunde dieser Zeitung. Um es kurz zu machen. Wir wurden zur gegenseitigen Enttäuschung. Ich wollte darüber schreiben, wie unter Merkel die Einwanderung schieflief. Die Zeitung wollte mit dem rot-grünen Anzeigenkunden an der „Brandmauer“ bauen. 2019 gingen wir auseinander. Im Streit.
Zwischenzeitlich war ich wieder Mitglied der FDP geworden. 2018. Während der Fußball-Weltmeisterschaft. Leicht angetrunken. Ein Muster. Christian Lindner hatte mich damit beeindruckt, dass er mit Merkel nicht zusammenarbeiten wollte, weil er eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit in der Einwanderung forderte – was mit der Kanzlerin offensichtlich nicht zu machen war. Was mich hätte abschrecken sollen, war, dass Lindner sich nicht traute, das so offen beim Namen zu benennen. Schließlich war ich – entgegen anderslautenden Gerüchten – in dieser Zeit nicht dauerbesoffen.
Die Pandemie kam. Deutschland drehte durch. Bisher darmausgangumschmeichelnde Ladenschwengel schwangen sich zu staatlichen Vollzugsbeamten auf. Echte staatliche Vollzugsbeamte schlugen alte Frauen nieder, zogen Kinder von Rodelschlitten oder hetzten Jugendliche mit Autos durch Parks. Erstmal dem Knaben alle Knochen brechen, damit er nicht vergisst, seine Maske auch draußen aufzuziehen. Gesundheitsvorsorge ist ja so wichtig. Die FDP machte 2021 damit Wahlkampf, diesen Wahnsinn stoppen zu wollen. Ich habe sie dafür gewählt. Zum definitiv letzten Mal.
Denn im Sommer 2022 verlängerte der besagte Justizminister der FDP die Pandemie-Maßnahmen. Grinsend an der Seite von Karl Lauterbach (SPD). Ich selbst hatte an diesem Tag eine Exklusiv-Geschichte veröffentlicht darüber, dass dem von der FDP geführten Wissenschaftsministerium eine Studie vorliegt, nach der die „Durchseuchung“ abgeschlossen ist – und die vom FDP-Minister verlängerten Maßnahmen damit reine staatliche Willkür bedeuteten. Was sich unter anderem darin zeigte, dass noch eine Maskenpflicht in Fernzügen galt, aber nicht in Flugzeugen.
An dem Tag bin ich aus der FDP ausgetreten. Ein zweites Mal. Ein letztes Mal. Danach kam sie für mich als Partei nicht mehr in Frage. Weder als Wähler, noch als Mitglied. Die Beteiligung an Atomausstieg, Heizhammer, „Doppelwumms“ oder Selbstbestimmungsgesetz bestärkten diesen Beschluss. Drei Jahre hatte die FDP das Justizministerium. Nach diesen drei Jahren erklärt „die Heimat der Freiheit“ Deutschland zu den Staaten, die nicht mehr als frei zu betrachten sind – damit ist die Grabrede zur FDP schmucklos, aber gehalten.
Doch es gibt Schlimmeres als den Tod, Tom. Scheitert die FDP am Sonntag an der Fünf-Prozent-Hürde, wäre sie zwar tot, aber auch erlöst. Schlimmer wäre für die Partei, wenn sie gemeinsam mit Linken, Bündnis Sahra Wagenknecht und Freien Wählern in den Bundestag einzieht. Dann bräuchte es eine Mehrparteienkoalition. Es wären Bündnispartner nötig, die frei von Werten und Anstand sind. Menschen, die bereit sind, ihre Oma zu verkaufen und Vater wie Mutter gratis dazuzugeben. Mit anderen Worten: Christian Lindner und der ehemalige Justizminister wären ziemlich sicher dabei.
Das wäre schlimmer als ein Tod der FDP in Würde. Die alten Weggefährten in Mainz müssten ihre Freizeit opfern, um an Ständen zu erklären, warum man wie Sahra Wagenknecht nun Wladimir Putin gut findet oder mit Olaf Scholz den Mindestlohn staatlich bestimmen will. Die Liberalen im Saarland müssten zugeben, dass es künftig keine Industrie mehr gibt. Aber sie könnten damit werben, dass, wenn es Industrie geben würde, die theoretisch per Quote gezwungen würde, ausreichend Metrosexuelle einzustellen, Transsexuelle, Intersexuelle, Ikeasexuelle und Otter.
Ganz ehrlich: Da wäre ein sauberer Tod der FDP am Sonntag die bessere Lösung. Lieber in Würde sterben, als Lindner und dem Justizminister weiter in all ihrer Unfähigkeit ihre Karriere zu erhalten. Auf diesen Tod könnte ich durchaus ein, drei oder auch sieben Bier trinken. Denn so besoffen, um nochmal FDP-Mitglied zu werden, kann ich gar nicht sein.
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Obwohl für mich der beste und angenehmste Politiker der letzten 30 Jahre Westerwelle war, wäre es mir nie eingefallen, der FDP oder irgendeiner anderen Partei beizutreten. Es gab in nahezu allen der größeren Parteien fähige Leute, aber meist ein Vielfaches an völlig Unterbelichteten, welche oft, aus unerfindlichen Gründe, an die Spitze und zu Richtungsgebern der Parteien gelangten. Eine Mitgliedschaft in einer Partei, egal welcher, müsste doch einem intelligenten Menschen genügen, um zu der Feststellung zu gelangen, dass es den meisten der aktiven Mitglieder um die persönliche Karriere geht. Ob mich die AfD, sollte sie der Einzug in eine Regierung gelingen,… Mehr
Schuld sind auch die Wahlumfragen. Weil der FDP ein Ergebnis unter 5 % vorausgesagt wird, haben viele FDP-Stammwähler die FDP nicht mehr gewählt, mich eingeschlossen, und somit fehlen dann die notwendigen Stimmen.
Wahlumfragen manipulieren uns mehr, als wir uns eingestehen wollen. Sie gehören verboten, zumindest vor Wahlen.
„Denn mit der FDP ist es wie mit einem Verwandten, der an Geräte angeschlossen auf der Intensivstation liegt: Klar könnte man jetzt darüber reden, dass er ein Ehebrecher war, ein notorischer Betrüger und ein Tagedieb. Aber so wie der Verwandte da röchelt, denkt man nur noch, das ist es nicht wert, und hofft, dass er es bald hinter sich hat.“ Naja, er wa ja wohl eher jemand, der dazu auch noch den ausgeliehenen Wohnungsschlüssel an Einbrecherbanden gegeben hat, der wegschaute und schwieg, als sich der Trainer über die Tochter hermachte, der dem Sohn Drogen verkaufte, der durch Unterschriftenfälschung, Passwortklau und… Mehr
Als die fdp die Kanzlerschaft von Helmut Schmidt gecrasht hat, begann ich gerade in das politische Leben einzusteigen. Der Grund für mein erwachendes, politisches Interesse war damals, dass ich Helmut Schmidt für einen überaus klugen und zukunftsgewandten Kanzler hielt. Man könnte auch sagen, ich war nach dem Nato-Doppelbeschluss ein Fan. Ab diesem Koalitionsbruch durch die fpd und dem Überlaufen der fdp zu Kohl war die fdp für mich nie mehr eine Option. Die fdp war für mich der Inbegriff des Vereins der „Kanzlermörder“. So besoffen hätte ich garnicht sein können, um danach jemals mein Kreuz bei den gelben zu machen.… Mehr
Der Buschmann war und ist die größte antiliberale Abrissbirne von Meinungsfreiheit und Rechtsstaat, die die Republik je erlebt hat. Sein furchtbares Wirken wird nur noch von einer extremen Wichtigtuerin und militärisch-politisch Ahnungslosen namens Zimmerflak übertroffen.
Diese Partei muss restlos weg.
Schade ist es um ihr einzig vernünftiges bekanntes Mitglied namens Kubicki. Der wurde immer wieder vorgezeigt als Corrector des größten Schwachsinns, konnte sich aber nie durchsetzen und war – als Zustimmer zu wichtigen Ampelgesetzen, gegen die er sich gewandt hatte – nicht für voll zu nehmen.
Es gibt also doch noch Gutes: Erst bei den „Grünen“, dann bei den „Liberalen“, zuletzt bei TE. Das nenne ich Fortschritt. Ich war allerdings schon mit 16 – d.h. vor 40 Jahren – auf der Seite der Rechten (damals CDU). Ein einjähriges Intermezzo bei der FDP (im Umland von FFM) hat mich belehrt, dass die vom Liberalismus exakt nichts verstanden haben. Heute wähle ich Alice für Deutschland.
Was bleibt einem Liberalen (im Sinne der Österreichischen Schule) auch anderes übrig? Die FDP war nie liberal, sondern eine Klientelpartei bestimmter selbstständiger Berufsgruppen. Die CDU hatte ein kurzes liberales Intermezzo vor einem dreiviertel Jahrhundert, das längst vergessen ist. Die AfD begann als lupenreine liberale Partei, ist aber auch schon wieder durch antikapitalistische, antiamerikanische Neurechte verschmutzt, die am liebsten ihren guten alten Kaiser Willem wiederhaben möchten – aber mit mehr Geld für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung. Der Deutsche ist ängstlich, selbstgerecht und fromm – also ein geborener Sozialist. Seit Luther, Hegel und den aufgeklärten Fürsten ist er staatsgläubig. Davor war… Mehr
Mit Verlaub: Auch Sie hegen die Illusion, dass der Mensch ohne jegliche Bindung, sprich Sprengung jedweder Gemeinschaft (fälschlicherweise heutzutage als „Staat“ übersetzt), leben könne, erst dann frei, selbstbestimmt sei, die durch das sogenannte „Böckenförde-Diktum“ aus dem Jahr 1964 grandios beschrieben wird: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann… Mehr
Was für eine schöne Sonntagsrede. Tatsache ist: Wenn keiner auf Kosten anderer leben darf, solange er gesund und arbeitsfähig ist, wird sich das angemahnte Gemeinschaftsgefühl ganz von alleine einstellen, ohne Druck vom Staat. Denn dann sind es wieder die privaten Netzwerke, die man pflegen muss: Familie, Verein, Kirche, Freunde, Nachbarn.
Nunmehr verstehe ich Ihre Sichtweise, die ich teile, allerdings anderweitig formuliere. Vielen Dank für Ihre Erklärung!
Man erkennt an Herrn Thurnes‘ Bericht, dass unter anderem Liberalismus ein gigantisches Verbrechen gegen die menschliche Seele darstellt, da jedweder Mensch als spirituelles Wesen, sprich als Ebenbild des christlichen Gottes, nach Spiritualität strebt, die allerdings Liberalismus als materialistische sowie nihilistische Weltanschauung mitnichten bieten kann, das wiederum einerseits im Allgemeinen erklärt, weshalb liberale Parteien wie eben die BRD-Partei FDP systemimmanent zum Untergang geweiht sind und andererseits im Besonderen die Erklärung bereithält, weshalb Herrn Thurnes‘ Sympathie mit Blick auf die BRD-Parteien BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN und FDP stets alternierte!
Also wenn „diese“ Liberale zu 100% Eines definitiv nicht sind, dann „Liberale“.
Neben allen anderen Sauereien: Die Meinungsfreiheit abgeschafft. Das ist nicht liberal. Das ist totalitär. Das Ist Adolph, Stalin, Mao, Pol Pot, Idi Amin, Angela Merkel und Honecker, Gysi et al..
Hoffentlich, Hoffentlich für immer weg! Diese Oberheuchler! Dem Land in nur drei Jahren endgültig die Karten legen. Und sobald Narzisstische Kränkung durch Bedeutungslosigkeit drohen einfach als Superwindfahne drehen und behaupten, unschuldig zu sein. Die Steigerung geht si: Feind, Erzfeind, Anscheinsfreund. Judas verriet Jesus mit einem Kuss: für 30 Silberlinge…
Ich hoffe, dass ich eure Gesichter nie wieder sehen muss. NIE WIEDER!!!
Mensch Hr. Tuhrnes,
jetzt zerfleischen Sie sich nicht selbst. Jeder macht mal Fehler 😉😀