Die Linke profitiert von einer Mauer – wieder mal

Die Linke schien nach EU-Wahl und Landtagswahlen im Osten tot. Doch jetzt steht sie vor dem souveränen Wiedereinzug in den Bundestag. Das liegt auch daran, dass die regierenden Parteien das Spiel ins Stadion der Linken verlegt haben.

IMAGO / IPON

Erinnert sich noch jemand an Janine Wissler und Martin Schirdewan? Unter ihnen fuhren die Linken in hohem Tempo vor die Wand. Von Wissler drang nach außen, dass sie die Partei in einem kalten und stalinistischen Stil führe. Das klingt schon verheerend, wurde von ihrem Außenauftritt aber noch getoppt. Wissler wirkte stets wie Ahnungslosigkeit, gekleidet in Patzigkeit. Als Ines Schwerdtner und Jan van Aken sie ablösten, konnte es eigentlich nur noch besser werden.

Tatsächlich scheint der Wechsel zu fruchten. In den Umfragen liegen die Linken bei sechs bis neun Prozent. Der Einzug in den 21. Bundestag wirkt sicher, während der Linken-Ableger „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt – und es eben noch nicht sicher ist, ob die noch junge Partei ins Parlament einzieht. Wie kommt es?

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Als Wagenknecht im Januar 2024 ihre Partei gründete, hatte sie das Momentum auf ihrer Seite. Sie war der Star der Talkshows, ihre Themen waren gefragt: ein Stopp der militärischen Unterstützung der Ukraine und ein kritischerer Umgang mit der illegalen Migration. Zudem ist etwas Neues immer von Vorteil, wenn sich eine allgemeine Lustlosigkeit an der politischen Landschaft breitmacht. Doch mit den Landtagswahlen im Osten verspielte das BSW das Momentum. Im Osten bewies Wagenknecht, dass sie lieber mit den regierenden Parteien zusammenarbeiten und die „Brandmauer“ aufrechterhalten will, als einen echten Wechsel in der Migrationspolitik herbeizuführen. Das Ukraine-Thema verlor zudem ohnehin an Interesse und ist seit der Wahl Donald Trumps zudem deutlich prominenter besetzt als mit Wagenknecht.

Der schnelle Aufstieg und Fall Wagenknechts machte wiederum Platz für die Linke. Zu Beginn des Wahlkampfs musste die Partei noch damit leben, dass Wähler sich nicht trauten, für sie zu stimmen – aus Angst, die Linke werde an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Doch seit Wochen sehen alle Umfragen sie deutlich über fünf Prozent. Ob das tatsächlich stimmt oder Wahlhilfe der Institute für die Linken ist, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Wenn es ein Trick der Institute ist, muss man sagen: Es funktioniert. Wer sich dieser Tage mit Wählern aus dem linken Spektrum unterhält, merkt: Der Zug weg von BSW, den Grünen und der SPD hin zur Linken ist real. Derzeit gilt die Linke in diesem Spektrum wieder als chic.

Das hängt zum einen mit Ines Schwerdtner und Jan van Aken zusammen. Sie haben es geschafft, der Linken ein neues Image zu verpassen. Vor allem durch geschickte Arbeit in den sozialen Netzwerken wie Tiktok, in denen sich verstärkt junge Wähler bewegen. Dort hat bisher vor allem die AfD gepunktet. Die Linke ist auf Tiktok nun das Gegenstück dazu. Die Links-Rechts-Polarisierung hilft aktuell beiden Parteien.

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Zu dieser Polarisierung haben aber auch die linken Regierungsparteien SPD und Grüne beigetragen. Um von ihrer eigenen, katastrophalen Bilanz in allen realpolitischen Bereichen abzulenken, haben sie mit ihrer Medienmacht den Kampf für die „Brandmauer“ und gegen die AfD und deren Wähler zum zentralen Thema dieses Wahlkampfs gemacht. SPD und Grüne selber profitieren davon nicht und stehen in den Umfragen zusammen unter 30 Prozent.

Doch die „Brandmauer“ vereinfacht Dinge. Sie lenkt von der Debatte um inhaltliche Lösungen ab und befördert stattdessen ein Wir-gegen-die-Denken. Dieses Denken spaltet die Gesellschaft und ist von seinem Wesen her totalitär. Simple Beiträge, keine inhaltlichen Lösungen und totalitäres Denken? Mit anderen Worten: Mit der „Brandmauer“ haben SPD und Grüne das Spiel ins Stadion der Linken verlagert. Mit Mauern kennt sich die Nachfolgepartei der SED aus. Um an der Macht zu bleiben, setzte die schließlich auch auf eine Mauer.

Das Auftreten von Jan van Aken mag anständige Menschen, Menschen mit Niveau verschrecken. Etwa wenn er Sahra Wagenknecht öffentlich anfährt, sie solle nun den Mund halten. Doch es ist die alte Möllemann-Rechnung: Komm in einen Raum mit zehn Personen, verärgere neun und begeistere einen – dann hast du zehn Prozent. Die Linke punktet derzeit vor allem bei jungen Wählern. Wer zehn Jahre auf einer Berliner Problemschule verbracht hat und danach immer noch nichts schreiben kann außer seinen Namenszug an Hauswände, der wird in Jan van Aken keinen Pöbler, sondern „einen von uns“ erkennen. Für bis zu zehn Prozent – Bildungsmisere sei Dank – reicht das. Die Grünen haben vorgemacht, wie man mit kaum mehr als zehn Prozent und einem Instrument wie der „Brandmauer“ FDP, CSU und CDU bis zu deren Selbstaufgabe vor sich hertreiben kann.


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Kommentare ( 60 )

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60 Comments
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Phil
1 Monat her

Die Zerstörung der westlichen Zivilisation mittels Kulturmarxismus geht in Europa unvermindert weiter. Auf Deutschland und Frankreich war bezüglich dem Schutz des Abendlandes noch nie verlass, weder die Politik noch die Bevölkerung dieser Länder anerkennt und erkennt die Fundamente unserer Zivilisation und die Prinzipien einer freiheitlichen Gesellschaft. Selbst in England, dem Ursprung der liberalen Idee, wurde der Liberalismus vergessen. Gott schütze die Amerikaner, welche diese Idee in die neue Heimat mitgenommen haben und Europa erneut vor dem Sozialismus retten werden, von dieser Geisteskrankheit, welche ganze Völker und Kontinente befallen hat. Der Sozialismus ist Hedonismus auf Speed, die Zerstörung jeder Gesellschaft und… Mehr

Walter Eiden
1 Monat her

Für mich stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Umfragen (und auch der Glaubwürdigkeit der Stimmenauszählung). Da sollen Parteien binnen ein, zwei Wochen 2, 3 oder noch mehr Prozent der Stimmen dazugewonnen oder verloren haben. Ergo: bis zu eine Million und gar mehr Wahlberechtigte sollen sich, meist Anlasslos, in diesen kurzen Zeitraum jeweils in die selbe Richtung umentschieden haben. Kann man glauben, oder eben nicht. P.S: Was mich sowieso schon stutzig gemacht hat war die von Beginn an demonstrierte „Siegessicherheit“ unseres Noch- und vielleicht auch Wiederkanzlers bei eigentlicher, von den Umfragewerten her, existierender Chancenlosigkeit (im Übrigen sehr ähnlich zur… Mehr

kb
1 Monat her

Es ist, wie es ist. Der Deutsche braucht den totalen Zusammenbruch. Noch mal vier Jahre rotgrün mit was dann auch immer und er ist da. Dann können die Allmanns wieder von vorne anfangen. Das Problem dann: Es ist kein Marschallplan da und die Amis zeigen uns den Vogel. Wir sollten uns in so einigen Ländern umschauen, denen wir im Moment noch großzügig Entwicklungshilfe geben, wie es sich so lebt auf deren Wohlstandsniveau.

Dr. Thomas Schimpff
1 Monat her

35 Jahre nach dem Crash des real vegetierenden Sozialismus.

verblichene Rose
1 Monat her
Antworten an  Dr. Thomas Schimpff

Real – irreal – surreal – Alptraum.
Viele Menschen kennen eben nicht den Unterschied zwischen einem Antonym und einem Synonym.
Nur der Alptraum ist immer gleich.

Nibelung
1 Monat her

Wer Nazis sehen will, sieht halt nur diese und von einem strammen Linken kann man kaum erwarten, daß er noch die Ableger der Mauerpartei vor sich sieht, die es immer noch schaffen, sich ins rechte Licht zu setzen und die Frage ist nur mit welchen Mitteln sie noch gesponsert werden, wo man sich bis heute die Frage stellen muß, wo sind eigentlich die Milliarden der SED geblieben, was immer noch im dunkeln liegt. Die haben lediglich die Taktik geändert und anstelle der alten ausgetretenen Apparatschiks treten nun gerade bei den Linken aller Art jüngere Larven in den Vordergrund um den… Mehr

Johann Thiel
1 Monat her

Klasse Herr Thurnes. Ein überaus treffender Beitrag. Da kann man nur noch, und zwar immer wieder, sagen, die CDU macht‘s möglich.

gom jabbar
1 Monat her

Heidi Reichinnek, wenn Politik zu einer „Deutschland sucht den Superstar“ Veranstaltung verkommt.
Nachwendekinder und ihre Träume von der gerechten sozialistischen Welt.

Aegnor
1 Monat her

Wo auch immer die Stimmen für die SED herkommen – sicher nicht vom BSW. Wagenknecht hat sich mit ihrem Altparteien-Coming-out sonst ins Knie geschossen, das stimmt. Aber warum sollte ein ehemaliger SED Wähler, der zum BSW wegen Ukraine und Migration abgewandert ist, jetzt zur SED zurückkehren? Deren Position zu diesen Themen hat sich null geändert… Außerdem war die SED bereits vor der Abspaltung des BSW bei unter 4%. Die Stimmen dürften größtenteils von Rot-Grün und von bisherigen Nichtwählern aus dem migrantisch-antisemitischen Lager kommen.

imapact
1 Monat her

Den Wert von 9% für die SED bezweifle ich. Bis vor kurzem lag sie bei rund 4% und nun ein Sprung um 5 Prozentpunkte? Ohne zu daß sich dieser Zugewinn als Verlust bei der linken Konkurrenz zeigt? Riecht nach Manipulation durch gefakte Umfragewerte.

Melly
1 Monat her

mal Abwarten, ich sehe in meinem Umfeld keinen der irgend eine Art von Sozialismus zurück haben möchte. Es sind die gleichen verblendeten die 89 auch eine neue DDR haben wollten. Wer soll den hier bitte schön noch irgendetwas erwirtschaften. Alles Hirngespinste!

Uwe78
1 Monat her
Antworten an  Melly

„ich sehe in meinem Umfeld keinen der irgend eine Art von Sozialismus zurück haben möchte.“

und warum stehen dann die den Sozialismus anstrebenden Parteien bei ca. 75% der Wählergunst?