Brüssels Megalomanie fordert ihren Tribut

Politischer Zentralismus ist nicht zum Nulltarif zu haben. Auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa verrennt sich Brüssel in einem Geflecht aus Kompetenzanmaßung, Kontrollwahn und Interventionismus. Die Rechnung für diese Anmaßung geht an die Filialstellen des Eurokratismus.

picture alliance / Anadolu | Dursun Aydemir
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Pressekonferenz zum EU-Haushalt, Brüssel, 16.07.2025

Feierstunde in Berlin. Bundeskanzler Friedrich Merz präsentierte am Montag das vermeintliche Comeback der deutschen Depressionswirtschaft. Unter dem wirklich originellen Titel (Ironie) „Made for Germany“ legten 60 Großkonzerne ihre selbstverständlich längst verbuchten Investitionen für die kommenden Jahre als aggregierten Befreiungsschlag vor. „Deutschland ist zurück“, schrieb Merz auf „X“, pathetisch, infantil – Gänsehautstimmung der unangenehmen Art.

Deutschland blutet aus

Die Realität der deutschen Wirtschaft sieht ein wenig anders aus: Der Arbeitsmarkt ist längst gekippt, hunderttausend Industriejobs werden in diesem Jahr noch gestrichen. Rekordinsolvenzzahlen und ein dramatischer Kapitalabzug runden das Bild einer krachend gescheiterten Wirtschaftspolitik ab. Wie weit der PR-Auftritt von Merz und seiner Konzern-Crew von der ökonomischen Wahrheit abweicht, zeigen Zahlen zu den Netto-Direktinvestitionen in den letzten Jahren: Im vergangenen Jahr verlor Deutschland 64,5 Milliarden Euro netto an das Ausland, 2023 waren es 67,3 Milliarden, 2022 sogar 112,2 Milliarden Euro.

screenshot/ Wirtschaftsdienst

Deutschland blutet aus. Und dass sich die politische Führung und die, nennen wir sie aus praktischen Gründen „Wirtschaftselite“, über die wahren Gründe dieses Kollapses ausschweigen, ist der eigentliche Skandal. Ein Wirtschaftsgipfel „Made for Germany“ müsste den Ausstieg aus der grünen Katastrophenagenda verkünden. Er müsste einen drastischen Rückbau von Bürokratie und Regulierungszwang zum Inhalt haben, von der Rückkehr zum günstigen russischen Gas und zur Kernkraft, die unverzichtbaren Säulen der deutschen Standortpolitik, ganz zu Schweigen.

Kontrastiert man die Konzernrunde mit diesem Zahlenwerk, so wird klar, weshalb die PR versandete und uninspiriert und schmallippig kommentiert in den Archiven politischer Plazebopolitik abgelegt wurde.

Rechnung aus Brüssel

Merz´ Gedanken dürften sich eh bereits um einen anderen Problemkreis gedreht haben. Während des Sektempfangs diskutierte halb Europa über das ausufernde Budget seiner Parteigenossin Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionschefin hatte zuvor ihren Finanzrahmen für 2028 bis 2034 präsentiert und ein Budget von 1,8 Billionen Euro zur Debatte gestellt.

Man kann nicht sagen, dass sie in Brüssel unambitioniert wären. Mit 100 Milliarden Euro will man den Stellvertreterkrieg in der Ukraine am Leben halten und gleichzeitig etwa 650 Milliarden in die grüne Subventionsmaschine einspeisen, um die künstliche Euroökonomie am Leben zu halten. Das EU-Budget würde damit um 750 Milliarden Euro oder um die Hälfte aufgestockt. EU-Europa begnügt sich nicht mit dem chinesischen Fünf-Jahres-Prinzip. Hier plant man direkt für sieben Jahre im Voraus. Ganz in der Tradition überzeugter Zentralplaner.

Für die Bundesrepublik implizierte das Mega-Budget der EU, käme es denn zustande, einen massiven Anstieg der Transferkosten. Da sich die Beiträge der Mitgliedstaaten nach ihrer ökonomischen Größe bemessen, stünde Deutschland mit 25 Prozent, also etwa 450 Milliarden Euro, in der Pflicht.

Deutschland zahlte zuletzt rund 30 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein und erhielt etwa 14 Milliarden zurück – ein jährlicher Nettoverlust von knapp 16 Milliarden Euro. Der kommende mehrjährigen Finanzrahmen könnte Deutschland jedes Jahr bis zu 64 Milliarden Euro kosten. Zugleich soll der Rückfluss von EU-Mitteln an Deutschland weiter sinken. Der Nettozahlerbeitrag wüchse auf bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr an – mehr als das Dreifache des heutigen Niveaus.

Schuldenspirale dreht sich schneller

Zyniker würden nun sagen, Deutschland könne mit seiner geplanten Neuverschuldung in Höhe von 90 Milliarden Euro im kommenden Jahr die 26 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden problemlos schultern. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wären das gerade einmal 0,6 Prozent zusätzlicher Ausgaben. Eine Kleinigkeit, geht es doch immerhin um die Stabilisierung der großen europäischen Zentralbehörde. Um im Duktus der deutschen Politik zu bleiben: Eine Art Demokratieabgabe.

Und da sich niemand mehr an die Maastricht-Regeln gebunden fühlt, steht der nächsten Runde der europäischen Schuldenorgie eigentlich nichts mehr im Weg.

Friedrich Merz teilt zudem mit Ursula von der Leyen und seinem Kollegen Emmanuel Macron die feste Überzeugung, dass es der Konsolidierung der politischen Macht innerhalb des Zentralkörpers Brüssels bedarf, um Europa geopolitisch im Spiel zu halten. Merz, und das wird von Tag zu Tag deutlicher, ist ein überzeugter Zentralplaner. Mit ihm wird es keine ordnungspolitische Wende geben.

Ende des Veto-Rechts

Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung zeigt, dass man im Großen und Ganzen am selben Strang zieht. Die ökonomische Krise soll durch ein gigantisches Schuldenpaket und durch staatliche Allokationen des Kunstkredits überwunden werden. Für die europäische Budgetzwangslage wird es daher eine komplexe Lösung aus neuen Steuern für Brüssel und höheren Beiträgen der Mitgliedstaaten geben.

Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten eine Debatte über die Eliminierung des Veto-Rechts einzelner Mitgliedstaaten im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für Brüssel erleben werden, um auch die letzten Hürden aus dem Weg zu räumen. Da kann Viktor Orbán in Budapest im Quadrat tanzen – den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf – bei der CDU sollten sie die Internationale mittlerweile auswendig gelernt haben.

Dann wäre der Weg frei, die nationalen Schulden unter die Obhut der EU-Kommission zu bringen, den Schuldenberg über die Europäische Zentralbank liquide zu halten und mithilfe des digitalen Euro das Ausbluten der Eurozonen-Wirtschaft zu stoppen. Der Ukraine-Konflikt dient in diesem Kontext als Rechtfertigungsmechanismus für die massive Kreditschöpfung des öffentlichen Sektors.

Soweit die Planspiele der Eurokraten. Glücklicherweise kommt es in der Realität immer anders, als wir uns das im Schutzraum unserer Ideologien und Phantastereien zusammenspinnen.

Angesichts der sich langsam regenden konservativen Opposition innerhalb der EU ist es unwahrscheinlich, dass es während der kommenden Schuldenkrise keine Dissidenten geben wird. Sie werden Brüssel entweder fiskalpolitisch einhegen oder den Kollaps dieses Kartenhauses der Macht erzwingen.

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Kommentare ( 8 )

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Werner Brunner
15 Tage her

Wenn nicht bald ein Aufbegehren gegen diese Bagage erfolgt ,
sehe ich schwarz für unser Land !
Wenn es nicht schon zu spät ist !

W aus der Diaspora
15 Tage her

Der Finazcrash kommt – so oder so!
Die Frage ist nicht ob er kommt, die Frage ist nur, wer am Ende der erste Dominostein ist, der fällt. Von mir aus darf das gerne „uns Uschi“ sein.

Harald Kampffmeyer
15 Tage her

Da sind 60 Konzernbosse beim Partei- und Regierungschef aufmarschiert und haben Selbstverpflichtungen abgegeben? Och, ist das schön.
Wie bei uns zu Hause in der DDR. Da sind auch so um die 60 Generaldirektoren der sozialistischen VEB-Kombinate beim Walter oder Erich aufmarschiert und haben ihre Selbstverpflichtungen der Kombinate anläßlich bevorstehender Parteitage oder eines Geburtstages unserer Republik zur Übererfüllung des sozialistischen Volkswirtschaftsplanes verkündet.
So haben wir den Kapitalismus überholt ohne ihn einzuholen (Walter Ulbricht 1970).

HansKarl70
15 Tage her

Die eu macht alles billiger. Leider nur nicht auf diesem Planeten, unter anderem weil Deutschland eine ausufernde und unsinnig teure Verwaltung durchziehen soll und somit die Politikerkaste weiterhin mit dem Geld des Steuerzahler zu versorgen gedenkt.

Haba Orwell
15 Tage her

Noch mehr Ärger für die EUdSSR – „Ungarn und Serbien bauen neue Ölpipeline gegen EU-Energiepolitik“: https://tkp.at/2025/07/22/ungarn-und-serbien-bauen-neue-oelpipeline-gegen-eu-energiepolitik/ > „… Ungarn hat Pläne zum Bau einer neuen Rohölpipeline angekündigt, die das Land mit Serbien verbinden und die Beschränkungen der Europäischen Union für russische Energielieferungen umgehen soll. Damit stellt sich Ungarn gegen die Energiestrategie Brüssels, wobei diese eher als De-Industriealisierungs-Strategie zu benennen ist. …“ Wie will eigentlich das Imperium bei Deindustrialisierung noch mehr Kohle kassieren? > „Heute sind die Energiepreise in Europa um ein Vielfaches höher als im Rest der Welt. Das ist kein Wunder, da Brüssel Energieverbindungen gewaltsam trennt, die Nutzung russischer… Mehr

Deutsche
15 Tage her

Oder in anderen Worten eine durchgeknallte „Elite“ (EU und Kartellpartei kein großer Unterschied), die ihren gehobenen Lebensstil endgültig über Schulden finanzieren möchte. Eher rücksichtslose Feudalherren als „Demokraten“ oder im Dienste der Bevölkerung. Was soll z.B. der Korruptionsstaat Ukraine – wahrscheinlich der teuerste Beitrittskandidat aller Zeiten- der europäischen Bevölkerung bringen? Noch einer (viele) der sich am deutschen Steuerzahler gesund stößt..
Das was sie mit Orban versuchen zu machen (unter falschen Versprechungen hineinlocken, dann erpressen, oder die „ultralinke Opposition“ zum regimechange „unterstützen“) ist kein Versehen sondern Programm
So unlauter und destruktiv was da läuft. Ach ich vergaß: Kriegsgeil.

AmitO
15 Tage her

Ich seh das bereits recht gelassen. Spätestens nächstes Jahr ist Russland mit der Ukraine durch und danach werden sich EU und NATO selbst zerlegen. Falls die kriegsgeilen Vollidioten wie Kallas und Co nicht doch noch den großen Krieg vom Zaun brechen. Dann geht das sogar noch schneller.
Zeit sich eine Lyra zu kaufen und zu gegebenen Zeitpunkt die musikalische Begleitung zum Untergang der korrupten Kleptokratien zu liefern.
Ich freu mich drauf!

Haba Orwell
15 Tage her

> Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten eine Debatte über die Eliminierung des Veto-Rechts einzelner Mitgliedstaaten im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für Brüssel erleben werden, um auch die letzten Hürden aus dem Weg zu räumen.

Müsste diese Eliminierung nicht einstimmig erfolgen? Irgendwann müsste das Imperium zusammenbrechen, bei so vielen Feinden in Europa wie außerhalb. Gerade drohen Handelskriege gegen die USA und China: https://uncutnews.ch/chinas-vergeltungsmassnahmen-gegen-eu-handelshindernisse/

An die Klima-Lobbyreligion glaubt außerhalb der EUdSSR niemand mehr.