Den Gegner vernichten, auch wenn das Selbstvernichtung bedeutet

Ein Blick auf den Israel-Palästina-Krieg mit der Brille der Konfliktpsychologie: Konflikte verfangen sich in einer Logik der Eskalation, die ihrer eigenen brutalen Dynamik folgt.

IMAGO / Middle East Images

Da sagt die Frau verzweifelt nach einem wiederholten heftigen Streit zu ihrem Mann: „Lass uns endlich mit dem Wahnsinn aufhören, Schatz!“ Darauf kreischt der Mann wütend: „Jetzt fängst du schon wieder an!“

Konflikte können eine Eigendynamik in zerstörerische Bereiche bekommen, aus denen Betroffene kaum herauskommen. Außenstehende können nur noch mit dem Kopf schütteln.

Die elende Endstufe der Konfliktdynamik ist erreicht, wenn eine Seite von dem Gedanken besessen ist, der anderen Partei unbedingt schaden oder sie gar vernichten zu müssen. Dabei wird sogar die Möglichkeit der Selbstzerstörung als notwendiger Preis akzeptiert. Bei solcher Rache-Eskalation wird es geradezu als Schuld erfahren, wenn man dem anderen NICHT Schmerz zufügt. In völliger moralischer Rechtfertigung sieht man die Schuld auf jeden Fall nicht bei sich. „Wir sind gegen unseren Willen in diesem Kampf durch den anderen hineingezogen worden. Deshalb tragen alleine die anderen die Schuld für alle Zerstörung.“

So kann bei bestem Gewissen ein Konflikt eskalieren bis hin in die gnadenlose Zerstörung von Familien, Unternehmen, Parteien oder auch ganzer Länder. Unter anderen Umständen können dieselben Menschen fürsorglich und verantwortlich sein. Aber in dem Sumpf der schweren Kränkungen und Verletzungen sind alle menschlichen Seiten untergegangen. Der Gegner wird dämonisiert und gegen einen Dämon sind alle Mittel recht und erlaubt.

Der Gaza-Israel-Konflikt ist spätestens am 7. Oktober 2023 offensichtlich in diese brutale Endstufe der Konfliktdynamik eingetreten. Selbst die Scheidung der beiden Konfliktparteien durch eine riesige Mauer hatte nicht geholfen. Die Mauer wurde überwunden, alleine um sich an Israel zu rächen und um möglichst viele Juden sinnlos abzuschlachten. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung in Gaza jubelt und ist begeistert in ihren Rachegelüsten. Man ist bereit, den Preis der Selbstzerstörung zu bezahlen, den dieser Massenterrorismus mit sich brachte. Man ist davon überzeugt, sich durch seine Bluttaten von der Schuld befreien zu können, die man auf sich lädt, wenn man den vermeintlich alleinigen Schuldigen unbehelligt lässt. Selbst die Übergabe der toten Geiseln wird so inszeniert, dass sie den Juden Schmerzen zubereitet.

Der Bumerang der damit einhergehenden Selbstzerstörung wird dadurch abgemildert, dass man nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch noch Gott an seiner Seite weiß. Arabische Progrome gegen Israel und „Allahu akba!“ gehören untrennbar zusammen. Der muslimische Glaube ist die Kraftquelle dafür, alle Härten dieser elenden Konfliktdynamik auf sich zu nehmen. Man zerreibt sich irdisch im Kampf um Gerechtigkeit. Doch himmlisch wird man dafür zu Ehren kommen. Psychologie und Theologie gehen hier Hand in Hand.

Wenn nahezu eine gesamte Bevölkerung besessen ist von dem Prinzip der gerechten Rache und dabei sogar die Selbstzerstörung billigend in Kauf nimmt, dann stellen sich für außenstehende Drittstaaten wie Deutschland die beiden Fragen:

  • Wie können wir es verantworten, diese Konfliktseite großzügig finanziell zu unterstützen, die in der Konfliktdynamik darin gefangen ist, alle Bereiche des Lebens und der Bildung auf das Ziel der Vernichtung Israels auszurichten?
  • Und warum sollte eine „Zweistaatenlösung“ eine Verbesserung bringen, wenn die Vernichtung der anderen Seite die Staatsräson des einen Staates wäre?

Die Endstufe der Konfliktdynamik ist zu offensichtlich, um sich den Konflikt mit allerlei Gutmenschlichkeit schönreden zu können. Alle Entwicklungs- und Flüchtlingshilfe ist unter diesen Vorzeichen letztlich eine Entwicklungshilfe zum weiteren Morden, Töten und Sterben.

Wo steht Israel in dieser Konfliktdynamik? Das weiß ich nicht. Aber solange zwei Millionen Araber in Israel nahezu gleichberechtigt an der Seite der 8 Millionen Juden frei und sicher leben dürfen, ist Israel auf jeden Fall nicht in der Endstufe der Konfliktdynamik. Zudem sind die Juden und Araber in Israel weltanschaulich-religiös, kulturell und politisch so kontrovers und pluralistisch aufgestellt, dass in Israel unterschiedlichste Positionen demokratisch miteinander streiten, was immer wieder neu Bewegung und Veränderung möglich macht.

Weil die Gaza-Araber und die jüdisch-arabische Bevölkerung Israels auf unterschiedlichen Stufen in der Konfliktdynamik sind, darum ist es nicht gerecht und angemessen, beide Seiten diplomatisch gleich zu behandeln.

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Kommentare ( 11 )

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Thorsten Maverick
14 Tage her

Der Autor blendet die religiöse Komponente komplett aus. Die Hamas kann als islamische Organisation keinen jüdischen Staat Israel dulden. Das Gebiet muß wieder da al-islam werden, egal um welchen Preis. Solange es Israel gibt, werden Muslime es und die Juden dort bekämpfen und versuchen, es auszulöschen.

olive
16 Tage her

Danke Herr Zorn.

Deutscher
17 Tage her

Es scheint mir eher ein grundlegendes Problem des Monotheismus zu sein. Ein totalitäres Gottesbild kann nunmal nichts anderes hervorbringen, als den Anspruch auf absolute und exklusive Dominanz, der auch die Anwendung äußerster Brutalität und Niedertracht rechtfertigt. War ja beim Christentum Jahrhunderte lang auch nicht anders, Sie kennen ja die Geschichte mit all ihren blutigen Einzelheiten. Heute verbrennen die Kirchen zwar keine Hexen mehr, aber sie vereinnahmen mit ihren Schäfchen zusammen Gott für ihre politischen Überzeugungen und verbannen alle aus der Gemeinschaft, die anders denken. Moderner, aber auch nicht viel besser. Wer in der Kirche verbleibt, trägt dies mit, egal, wie… Mehr

elly
17 Tage her

„Wir sind gegen unseren Willen in diesem Kampf durch den anderen hineingezogen worden. Deshalb tragen alleine die anderen die Schuld für alle Zerstörung.“
Die Endstufe der Konfliktdynamik ist zu offensichtlich, um sich den Konflikt mit allerlei Gutmenschlichkeit schönreden zu können. Alle Entwicklungs- und Flüchtlingshilfe ist unter diesen Vorzeichen letztlich eine Entwicklungshilfe zum weiteren Morden, Töten und Sterben.“
kurz hatte ich den Eindruck , es ginge um die Ukraine.

Vati5672
17 Tage her

Hallo, stimmt so nicht ganz. Die Hamas vernichtet sich nicht selbst. Ich hatte es mal ausgerechnet. Es waren „nur“ 2 Jahrgänge der männl. Bevölkerung in Gaza Streifen. Die Hamas ist noch an de Macht.Das Geld sprudeln aus allen Ländern. Recht viel aus Deutschland (warum wird _DAS_ nicht aus der jüdisch Deutschen Ecke kritisiert?) Indirekt wird zugegen das die Hamas „auf zeitweise Verluste“ fährt. Tötungsrate rd. 46.000 : rd. 2000. 1 toter Jude „darf ruhig“ 23 Tote Gaza Streifen Bewohner kosten. Das ist so geplant. Der „Verlust“ ist recht bald ersetzt. 1950 waren es rd. 250.000, heute gut 2 Millionen. Da… Mehr

Marcus Iunius Brutus
17 Tage her

Könnte ich nicht besser formulieren.

BK
17 Tage her

Man stelle sich mal vor, wenn 80 Millionen Deutsche den polnischen Landraub so bekämpfen würden, wie die Palästinenser die Gründung des Staates Israel. Dann hätten wir uns um den Faktor 5 – 10 vermehrt und jeder Mann hätte einen Waffenschein. Das hätte wieder sehr viel Unruhe in Zentraleuropa gestiftet. Und Gott sei Dank, haben wir einen tollen deutschen Staat, der uns jeden Euro aus der Tasche zieht, das Geld in der Welt verteil und uns die Vermehrung erschwert. So ein dauerhafter Kriegszustand, scheint also auch ein Luxusproblem zu sein. Ein Volk bekommt Geld aus aller Welt, muss nicht arbeiten, kann… Mehr

Ohanse
17 Tage her

Ich kenn den Witz mit dem Ehepaar im Original, da geht es andersrum. Entsprechend steht der Rest des Textes auch von Beginn an unter dem Verdacht, Verdrehungen zu enthalten. Und, siehe da: Eine Verklitterung ohne Beispiel. Deutsche „Geistliche“ sollten besser – um mit Luther zu sprechen – „das Maul“ halten, wenn es um Politik geht. Könnt Ihr gerne zensieren, ist ja auch schwer verdaulich. Aber lesen musstet Ihr es.

Last edited 17 Tage her by Ohanse
achijah
17 Tage her
Antworten an  Ohanse

Was soll an argumentationsfreier Meinungsäußerung schwer verdaulich sein? – Kein Problem das zu lesen.

Dundee
18 Tage her

„Wo steht Israel in dieser Konfliktdynamik? Das weiß ich nicht.“ Vielleicht können Sie folgende Erklärung annehmen. Das Israel, dass Sie für sich definieren gibt es so wie Sie es definieren gar nicht. Nehmen Sie einfach mal an es gäbe zwei Israels. Eines so oder so ähnlich wie sie es für sich definieren und ein völlig anderes Israel. Ein tiefes Israel, das ganz andere Interessen verfolgt als das offizielle Israel, welches sich so gibt, wie Sie es sich vorstellen/definieren. Streng betrachtet ein geheimes jedoch bewusst schizophrenes Israel, dass Ihnen gegenüber seine Schizophrenie allerdings geschickt überspielt, verheimlicht. Sie so täuscht, dass Sie… Mehr

Last edited 18 Tage her by Dundee
Chris Groll
17 Tage her
Antworten an  Dundee

Sich einfach mal mit Israel und der Bibel beschäftigen.
Der palästinensischen Friedensaktivisten Bassem Eid sagte in der Sendung Faszination Israel, daß die Medien ihre Moral im Journalismus fast verloren haben. Und diese Medien bestimmen heute das Bild von Israel.
Schon Karl Marx sagte: Der Antisemitismus ist das Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur.