Armenien und Aserbaidschan verhandelten vor Kurzem über ein Friedensabkommen – zum ersten Mal ohne Beteiligung Russlands. Sowohl der Bergkarabach-Krieg 2020 als auch der Ukraine-Krieg haben dazu beigetragen, dass Russland Stück für Stück Einfluss im Kaukasus verloren hat.

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf andere Regionen, in denen Moskau als wichtiger Akteur gilt, waren in den vergangenen Jahren enorm. Russland ist militärisch nicht in der Lage, einen Zweifrontenkrieg zu führen. Russland sah tatenlos zu, wie sein Verbündeter Iran im Zuge des zwölftägigen Krieges von den Atommächten USA und Israel angegriffen wurde. Moskau konnte weder Luftabwehr noch Jets an den Iran schicken. Diese werden im Ukraine-Krieg benötigt. Als Islamisten letztes Jahr Damaskus einnahmen, konnte die Kremlführung nichts anderes tun, als ihrem Verbündeten Assad zur Flucht zu verhelfen. In diesem Fall waren zu viele russische Kräfte im Ukraine-Krieg gebunden, um Einheiten entbehren zu können.
Nach den Rückschlägen im Nahen Osten schwindet auch der Einfluss Russlands im Südkaukasus langsam. Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan und der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew trafen sich am 10. Juli in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), um die nächsten Schritte zur Fertigstellung des Friedensabkommens zu besprechen – allerdings zum ersten Mal ohne Beteiligung Russlands. Sowohl der Bergkarabach-Krieg 2020 als auch der Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass Russland Stück für Stück Einfluss im Kaukasus verloren hat.
Bergkarabach-Krieg
Bis Herbst 2023 erlangte Aserbaidschan mit stiller Unterstützung der Türkei die vollständige Kontrolle über die zuvor von Armeniern besiedelte und in den 1990er-Jahren besetzte Region Bergkarabach zurück. Als Aserbaidschan im Jahr 2020 eine Offensive startete, um die Enklave zurückzuerobern, weigerte sich Kreml, Armenien bei der Verteidigung zu unterstützen – unter anderem als Vergeltung für eine Protestbewegung zwei Jahre zuvor, durch die der prowestliche Nikol Paschinjan an die Macht gekommen war.
Ursprünglich war Moskau vertraglich zum Schutz verpflichtet. Armenien war Mitglied der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), einer Art postsowjetischer NATO. Doch die russischen Friedenstruppen griffen in den Krieg nicht ein. Armenien hat später seine Mitgliedschaft im OVKS-Bündnis eingefroren und sucht aktiv nach neuen militärischen Partnern wie Frankreich.
Die Kremlführung gestattete Aserbaidschan damals, einige Gebiete um Bergkarabach einzunehmen, bevor Präsident Putin einen Waffenstillstand vermittelte. Dadurch konnte Russland Truppen unter dem Deckmantel von Friedenstruppen in Aserbaidschan stationieren. Als Russland jedoch 2023 durch den Krieg in der Ukraine abgelenkt war, nahm Aserbaidschan innerhalb von weniger als 24 Stunden ganz Bergkarabach ein, während die russischen Friedenstruppen dem Überfall tatenlos zusahen. Da es keinen Vorwand mehr für ihren Verbleib gab, war Russland gezwungen, seine Truppen abzuziehen. Nach der letzten Runde des Karabach-Kriegs sah sich auch Armenien von seiner Schutzmacht Russland verraten und suchte neue Partner in der EU und den USA.
Konflikt mit Aserbaidschan
In den vergangenen Monaten haben sich die russisch-aserbaidschanischen Beziehungen so stark verschlechtert, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Der Wendepunkt war die Tragödie mit einem aserbaidschanischen Passagierflugzeug auf der Strecke Baku–Grosny, das am 25. Dezember des vergangenen Jahres in Tschetschenien von einer russischen Rakete getroffen wurde und eine Notlandung in Aktau in Kasachstan machen musste. Dabei kamen 38 Passagiere und Besatzungsmitglieder ums Leben.
Aserbaidschan reagierte scharf und stellte drei Bedingungen an Russland: erstens eine Entschuldigung, zweitens eine Entschädigung der Opfer und drittens die Bestrafung der Täter. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew sagte dann seine Teilnahme an der Parade zum 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, dem wichtigsten Feiertag des Kremls ab. In den vergangenen Wochen kam es zu einer neuen Eskalation zwischen Moskau und Baku, als die russische Polizei am Ural im Rahmen einer Razzia rund 50 ethnische Aserbaidschaner festnahm und sie mit 20 Jahre alten, ungeklärten Mordfällen in Verbindung brachte. Bei den Festnahmen wurden zwei aserbaidschanische Männer gefoltert und zu Tode geprügelt.
Aserbaidschan reagierte auf die Festnahme seiner Bürger mit der Erstürmung des Büros des russischen Senders Sputnik und der Festnahme zweier Mitarbeiter. Ihnen wird vorgeworfen, „FSB-Agenten“ zu sein. Zudem wurde der russische Botschafter wegen der „brutalen Tötung“ zweier Aserbaidschaner ins Außenministerium in Baku einbestellt. Aserbaidschan sagte außerdem alle Kulturveranstaltungen mit russischer Beteiligung ab. In Baku wurden zudem mehrere russische Staatsbürger „wegen Drogenhandels“ festgenommen. Die Beziehungen haben sich seither rapide verschlechtert. Beobachter sind überzeugt, dass die aktuelle Eskalation mit den veränderten Machtverhältnissen im Südkaukasus zusammenhängt. Aserbaidschan ist derzeit sehr selbstbewusst. Alijew hat das Gefühl, er müsse auf Russland keine Rücksicht mehr nehmen und könne Putin provozieren.
Derweil hat auch der Konflikt zwischen Israel und dem Iran den Status Aserbaidschans als aufstrebende Regionalmacht gestärkt. Unterstützt von der Türkei und Israel, das Aserbaidschan als strategischen Verbündeten im Konflikt mit dem Iran betrachtet, erwägt das Land den Beitritt zu den Abraham-Abkommen und strebt eine Rolle als Energie-Drehkreuz in der Region an. Der syrische Machthaber Ahmad al-Sharaa traf sich letzte Woche in Baku mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Alijew. Unter anderem wurden Gaslieferungen von Aserbaidschan über die Türkei nach Syrien vereinbart.
Aserbaidschan etabliert sich als Regionalmacht
Im vergangenen Monat hatte der armenische Premierminister Paschinjan Istanbul besucht und war dort von Präsident Recep Tayyip Erdoğan feierlich empfangen worden. Ein Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan würde Armenien in den sogenannten „Mittleren Korridor” für Handel und Energie integrieren. Er verbindet China und Zentralasien unter Umgehung Russlands mit Europa. Dies ist besonders wichtig für die Energiesicherheit Europas und bedeutet einen Rückschlag für den Nord-Süd-Transportkorridor. Dieser Korridor, der Russland über Aserbaidschan und den Iran mit Indien verbindet, ist für Moskau eine sanktionssichere Verkehrsverbindung.
Mit der Versöhnung zwischen Armenien und Aserbaidschan unter Ausschluss Russlands baut der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seinen Einflussbereich in den Grenzen des ehemaligen Osmanischen Reiches konsequent aus. Er zielt auf die Wiederherstellung des sogenannten „Großen Turan” in den turksprachigen Regionen Asiens ab. Im Zuge dieser Politik träumt Erdoğan von einem türkisch-muslimischen Korridor durch Eurasien.
Da Aserbaidschan sowohl von der Türkei als auch von Israel bewaffnet wird, ist es zu mächtig, als dass Russland offen gegen die Machtambitionen von Alijew vorgehen könnte. Putins beste Hoffnung, seinen Einfluss zurückzugewinnen, dürfte daher in Armenien liegen, das von russischen Energie- und Nahrungsmittelimporten abhängig ist und in dem Russland noch immer einen Militärstützpunkt unterhält. Was Russland in Armenien jedoch fehlt, ist die Unterstützung durch einen Teil der Bevölkerung.
Seit der Niederlage im Krieg gegen Aserbaidschan versucht Armenien, sich vom russischen Einfluss zu lösen und sich dem Westen anzunähern. Noch wichtiger ist jedoch, dass Armenien seine Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zur Türkei intensiviert. Diese waren durch die Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern durch osmanische Truppen in den Jahren 1915/16 belastet. Die Kremlführung hat bisher keine Mühen gescheut, Paschinjan loszuwerden, der im nächsten Jahr ohnehin vor Wahlen steht. Sie hofft auf eine Wiederholung des georgischen Szenarios, bei dem der moskautreue Oligarch Bidsina Iwanischwili und die Kirche die Westbindung des Landes stoppten und es wieder unter den Einfluss Russlands brachten.
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Also von Versöhnung mit der Türkei und Aserbeidschan kann wohl kaum die Rede sein. Armenien kapituliert schlicht und einfach komplett, weil sie am Ende sind und anders als die öl- und gasreichen Aseris potentiellen Bündnispartnern schlicht nichts zu bieten haben. Bei dem aktuell verhandelten „Friedensabkommen“ geht es um nichts Anderes als die Aufgabe der Souveränität über Armeniens Staatsgebiet in Sangesur und damit die Schaffung einer Landverbindung von der Türkei über Nachitschewan zum aserischen Hauptgebiet. Wenn die Armenier Glück haben, können sie noch das winzige Gebiet um die Hauptstadt Jerewan halten. Wo sie dann eingekesselt zwischen ihnen weiterhin feindlichen Mächten langsam… Mehr
Präsident Ilham Alijew ist scheinbar geisteskrank… und er und sein Land werden dafür bitter bezahlen! Es ist halt nur eine Frage der Zeit! Russland wird aus dem Ukrainekrieg massiv gestärkt hervorgehen, sie werden die kampferprobteste Armee der Welt haben, sie wissen sehr gut was funktioniert und was nicht, sie haben die Militärproduktion optimisiert… da wäre ich anstelle einer WINZNATION sehr sehr vorsichtig wem ich ans Bein pinckele! Was dieser WINZNATIONS-Vorsteher sich rausnimmt, nur weil ihm die EU gerade die Füsse leckt und ihm alles durchgehen lässt…. Aber das ist halt das Problem dieser hochemontionalen Moslems… sie neigen dazu extrem schnell… Mehr
Moin Herr Mousavi, mmmhm, man könnte meinen, Sie recherchieren bei Britischen Propaganda-Denkfabriken. Armenien ist völlig wertlos. Warum sollten die Russen das Leben ihrer Soldateska für die Ärger-Produzenten im Kaukasus opfern? Schon vor dem Ukraine-Krieg entzogen die Russen den Armeniern ihre Gunst, weil diese sich weigerten, mit Aserbeidschan zu verhandeln & dazu noch im politischen Größenwahn mit dem Westen anbändelten, dessen Sicherheitsversprechen meist völlig unverbindlich bleiben. Zudem der Westen ist sowieso pleite, im Gegensatz zu den Russen. Was soll also aus dem Westen kommen? Man versteht in solchen Ländern häufig eben nicht, daß man vom Westen nur geo-politisch mißbraucht wird. Als… Mehr
Diese verd..te Russen, sie haben ihre Grenzen direkt an die Anflussbereich der Amerikaner gebracht.
Einziges was dabei fast sicher ist: Tot und Zerstörung folgen sehr nah die exportierte, westliche „unsereDemokratie“.
Für mich ist schon lange klar, daß Rußland den Ukraine-Krieg verloren hat. Wenn man 1941 vergleicht mit den geradezu armseligen Leistungen der russischen Armee in den letzten Jahren in der Ukraine, dann wird man wohl verstehen. Rußland hat aller Welt gezeigt, daß es eine völlig unbrauchbare Armee unterhält. Ein Papiertiger. Das ist die Nachricht schlechthin. Vor Rußland muß sich niemand fürchten. Und jetzt Ihr Artikel, der die russische Zwangslage aus einer anderen Perspektive beleuchtet. Natürlich werden die Russen noch weiter in der Ukraine kämpfen können. Aber gewinnen werden sie nicht. Hoffentlich sehen sie das bald ein! Damit endlich das Töten… Mehr
Aber sie bekommen schon mit, dass die Russen JEDEN Tag weiter vorrücken???
Klar sind das keine riesigen Geländegewinne aber man muss die Gebiete ja auch von Minen befreien und und und … auch muss die Versorgung stehen…
Also wenn so verlieren aussieht dann bin ich doch lieber ein Verlierer als ein Gewinner wie die Ukraine….
Eine steile These, Herr Mousavi!
„Regionalmacht Aserbaidschan“
Aserbaidschan, angebunden an die Türkei und Israel.
Die Nähe suchend zum „Wertewesten“.
Die innere Verfasstheit lasse ich gnädiger Weise außenvor.
Keine Regionalmacht, sondern ein Spielball.
Ein Spielball schlechter Qualität:
Haupt-Waffensysteme aus sechs Staaten, untereinander nicht kompatibel.
Die Aseris, die nächste Voelkerschaft die vom Westen Hilfe einfordern wird, wenn der Regionalmachtstraum zerplatzt.
Nein Danke!
Die christliche Ukraine wird mit Krieg überzogen, während die muslimische Türkei immer mehr Einfluss in diesen halb oder ganz muslimischen Staaten gewinnt.
Putin hat nichts aber auch gar nichts verstanden.
Was soll denn Putin verstehen? 74% Inflation in der Türkei? Ein relativ große & teure Türkische Armee, die nichts produziert & nur kostet? Daß die Türken schon den Krieg im Irak & Libyen nicht finanzieren können, den sie führen?
Zweifellos gab sich Rußland durch die dargelegten politischen Entwicklungen vielfach eine offene Flanke.
Doch hierüber zu triumphieren kann für den Westen nur vordergründig sein.
Vielmehr erodiert der Westen in vielfacher Hinsicht, während Rußland gesellschaftlich wie militärisch an Stärke gewinnt.
Das „Ergebnis“ mag unbekannt sein, doch alle gegenwärtigen Entwicklungsparameter sprechen für Rußlands „Sieg“, den die unter Vernichtungsabsicht stehenden Bürgerlichen im Westen begrüßen sollten.
Welche offene Flanke meinen Sie? Der Russe führt nur einen Krieg, wenn ein Krieg notwendig erscheint & zu gewinnen ist.
Russland hat dem Iran mehrere Jahre lang Flugabwehrraketen und andere Waffen angeboten. Die Iraner wollten sie nicht haben, weil sie sich davon Vorteile bei den Atomverhandlungen mit den Amis versprochen haben. Nachdem der iranische Außenminister vor ein paar Tagen in Moskau war, werden jetzt russische Waffen in den Iran geliefert, ohne das an die große Glocke gehangen wird, um welche Waffen es sich handelt.
nunja – anscheinend waren die Russen einmal wieder zu naiv, um den sein eigenes Volk verratenen Charakter des armenischen Präsidenten zu erkennen…
Wieso? Die Russen lassen doch Armenien Armenien sein. In Armenien ist bis auf schwer zugängliche Mineralien nix zu holen. Wer meint ohne Russische Knete auskommen zu können, soll halt schauen, wo er bleibt.