Derzeit treibt Trump seine politische Agenda in der Region voran, ohne dabei Rücksicht auf die israelische Regierung zu nehmen. Gleichzeitig startet Israel eine neue Offensive im Gazastreifen. Für Netanjahu steht seine von Krisen geprägte Karriere an einem Scheideweg.

Vor zwei Monaten nahm Israel den Krieg im Gazastreifen wieder auf. Anstelle von Verhandlungen sollte offenbar mehr militärischer Druck ausgeübt werden, um die Hamas in die Knie zu zwingen. Laut israelischen Angaben handelte es sich bisher um gezielte Angriffe auf Hamas-Stellungen im Gazastreifen. Vor Kurzem hat das israelische Militär jedoch eine neue Großoffensive im Gazastreifen gestartet und dabei neue Kriegsziele gesetzt. Auf einer jüngsten Pressekonferenz skizzierte Israels Ministerpräsident Netanjahu die neue Militärpläne: „Alle Geiseln kommen nach Hause, die Hamas legt ihre Waffen nieder, tritt von der Macht zurück, ihre Führung wird aus dem Gazastreifen verbannt.“ Der Küstenstreifen werde vollständig demilitarisiert, erläuterte er weiter, „und wir setzen den Trump-Plan um“. Damit meinte er die Umsiedlung der zwei Millionen Palästinenser in die Nachbarländer. Seit Wochen erwähnt Netanjahu immer wieder den „Trump-Plan“. Dabei spricht der US-amerikanische Präsident selbst kaum noch über die Idee, die er Anfang Februar auf einer Pressekonferenz mit Netanjahu vorgestellt hatte: die Bewohner des Gazastreifens in andere Länder umzusiedeln und das verwüstete Gebiet in eine Nahost-Riviera zu verwandeln. Seit seinem Golfstaaten-Besuch hat Trump die Idee gar nicht mehr erwähnt.
Israels Militär plant nun innerhalb weniger Wochen die Einnahme von drei Vierteln des abgeriegelten Gazastreifens. Den Plänen zufolge werde es nur zwei Monate dauern, bis 75 Prozent des Küstengebiets erobert sind. Bisher kontrolliere die Armee rund 40 Prozent des Gebiets. Die palästinensische Zivilbevölkerung solle auf ein Viertel des abgeriegelten Küstengebiets zusammengedrängt werden, „um Gaza von der Hamas zu befreien“. Die Hoffnungen, dass Trump bald eine Waffenruhe im Nahen Osten erzwingen könnte, wurden damit gedämpft. Nun wird eine neue Runde der Eskalation in der Region erwartet.
Netanjahu in der Zwickmühle
Für Israels Ministerpräsident Netanjahu steht seine von Krisen geprägte Karriere vor einem entscheidenden Moment: Der Weg, den er wählt, könnte die Beziehungen Israels zu den Palästinensern, zu den USA und zu den Golfstaaten langfristig beeinflussen. Ein möglicher Weg wäre die Fortsetzung des erneuten Einmarschs in Gaza, um die Hamas zu vernichten. Dies würde weitere Opfer fordern und Netanjahus Beziehungen zu USA und den Golfstaaten weiter schädigen. Der andere Weg wäre ein Waffenstillstand. Dieser könnte zwar Netanjahus Regierung stürzen, aber gleichzeitig Israels Einfluss im Weißen Haus wiederherstellen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem Trump die US-Politik gegenüber dem Golf, Syrien und dem Iran neu ausrichtet.
Das Risiko einer erneuten Invasion ist mittlerweile gefährlich hoch. Am 19. Mai kündigte Netanjahu an, die israelischen Streitkräfte würden „die Kontrolle über ganz Gaza übernehmen“. Israel erhofft sich durch eine letzte Truppenaufstockung die Vernichtung der Reste der Hamas. Am 13. Mai wurde bei einem Angriff möglicherweise Muhammad Sinwar, einer der letzten hochrangigen Kommandeure der Hamas, getötet. Die humanitären Folgen der Offensive dürften allerdings enorm sein. Seit dem Zusammenbruch des Waffenstillstands am 18. März wurden schätzungsweise 5.000 Bewohner Gazas getötet, womit sich die Gesamtzahl auf über 50.000 erhöht, einschließlich der Kämpfer. Hunger ist weit verbreitet.
Die Trump-Regierung scheint Israel zwar freie Hand zu geben, doch Netanjahu selbst genießt offenbar nicht mehr ihre volle Unterstützung. So soll Steve Witkoff, Trumps Gesandter für den Nahen Osten, Netanjahu in einem privaten Gespräch dazu gedrängt haben, zu einem Abkommen mit der Hamas zurückzukehren. Der amerikanische Vizepräsident JD Vance wollte letzte Woche nach Israel reisen, sagte den Besuch jedoch ab, um nicht den Anschein zu erwecken, die jüngste militärische Expansion Israels zu unterstützen. Trump und sein Umfeld vermeiden es, die israelische Regierung offen zu kritisieren. Der Präsident hat wiederholt gesagt, er sähe gern ein Ende des Krieges, die Freilassung der Geiseln und die Lieferung von Lebensmitteln nach Gaza. Öffentlich hat er jedoch die Verantwortung der Hamas zugeschoben. Sollte Israel jedoch erneut in Gaza einmarschieren, könnte sich die Distanz zwischen den USA und Israel weiter vergrößern.
Das Problem dabei ist, dass zwischen Netanjahu und Trump Misstrauen herrscht. Der US-Staatschef verfolgt derzeit eine neue Strategie in der Region, die nicht mit dem aktuellen Kurs der israelischen Regierung übereinstimmt. Netanjahu war völlig überrumpelt von der Entscheidung der USA, mit dem Iran über ein Atomabkommen zu verhandeln. Auch die Ankündigung Trumps, die USA hätten sich bereit erklärt, ihre Bombenangriffe auf die Huthi zu beenden, obwohl diese weiterhin Raketenangriffe auf Israel durchführen, traf den Ministerpräsidenten unvorbereitet. Israel stand zudem nicht auf dem jüngsten Reiseplan des Präsidenten während seiner Nahost-Tour. Als nächstes arabisches Land sollte Saudi-Arabien das Abraham-Abkommen unterzeichnen und seine Beziehungen zu Israel normalisieren. Trump hat jedoch in Riad akzeptiert, dass dies nicht geschehen wird, solange der Krieg im Gazastreifen andauert. Trump traf in Saudi-Arabien den neuen syrischen Machthaber Ahmed al-Sharaa und verkündete die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Syrien, was von Israel kritisiert wurde.
Die Diplomatie ist möglicherweise noch nicht tot. Laut dem Plan, den Trumps Sondergesandter Steve Witkoff vor einigen Wochen vorgelegt hat, soll die Hamas die Hälfte der noch in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln freilassen. Im Gegenzug soll es eine mehrwöchige Waffenruhe geben. In dieser Zeit soll über alles Weitere verhandelt werden. Die Hamas hat bereits einen amerikanisch-israelischen Soldaten freigelassen. Israel hat die Verteilung von Hilfsgütern durch Hilfsorganisationen teilweise zugelassen. Der mögliche Tod Sinwars könnte ebenfalls zu einem Waffenstillstand beitragen. Da mit Muhammad Sinwar ein weiterer Hardliner ausgeschaltet wurde, könnten die pragmatischeren politischen Führer der Hamas, die außerhalb des Gazastreifens stationiert sind, mehr Spielraum haben.
Die Haupthindernisse für einen Frieden bleiben jedoch bestehen. Israel wird nur einen vorübergehenden Waffenstillstand dulden, in dessen Verlauf weitere Geiseln freigelassen und mehr Hilfsgüter ins Land gelassen würden. Die Hamas hat ein Abkommen ohne eine dauerhafte Beendigung des Krieges jedoch ausgeschlossen und sträubt sich gegen Israels Forderung, die überlebenden Führer des Gazastreifens zu entwaffnen und ins Exil zu schicken. Ein weiterer Faktor, der die Waffenruhe verhindert, kommt hinzu. Netanjahu ist bestrebt, sein politisches Überleben zu sichern. Seine Koalitionspartner von der Siedlerbewegung pochten auf eine Fortführung des Kriegs und drohten mit einem Austritt aus der Regierung, sollte der Premier Zugeständnisse an Palästinenser und andere Staaten machen.
Krieg ohne Ausgangstrategie
Die israelische Führung ist in den vergangenen Monaten offensichtlich zur Einsicht gelangt, dass sich das Machtgefüge im Nahen Osten am besten mit militärischen Mitteln verschieben lässt. Seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 hat Israel die Hamas erheblich geschwächt. Militärische Aktionen im Libanon haben die Führung der Hisbollah zerschlagen. Der Einfluss des Iran im Nahen Osten ist erschüttert, da Tel Aviv seinem Stellvertreter in Gaza und im Libanon durch Militäroperationen und Spionageaktionen enorme Schäden zugefügt hat. Israel wehrte mit amerikanischer Hilfe zwei große iranische Raketenangriffe ab und schlug gegen die iranische Luftabwehr zurück.
Israel wirkt stark. Doch seine Armee ist müde, und seine politische Landschaft ist gespalten. Gleichzeitig ist mit dem Technologiesektor der dynamischste Teil der israelischen Wirtschaft gefährdet. Bereits vor dem 7. Oktober drohten Tech-Investoren, aufgrund der politischen Spaltungen des Landes, die durch die Debatte um die Justizreform verursacht wurden, abzuwandern. Nach dem Angriff der Hamas und dem andauernden Krieg im Gazastreifen ist das Land isoliert. Investitionen haben derzeit in Israel keine Perspektive mehr. Der Krieg lähmt die Wirtschaft und bedeutet Produktivitätseinbußen für das Land. Die Konflikte mit dem Iran und dessen Verbündeten belasten auch den Haushalt massiv. Dazu trägt auch bei, dass Israel seit dem Überfall der Hamas zeitweise mehr als 300.000 Reservisten einberufen hat. Wer der Armee dient, fehlt aber an seinem Arbeitsplatz. Eine Kriegsführung ohne Ausstiegsstrategie würde zudem keinen Frieden mit Saudi-Arabien bringen, der den Iran weiter isolieren und den Nahen Osten neu gestalten würde.
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Ich denke, dass viele deutsche Kommentatoren Israel immer noch durch eine rosa Brille sehen. Wenn bei Umfragen mehr als die Hälfte der Israelis meinen, dass die Aussagen über den Umgang mit den Feinden Israels aus dem Alten Testament, die Amalekiter, auch noch heute gelten, dann bedeutet das die Auslöschung vom Säuglich bis zum Greis und von Mann und Frau. Weltweit bis auf die USA und ein paar Kleinstaaten sind 190 Länder der Welt für eine Zweistaatenlösung. Nur die USA legen noch ein Veto ein. Im Endeffekt wird Israel den Weg Südafrikas gehen müssen – ein Land mit mit gleichen Rechten… Mehr
„Hunger ist weit verbreitet.“
Aber nur in der ‚Berichterstattung‘ westlicher Medien, in der Realität sind ausreichend Nahrungsmittel vorhanden, wenn auch zu deutlich gestiegen Preisen, da die Hamas das Geld benötigt um ihre Terroristen zu bezahlen.
Um wirksam Frieden zu schaffen bedarf es die Umsetzung der Balfour-Deklaration von 1917:
Ostpalästina den Arabern.
Westpalästina den Juden.
Grenze ist der Jordan.
Die Gaza-Araber werden auf die 22 arabischen Staaten verteilt.
Die Araber aus Samaria&Judäa haben ohnehin zu 95% einen jordanischen Paß, also ist auch deren Zukunft geklärt. Allerdings müßte Jordanien unterstützt werden, um die radikalen Araber zu neutralisieren.
Falls das nicht geschieht, beginnt es in 5-10 Jahren erneut mit einem 7.10.
Israel kämpft unseren Kampf gegen den Islam. Fällt Israel, fällt der kollektive Westen.
Wie soll das enden, in Gaza in der Westbank, in Israel? Vertreibung aus Gaza, und dann endet die Show? Die Houthis können und werden Israel erreichen, jede Infrastruktur kann vernichtet werden. Ja, mit Sicherheit unterstützt der Iran. Ohne die Ausschaltung des Iran und Houthis, ist keine Sicherheit, vielleicht sogar kein normales Leben in Israel möglich. Ohne die USA wird aber Iran oder Jemen nicht auszuschalten sein, ohne die USA (Deutschland stellt 30 % der israelischen Waffeneinfuhren) ist der Krieg nicht möglich, wo die USA gerade stehen versteht jeder, der etwas von Verschuldung/Anleihen erfährt. Nur eine Frage der Zeit, bis die USA… Mehr
Der ehemalige israelische Premierminister Olmert hat die Netanjahu-Regierung als kriminelle Bande bezeichnet, die den Krieg aus privaten Interessen führt.
“What we are doing in Gaza now is a war of devastation: indiscriminate, limitless, cruel and criminal killing of civilians. It’s the result of government policy – knowingly, evilly, maliciously, irresponsibly dictated.”
https://www.theguardian.com/world/2025/may/27/former-israeli-pm-ehud-olmert-says-his-country-is-committing-war-crimes
Israel hat keine andere Möglichkeit als den Trumpplan umzusetzen!
Eine Gruppe die in ihrer Ideologie die Vernichtung der Juden als eines der obesten Ziele hat KANN man nicht am Verhandlungstisch zu irgenwas bringen!
Wer so etwas glaubt hat nichts aber auch gar nichts verstanden!
Umsiedlung und Frieden wird einkehren!
Trump hat halt leider das Problem, dass die USA finanziell am Ende sind. Da haben die Dämokrats ganze Arbeit geleistet… dies schränkt den Handlungsspielraum sehr ein…
Guten Morgen, vorab: Ich bin für Deutschland. Taktisch ist es richtig was Israel macht. Nämlich versuchen die weniger netten (andere terroristischen) Nachbarn los zu werden. Die Hamas hat es ver*****, meine ich. Denen war vorher klar, Erfahrungswerte, das es die mindestens 20 fache Anzahl an toten Gaza – Bewohnern und „Kämpfern“ geben wird. Zur Zeit 1:25. Dazu: Vermögensschäden die ich nur schlecht schätzen kann; 20, 30 Mrd. €? Bevölkerungstechnisch / statistisch (ja es ist grausam) macht es nicht viel. Bevölkerungsverlust von 2,5% in einem dicht besiedeltem Gebiet ist wenig. Auch (strategisch!) bekommt Israel so eine Chance nicht so schnell wieder.… Mehr
Ich stehe voll auf Israels Seite. Wir wollen mal nicht vergessen, wer hier pausenlos einen Krieg vom Zaun bricht. Und das ist mit Sicherheit nicht Israel gewesen. Nach so vielen Jahren sollte doch wohl klar sein, dass eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts ohne Ausschaltung der terroristischen Gruppen wie der Hamas nicht möglich sein wird. Und wer sich ehrlich macht, weiß das auch. Wenn Israels Führung jetzt (endlich) zu dieser Erkenntnis gekommen ist, dass ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende, beschleunigt das die notwendigen Konsequenzen. Alles andere wäre nur politisches Kalkül oder fehlgeleiteter Humanismus. Wer mit… Mehr
Bravo. So sollten Artikel über den Nahostkonflikt aussehen. Könnte sich der Herr Rosenberg mal ein Beispiel dran nehmen.
Israel befindet sich in einem Dilemma, und mit ihm viele seiner Unterstützer. Mit dem Angriff der Hamas 2023 und nach unzähligen „Intifadas“ im Westjordanland ist final geklärt, dass eine „Zweistaatenlösung“ (die Gaza ja letztlich darstellte) niemals funktionieren wird und sie es also auch nie geben wird. Die Palästinenser wollen sie nicht, die Israelis am Ende auch nicht, ganz sicher nicht für das Westjordanland. Was aber wäre die Alternative? Offensichtlich will Jerusalem nun Gaza zu einer Art Kolonie machen, mit dem Westjordanland fährt man diese Strategie schon länger. Mit burgähnlichen Festungsstädten, betrieben und bewohnt von rsog. „Siedlern“ soll das Gebiet einerseits… Mehr