Le Pen will französichen EU-Beitrag verringern

Mitten in Frankreichs Haushaltskrise präsentiert die EU-Kommission ein Rekordbudget von zwei Billionen Euro. Marine Le Pen fordert hingegen einen Kurswechsel und attackiert die Verschwendung der EU. Kommt jetzt die europäische Rebellion gegen von der Leyens zweifelhaft legitimierte Zentralmacht?

Imago/ ABACAPRESS/ Jean-Bernard Vernier

Um Druck vom Schuldenkessel zu nehmen, fordert die Präsidentin des Rassemblement National, Marine Le Pen, die Senkung der EU-Beiträge Frankreichs. Am selben Tag präsentierte Brüssel sein zwei Billionen Euro teures Megabudget. Eine Geschichte der Ungleichzeitigkeit.

Es war nur ein Tweet auf „X“, den Marine Le Pen als eine Reaktion auf die hitzige Haushaltsdebatte in Frankreich verfasst hatte. Einige flüchtige Zeilen, die in der rasch forteilenden Timeline und dem Rauschen der sozialen Medien für gewöhnlich unbemerkt, ohne sich im Bewusstsein der Leser zu verankern, untergehen.

Übersetzt lautete Le Pens Tweet vom 16. Juli:

  • „François Bayrou will ein „weißes Jahr“ durchsetzen – also eine steuer- und sozialpolitische Rosskur –, um sieben Milliarden Euro einzusparen. Das entspricht exakt dem Betrag, um den sich Frankreichs Beitrag zur Europäischen Union erhöht hat. Wie kann man eine derartige Verschwendung hinnehmen, wo doch die Franzosen bei der Europawahl mit großer Mehrheit für ein Einfrieren dieser Ausgaben gestimmt haben, indem sie die Liste von Jordan Bardella unterstützt haben?“

Brüssel als Haushaltsventil? Frankreich leistet in diesem Jahr einen EU-Netto-Beitrag in Höhe von 14 Milliarden Euro. Doch entscheidend in diesem Fall ist die zeitliche Koinzidenz des Tweets. Dass Le Pen mit Brüssel im Streit liegt, ist hinlänglich bekannt, nicht zuletzt seit ihrer Suspension von den kommenden französischen Wahlen. Ihre Forderung nach einer Kürzung des EU-Budgets ist eigentlich ein alter Hut. Gewicht erhält die Wiederholung ihrer Forderung dadurch, dass sie zeitlich zusammenfällt mit der Präsentation des neuen Budgets der EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen.

Realität und Anspruch

Ausgaben von zwei Billionen Euro soll der Haushalt des Brüsseler Zentralkörpers zwischen den Jahren 2028 bis 2034 umfassen. Eine Gigantomanie, ein Anachronismus angesichts der fiskalischen Katastrophe, auf die zahlreiche Staaten der Europäischen Union und nicht zuletzt Frankreich mit seinem Defizit von über sechs Prozent zusteuern.

Angesichts der Schuldensituation der südeuropäischen Mitgliedsstaaten fällt es zunehmend schwer, den fiskalpolitischen Anspruch Brüssels mit der ökonomischen Realität in der realen Welt in ein sinnvolles Verhältnis zu setzen.

Die Reaktion auf Le Pens Forderung fiel überraschenderweise verhalten aus. Sowohl Brüssel als auch die Regierungskoalition in Paris schweigen sich über Le Pen aus, medienpolitisch eine kluge Entscheidung. Wäre doch eine offene Debatte um den Brüsseler Haushalt zum jetzigen Zeitpunkt. Eine lästige Schererei, die man sich besser ersparen sollte.

Populismus inklusive

Naturgemäß schwingt im Angriff Le Pens gegen die Brüsseler Budgethoheit eine Menge Ressentiment mit. Frankreich ist als zweitgrößte Gebernation fundamentaler Baustein der Brüsseler Finanzarchitektur. Schert einer der Großen wie Frankreich oder Deutschland aus und verlässt die narrativische Phalanx, zerbricht das fragile Konstrukt der EU unmittelbar. Wir erleben mit der Renaissance national-konservativer Parteien wie Fidesz in Ungarn, SMER in der Slowakei oder auch der Regierungskoalition Italiens und mit Geert Wilders in den Niederlanden eine ernsthafte Opposition zum Brüsseler Zentralismus. Le Pens lakonischer Tweet besitzt daher ungeahnte Sprengkraft. Gelingt es diesen Gruppierungen einen gemeinsamen Angriffsvektor zu definieren? Hat man den überdimensionierten EU-Haushalt als Schwachstelle ausgemacht?

Es wäre überfällig, die Machtverhältnisse zwischen dem Brüsseler EU-Apparat und den berechtigten nationalen Interessen der Mitgliedstaaten wieder auszubalancieren und nationale Souveränität stärker zu betonen. Die fiskalische Gigantomanie, die sich unter der Präsidentschaft von der Leyens Bahn gebrochen hat, führt die Union in eine katastrophale Richtung. Diese findet ihren Ausdruck in zunehmender zentralistischer Steuerung, der grotesken Klimapolitik, wie auch in der radikalsten Form der Politik offener Grenzen, deren importierte Probleme die europäischen Staaten innenpolitisch zerfasern.

Brüssel strebt Autonomie an

Die EU-Kommission spielt dabei mit maximalem Einsatz und pokert hoch. Das 2-Billionen-Budget, das etwa 1,26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU verschlingen soll, bringt eine Steigerung um sagenhafte 58 Prozent oder 750 Milliarden Euro mit sich. Das wirft drängende Fragen der Finanzierung auf. Brüssel wächst zu einem Leviathan ohne wirksame Kontrolle, mit erheblichen demokratischen Defiziten und einem Führungsanspruch heran, der zunehmend entgrenzt in die Sphären der Nationen und Bürger interveniert.

Klar ist, die Staaten der Europäischen Union können dies fiskalisch angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht stemmen. Es ist der Versuch Brüssels, sich eine eigene Finanzierungs- und Steuerhoheit zu erpressen. Nach dem Motto: Wenn ihr den Weg zu Eurobonds nicht freimacht, werdet ihr die Zeche zahlen!

Die immer wiederkehrende Debatte um die Einführung von Euro-Anleihen, möglicherweise über den Weg der Kriegsanleihen zur Finanzierung des Ukraine-Konflikts oder die Erschließung neuer Steuerquellen wie die gerade diskutierte Steuer für Großkonzerne sowie die Ausweitung des CO2-Handels, beschreiben ziemlich präzise, was wir in den kommenden Monaten aus Brüssel zu erwarten haben.

Zum einen wäre da die Konsolidierung der Staatsschulden unter dem Schirm der Kommission, zum anderen die fortlaufende Liquidierung und Monetarisierung neuer Schulden durch die Europäische Zentralbank. Neben die fiskalische Souveränität Brüssels soll der digitale Euro treten, die perfekte Kapitalschranke und das optimierte Kontrollgeld, das es dem Zentralkörper in Brüssel erlaubte, weite Teile des Wirtschaftslebens der EU unter seine Kontrolle zu bringen.

Kitt für die Opposition

Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass Brüssel mit dieser politischen Strategie die oppositionellen Kräfte noch enger zusammenschweißen wird und wir angesichts der diversen Haushaltskrisen der europäischen Staaten Kämpfe um das EU-Budget erleben werden. Eine generelle Zahlungsverweigerung wäre der ideale Angriffpunkt der nationalen Bewegung – ein innen- und medienpolitischer Elfmeter, sollte die Schuldenkrise einen beschleunigten Verlauf nehmen.

Gut möglich, dass Le Pens Tweet in Abstimmung mit der Brüsseler Opposition den Ton setzen sollte und in den kommenden Monaten ein Sturm für Ursula von der Leyen und ihre Mitstreiter heraufzieht. Die zahlreichen und ungelösten Krisen, die Brüssel im Zuge seiner Migrationspolitik und destruktiven Klima-Agenda heraufbeschworen hat, sind der ideale Nährboden öffentlichkeitswirksamer Kampagnen gegen eine Kommission, deren selbstherrliche Attitüde bei einem wachsenden Teil der europäischen Bevölkerung längst auf Abneigung stößt.

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Kommentare ( 15 )

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BK
19 Tage her

Populismus ist in diesem Falle wieder das Framing, um jede Diskussion abzuwürgen. Die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Lt. Statista, war Frankreich in Q4 2024 mit 113 % verschuldet. Viele osteuropäische Empfängerländer dagegen mit < 60 %. Solidarisch ist das wohl nicht, wenn ich mir in die eigene Tasche spare und von meinem hoch verschuldeten Nachbarn verlange, er möge sich doch bitte noch mehr verschulden. Außerdem ist die EU nur eine Behörde, die eigentlich keinen Haushalt braucht, der 2 Billionen Euro für 6 Jahre benötigt. Finanzielle Hilfen sollten im Rahmen von Krediten vergeben werden.

Laurenz
19 Tage her

Am besten sollte Deutschland die Einzahlungen für alle EU-Mitglieds-Staaten übernehmen……

Nibelung
19 Tage her

So langsam fängt die Phase an, nach dem Motto, jeder ist sich selbst der Nächste und nur die deutsche Politik glaubt noch an das gute im Europäer, die uns allenfalls benützt haben um aus unserere ehemaligen Stärke heraus Kraft zu beziehen und am Ende hat der „Mohr“ seine sprichwörtliche Schuldigkeit getan und alle werden wieder mit dem Finger auf uns zeigen, wie das schon seit 100 Jahren bei Mißerfolg so üblich ist. Die Franzosen und Briten gehen finanziell schon lange am Stock und hätten sie nicht die Europäische Zentralbank im Griff, als besonders intelligenter Schachzug für eigenen Interessen, dann wären… Mehr

Reinhard Peda
19 Tage her

„Es wäre überfällig, die Machtverhältnisse zwischen dem Brüsseler EU-Apparat und den berechtigten nationalen Interessen der Mitgliedstaaten wieder auszubalancieren“ Und wieder redet man um den heißen Brei herum. Machtverhältnisse von politischen Entscheidern und sonstigen (Beamten) beschränken, Haftbarkeit für Entscheider einführen, und eine starke Mitbestimmung, an allem was von diesem Personenkreis kommt, dem Volk zugestehen. Und das mir keiner das Kreuz in der Wahlkabine mit der direkten Sachentscheidung durch das Volk verwechselt. Die alte EWG samt den unterschiedlichen Währungen in den Staaten, geschlossene Grenzen. Korrupte sich selbst bereichernde Politker und Subventionsabgreifer vielvältiger Art, davon bin ich überzeugt, gäbe es heute nicht mehr.… Mehr

Britsch
19 Tage her

Die ganze Derzeitige EU mit sem Molloch Kommission gehört abgeschafft
zurück zu einer EWG. Zürück dazu, daß jedes Land selbstbestimmt für sich verantwortlich ist, genauso wie jeder Mensch für sich selbst, für sein Tun verantwortlich ist

Endlich Frei
19 Tage her

wow, der französische EU-Netto-Beitrag liegt schon jetzt bei weniger als der Hälfte des deutschen Beitrags. Angesichts der Tatsache, dass gerade die Ukraine an der Türe dee EU klopft, verwundert das Anliegen von Paris, den eigenen Beitrag weiter verringern zu wollen.

Ich nehme an, die Verringerung wird dann auch noch bereitwillig durch Berlin übernommen.

Last edited 19 Tage her by Endlich Frei
Neo-Realist
19 Tage her

Deutschland hat im EU-Parlament 96 von 720 Sitzen, also 13,3 %,
während D über 25%, also das Doppelte einzahlt in den EU-Haushalt;

Deutschland bekommt für ca. 800.000 Einwohner EINEN Sitz
Luxemburg bekommt für ca. 80.000 einen Sitz
Dänemark 400.000
Österreich 500.000
Estland 200.000
Polen 760.000 und ist höchster Netto-Empfänger

ich sitze derzeit an meiner Steuererklärung für2024 und da gehen mir solche Themen durch den Kopf

Neo-Realist
19 Tage her

Für mich ist von der Leyen die personifizierte Kriegs-Erklärung der EU. Es wird höchste Zeit, daß die EU wieder auf eine bestens funktionierende Wirtschaft-Gemeinschaft überführt wird. Da die Mitgliedstaaten die inkompetenten und über-dotierten EU-Bürokraten machen läßt, was diese wollen, werden selbige immer unverschämter und und über-griffiger. Mir hat bis heute niemand das politische Ziel der EU erklärt. Ich höre immer nur: Wir brauchen MEHR EU. Die EU ist eine Friedens-Union. Also nur hohle Phrasen. Aber darin ist die vdL echt gut; war sie immer schon; reicht für einen Minister-Job in D und für die EU-Sprech-Puppe. Ist schon bitter UND: alleine… Mehr

hansgunther
19 Tage her

Deutsche Kartellpolitiker werden so lange die Kröten nach Brüssel schicken, bis der Ofen hier aus ist. Ihre Hoffnung ist, dass damit das Land endlich im Orcus der Geschichte verschwunden ist. Die Lösung wäre, die Politiker davonzujagen! Dann wäre auch mehr Platz für die Neuankömmlinge. Größere Wohnungen werden dann frei für die Clans. Deutschland ist dann immer noch nicht gerettet, die Jungs, die kommen, machen aber das Beste draus: Wüstenei statt Wüste, da fühlt man sich doch glatt wie zuhause. So ist allen geholfen: tumben Wählern und kriminellen Politikern. Natürlich auch den Eroberern, nur um die ging es ja schließlich am… Mehr

Mikmi
19 Tage her

Die EU will Zigaretten teurer machen, das neue Wort für Steuern „Kaufkraftzuschlag“. Ich Gegenzug schlage ich für alle Abgeordneten der EU auch einen Kaufkraftzuschlag vor, ihre Diäten sind der Wirtschaftslage in der EU nicht mehr angemessen, so 20% Soli-Abgabe für Migranten und Rentner, vll. für Ukrainehilfen, das muss aber noch geprüft werden, wir brauchen ja neue Abwehrsysteme, unsere wurde gerade verschenkt.