Mit dem Rückzug Trudeaus und Baerbocks beenden zwei weitere Ex-Kader des Young Global Leaders-Programm ihre Karrieren – wie viele andere vor ihnen wenig ruhmreich. Die meisten vom Weltwirtschaftsforum geförderten Amtsinhaber scheiterten am Wähler.

Manchmal kommen Ereignisse zusammen, deren verbindendes Element erst auf den zweiten Blick auffällt. Am 9. März verabschiedete sich Justin Trudeau mit seiner letzten Rede als Premier, den Tränen nahe, um für seinen Nachfolger Mark Carney Platz zu machen, den früheren Zentralbankchef des Landes. „Das ist ein Moment, der die Nation definiert“, so Trudeau: „Die Demokratie ist nichts Gegebenes. Freiheit ist nichts Gegebenes. Kanada ist nichts Gegebenes.“ Das sagte ausgerechnet ein Politiker, der Trucker-Proteste mit einem vorher noch nie angewendeten Notstandsgesetz niederschlug – verfassungswidrig, wie später die obersten Richter urteilten –, der Zensurgesetze auf den Weg brachte, wie sie sonst in keinem westlichen Land existieren, und der es als Ziel ausgab, Kanada in einen „postnationalen Staat“ zu verwandeln.
In der gleichen Woche erklärte Deutschlands Noch-Außenministerin Annalena Baerbock, kein Spitzenamt mehr bei den Grünen anzustreben. In Frankreich wiederum musste Nicolas Sarkozy, Präsident von 2007 bis 2012, eine Demütigung hinnehmen, wie sie vor ihm kein anderes Staatsoberhaupt der Fünften Republik erlebte: Der 70-Jährige hat in den nächsten zwölf Monaten eine Fußfessel am linken Knöchel zu tragen, die jede Bewegung registriert. Ein Gericht verurteilte den Politiker im Dezember 2024 wegen Richterbestechung und unerlaubter Einflussnahme zu drei Jahren Haft, davon zwei zur Bewährung und ein Jahr Hausarrest. Außerdem wirft die Justiz Sarkozy vor, bis zu 50 Millionen Euro vom libyschen Ex-Diktator Muammar al-Ghadhafi zur Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampfs 2007 kassiert zu haben. Dafür könnte er eine weitere Strafe erhalten.
Welche Gemeinsamkeit besteht zwischen Trudeau, Baerbock und Sarkozy? Alle drei gehörten zu unterschiedlichen Zeiten der Elitevereinigung „Young Global Leader“ (YGL) an, einem Club junger Manager und Nachwuchspolitiker, den der Chef des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab 2004 gründete. Dessen ganz ähnliche Vorgängerorganisation „Global Leaders of Tomorrow“ existierte bereits ab 1993. Auf einem der Weltwirtschaftsforen in Davos erklärte Klaus Schwab voller Stolz: „Worauf wir wirklich stolz sind, ist, dass wir mit der jungen Generation (den Young Global Leaders) die Regierungen durchdringen.“ In Kanada beispielsweise gehöre nicht nur Trudeau zu den Absolventen der YGL-Kurse, sondern „mehr als die Hälfte seines Kabinetts.“
Vorübergehend dürfte es sich bei den in Kursen des Weltwirtschaftsforums geschliffenen globalen Weltführern tatsächlich um die international erfolgreichste politische Organisation gehandelt haben. Allerdings gibt es auch einen Punkt, in dem sich diese früh geprägten Politikerbiografien ähneln: Fast alle von ihnen schieden mittlerweile aus dem Amt – die meisten unter wenig rühmlichen Umständen.
Die Young Global Leaders bilden heute einen weltumspannenden Verein gescheiterter Politiker. Nur in der Art des Scheiterns unterscheiden sie sich von Fall zu Fall. Kanadas Justin Trudeau ging nicht freiwillig – seine eigene Partei drängte ihn zur Aufgabe, um mit einem halbwegs unbelasteten Kandidaten in die kommende Wahl zu gehen. Der Regierungschef in Ottawa gehörte zum Ende seiner Amtszeit zu den unbeliebtesten kanadischen Politikern aller Zeiten. Eine große Mehrheit konnte seine LGBTQ-Verherrlichung, seine Dauerbeschwörung der weißen Schuld und sein Plädoyer für mehr und mehr Einwanderung nicht mehr hören. Sie vergaßen ihm auch nicht seine extrem autoritäre Corona-Politik und seinen geradezu verbissenen Krieg gegen die Redefreiheit. Ihm half es zum Schluss auch nicht mehr, sich als aufrechten Kämpfer gegen Donald Trump in Szene zu setzen.
Baerbock kann zwar einen großen Teil der Verantwortung für das Wahlergebnis auf Robert Habeck abwälzen, sich aber auch nicht ganz davon freimachen. Ein Politikerleben in der vorderen Reihe ihrer Partei, aber ohne Amt, Reisen im Luftwaffen-Airbus und große Auftritte sagt ihr offenbar nicht zu. Unter allen, die jemals das Auswärtige Amt leiteten, bleibt sie als die mit Abstand schwächste Person in Erinnerung.
Die finnische Premierministerin Sanna Marin, auch eine der jungen globalen Führerinnen, trat bereits im April 2023 zurück, nachdem ihre Sozialdemokratische Partei SDP in den Wahlen nur den dritten Platz erreichte. Marin wechselte anschließend in die Denkfabrik des früheren britischen Premiers Tony Blair. Ebenfalls 2023, schon im Januar, gab die frühere Young Global Leader-Kadettin und neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ihr Amt auf. Begründung: Ihr fehle die Energie zum Weitermachen. In Wirklichkeit kam sie, ganz ähnlich wie Trudeau, schlicht ihrer Abwahl zuvor. Ihre Corona-Politik gehörte zu den weltweit illiberalsten. Von ihr dürfte vor allem der orwellsche Satz während einer Pressekonferenz in Erinnerung bleiben: „Nur was Sie von der Regierung hören, ist die Wahrheit.“
Kurz nach Ardern gab 2023 der nächste Ex-Young Global Leader auf, der niederländische Premier Mark Rutte. Sein Kabinett zerbrach im Streit um die Migrationspolitik. Der schon vorher in Wahlen heftig abgestrafte Niederländer sicherte sich nach seinem Abgang den Posten des NATO-Generalsekretärs. Einer der prominentesten Young Global Leaders, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, amtiert zwar noch, steht allerdings vor den Trümmern seines politischen Lebenswerks, nachdem seine Partei die vorgezogene Parlamentswahl 2024 klar verlor. Allein im vergangenen Jahr verschliss er vier Premierminister, darunter auch den YGL-Kader Gabriel Attal, der von Januar bis September 2024 als Regierungschef ein kurzes Gastspiel gab. Um etwas durchzusetzen, braucht Macron entweder die Hilfe des Linksblocks oder die von Marine Le Pens Rassemblement National.
Die YGL-Programmabsolventen Ardern, Marin, Rutte, Attal, Baerbock und Trudeau scheiterten alle faktisch aus dem gleichen Grund: Irgendwann trug ihre mediale Verklärung nicht länger. Die Wähler machten nicht mehr mit. Diesem Schicksal entging immerhin die Absolventin des YGL-Programms Angela Merkel, indem sie 2021 nicht wieder antrat. Einer Mehrheit der Deutschen dürfte nichts aus ihrer Amtszeit in positiver Erinnerung bleiben.
Bewerben kann sich niemand für das Young Global Leader-Programm. Das Weltwirtschaftsforum wählt nach nicht öffentlich bekannten Kriterien Personen unter 40 Jahren aus, die anschließend ein Programm durchlaufen, zu dem viertägige Tagungen gehören. Das Ziel dieser Kurse besteht offenbar darin, ihnen ein für die spätere Karriere extrem hilfreiches XXL-Selbstbewusstsein anzutrainieren, sie untereinander zu vernetzen – und vor allem auf einen bestimmten Politikstil auszurichten: Politiker sollen sich nicht an Mehrheiten in ihren Ländern orientieren, sondern der Gesellschaft bestimmte Ziele vorgeben, nach dem Verständnis von Klaus Schwab also „führen“.
Weder Mitglieder noch Tagungsorte beschränken sich auf die westliche Welt. So gehörte unter anderem Alibaba-Gründer Jack Ma zu den Young Global Leaders; 2019 fand die viertägige Konferenz der Politik- und Managementkader-Tagung im chinesischen Dalian statt. Und nicht alle, die irgendwann einmal zu den YGL-Alumni zählten, entwickelten sich so, wie Vertreter von „our democracy“ respektive „unsere Demokratie“ es wünschen – beispielsweise Wladimir Putin oder Elon Musk.
Zu den Teilnehmern gehören nicht nur Politik- und Wirtschaftsnachwuchskräfte, sondern auch einige Sportler, etwa der im grünen Geschäft bestens vernetzte Rennfahrer Nico Rosberg oder der Sohn des früheren libyschen Führers Muammar Gaddafi (was den für Sarkozys Wahlkampffinanzierung nützlichen Kontakt befördert haben dürfte).
Aber beim Kern der westlichen Spitzenpolitiker mit YGL-Vergangenheit zeigen sich sehr ähnliche Muster: Erstens die autoritäre Grundeinstellung, dass sie das, was sie als „Fortschritt“ definieren, notfalls auch gegen die Bevölkerung durchboxen müssen. Zweitens der Einsatz für eine möglichst großzügige Migration, für eine internationale Vereinheitlichung auf den wichtigsten Politikgebieten und der Hang, mehr und mehr Entscheidungsgewalt auf supranationale Organisationen zu verlagern. Im Grunde sahen sich die meisten Amtsinhaber aus der WEF-Schule nicht als Volksvertreter, sondern als Gesellschaftsingenieure, deren Kunst darin bestand, unter Schlagworten wie „globale Verantwortung“ und „regelbasierte Ordnung“ ihren Plänen den Touch des Alternativlosen zu verpassen.
Als ganz wesentlich für ihren vorübergehenden Erfolg zeigt sich die mediale Behandlung der Politiker mit YGL-Hintergrund: Journalisten, von denen ebenfalls etliche beim WEF und dem YGL-Programm eingebunden waren und noch sind, überschütteten die Amtsträger mit einem oft schon bizarr wirkenden Lob. So priesen Journalisten etwa Angela Merkel nach Beginn der ersten Amtszeit von Trump als „Führerin der westlichen Welt“, Trudeau ernsthaft als „Ikone der Liberalität“ (ARD); Ardern und Marin, so wiederholten es dutzende Journalisten vieler Länder in Endlosschleife, stünden für einen ganz neuen, strahlenden Politikerinnentypus.
Baerbock galt als „Frau für alle Fälle“ (SPIEGEL), als Politikerin „mit der Lizenz zum Weltendeuten“ (Süddeutsche), außerdem 2021 als fast schon sichere Bundeskanzlerin. Und nach Merkel riefen etliche Medienvertreter wiederum Macron zumindest zum europäischen „Führer“ aus. Die notorische Inszenierung als Überpolitiker ganz neuen Typs wirkte offensichtlich eine Zeit lang – bis sich die politische Realität der jeweiligen Figuren irgendwann nicht mehr überdecken ließ.
Nach reichlich 20 Jahren des Young Global Leaders-Programms lautet das Fazit: Selbst mit noch so viel Sozialingenieursmühen lässt sich kein aus sich heraus erfolgreicher Politikernachwuchs züchten. Zweitens: Auch noch so begeisterte Unterstützungsmedien können echte gesellschaftliche Mehrheiten nicht dauerhaft ersetzen. Und drittens: Von allen Merkels, Macrons, Ruttes, Arderns, Marins, Baerbocks und Trudeaus bleibt am Ende außerordentlich wenig für die Geschichtsbücher.
Etwas dauerhaft Positives erst recht nicht. Sie bilden heute alles in allem den Club der politisch toten Verrichter. Einer von ihnen könnte allerdings nach dem Amtsende seine Karriere noch eine Weile woanders fortsetzen: Emmanuel Macron gilt als ein möglicher Nachfolger von Klaus Schwab. Noch in diesem Jahr will der WEF-Chef seine Nachfolge regeln.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Intelligente Menschen erfahren soziale Ausgrenzung. Schönheit kann oberflächliche Aufmerksamkeit erzeugen. Je kompetenter man erscheint, als um so unsympathischer wird das empfunden. Der beliebteste in einer Gruppe ist meistens nicht der intelligenteste. Mittelmäßigkeit ist beliebt. Weil der durchschnittliche Mensch sich damit identifizieren kann. Das ist ja seit Jahrhunderten bekannt. Das endgültige Paradoxum: „Die Gesellschaft braucht Inrelligenz. Aber widersteht ihr aktiv.“ Arthur Schopenhauer In meinen Augen ist das auch das überdurchschnittlich erfolgreiche Geschäftsmodell des WEF / „Young Global Leader“. Diese „Young Global Leader“ sind eben nicht die geistige Elite. Es sind Durchschnittsmenschen, denen ein ganzer Stab zur Verfügung gestellt wird, damit die… Mehr
Und die Bilderberger hat es nie gegeben. Wirklich nie – grosses Ehrenwort, nur Verschwörungstheorie. *eg
Baerbock? Young Global Leader? Schwab hätte eigentlich wissen müssen, dass selbst Marionetten ein gewisses Mindestformat haben müssen.
Es muss weltweit verboten werden WEF Young Global Leaders Politisch zuzulassen, denn er, der YGL, ist bereits politisch und auch finanziell indoktriniert und kann niemals ein Demokrat sein! Politiker die beim WEF auftreten muss man ihre immunität sofort aufheben!
Dass das WEF mit dem gezielten Einschläusen von YGL-Absolventen in Regierungen, in einer Art James-Bond-Bösewicht-Attitüde gerne die Weltherrschaft an sich reißen würde, ist ja schon im Begriff „Global Leader“ erkennbar .
Zum Glück scheint das im richtigen Leben genauso zu sein, wie bei den James Bond Bösewichten .
Da hat es auch nie so richtig geklappt mit der Weltherrschaft .
Schwab ist der reale Blofeld aus den James Bond Streifen. Dieser widerliche alte Kerl, Blofeld, möchte die Weltherrschaft. Und Bond hält ihn auf, 2 Sekunden bevor die Uhr abgelaufen ist. Wo ist der reale Bond?
Herr Schwab ist ein Durchschnittsmensch. Ein Mann mit öffentlichen Auftritten, die zum Fremdschämen anregen. Die ( Schwarm ) Intelligenz hinter dem Herrn Schwab wäre böse. Allerdings sind die so smart und erfolgreich, dass muß man anerkennen und denen muß man Respekt zollen.
Die Peinlichkeit des Herrn Schwab, dessen Tapsigkeit und fehlende Attraktivität waren und sind das Erfolgsmodell der Bösartigkeit der Organisation hinter ihm.
„Von allen Merkels, Macrons, Ruttes, Arderns, Marins, Baerbocks und Trudeaus bleibt am Ende außerordentlich wenig für die Geschichtsbücher.“ Der Satz ist schlichtweg falsch, wenn es wenigstens heißen würde, wenig Gutes, würde ich ihm noch zustimmen. Ansonsten werden diese Namen von den Historikern mit einer beispiellosen Zerstörung demokratische Strukturen in Verbindung gebracht werden durch eine internationale politische Sekte. Merkels Rede in Davos war der Beginn der Zerstörung der deutschen Energiestruktur, Ardern wird auf ewig mit der wissenschaftlich völlig unsinnigen Zero COVID Strategie verbunden sein, Rutte mit der Zerstörung der niederländischen Traditionen, Baerbock fährt wird auf ewig als Paradebeispiel für den Dunning-Kruger… Mehr
Sie unterschätzen die Chinesische Intelligenz und kennen vermutlich nicht deren Philosophie. Die Strategie des WEF ist aufgegangen. Die Geschichtsbücher werden geschrieben. Dort werden vermutlich ganz andere Dinge drinstehen.
na, dann hoffen wir mal, dass auch weitere YGL vorzeitig ihre angezüchteten Qualitäten als Mängel im täglichen Politikleben erkennen und von der Bildfläche verschwinden, sowie Globel Leaders of Tomorrow ebenso aus dem Gesichtsfeld treten, so dass wir nicht noch einen der ihren als weiblichen Bundespräsidenten weitere fünf Jahre ertragen müssen.
Ein höchst gefährlicher YGL wartet auf seinen zweiten Einsatz: Spahn.
> Von allen Merkels, Macrons, Ruttes, Arderns, Marins, Baerbocks und Trudeaus bleibt am Ende außerordentlich wenig für die Geschichtsbücher.
In einem anderen heutigen TE-Artikel heißt es, die Grünen würden gerade der baldigen Schwarz-Roten Ampel das Regierungsprogramm schreiben?