Zellulose-Ethanol: Treibstoff der Zukunft?

In Brasilien fahren fast alle Autos mit Motoren, die mit Benzin und Ethanol betrieben werden können. Alkohol ist billig, wird aber aus dem Nahrungsmittel Zuckerrohr hergestellt. Zellulose-Ethanol könnte der Ausweg sein – ein neu entdecktes Enzym macht die Herstellung einfacher. Von Wolfgang Kempkens

picture-alliance/ dpa | Frank Rumpenhorst
Eine Zapfpistole für Bio-Ethanol, fotografiert an Deutschlands erster Bio-Ethanol-Tankstelle in Bad Homburg, die im Jahr 2005 eröffnet wurde (Aufnahme vom 13.01.2009)

Als Volker Wissing noch freidemokratischer Bundesverkehrsminister war, setzte er sich vehement gegen den Plan der EU-Kommission ein, ab 2035 die Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor zu verbieten. Er hatte Erfolg. Es blieb ein kleines Schlupfloch für Fahrzeuge, die ausschließlich Sprit tanken, der bei der Verbrennung kein zusätzliches Kohlenstoffdioxid (CO2) emittiert. Diese Treibstoffe, so tröstete sich die Kommission wohl, würden so knapp und teuer, dass es doch auf reine Elektroautos hinauslaufen würde. Denn im Fokus standen vor allem synthetische Treibstoffe, die aus grünem Strom, Wasser und CO2 hergestellt werden. Und die sind tatsächlich teuer.

Doch es gibt ja noch Alkohol, Ethanol. Brasilien macht es vor. Dort sind fast alle Autos mit Motoren ausgestattet, die Benzin, Ethanol und beliebige Mixturen aus diesen beiden Spritsorten vertragen. Alkohol ist dort billig. Er wird allerdings aus Zuckerrohr hergestellt, einem Nahrungsmittel, was angesichts der oft schwierigen Ernährungslage in großen Teilen der Welt auf massive Kritik stößt. Zudem benötigen Zuckerrohrplantagen viel Platz, der nicht zuletzt zu Lasten der Regenwälder geschaffen wird.

Zellulose-Ethanol könnte der Ausweg sein, also Alkohol, der aus zellulosehaltigen Abfällen aus der Forstwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie und der Landwirtschaft hergestellt wird, beispielsweise aus Stroh, Sägespänen und den Schalen von Nüssen und Früchten. Mário Murakami, Leiter der Forschungsgruppe Biokatalyse und synthetische Biologie am brasilianischen Zentrum für Energie- und Materialforschung (CNPEM) in Campinas, sagt, dass jährlich weltweit „hunderte Millionen Tonnen“ dieses Rohstoffs für die Umwandlung in Ethanol zur Verfügung stehen.

Damit könnten Flugzeuge, Autos, Schiffe und Bahnen versorgt werden, sodass zumindest ein beträchtlicher Teil der Verkehrsmittel ohne Elektroantrieb, Batterien und Brennstoffzellen auskäme, ohne die Umwelt zu belasten. Das könnte die Anforderungen an grünen Strom reduzieren, von dem sich kaum so viel produzieren lässt, dass sich alle Elektrifizierungswünsche erfüllen lassen.

Doch für Zellulose-Ethanol gilt das Gleiche wie für synthetische Treibstoffe: zu teuer. Eine Raffinerie in Italien, die diesen Sprit kommerziell im großen Stil herstellte, musste bereits 2017 aufgeben. Einige andere Unternehmen lassen sich davon nicht abschrecken. So baut die Schweizer Ineos in Florida eine Ethanolanlage, die die Schalen von Zitrusfrüchten verwertet.

Das Problem bei dieser Art der Ethanol-Herstellung ist der sogenannte Aufschluss der Zellulose. Dieses Biopolymer besteht zwar aus den Zuckerarten Glucose, Arabinose und Xylose, doch Hefen, die diese durch Vergären in Ethanol umwandeln könnten, kommen einfach nicht heran. „Die Widerstandsfähigkeit der kristallinen Struktur von Zellulose beruht auf einer Reihe von Schlössern, die klassische Enzyme nicht öffnen können“, so Murakami. Mit seinem Team hat er jetzt die Schlüssel gefunden: ein Enzym, dem er den sperrigen Namen CelOCE (cellulose oxidative cleaving enzyme, etwa Enzym, das die Spaltung von Zellulose durch Oxidation erreicht) gab. „CelOCE öffnet diese Schlösser und ermöglicht so anderen Enzymen die Umwandlung in Ethanbol.“

Das neu entdeckte Enzym erkennt das Ende der Zellulosefasern, klammert sich daran fest und spaltet sie oxidativ. Dadurch wird die Stabilität der kristallinen Struktur aufgebrochen, sodass Hefen den Rest der Arbeit erledigen, die Zuckermoleküle also in Alkohol umwandeln können. Die klassische Hefe, die auch bei der Bier- und Weinherstellung eingesetzt wird, funktioniert allerdings nur bei Glukose und Saccharose, dem Haushaltszucker. Ursprünglich konnte sie auch Arabinose und Xylose umwandeln. Doch im Laufe von hunderttausenden von Jahren haben sie diese Fähigkeit verlernt. Mit gentechnischen Methoden verändert sind sie heute wieder in der Lage, auch diese Zuckerarten zu verwerten. Die Forscher in Brasilien haben bereits eine Pilotanlage gebaut, sodass einer Umsetzung in industriellem Maßstab nichts mehr im Wege steht.

Wolfgang Kempkens studierte an der Techni­schen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aache­ner Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwer­punkte sind Energie und Umwelt.

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Kommentare ( 32 )

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Stefferl
6 Tage her

So neu ist das Ganze nicht. Fragt doch einfach mal bei Kühen nach, was die in ihren sieben Mägen so veranstalten.

MarcusPorciusCato
7 Tage her

Biochemische Verfahren sind in der Verwertung von Bioabfällen am aussichtsreichsten, da der externe Energieinput gering sein kann, was die Wirtschaftlichkeit begünstigt.
Zur Verbrennung in Kolbenmaschinen mag Ethanol ungeeignet sein, aber in Turbomaschinen, stationär oder in Flugzeugen oder in Heizkesseln taugt das Zeug allemal.

karlotto
7 Tage her

Dachte die Ölquellen , sind vor 50 Jahen schon versiegt ?
Am schwarzen Meer , sind Ölfelder die 30 Jahre ,brach lagen wieder gefüllt.
Der fossile Ursprung , wird von vielen Wissenschaftlern bezweifelt.
Aber Panikmache gehört zum Geschäft.

Ron
9 Tage her

Dynamotive Energy Systems, eine kanadische Fa., hielt ein Patent um mit Zellulose Abfällen mittels „schneller“ Pyrolyse Heizöl-/Diesel-/ Kerosin- und weiterverarbeitet auch Benzinersatz herzustellen. Dann hieß es Richard Branson stieg ein, wolle seine Virgin Airlines Flotte damit betanken. Kurz danach stieg angeblich GE, der General Electric Konzern, groß ein. Bald darauf (2009)wurde Dynamotive von der Börse genommen. Angeblich wurden Geschäftsberichte nicht geliefert und das Unternehmen sei pleite. Wer nun die Patente hält ist unklar. Ich habe noch immer 20000 wertlose Aktien in meinem Depot registriert. Glücklicherweise waren es sog. Pennystocks, der Verlust verkraftbar. Bin gespannt, wie weit nun diese „Neuentdeckung“ kommt.… Mehr

BKF
11 Tage her

Das ist wie im Dritten Reich, da wurde der Sprit auch mit Ethanol gestreckt.

HansKarl70
9 Tage her
Antworten an  BKF

Dabei wissen die schon überhaupt nicht mehr wohin mit Ihren neu entdeckten Ölquellen. Aus meiner Sicht alles Betrug um die Preise zu stabilisieren. Ist es eigentlich schon mal jemand aufgefallen das immer dann neue Ölquellen entdeckt werden, wenn der Markt es offenbar hergibt?

Nibelung
12 Tage her

Jetzt geht es aufwärts mit dem Zellulose-Ethanol, wo zum Schluß alle Wälder und Felder dem Kahlschlag zum Opfer fallen, das Klima damit erst recht am Ar…. ist und Daimler braucht sich dann auch keine Gedanken mehr über den weiteren Schwund von einem Drittel des Gewinns machen, wenn sich die Chinesen in jeder Hinsicht verweigern und damit das Ende unseres Staates einleiten und der Besuch war, wie man jetzt schon sieht zwecklos und nur der angeborenen Höflichkeit der Chinesen zu schulden ist, die gerne über Probleme reden und zum Schluß doch machen was sie wollen, weil sie sich schon seit tausenden… Mehr

Schlaubauer
12 Tage her

Eine gute Lösung dür die dritte Welt und bestimmt auch bald Deutschland. Holzvergaser werden wir bald auch wieder auf unseren Straßen sehen.

H. Priess
12 Tage her

Das ist ja alles schön und gut aber das Problem der Fortbewegung ohne zusätzliche Energie, egal ob Diesel, Benzin, Gas, Ethanol oder teuren Strom, ist in Afrika gelöst worden. Da werden Autos gebaut die sich selber aufladen und keinen Strom benötigen.😂😂😂
https://www.youtube.com/watch?v=TokRiATh9qQ

AlNamrood
13 Tage her

Brasilien ist kein Vorbild, höchstens eine Warnung.

Chrisamar
13 Tage her

Zur Erinnerung an 2011:
„…Das größte Problem sind die Temperaturen. Unter 10 Grad verdampft E100-Sprit im Motor nicht, der Wagen springt nicht mehr an. Nur in warmen Regionen wie Brasilien lohnt deshalb der aufwendigere Betrieb von E100-tauglichen Motoren. Jürgen Ziegler (52), Chef von Mercedes Benz in Brasilien: „Man muss beim Motorbau andere Materialien verwenden, da Alkohol aggressiver ist als Benzin.“…
https://www.bild.de/politik/inland/benzin-e10/brasilianer-fahren-e100-17215286.bild.html#:~:text=Fakt:%2097%20%25%20der%20Pkw%20in,Tanken%20mit%20reinem%20Alkohol!