Da Merz der Kompass fehlt, dreht er sich in alle Richtungen

Friedrich Merz handelt genau so wie Angela Merkel. Er wechselt – mal das Thema, mal die Richtung, mal den Partner. Er meint, dass man auf dem Weg zur Macht nicht prüde sein darf, und hält sich dran. Von Konrad Adam

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Nachdem Friedrich Merz von seiner Freundin, der lieben Angela, um den Fraktionsvorsitz im Deutschen Bundestag gebracht worden war, machte er seinem Ärger öffentlich Luft. „Auf alles waren wir vorbereitet“, schimpfte er, „nur nicht auf den Machthunger eines Stasi-gehärteten Mädchens aus dem Osten.“ Wir, das waren die Mitglieder des damals sogenannten Anden-Pakts, eines Zusammenschlusses junger, ehrgeiziger CDU-Nachwuchspolitiker zu wechselseitigem Nutzen. Das Stasi-geschulte Mädchen war Angela Dorothea Merkel.

Frau Merkel hatte zwei Lehrherren, Erich Honecker und Helmut Kohl. Von beiden hatte sie dasselbe gelernt: dass man, um seinen Platz im ersten Rang zu behaupten, die Plätze neben sich mit Leuten besetzen sollte, die in den zweiten oder dritten Rang gehören, mit dicken Männern also, die des Nachts gut schlafen. „Du suchst Anhänger?“, hatte Nietzsche gefragt, und empfohlen: „Schreibe Nullen!“ Das hat sich Frau Merkel nicht zweimal sagen lassen und sechzehn Jahre lang befolgt.

Lage der Nation
Der politische Schwindel von Friedrich Merz
Daraus sind so eindrucksvolle Nullen wie Peter Altmaier und Helge Braun hervorgegangen, aber auch Rüpel wie Roland Pofalla, Weinköniginnen wie Julia Klöckner, Nussknacker wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Plagiatoren wie Annette Schavan oder der Freiherr von und zu Guttenberg: Sie fraßen ihrer Herr*in aus der Hand. Nur einer fehlte: Friedrich Merz. Er wollte nicht gefüttert werden, sondern selbst füttern.

Jetzt darf er. Und wie macht er das? Genauso wie Frau Merkel. Er wechselt – mal das Thema, mal die Richtung, mal den Partner. Er hat gemerkt, dass man auf dem Weg zur Macht nicht prüde sein darf, und hält sich dran. Frau Merkel war erst für, dann gegen die Atomkraft; erst für, dann gegen Putin; erst für die Wehrpflicht, dann dagegen, und so weiter. Es ist nicht leicht, die tausend Haken, die sie in ihren sechzehn Kanzlerjahren geschlagen hat, im Kopf zu behalten. Nötig ist es auch nicht, weil es auf Haken, Wechsel, Widersprüche gar nicht ankommt.

In der Diktatur, schrieb Konrad Heiden, der erste (und immer wieder lesenswerte) Hitler-Biograph, gibt es keinen Widerspruch zwischen Wort und Tat; es gibt nur Widersprüche in der Praxis selbst. „Die Diktatur handelt nicht anders als sie spricht, sie handelt heute anders als gestern und hier anders als dort.“ Sie hat kein Programm und keine Theorie. Deswegen ist es sinnlos, sie an Versprechen zur erinnern oder von Wortbruch zu reden, wenn sie das Gegenteil von dem tut, was sie angekündigt hat. Die Diktatur ist Praxis, Herrschaftspraxis und sonst nichts. Was sie tut, ist alternativlos, faktischer Zwang. Sich ihr gegenüber auf Anstand, Logik oder Konsequenz zu berufen, bringt nichts, „denn die Macht disputiert nicht“.

Merz auch nicht. Da ihm der Kompass fehlt, bewegt er sich in alle Richtungen. Er bezieht Stellungen, die er schnell wieder aufgibt – oder umgekehrt, ja nach Windrichtung. Parteien, die dasselbe wollen wie er, sind ihm verhasst; dafür verhandelt er mit denen, die er jahrelang bekämpft hatte, inzwischen ja auch mit den Grünen. Dass er auf diesem Weg den Stand der öffentlichen Schulden über die von ihm leichtfertig avisierte Marke von 900 Milliarden Euro hinaustreibt, ist ihm egal. Er ist ein Geschöpf der Parteiendemokratie, die ohne Richtung, Ziele und Programme auskommt. Am Ende wohl auch ohne Volk.


Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.

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Kommentare ( 71 )

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Simplex
4 Tage her

Heidens Beschreibung ist die exakte Gegenwartsbeschreibung. Mit Corona fiel sozusagen die Maske. Vorher hat uns nur die lächelnde Maske einer absolutistischen Herrscherin angelächelt. Irgendwie denkt man an Preußen und Friedrich d. Gr.

Waehler 21
6 Tage her

„ Merz der Kompass fehlt“ – sehe ich nicht so.
Um bei der Analogie des Kompass zu bleiben, der Norden, Süden Westen und Osten ist für Merz das Kanzleramt, egal was es den Wähler kostet!

Menschen die mit einer massiven Wahllüge ins Amt starten, sollten sich zumindest erklären müssen. Ich weiß auch nicht was schlimmer ist! Die Wahllüge oder die impertinente Arroganz sich nicht rechtfertigen zu wollen, müssen.
Demokratie Ade!

Solrac
6 Tage her

Als ob nur dem notorisch lügenden Windfähnchen Merz der „Kompass“ fehlen würde. Die gesamte EU-Apparat dreht nach Jahren der Vasallen-Stellung jetzt mit der neue, alten US-Situation absolut überfordert, nun restlos frei. Von Protektion und Korruption bis aufs Mark zerfressen, wird der letzte Rest eines zumindest wirtschaftlich einst führenden Kontinents zerlegt und verkauft. Die harten Zeiten haben nicht mal ansatzweise begonnen – das Ganze wird noch richtig hässlich werden, wenn die breite Masse der EU-Bürger im Spektrum rechts der Mitte tatenlos zusieht.

Anne W
6 Tage her

Ich habe es mir angetan, heute drei Stunden die Bundestagsdebatte mehr oder minder live zu verfolgen. Fazit: Wenn sich die Grünen mit „versprochenen“ Milliarden einfangen lassen, so sind auch sie nicht besser als andere „Handlanger“ des wahrscheinlich unfähigsten Kanzlers aller Zeiten (in spe). Der topt sogar den Erinnerungs-nix Scholz noch. Die vollkommene abgewatschte SPD neben den Grünen, wird u.U. wieder mitregieren, weil die CDU das so braucht. Ständige Loser sollten aussortiert werden und erst mal nicht mehr in Regierungsverantwortung kommen. Besondere und/oder schwierige Zeiten, erfordern Mut, auch was zu riskieren und andere, neue Wege zu gehen. Das wird nichts mit… Mehr

Last edited 6 Tage her by Anne W
moorwald
6 Tage her

Nie vergessen; Das ganze Elend ist eine Folge der Merkel-Jahre

Emsfranke
6 Tage her

Meine Sicht der Dinge: Keine Angst, liebe Mitbürger. Staaten zahlen keine Schulden zurück. Wennˋs zuviel des Guten wird, ist der Staat halt pleite. Aber macht nix. Dann werden eben die Staatspretiosen liquidiert oder als fette Beute in Besserländer verteilt, ein paar von besonders verhassten Figuren werden vor Gericht gestellt und theatralisch abgeurteilt. Diese werden dann in Stuttgart Stammheim für max. 2 Jahre zwischengelagert und dann wegen guter Führung oder weil sie jeden Tag fein geduscht haben, freigelassen. Die engagieren sich dann irgendwo, wo die Sonne scheint, für einen guten Zweck in einer Abgreifer-NGO oder wie auch immer dann diese Räuberbanden… Mehr

Der-Michel
6 Tage her

Für mich stellt sich nur noch die Frage wer schneller den Weg der DC, democrazia italiana, geht, SPD oder CDU/CSU?

schwarzseher
6 Tage her
Antworten an  Der-Michel

Weder noch. Das ganze System ist derart vernetzt und unangreifbar,, daß die noch die nächsten 20 Jahre die Regierung bilden werden. Eine Änderung ist erst nach einem totalen Kollaps möglich.

Nibelung
6 Tage her

Die „Alte“ hat ihn nicht umsonst entmachtet, weil er damals schon nicht nach ihrem Verständnis berechenbar war und das hat sich auch nicht geändert und nennt man Polsprung, der nicht nur im hohen Norden statt findet sondern auch i menschlichen Gehirne Einzug halten kann, wenn da zuviel magnetische Werte vorhanden sind, die dann die Kreiselbewegungen auslösen können und fast könnte man meinen er sei ein Fall für besondere Behandlung, denn normal ist sein Zickzack-Kurs nicht und noch nicht einmal der Taktik von Trump gleicht, weil der die anderen knechtet und nicht sein eigenes Land, was ihm anscheinend ein Herzensanliegen ist… Mehr

Biskaborn
6 Tage her

Dieser Mann wird das Land vollends zugrunde richten, unwürdig das einst prosperierende, in der Welt anerkannte Deutschland zu führen. Aber wie dieses Land heute aussieht scheint das ohnehin egal wer das Kanzler ist!

X1
6 Tage her

„Da ihm der Kompass fehlt, bewegt er sich in alle Richtungen … je nach Windrichtung.“
———-
Der Wind, der Merz und Merkel bewegte und bewegt, ist derselbe Wind, der auch die Politiker der anderen Blockparteien bewegt und nein, es sind nicht die Wähler.

DDRforever
6 Tage her
Antworten an  X1

Es ist der Wind des Kommunismus meine Lieben.