In ganz Deutschland bröckeln die Musentempel. Jetzt will der in der Schweiz lebende Unternehmer und Multimilliardär Klaus-Michael Kühne seiner Heimatstadt Hamburg ein neues Opernhaus finanzieren. Droht das Projekt im Malstrom etatistischer und egalitärer Kulturpolitik zerrieben zu werden? Von Georg Etscheit

Nicht nur Brücken, Straßen, Schienenwege, Schulen sind marode in der heruntergewirtschafteten Ampelrepublik. Auch Theaterspielstätten sind in die Jahre gekommen und müssen für Milliardensumme saniert werden. In Köln zieht sich die Sanierung des dortigen Opernhaues seit 2012 hin und wird wohl deutlich über eine Milliarde Euro teuer. In Stuttgart ist seit Jahrzehnten ebenfalls geplant, die denkmalgeschützte Littmann-Oper im Hofgarten auf Vordermann zu bringen. Wann genau es mit den auf zehn bis fünfzehn Jahre kalkulierten Baumaßnahmen losgehen soll, ist noch unklar. Doch schon vor Beginn wird inklusive einer Ersatzspielstätte mit Kosten von mindestens einer Milliarde gerechnet.
Auch in Frankfurt am Main sind die Städtischen Bühnen in die Jahre gekommen. Weil eine Sanierung des bisherigen Gebäudes von Oper und Schauspiel teurer kommen würde als Abriss und Neubau, soll an einem anderen Standort neu gebaut werden. Kosten: rund 1,3 Milliarden Euro, Tendenz steigend. In München steht irgendwann die Sanierung des vom Freistaat Bayern getragenen Nationaltheaters an, ein Mammutprojekt inklusive Ausweichquartier, womöglich in einer alten Paketposthalle. Derweil dilettiert sich die Stadt München mit der Sanierung des Gasteig-Kulturzentrums und der akustischen und optischen Aufrüstung der dortigen Philharmonie in ein Milliardengrab, während noch ein weiteres Prestigeprojekt auf Realisierung wartet: der Bau eines neuen Konzerthauses am Münchner Ostbahnhof.
Nicht zu vergessen Berlin, wo gerade eine hitzige Debatte um Kürzungen des Kulturetats im Gange ist, die laufende Sanierungsprojekte wie Instandsetzung und Umbau der Komischen Oper in Gefahr bringen könnte, deren Kosten statt der ursprünglich veranschlagten 227 Millionen Euro nun fast eine halbe Milliarde betragen könnten. Auch die Deutsche Oper ist in die Jahre gekommen und soll im laufenden Betrieb saniert werden. Kosten: mindestens fünfzig Millionen Euro. In der „Provinz“ – in Deutschland gibt es rund 140 öffentlich getragene Theater – sieht es nicht anders aus.
Angesichts dieses republikweiten Desasters mit Ansage müssten Politiker und Medien eigentlich Jubelchöre anstimmen, wenn jemand sein Portemonnaie öffnet und eben mal 330 Millionen Euro für den Neubau eines Opernhauses in seiner Heimatstadt Hamburg spendiert und die zu erwartenden Kostensteigerungen gleich mit abdecken will. Carte blanche gewissermaßen. Stattdessen werden Bedenken getragen, wird der Mäzen in spe – die Hamburger Bürgerschaft muss noch zustimmen – als Steuerflüchtling verunglimpft, als eitler Geck, der sich ein Denkmal setzen wolle, und sogar in die rechte Ecke gestellt. Für linke und grüne Staatsgläubige ist Geld nur gut, wenn es zunächst dem Bürger abgenommen und „demokratisch“ umverteilt wurde. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder mit seinem Geld machen könnte, was er wollte.
Dieser Jemand heißt Klaus-Michael Kühne und ist mit einem geschätzten Privatvermögen von 35 Milliarden Euro einer der reichsten Deutschen, was ihn allein schon verdächtig macht. Grundstock seines Vermögens ist der international tätige Logistikkonzern Kühne & Nagel, mit gegründet im Jahre 1890 von seinem Großvater August Kühne. Darüber hinaus besitzt er Beteiligungen an der Lufthansa und der Hapag-Lloyd-Rederei. Kühne wohnt seit 1975 in der Schweiz wo sich auch der Hauptsitz seines Unternehmens befindet. Zudem ist er alleiniger Stifter der gemeinnützigen Kühne-Stiftung, in die später auch das Firmenvermögen einfließen soll. Kühne ist seit 1989 mit seiner Frau Christine verheiratet und kinderlos.
In der Kulturszene ist Kühne alles andere als ein Unbekannter. Er hatte unter anderem den Bau der Hamburger Elbphilharmonie mit einem Millionenbetrag unterstützt und engagiert sich mäzenatisch im großen Stil auch bei den Salzburger Festspielen oder dem Lucerne Festival. Außerdem griff er immer wieder dem Hamburger Sportverein (HSV) großzügig unter die Arme, etwa mit Darlehen zur Verpflichtung neuer Spieler. Ihm gehören auch die Namensrechte des HSV-Stadions, das er in Hamburger Volksparkstadion – nicht in Kühne-Stadion! – umbenennen ließ.
Und nun die Oper. Hamburg besitzt zwar schon eine, doch ist das nach dem Krieg erbaute Haus an der Dammtorstraße so baufällig, dass man lange darüber nachsann, ob es überhaupt sanierungsfähig sei. Kühne wollte den denkmalgeschützten Bau ursprünglich abreißen und das Grundstück von dem mittlerweile bankrotten österreichischen Immobilien-Tycoon René Benko entwickeln lassen. Im Gegenzug sollte derselbe Benko in der Hafencity die neue Oper hochziehen.
Daraus wurde nichts, zum Glück, muss man im Nachhinein wohl sagen. Jetzt soll das alte Haus doch saniert, allerdings nicht mehr als Oper genutzt werden. Das künftige Hamburger Musiktheater soll in Zusammenarbeit mit dem Stadtstaat Hamburg, wie geplant, in der Hafencity entstehen, nicht weit von der Elbphilharmonie. Vorbild könnte die neue, spektakulär am Wasser gelegene Osloer Oper sein. Auf jeden Fall schwebt Kühne ein Haus von Weltrang vor.
Es wäre der erste Opernneubau dieser Größenordnung in Deutschland seit 1945. Hoffentlich wird der Konjunktiv „wäre“ bald durch den Indikativ ersetzt. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass ein visionäres Projekt im Malstrom etatistischer und egalitärer deutscher Kulturpolitik zerredet und verhindert wird. Dabei ist Kühne politisch durchaus anschlussfähig und hat sich offenbar auch noch nicht mit Alice Weidel getroffen wie der Molkereibesitzer Müller. 2019 hatte er sogar einer grün-schwarzen Koalition unter einem Bundeskanzler Robert Habeck das Wort geredet und nach einem privaten Treffen mit dem damaligen grünen Bundesvorsitzenden geurteilt: „Größtenteils hat Habeck gute Ideen.“ Ob er das heute noch sagen würde, bleibt dahingestellt.
Im Zentrum der Kritik an Kühnes Opern-Engagement steht seine angebliche „Steuerflucht“ und die Tatsache, dass sich sein Unternehmen bislang geweigert hat, seine NS-Geschichte detailliert „aufzuarbeiten“. Ein bizarrer Nebenkriegsschauplatz ist das für den Opernneubau in Aussicht genommene Gelände am Baakenhöft mit seiner „kolonialen Vergangenheit“, wie die linksradikale taz schrieb. Im nahe gelegenen Baakenhafen seien im Kaiserreich Schiffe abgegangen, die Soldaten ins heutige Namibia transportierten, wo sie am Völkermord an den Herero und Nama von 1904 bis 1908 beteiligt gewesen seien.
Dass sich Kühne aus steuerlichen Gründen mit seiner Stiftung schon vor langer Zeit in eine Schweizer „Steueroase“ absetzte, ist nicht zu bestreiten. Er selbst sagte einmal, dass er nichts gegen Steuern habe, er „hätte nur gerne das Gefühl, dass sie für die richtigen Dinge ausgegeben werden“. Nun kann man trefflich darüber streiten, was diese richtigen Dinge sind. Fahrradwege in Peru? Feministische Programme in Afrika? Windräder für Zappelstrom in Deutschland? Wohl eher nicht. Eigentlich kann man Kühne nur beneiden, dass zumindest er mit seinem Vermögen nicht mehr jeden woken Unsinn mitfinanzieren muss, den linke und grüne Politiker ständig verzapfen. „Sind die versprochenen 330 Millionen nicht Peanuts gegen die Summe, die der Milliarden schwere Unternehmer in Hamburg an Steuern gezahlt hätte?“, fragt der Kulturjournalist Axel Brüggemann in seinem Newsletter. Kleingeistiger geht es nicht.
In Zeiten des allgegenwärtigen Kampfes „gegen Rechts“ schwerer als die „Steuerflucht“ wiegt der regelmäßig erhobene Vorwurf, Kühne vertusche die Nazi-Vergangenheit seines Unternehmens. Richtig ist, dass Kühne & Nagel bislang keine umfassende wissenschaftliche Untersuchung seiner NS-Vergangenheit in Auftrag gegeben hat. Doch was sollte dabei noch herauskommen? Durch journalistische Recherchen ist bekannt, dass K & N in der Nazizeit gute Geschäfte machte, als „NS-Musterbetrieb“ ausgezeichnet wurde, und unter anderem daran beteiligt war, die beschlagnahmten Habseligkeiten deportierter oder geflohener Juden in den besetzten Ländern, vor allem Möbel, „ins Reich“ zu transportieren. Außerdem, auch das ist bekannt, musste 1933 ein früherer jüdischer Mitgesellschafter die Firma verlassen. Nach Recherchen der Hamburger Grünen-Politikerin Ulrike Sparr seien die Kühne-Brüder Alfred und Werner Kühne „einflussreiche Nazis“ gewesen, die ihren Kompagnon aus der Firma gedrängt hätten.
Doch Klaus-Michael, Sohn von Alfred Kühne, wurde erst 1937 geboren, ihn trifft keine Mitverantwortung. In einer Presserklärung vom März 2015 hatte sich sein Unternehmen erstmals zu den „schändlichen Vorkommnissen während der Zeit des Dritten Reiches“ öffentlich bekannt, allerdings auch auf die „seinerzeitigen Verhältnisse in der Diktatur“ verwiesen und die Tatsache, dass Kühne & Nagel „die Kriegswirren unter Aufbietung aller Kräfte überstanden und die Existenz des Unternehmens gesichert hat“. Eines Unternehmens mit 27 Milliarden Schweizer Franken Umsatz, das heute weltweit mehr als 94.000 Menschen beschäftigt. Was eine gewisse Für Cornelia Kehrt von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der An¬ti¬fa¬schis¬t*in¬nen (VVN BdA)“ nicht davon abhält, gegenüber der taz der Stadt Hamburg vorzuwerfen, sie hofiere mit ihrer Entscheidung, die Oper anzunehmen, „einen Nazi-Profiteur“.
Natürlich könnte man sich wünschen, dass eine divers besetzte Historikerkommission dies alles noch einmal in einem dickleibigen Dokumentationsband minutiös aufschreibt. Ein Werk, dass nach seiner Präsentation und ein paar Medienberichten auf Nimmerwiedersehen in den Archiven verschwinden würde. Doch wem wäre damit gedient, außer tendenziell linkslastigen Historikern, denen der Nazischuld-Aufarbeitungskult gute Geschäfte beschert? Wäre nicht auch dieses Geld besser in die Kultur investiert?
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Oper? Ach ja, das ist diese Kultursparte, für die sich praktisch niemand interessiert, die aber behandelt wird, als ob sich alle ausschließlich dafür interessieren.
Jetzt mal ganz ehrlich: Das exaltierte, völlig übertriebene Gejaule, Gebrüll und Gekreisch mag Kunst sein, Musik ist es jedenfalls nicht.
„hätte nur gerne das Gefühl, dass sie für die richtigen Dinge ausgegeben werden“. So finanzierte Herr Kühne auch aus eigenen Bordmitteln das Fontenay. Und nun nehme man eine Pfeife wie den ewig grinsenden Rossmann ob seines Seifenhandels: «Durch den Einsatz von Lkw ohne Außenspiegel kann der Kraftstoffverbrauch zusätzlich gering gehalten und damit die Umwelt geschont werden, da sich ein geringerer Windwiderstand ergibt.« Weiter rühmt man sich mit dem Einsatz von LNG-betriebenen LKW. Hat Rossman eine eigene pipeline oder wie kommt das Gas in die Zentrallager Hessen? Wir sprechen hier von Logistik und nicht von dem Tralllalla eines Rossmann als einer der… Mehr
Tja, heute hat sogar das Geld eine gewisse Schuld zu tragen. Geld, das zwar mittlerweile in Form der Reichsmark bis hin zum Euro durch maximal viele Hände ging, an dem aber ganz offensichtlich immer noch Blut zu kleben scheint. Zumindest wenn es in einer bestimmten Firma erwirtschaftet wird. Da frage ich mich doch, wie sich die über 94.000 Beschäftigten dieses Unternehmens fühlen, wenn sie doch „historisch belastetes“ Geld als Lohn für ihre Arbeit annehmen und ob es ihnen mental besser ginge, wenn das auch noch „amtlich“ gemacht werden würde. Aber man belässt es besser dabei, dass es extraordinäre Menschen wie… Mehr
Die rotgrüne Moralblase schreckt auch vor Hafenkanten und Piers nicht zurück – welch ein sinnloses Getue im Angesicht tagtäglicher Ungerechtigkeiten, der Gegenwart, jeder Dimension in dieser Welt. Die bösen deutschen Schiffe nach Deutsch-Südwest, richtig so? Den exemplarischen „Holocaust“ im Sturmgepäck, so geht ihre Legende. Der große Volker Beck hat es so oder so ähnlich im Bundestag formuliert, damit war die „Wahrheit“ zementiert.Die Geldschleusen konnten geöffnet werden, Richtung Süd, Südwest! Eine wohltat für die geschundenen Seelen der Grünen Volksverachter. Ganz unmöglich, 120 Jahre später ein Opernhaus ohne „willkürliche moralisierende Kolonialverbiegungen“ dort zu bauen. O Herr, gib ihnen Hirn! Aber nehmt ihnen… Mehr