ARD-Sommerinterview: Das Interview, das alles zerstörte – nur nicht Weidel

Ein Sommerinterview wie eine Sommerfrechheit. Aus professioneller Sicht ein erbärmliches Stück Journalismus, für den Zuschauer hingegen eine plump inszenierte Verhöhnung. Mit allen Mitteln wollte die ARD sicherstellen, dass Alice Weidel als ultimativ böse wahrgenommen wird. Dazu griff der Sender zu allerlei Technik. Bis hin zu Protestchören mit Hall und Tremolo. Von Brunhilde Plog

picture alliance / dts-Agentur

Die ARD versucht sich offenbar an einer Wiederauflage des „Heißen Stuhls“, einer legendären Polit-Show aus den 1990er-Jahren, mit der RTL damals die Straßen fegte. Einer wird öffentlich gegrillt, und der Plebs lacht höhnisch.

Im Sommerinterview sitzt Alice Weidel in Weiß auf dem heißen Sommerstuhl. Und es dauert keine 40 Sekunden, bis erstmals das Schlagwort von der AfD als „Gefahr für unsere Demokratie“ fällt. Auch „gesichert rechtsextremistisch“ darf selbstverständlich nicht fehlen, wenn die verhasste, leider größte Oppositionspartei beschrieben wird. Dazu eine Handvoll Fragen, die Moderator Markus Preiß lang und breit formuliert, auf die er aber nur klitzekurze Antworten erlaubt. Er fällt seinem Gast ins Wort, er unterbricht, er stellt Aussagen in Frage. Man spürt: Es geht ihm gar nicht um die Antworten, es geht ihm bloß ums Bloßstellen.

So weit, so üblich, so bekannt. Was neu ist, dürfte auch dem letzten Zuschauer die Augen darüber geöffnet haben, wie ungeniert die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vorgehen, um jemanden in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.

Dass die ARD die Sendung als „Live-Interview“ ab 18 Uhr verkaufen will, obwohl sie bereits um 15 Uhr Ausschnitte zeigt – ist dabei nur die Kirsche auf der Sahnetorte. Die Sahne selbst ist derart fett, dass sogar Kollegen aus dem Mainstream den Kopf schütteln. Von einem „Tiefstpunkt öffentlich-rechtlichen Informationsmanagements“ spricht Thomas Tuma aus der Chefredaktion der Illustrierten Focus. Der Chefautor konstatiert, es habe „mit Journalismus nur noch so viel zu tun wie eine Kirmes, bei der sich ein eigens eingeladener Gast plötzlich als Hau-den-Lukas-Objekt für die Dorfschläger wiederfindet“.

Die Schmieren-Kirmes im Einzelnen:

Auf dem gegenüberliegenden Ufer der Spree hat sich pünktlich zum Beginn des Interviews eine Gruppe von Demonstranten eingefunden. Woher sie die genaue Uhrzeit der Aufzeichnung wissen, sei einmal dahingestellt. Mit lauten Rufen, Sprechchören und buchstäblich mit Pauken und Trompeten wollen sie die Aufnahme torpedieren. (Wie schön, dass auch ein Kameramann der ARD hinübergeeilt ist, um die ersten Bilder des Grüppchens für die 20-Uhr-Tagesschau im Kasten zu haben.)

Das gelingt erstaunlich gut. Deutlich zu gut sogar. Jedem Amateur mit einer kostenfreien Tonaufnahme-App würde gelingen, was die hoch gebührendotierten Techniker der ARD angeblich nicht hingekommen können: die Umgebungsgeräusche einfach herunterzuregeln und die Mikrofone der beiden Sprecher lauter zu stellen. Preiß entschuldigt sich gleich mehrfach scheinheilig dafür, dass es ja „so laut“ sei. Dass er dabei grinsen muss, macht das Schauspiel offensichtlich. Weidel muss mehrfach nachfragen, weil sie nichts versteht, sie rückt näher an den Moderator heran und bittet ihn mehrfach, die Frage zu wiederholen. Zeitweise nimmt sie sogar den Knopf aus dem Ohr, den ihr der Sender verpasst hat. Denn dort hat sie zusätzlich noch ein Echo und hört plötzlich alles doppelt, wie sie sagt.

Während die Tontechnik ihr perfides Spiel als angebliche Unfähigkeit verkaufen kann, hat es die Bildregie deutlich schwerer. Denn so lange man keine Menschen live duplizieren kann, muss sie halt zeigen, was ist. Und mit technischen Kniffen versuchen, aus einer Mücke einen möglichst imposanten Elefanten zu zaubern. Zu diesem Behufe werden in der Regie alle Register gezogen. Die Demonstranten rücken per Teleobjektiv optisch an Weidel heran und kleine Teilgruppen werden übergroß in Szene gesetzt, doch eines lässt sich eben nicht verbergen: Bei den Demonstranten handelt es sich nur um eine versprengte Gruppe, die mit großen Abständen zwischen den einzelnen Personen größer zu wirken versucht als sie es tatsächlich ist. Mehrere Kameramänner sind dort ebenfalls zu sehen, und man muss nicht die Mondlandung in Zweifel ziehen, um zu unterstellen, dass die ARD hier gezielt den Ton vor Ort abgenommen haben könnte, um ihn übers Ufer zu holen.

Denn es ist schon recht erstaunlich, dass so ein kleines Häufchen Elend aus eigener Kraft einen so imposanten akustischen Aufschlag zustande bringen soll, ohne dass technisch nachgeholfen wurde. Noch dazu wirken die Protestgesänge zeitweise geradezu majestätisch inszeniert – wie ein Kirchenchor überlagern sie das Interview derart eindrücklich, dass auch der Zuschauer bisweilen kein klares Wort mehr versteht.

Inhaltlich kann Weidel nur wenige Treffer landen. Denn es werden gefühlt auch kaum mehr als fünf Fragen gestellt. Unterbrochen von mehreren, langen Einspielern, bleibt für das eigentliche Interview so wenig Zeit, dass die Co-Vorsitzende der AfD kaum einen Gedanken zu Ende bringen kann. Sie kritisiert, dass der Etat für Arbeit und Soziales auf 190 Milliarden Euro explodiert sei, von dem allein 45 Milliarden auf das Bürgergeld entfallen. Hier würde sie deutlich kürzen, denn „die Hälfte geht an Menschen, die nicht deutsche Staatsbürger sind und die nie in unsere Sozialsysteme eingezahlt haben“. Zugleich würde sie die Ausgaben für Entwicklungshilfe oder Waffenlieferungen an die Ukraine reduzieren. Dass dies die Ausgaben senken würde, will Preiß allerdings aus unerfindlichen Gründen nicht akzeptieren. Immer wieder unterbricht er Weidel, versucht – bisweilen mit unverhohlenem Grinsen –,sie aus dem Konzept zu bringen.

Dazu prangen an der Wand die passenden Zitate, etwa Kritik vom Krankenkassenverband oder „hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster. Wenn die Kritik der AfD an der hyperaktivistischen Richter-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf das Thema ist, lässt die Bildregie dunkle Wolken über dem Reichstag aufziehen. Dazu Sätze wie „Die Partei weiß selbst: Die Menschen haben Angst.“

Ein weiterer Einspieler, so heuchelt Preiß, gebe „vielleicht Gelegenheit, auch das Tonproblem hier in den Griff zu bekommen“. Was das bedeutet, zeigt sich drei Minuten später: Der Tontechniker hat noch mehr aufgedreht. Die Chöre haben jetzt scheint’s noch Hall und Tremolo.

Die 30 Minuten Sommerinterview kommen dank eines sehr zeitigen Endes inklusive elegischer Abmoderation am Ende auf kaum mehr als 28 Minuten. Dazu die vielen Einspieler, die sich auf mehr als sechs Minuten summieren. Am Ende möchte Preiß von Weidel tatsächlich noch drei Dinge wissen, „die richtig gut laufen in diesem Land.“ Sie muss passen.

Wir warten derweil auf den Tag, an dem Preiß vom Kanzler drei Dinge wissen möchte, die richtig mies laufen in diesem Land. Das könnte, wäre der Kanzler der zweiten Wahl denn ehrlich, das längste Sommerinterview aller Zeiten werden.

Wie wenig ihn die eigentlichen Inhalte interessierten, zeigt Preiß eindrücklich auch in der Tagesschau, wo er später zum Interview Stellung nehmen soll. „Aus journalistischer Perspektive ist es schon schade, dass manche Fragen da gar nicht beantwortet werden konnten. Einfach, weil es so laut war“, sagt er und verschiebt auf diese Weise die Schwerpunkte komplett. Nicht der Gast ist das Thema, nicht die AfD, nicht die Kritik an der Regierung, nein – die künstlich aufgeblasene Mini-Demonstration soll es bitteschön sein. Selbst der Frage, welche inhaltlichen Punkte denn bemerkenswert gewesen seien, weicht Preiß aus: „Ah, wir haben über diverse Dinge gesprochen. Es ging natürlich unter anderem um das Sozialsystem und die Frage, wie kann man da reformieren, aber was diesmal doch sehr stark im Vordergrund stand, war einfach die akustische Umgebung drumherum.“

Focus-Mann Tuma wagt eine Prognose: Diese halbe Stunde werde noch lange nachhallen, – „als Beispiel, wie Journalismus eben nicht geht“.

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Kommentare ( 246 )

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bfwied
14 Tage her

Da ja alles gesteigert werden muss, darf man gespannt sein, auf welche Unverschämtheit u. Dummheit die Sender noch kommen. Sie werden sich steigern, und es wird den Leuten mehr und mehr auffallen, ihr Zenit ist also überstiegen. Die Wirklichkeit setzt sich immer durch. Ich hoffe, ich erlebe absehbar den Tag, an dem Millionen Leute aufhören, die ÖRR-Propagandasender zu bezahlen. Das wird ein schönes Geschrei, und die Gerichte werden so überlastet, dass Mörder freigelassen werden müssen, weil die U-Haft zu lange dauert, sofern sie überhaupt in Haft genommen werden! Der Kampf gegen die Infragestellung der Linken, die sich als „Wahrer unserer… Mehr

Egozentrik
15 Tage her

Dass es kaum einer merkt, indem er genauer hinhört und hinsieht?! Der sogenannte Chorgesang, der die Aufnahme des Weidel-Interviews massiv störte, kam keineswegs von den Demonstranten, sondern war vom Sender eingespielt. Und das muss bewusst geschehen sein, was man an Lautstärke und Reinheit bzw. Chorhallenhall sofort erkennen kann. Wahrscheinlich können Fachleute sogar die eingespielte Audio-Aufnahme identifizieren, die dieses beweist. Diese inszenierte Aktion mit den gekauften NGO und Verstoß gegen das Demonstrationverbot in der Bannmeile (davon später im Hinweis mehr) ging gar nicht einmal direkt gegen die AfD, wie die Moderatorin aus dem Off andeutet. Sondern sie soll gegen das Vorhaben… Mehr

RA.Dobke
15 Tage her

Oooh – mir stellt sich die Frage, ob das nicht eine Demonstration war, die in der sogenannten Bannmeile stattgefunden hat und, wenn ja, warum dagegen nicht eingeschritten worden ist?! Im übrigen gibt es auch eine Arbeitgeberverantwortung und wenn diese aus einer einseitigen politischen Motivation nicht wahrgenommen worden ist, dann hat die Aufsicht der ARD bzw. der Sendeanstalt den verantwortlichen Vorstand antanzen zu lassen. Moderator und sein Team incl. Technik sind mit einer dicken Abmahnung auszustatten und für den Wiederholungsfall ist die Kündigung anzudrohen. Mit einfachster Technik wäre dieses Störungsdesaster zu verhindern gewesen. Es scheint mir so, dass es von dem… Mehr

Supersilent
15 Tage her

Den linken Ökofaschisten ist jedes Mittel recht um ihre Macht zu zementieren. Der „ÖRR“ ein reines Propagandaministerium wo linksgrüne mittlerweile alle Schlüsselposition besetzen. Wo so etwas möglich ist hat sich die Demokratie verabschiedet, das hier ist schon lange kein demokratischer Staat mehr, das ist eine linke Gesinnungsdiktatur wo jeder vernichtet wird der diesem System auch nur annähernd gefährlich wird. Die DDR 2,0 ist vollendet.

fatherted
15 Tage her

Bei den Öko-Sozialistischen Einheitssender der DDM (Deutschen Demokratischen Mitte) wird es keine Konsequenzen geben….im Gegenteil….vielleicht geht an den Moderator gegen Ende des Jahre ein Medienpreis…für besonders gelungene und kritische Moderation.

Gabriele Kremmel
15 Tage her

Was richtig gut läuft im Land, das ist die gut geschmierte Asylindustrie und die ideologische Verarsche der Bürger samt rasanter Umverteilung ihres hart verdienten Geldes. Und natürlich die Umformung der Demokratie in eine zynische „UnsereDemokratie“, was übersetzt heißt „Unsere Macht und unser Profit“. Es läuft so gut, weil der ÖR so fleißig dabei mithilft – schließlich ist die AfD sein Fressfeind, weil sie ihn reformieren will. Dabei gehört er zerschlagen und unter anderen Bedinungen und anderem Personal neu aufgebaut.

Last edited 15 Tage her by Gabriele Kremmel
Klaus Weber
15 Tage her

Und das eigentliche Problem ist: Wir finanzieren sie alle mit unseren Steuern, den totalitären und verblödeten roten Kanal wie auch die linksextremen Sturmtruppen angefangen von den roten Witwen gegen Rechts bis hin zum Zentrum für politische Verblödung!

Kristina
15 Tage her

Peter Hahne hat in einem Interview erzählt, dass Goebbels die gleichen Methoden 1929/30 anwandte! Er ließ Lastwagen mit großen Lautsprechern vor den Wahlkampfveranstaltungen der SPD auffahren, um diese zu stören. Schon lustig, Linke und Linksradikale bedienen sich Nazimethoden. Wenn der Faschismus wiederkehrt ….

DDRforever
15 Tage her

Lappenland BRD; Lappenmedien, Lappenbürger. Das entsetzlichste Land der Welt. Lasst uns um Gottes Wilen Fremde bleiben.

Querdenker73
15 Tage her

Die Oma’s gegen rechts standen wohl nicht zur Verfügung? Finanzmittel nicht ausreichend? Oder gemeinsamer Arztbesuch?