Die „Mauer“ ist wieder da

Merz war „kontaktschuldig“: Wie bei einer Epidemie genügt es nun auch in der Politik, mit einem „Infizierten“ in Kontakt zu kommen, um unter Quarantäne gestellt zu werden. Eifrige Brandmauerwächter fordern deshalb bereits im Internet, die Brandmauer auf die CDU/CSU auszuweiten.

IMAGO / Stefan Zeitz

Fast drei Jahrzehnte, von 1961 bis 1989, gab es in Deutschland die Berliner Mauer als steinernes Symbol für die Teilung des Landes in Bundesrepublik und DDR. Dann fiel die Mauer, und es kam zur Wiedervereinigung Deutschlands. Heute wird wieder eine Mauer, die sogenannte „Brandmauer“, hochgezogen, am höchsten durch politische Gruppen wie die Grünen, die 1990 die Wiedervereinigung („ideologischer Schrott“) nicht wollten und dagegen demonstrierten.

Unter „Brandmauer“ (auch Brandwand) versteht man eine massive, dem Brandschutz dienende Trennmauer, hauptsächlich zwischen aneinanderstoßenden Gebäuden. In dieser bautechnischen Bedeutung ist das Wort seit Jahrhunderten üblich: „Wo feuer hinkommen kan, müssen brandmauern aufgefüret [errichtet] werden“, heißt es in einem Rechtshandbuch von 1757. Auch die übertragene (metaphorische) Bedeutung „Abwehrmechanismus“, „(gesellschaftliche) Isolierung“ ist schon lange belegt: Goethe berichtet in seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ (1811-1814), wie sein Vater „nach so viel Studien, Bemühungen, Reisen und mannigfaltiger Bildung“ im Alter sich zurückzog und „zwischen seinen Brandmauern ein einsames Leben [führte]“.

Wortgeschichtlich wurde „Brandmauer“ allerdings nur selten im übertragenen Sinn verwendet; es dominierte die technische Bedeutung. In der deutschen Politik kam das Bild von der „Brandmauer“ vor den Wahlerfolgen der AfD nur vereinzelt vor: 2006 forderte der damalige Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) „Brandmauern gegen [ausländisches] Lohndumping“, und in der Euro-Krise 2012 wurde von „Brandmauern zur Euro-Stabilisierung“ gesprochen. Seit 2020 hat sich im öffentlichen Sprachgebrauch die „Brandmauer gegen Rechts“ bzw. „Brandmauer gegen (die) AfD“ so verbreitet, dass die Neue Zürcher Zeitung (22.09.2023) von einer „Brandmauer-Rhetorik“ sprach. Das Wort „Brandmauer“ soll maximale politische Abgrenzung von einer anderen Partei oder Organisation anzeigen, deren Ausbreitung es zu verhindern gilt – wie bei einem Brand das Übergreifen des Feuers.

In der politischen Praxis führt diese Abgrenzung zum Kommunikationsabbruch: Man redet nicht mehr miteinander, sondern übereinander und, vor allem, gegeneinander: Der politische Gegner wird dabei zum „Feind“ erklärt, den man – wie im Krieg – vernichtet, nicht physisch, aber moralisch; denn der Feind ist böse, biblisch gesprochen: der Teufel, der in die Hölle zurückgestoßen werden muss. In der Bundestagsdebatte vom 31. Januar 2025 über die Migrationspolitik hielt deshalb der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich der CDU/CSU (und ihrem Kanzlerkandidaten Merz) metaphorisch stimmig einen „Sündenfall“ vor und das „Tor zur Hölle“ zu öffnen, weil sie für ihr „Zustrombegrenzungsgesetz“ auch die Stimmen der AfD akzeptiere, um die Mehrheit zu bekommen.

Merz war „kontaktschuldig“: Wie bei einer Epidemie genügt es nun auch in der Politik, mit einem „Infizierten“ in Kontakt zu kommen, um unter Quarantäne gestellt zu werden. Eifrige Brandmauerwächter fordern deshalb bereits im Internet, die Brandmauer auf die CDU/CSU auszuweiten.

Was sind die kommunikativen Folgen der Brandmauer-Politik? Erstens Hass und Hetze (die Bundestagsdebatte war dafür ein beredtes Beispiel) und, zweitens, eine Spaltung der Gesellschaft. Dass ausgerechnet die Prediger der Brandmauer ansonsten den „Zusammenhalt“, das „Miteinander“ und die „Solidarität“ Aller fordern, kommt einem so vor, als würden Brandstifter für die Freiwillige Feuerwehr werben.

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Kommentare ( 31 )

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tichoz
27 Tage her

Mein Eindruck war, daß es Merz hauptsächlich darum ging, die AfD-Wähler wieder unter die CDU/CSU-Flügel zu bringen. Von mir aus, wird das keinem aus der CDU/CSU-Gilde gelingen.Wer einmal aus dem CDU/CSU-Umfeld getreten ist, geniesst die frische Luft. Und wundert sich, warum er es solange unter dem CDU/CSU-Mief verweilte. Für mich folgt die CDU/CSU ihrer Schwester „Democrazia cristiana“. Die zerfiel in 5 Teile. Vor kurzem hat sie ihren Namen geändert. Mein Vater, Gündungsmitglied, sagte schon 1973 zu mir: „Soviel Dummheit auf einem Haufen, habe ich noch nie erlebt.“

maru
1 Monat her

„[..] als würden Brandstifter für die Freiwillige Feuerwehr werben.“
Genau so !
Was ist das nur für ein dummes und manipulierbares Volk. Die Strategien der Gegenseite sind so leicht durchschaubar.
Wieso fallen da so viele drauf rein?

Last edited 1 Monat her by maru
Proffi
1 Monat her
Antworten an  maru

Wei die Deutschen im Grunde ein blödes Volk sind. Viele spielen Lotto und mehr als 70% glauben, dass Deutschland, wenn es seinen winzigen Beitrag zum weltweiten Eintrag des segensreichen CO2 in die Atmosphäre unter größten Opfern absenkt, das Weltklima, das es nicht gibt und das, wenn es es gäbe überhaupt nichts mit CO2 zu tun hat, rettet und verhindert dass die Erde den Hitztod stirbt. Solche intellektuellen Blindgänger regieren uns. Deshalb muss diejenigen wählen, die wissen, dass alles, was der Mensch macht „klimaneutral“ ist.

Nachdenklicher
1 Monat her

„…, deren Ausbreitung es zu verhindern gilt – wie bei einem Brand das Übergreifen des Feuers“ Diese Brandmauer erfüllt ihren Zweck genauso wie der Antifaschistische Schutzwall: Offiziell sollte der Faschismus nicht in die DDR eindringen – real wurde auf jeden geschossen, der den geschützten Bereich verlassen wollte. Bei der Brandmauer ist es genauso – nur dass hier andere Gewalt genutzt wird, als MP-Kugeln und Selbstschußautomaten.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Nachdenklicher

Was bei Merkel „Alternativlos“ war, ist heute Brandmauer. Es hat sich nichts geändert.
Es ist ja auch viel einfacher, Diskurs zu verbieten, als sich mit Argumenen zu befassen…

Rob Roy
1 Monat her

Man könnte meinen, die Bürger hierzulande wünschen links-grünen Sozialimus als Regierungssystem.
Dabei gehen vielleicht nur ein halbes Prozent der Bevölkerung auf die Straßen. Selbst wenn man nur die wahlberechtigen Bürger nimmt, bilden die schreienden Protestler immer noch weniger als ein Prozent ab.
Aber sie sind laut und erwecken den Eindruck, viele zu sein. Was die links-grüne Politik dann mit Hilfe willfähiger Medine zum Bürgerwillen umdeutet, durch den sie ihre Macht aufrecht erhalten wollen.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Rob Roy

Es reicht, wenn die wahlberechtigten Bürger einmal an der Wahlurne das Kreuz für das Interesse ihrer Kinder und Frauen setzen.
Ich wäre absolut zufrieden.
Ich habe keine Lust mehr, traurige Miene beim nächsten Anschlag aufzusetzen. Sorry, bin für Prävention mit alle Mitteln…

Juergen Waldmann
1 Monat her

Wir werden eine Schwarz Rot Grüne Koalition bekommen , die alles so falsch macht , wie es die Ampel getan hat . Nur Alice Weidel hat heute im Bundestag darüber referiert , wie in Zukunft Deutschland aussehen könnte ! Alle Redner der abgehalfterten Ampel wollen es weiter so machen , diesmal halt richtig , dafür aber nicht mit FDP sondern mit Friedrich Merz CDU/CSU als Kanzler !Der Kanzler Merz wird aber Abstriche an seinem Plan für Deutschland und der Migration machen müssen , sonst macht die Resteampel Rot Grün nicht mit ! Ich wage zu prophezeihen , dass diese Not-Regierung… Mehr

Thors Hammer
1 Monat her
Antworten an  Juergen Waldmann

Diese möglichen 3 Jahre würden den rotrotgrünschwarzen Zerstörern und Ruinatoren reichen um dieses Deutschland so einzuebnen, daß man nur noch die verschrotteten WKW’s erkennen kann. In diesem Gebiet wird Wüste bzw Wildnis sein.

haqus b.
1 Monat her

Es macht mich sehr nachdenklich, dass Menschen in einem Land, welches eine physische Mauer trennte nach kurzer Dauer wieder fleißig eine Mauer bauen.
Ich persönlich fand es nicht gut, das eigentlich nichts mehr zu sehen ist von diesem Antfaschistischem Schutzwall. Man hätte wenigstens 100 m der Mauer am Brandenburger Tor stehen lassen müssen. Als Mahnung für alle vergangenen und wiederkehrenden Sozialismen.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  haqus b.

Es ist eine Demo „Ich bin gut, ich habe aus der Geschichte gelernt“… Wahre Patrioten haben Interessen des Landes im Sinn. Hier wird kein einzgies Interesse formuliert – bessere Wirtschaft, innere Sicherheit, weniger Schulden… – nichts Konkretes ist hier zu sehen… Das ist eine Demonstration des Minderwertigkeitskomplexes – keiner hat uns gesagt, wir sind gut… Jetzt muss ich jedem sagen, dass ICH gut bin… Übrigens kann man auch in einem Land ohne Demokratie gut leben – Dubai, Arabische Emirate – alles Monarchien. Ohne Demokratie. Es ist eigentlich als Schrei einer Nation zu verstehen – sagt doch endlich, dass wir auch… Mehr

MartinL
1 Monat her

Die „Brandmauer“ auch auf CDU/CSU auszuweiten ist eine super Idee. In relativ kurzer Zeit würde den <30% SPD/Grünen klar gemacht, wie wenig sie tatsächlich sind.

John Beaufort
1 Monat her

Diese ideologisierten Grünlinken kommen mir auch zunehmend vor, als lebten sie auf der anderen Seite einer Mauer. Ich verstehe diese Leute nicht, ich will sie nicht verstehen und ich wüsste gar nicht, wo ich mit ihnen anfangen sollte zu diskutieren. Das begann in der Coronakrise. Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass manche Menschen einfach in einer anderen Realität leben als ich. Mit Argumenten ist nichts mehr zu machen, wenn jemand sagt, dass 2+2=5 ist.

H.D.
1 Monat her

Vl. ist es an der Zeit, dass die CDU/CSU mit der AFD eine Brandmauer auf der linken Seite aufstellt. Es muss doch jedem noch so Hirnbefreiten auffallen, dass Linke und Grüne es nicht können. Sie stecken in ihren Ideologien fest und sind nur in der Lage dieses Traumgebäude mit dem Geld der Steuerzahler aufrecht zu halten. Und da die Lügen immer mehr und immer größer werden, braucht man immer mehr Geld. Diesen Postfaschisten geht es nicht um das deutsche Volk, es geht nicht um bezahlbares Leben oder gar Wohlstand. Es geht lediglich darum sozialistische Träume zu verwirklichen. Erschreckend dabei ist,… Mehr

KoelnerJeck
1 Monat her

Eifrige Brandmauerwächter fordern deshalb bereits im Internet, die Brandmauer auf die CDU/CSU auszuweiten.

Prima! Eine Wagenburg. Bundestagswahl: CDU + AfD = ca. 50 % (Tendenz mehr) Andere Parteien im Parlament ca. 40 % (Tendenz weniger), 10 % scheitern an der 5 % Hürde. Wir brauchen mehr Milei und Mises und weniger Marxismus.

Thors Hammer
1 Monat her
Antworten an  KoelnerJeck

Wir brauchen eine Revolution.