Rheinland-Pfalz zieht AfD-Ausschluss zurück – noch gelten Rechtsstaatsprinzipien

Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz wollte AfD-Mitglieder pauschal aus dem Staatsdienst verbannen — ein politisches Manöver, das an der Verfassung scheiterte. Das Ergebnis: ein Rückzug. Es zeigt sich aber, wie schnell rechtsstaatliche Prinzipien geopfert werden, wenn Parteikalkül regiert.

IMAGO

Rheinland-Pfalz rudert zurück. Nachdem das Innenministerium zunächst medienwirksam angekündigt hatte, AfD-Mitglieder grundsätzlich vom Staatsdienst auszuschließen, folgt nun die ernüchternde Klarstellung: Jeder Fall wird doch einzeln geprüft. Das Innenministerium bestätigte auf Anfrage des SWR, dass ein genereller Ausschluss nicht haltbar ist.

Noch am vergangenen Freitag hatte die Landesregierung anders getönt. Bewerberinnen und Bewerber mit AfD-Parteibuch seien „künftig ausgeschlossen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die politische Botschaft war klar: Demonstrative Härte gegen eine ungeliebte Partei.

Doch diese Strategie ist die Verfassung im Weg. Mehrere Staatsrechtler äußerten deutliche Kritik. Joachim Wieland, Professor an der Universität Speyer, stellte unmissverständlich klar: Eine pauschale Ablehnung aufgrund der Parteimitgliedschaft verstößt gegen das Grundgesetz. Das Recht auf Zugang zum öffentlichen Dienst hängt ausschließlich von Eignung, Befähigung und Leistung ab.

Josef-Franz Lindner, Staatsrechtler an der Universität Augsburg, ging noch einen Schritt weiter: Der Staat müsse mit jedem Bewerber sprechen, der AfD-Mitglied ist. Dabei müsse er klären, wie der Betroffene zu verfassungsrechtlich problematischen Äußerungen seiner Partei steht. Entscheidend sei, ob sich der Bewerber mit diesen Positionen identifiziere oder nicht.

Lindner betonte, dass ein pauschaler Ausschluss die notwendige Einzelfallprüfung unterlaufe. Diese Prüfung soll sicherstellen, dass Bewerber tatsächlich mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Alles andere sei ein schwerwiegender Verstoß gegen das Beamtenrecht und die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Auch Christoph Gröpl, Staatsrechtler von der Universität des Saarlandes, widersprach deutlich. Gröpl erinnerte daran, dass jeder Bürger einer nicht verbotenen Partei beitreten darf. Eine Mitgliedschaft allein dürfe kein K.O.-Kriterium sein. Ansonsten drohe eine gefährliche Aushöhlung demokratischer Grundrechte. Gröpl warnte zudem vor einem tiefgreifenden Missverständnis über die Pflicht zur Verfassungstreue. Ein Beamter müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, ja – doch dies müsse individuell festgestellt werden. Es reiche nicht, eine Parteizugehörigkeit als Automatismus zu deuten.

Bemerkenswert ist: Selbst das Bundesinnenministerium sowie das Land Bayern schlossen sich dieser Linie an. Bayern, wo die AfD inzwischen auf einer Extremismus-Liste geführt wird, prüft trotzdem weiterhin jeden Fall einzeln. Eine reine Mitgliedschaft begründe noch keinen Zweifel an der Verfassungstreue.

Pikant: Die Verwaltungsvorschrift in Rheinland-Pfalz sah ursprünglich genau diese Einzelfallprüfung vor. Dennoch hatte Innenminister Michael Ebling (SPD) öffentlich einen härteren Kurs verkündet. Offenbar wollte er ein besonders scharfes Zeichen gegen die AfD setzen – juristische Feinheiten störten da nur.

Die Staatsrechtler vermuten politische Motive hinter der Kommunikation. Lindner spricht von einem „Überschießen des Ziels“, Wieland warnt vor einer gefährlichen Symbolpolitik, die verfassungsrechtliche Grenzen überschreitet. Es gehe nicht um Recht, sondern um öffentlichkeitswirksame Signale. Damit bewegt sich Rheinland-Pfalz auf dünnem Eis. Ebling wollte entschlossen wirken, als Verteidiger der Demokratie auftreten – heraus kam ein Musterbeispiel für rechtlich fragwürdigen Aktionismus. Ein misslungener Spagat zwischen politischem Aktivismus und rechtsstaatlicher Verpflichtung.

Und genau hier beginnt der gefährliche Teil: Ausgerechnet jene, die vermeintlich Demokratie und Verfassung schützen wollen, treten diese mit Füßen, wenn es gegen einen politischen Gegner geht. Das Innenministerium nutzte seine Verwaltungsinstrumente als Waffe im Meinungskampf. Der Fall zeigt, wie sich Verwaltung, Legislative und politische Parteien immer stärker zu einem Machtblock verweben. Gesinnungsprüfungen, ursprünglich das Markenzeichen autoritärer Regime, feiern ihr Comeback unter dem Deckmantel demokratischer Hygiene.

Am Ende bleibt ein zerrüttetes Vertrauen. Bürger erkennen, wie leicht rechtliche Grundpfeiler zur Disposition stehen, wenn politischer Opportunismus regiert. Rheinland-Pfalz liefert damit einen Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn Parteiraison über Recht und Verfassung gestellt wird.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 58 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

58 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
DerWestfale
23 Tage her

Angesichts eines angestrebten AfD- Verbotsverfahren liegen längst derart viele Verfassungsverstöße (vollzogen, versucht, angekündigt, verurteilt) der Kartellparteien vor dass die AfD in der Lage ist vor Gericht eine Täter- Opfer- Umkehr einzuleiten.

Siggi
23 Tage her
Antworten an  DerWestfale

Seriös kann man die AfD nicht verbieten. Deshalb ja der versuch mit der Antifa Richterin, und zuvor mit der Antifa Faeser. Den Linken ist jedes Mittel recht. Wenn nicht einmal vor Gewalt zurückgeschreckt wird, ist doch jede Vernunft weg.

Scholz und Konsorten (Hafen Geburtstag), 1. Mai Aktionen etc. zeigten doch, dass sich die Linken alles erlauben können, ohne bestraft zu werden.

Schmeist ein 22 jähriger einen Böller an ein Ölaugen Haus bekommt er 8 Jahre Haft.

Die Linken wissen u d sehen es als selbstverständlich an, dass sie abfackeln, Schädel einschlagen, Polizisten verletzen etc. können, ohne Folgen befürchten zu müssen.

MeHere
23 Tage her

Josef-Franz Lindner muss umgehend wegen ANTIDEMOKRATSCHER UMTRIEBE und VERFASSUNGSFEINDLICHER ÄUSSERUNGEN ohne weiterer Bezüge aus dem Lehrbetrieb entfernt werden .. so jemand kann und darf nicht unterrichten. Eine Mahnwache vor seinem Haus oder der Uni muss selbstverständlich für min 1 Woche umgesetzt werden und all seine Nachbarn und Freunde über dessen Schandtaten informiert werden …
So oder so ähnlich macht es derzeit die politische LINKE mit Andersdenkenden, weil nur die LINKE über die ALLUMFÄNGLICHE LEGITIMATION verfügt … von MARX pers. ausgestellt – unterschreiben von LENIN
(o.g. ist natürlich SATIRE)

Dietrich
23 Tage her

Das wird heute beim ÖRR bestimmt das Haupthema sein.😁

Supersilent
23 Tage her
Antworten an  Dietrich

Na klar, bei Maischberger und auch bei Lanz das Top Thema heute, Ulrich Vosgerau und Ulrike Guérot wurden eingeladen.

Last edited 23 Tage her by Supersilent
P. Liesner
23 Tage her
Antworten an  Dietrich

Das sollte mich überraschen.
Auf einmal soll ja alles gar nicht so wirklich gewollt gewesen sein. Ich lache mich schlapp. Ein Bundesland hat mal einen Versuchsballon steigen lassen und gewartet, wie die Richter reagieren.

CasusKnaxus
23 Tage her

Sie agieren wie die Zentrale ParteiKontollKommission der SED. Selbstverständlich kann in dem Shithole Rheinland-Pfalz jeder Linke Beamter werden. Egal, ob er während der Uni sich bei Autonomen oder irgendwelchen Kommunisten/Sozialistengruppen ausgetobt hat, geschweige denn mit Attac auf anti-G-20-Demos krakeelt und randaliert hatte…Das war ja „gut für das Klima und für mehr Gerechtigkeit & gegen Ausbeutung“…

Evero
23 Tage her

Aus den USA ist eine neue Krankheit herübergeschwappt, die hierzulande offenbar sogar schon Politiker befallen hat: das „Derangement-Syndrom“ eine Art Paranoia, die durch die temporäre Unfähigkeit, Bilder oder Worte von gehassten Personen oder Parteien aushalten zu müssen, gekennzeichnet ist. Ebling hat im Eifer des Gefechts dabei wohl das SPD-Parteibuch mit unserem Grundgesetz verwechselt. Kann ja mal passieren bei den willentlichen SED-Nachfolgern. Zum Glück gibt es ja noch Mahner und Gerichte, die ihre Pflicht tun, sonst sähe es schon verdammt ungemütlich aus für Kritiker des Brandmauer-SED-Kartells. Das Derangement -Syndrom ist eine Art Besessenheit, ein fanatischer Koller, der, wenn er ganze Gruppen… Mehr

Chris Friedrich
23 Tage her

Das kommt dabei heraus, wenn blasierte Politiker, die eigentlich nichts auf die Reihe bringen, vor lauter Neid, diejenigen, die verstanden haben was Demokratie ist, bekämpfen. Was sich diese „etablierten Demokraten“ in unserem Land erlauben, spottet jeder Beschreibung. Es wird Zeit, dass diese Meute den steugefüllten Futtertrog so schnell wie möglich verlassen.

Bernd Bueter
23 Tage her

Die Tölpel der sozialistischen RP SPD haben sich schlicht verzockt und ihre „Freislerinnen“ schon im 2. SENAT BVerfG, Abteilung „AfD Parteiverbot“, sitzen sehen.

Dabei haben die beiden vorlauten Knalltüten vorab schon soviel Sozialismus zum Besten gegeben, dass sogar der CDU schwante, nach der AfD dran zu sein.
Auf die Dummheit der Sozen ist ja immer Verlass. Gott sei Dank.

CasusKnaxus
23 Tage her
Antworten an  Bernd Bueter

Ja die linken haben auf ihrem Kreuzzug einen unfreiwilligen Stop eingelegt. Frage ist: füttert man die bis zum bitteren Ende durch oder passiert noch was?

Schlaubauer
23 Tage her

Irgendwie werden ständig die an die Verfassung erinnert, die laut andere als Verfassungsfeinde titulieren. Dabei hört man ähnliches von dieser Gruppe eher nicht.

Jerry
23 Tage her

„Das Recht auf Zugang zum öffentlichen Dienst hängt ausschließlich von Eignung, Befähigung und Leistung ab.“
Also das möchte ich doch stark bezweifeln, hier und auch in der Privatwirtschaft. In Zeiten von Frauen-, Migranten- und was weiß ich noch für Quoten, ist das ganz sicher nicht(!) mehr gewährleistet.

Ulrich
23 Tage her

Eine Frage an den Staatsrechtler an der Universität Augsburg, Josef-Franz Lindner: Wie lauten denn einige „verfassungsrechtlich problematischen Äußerungen“ der AfD? Ich hätte gern einige Beispiele, möglichst nicht aus dem Zusammenhang gerissene. Mal eine Liste, per beliebtem Faktencheck überprüfbar, wäre da sehr dienlich.

Klaus Uhltzscht
23 Tage her

Was für ein Micki-Maus-Land! Ich weigere mich, mich mit so einem Unfug zu beschäftigen. Wenn ein Arbeitgeber, und sei es Mutti Staat, mich solchen Unfug fragt, ist es ein Micki-Maus-Arbeitgeber, und ich bewerbe mich dort grundsätzlich nicht!

Will Hunting
23 Tage her

Gestern gesehen. Welt Journalist zeigt die Situation auf Kreta. Er betont, kaum Kinder oder Frauen. Die Bild Zeitung verbreitet ein Suggestivfoto mit Kinder und Frauen. Wer lügt hier oder verdreht die Tatsachen?
.

Budgie
23 Tage her

Ganz klar, das war wieder ein Versuch den Totalitarismus fest im Land zu verankern. Die Zeichen dafür werden von den 5 grünen Blockparteien immer schneller und brutaler gesetzt. Das ist es was die Situation noch viel schlimmer als in der DDR erscheinen lässt. In der SBZ war der Bereich, welcher von niemanden überschritten werden durfte, weder in der Tat noch im Spruch, jedem Bürger bekannt. Heute herrscht die totale Willkür der Paten, genau so wie zu Beginn des schlimmsten Abschnittes der deutschen Geschichte. Sie versuchen Tag & Nacht das Grundgesetz zu ruinieren und schrecken vor nichts mehr zurück. Uns allen… Mehr