Regierung will Pullfaktoren abschaffen: “Die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht”

Union und SPD wollen den Familiennachzug für einen Teil der Einwanderer für zwei Jahre einstellen. Das heißt: Die Union will das – die Sozialdemokraten ziehen nur widerwillig mit. Die Einwanderung bleibt die Sollbruchstelle in der noch jungen Koalition.

Imago/ dts Nachrichtenagentur

Die Arbeit mit Schlagworten ist in der Politik so eine Sache. Einerseits bringen die Politiker nicht viel zustande, die mit diesen Schlagworten darüber hinwegtäuschen wollen, dass sie faktisch nicht an die Probleme rangehen. Andererseits kann der Einsatz von bestimmten Begriffen einen Wandel anzeigen und einen Wandel bestärken. So will die Bundesregierung die “Begrenzung der Einwanderung” wieder als Staatsziel ins Aufenthaltsgesetz schreiben. Das wirkt zuerst lediglich wie ein Symbolakt – und es ist auch nicht mehr, falls es nicht mit tatsächlichem Handeln unterlegt wird.

Falls es aber tatsächliches Handeln gibt, dann kann ein solcher Symbolakt auch faktische Folgen haben. Diese Woche hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Berlin in einem Einzelfall eine Zurückweisung an der Grenze für nicht rechtens befunden. Durch die Aufnahme des Staatsziels Begrenzung der Einwanderung können Richter das Aufenthaltsgesetz weiter so auslegen wie das Verwaltungsgericht Berlin. Aber es fällt ihnen schwerer. Es nährt dann den Verdacht, dass die entsprechenden Richter vielleicht im Namen des Volks Recht sprechen – das Volk aber mit der Partei verwechseln, die sie ins Amt gebracht hat.

Die Sprache rund um das Thema Einwanderung hat sich verändert. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagt im Bundestag: “Illegale Migration ist nicht allein national zu lösen.” Oder “die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht.” Oder mit der Zurückweisung an den Grenzen würde das System der Schleuser durchbrochen, nach dem Familien einzelne Kinder vorschicken, um selbst nachkommen zu können. “Illegale Migration”, “Schleuser”, “Pullfaktoren”… Das sind Begriffe, deren Verwendung in den letzten zehn Jahren dazu geführt haben, dass Büromitarbeiter des Inland-Geheimdienstes in Mappen – sorry: in Geheimgutachten – die Aussagen gesammelt haben, die man sich als Bürger gegen die Regierung erlaubt hat. Sodass der Verfassungsschutz treffender Merkelschutz oder Scholzschutz geheißen hätte.

Nun spricht Dobrindt so. Und es ist wohltuend, dass ein Minister die Fakten beim Namen nennt – nach einem Jahrzehnt der gewollten Sprachverwirrung und Sprachtabus. Dobrindt räumt ehrlich ein, dass die Bundesregierung die illegale Einwanderung in manchen Punkten nur zusammen mit den EU-Partnern bekämpfen kann. Und er verspricht die Punkte anzugehen, die sich national lösen ließen.

Als Beispiel nennt Dobrindt die “Turbo-Einbürgerung”, die von der Ampel eingeführt und nun von der schwarz-roten Koalition zurückgenommen wird. Oder eben die Grenzkontrollen. Im Kabinett hat die Regierung zudem diese Woche beschlossen, künftig mehr Länder zu “Sicheren Herkunftsländern” zu erklären, um so Abschiebungen in diese zu erleichtern.

Als nächsten Schritt hat die Koalition nun ein Gesetz in den Bundestag ein und durch die erste Lesung gebracht, das den Familiennachzug limitieren soll. Die nächsten zwei Jahre sollen “subsidiär Schutzberechtigte” ihre Familien nur dann nachholen können, wenn ein Notfall vorliegt. Das soll den Anreiz nehmen, so genannte Ankerkinder vorzuschicken, die in ihrer Heimat verzichtbar sind und dem Rest der Familie ein Leben im Land des Bürgergelds ermöglichen sollen. Als “subsidiär schutzberechtigt” gilt, wer nicht wirklich als Flüchtling anerkannt ist, aber dem in seiner Heimat eine vermeintliche Gefahr droht. Laut Statistischem Bund leben in Deutschland rund 330.000 Menschen mit diesem Status.

Die SPD muss diese Politik nun mittragen. Das ist der Preis für die Koalition und das Aufweichen der Schuldenbremse. Für Dienstwagen und die Möglichkeit, NGO mit staatlichem Geld zu pampern und Nachfragen dazu zu unterdrücken. Wie schlecht die SPD die eigene Politik findet, zeigt im Bundestag Rasha Nasr. Mit weinerlicher Stimme sagt sie am Rednerpult: “Der Familiennachzug ist wesentlicher Baustein für gelingende Integration.” Ihn aufzugeben, sei halt als Teil der Regierungsbildung notwendig gewesen. Sie respektiere diesen Prozess und hoffe, der Stopp des Familiennachzugs sei nur ein Teil des Weges und nicht der Endpunkt. Das ist Politsprech für: Klar opfere ich meine Prinzipien der Karriere wegen, möchte aber immer noch als prinzipientreuer Gutmensch gelesen werden.

Der Vorsitzende des SPD-Nachwuchses “JuSos” muss noch nicht so viele Kompromisse wie Rasha Nasr eingehen. Philipp Türmer fordert im Deutschlandfunk offen, dass der Familiennachzug wieder eingesetzt werde. Was faktisch unpräzise ist. Bis das Gesetz durch die Ausschüsse des Bundestags gegangen ist, gibt es den Nachzug noch. Türmer sieht seine Forderung als “moralische Verpflichtung”. Deswegen haben die JuSos im April auch dafür geworben, dass die SPD die Koalition mit CDU und CSU nicht eingeht. Mit Jungpolitikern wie Nasr und Türmer bleibt die Einwanderungsfrage die Sollbruchstelle der schwarz-roten Koalition.

Wobei Dobrindt weiß, dass er auch unter den Sozialdemokraten Verbündete findet: “Unsere Städte und Landkreise sind schließlich am Limit.” Nicht wenige Landräte und Bürgermeister stellt die SPD. Viele von ihnen würden einen Satz des Innenministers unterstreichen: “Die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht.” Diese Bürgermeister und Landräte leiten Politik nicht von einer “moralischen Verpflichtung” ab, die beliebig biegbar ist. Sie sehen die vollen Aufnahmelager, die überforderten Kitas und Schulen, den ruinierten Wohnungsmarkt, die Erschütterung der inneren Sicherheit.

Die Union steht von zwei Seiten unter Druck. Von links, weil Grüne, Linke und der Koalitionspartner SPD weiter ihre Politik nicht an der Realität festmachen wollen, sondern an ihrer eigenen Moral. Weil sich die eigene Moral anders als die Realität ihrem Willen beugt. Von rechts kritisiert die AfD, dass die Bundesregierung nicht genug gegen illegale Einwanderung tue – und das noch zu langsam. Dem hält Dobrindt im Bundestag Zahlen entgegen: Die Grenzkontrollen der vergangenen Wochen hätten zu 1000 festgestellten Schleusern geführt, zu 6000 vollstreckten Haftbefehlen und zu 24.000 Zurückweisungen.

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Kommentare ( 102 )

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Asurdistan
2 Monate her

Dann warten die Angehörigen eben zwei Jahre und werden bis dahin finanziell von dem hier lebenden Schutzbedürftigem versorgt.
Der größte Pullfaktor ist das Geld und gehört abgeschafft.

humerd
2 Monate her
Antworten an  Asurdistan

zu dem Geld kommen ja noch weitere kostenlose Annehemlichkeiten wie z.B. medizinische Versorgung, kostenlose Unterbringung inkl. Reinigungspersonal u.v.m.

grenzenlos
2 Monate her

Minister Dobrindt sagt, “die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht.”
Was bitte soll das heißen?

November Man
2 Monate her

Tut einer nur so, als wolle er was gegen die Massenzuwanderung und zum Wohle der Bevölkerung tun, wird er von den Linksextremisten sofort angezeigt. Die linke NGO „Rechercheplattform FragDenStaat“ hat Strafanzeige gegen Innenminister Dobrindt und den Chef der Bundespolizei gestellt. Der Vorwurf: Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen seien rechtswidrig und ein Aufruf zum Rechtsbruch. FragDenStaat.de ist ein angebliche gemeinnütziges Projekt des Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.. Die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. (OKFDE) erhält Gelder vom Staat, insbesondere in Form von Projektförderungen und Zuschüssen.
So was muss man als Bürger erst verstehen.

Privat
2 Monate her
Antworten an  November Man

Deutschland – ein verrückt gewordenes Land.

roffmann
2 Monate her

Die haben doch immer behautet, es gäbe keine Pull-Faktoren ? Wie, was abschaffen , was es nicht gibt ? Wunder über Wunder !

Andreas Bitz
2 Monate her

Etwas mehr Kritikfähigkeit gegenüber den wohlfeilen Ankündigungen der CDU/CSU. „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Bei sechs Grenzübertritten in den letzten Tagen habe ich keine Kontrolle erlebt…

Barbiefehlpressung
2 Monate her

Stellschrauben gibt es genug.
Mir fehlen auch z. B. die Rückabwicklung des „freiwilligen“ Migrationspakts, ein deutliches Plus an Abschiebungen, Beschneidung der Klagewege und nicht zuletzt die Aussetzung von Sozialleistungen bei negativem Asylbescheid/Ausreiseaufforderung.

RobertF
2 Monate her

Die Union (besser gesagt die CSU) tut tatsächlich etwas und bewegt die Politik in Sachen Migration in die richtige Richtung. Fakt ist allerdings auch, sie könnte viel mehr tun und schneller sein, wenn sie sich nicht mit den Sozen ins Bett gelegt,sondern eine Koalition mit der AfD eingegangen wären.

Schön zeigt der Artikel auch die Doppelmoral der Sozialdemokraten!

Alf
2 Monate her

“Die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht”? Nein, die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist nicht mehr gegeben. In den „vergangenen Wochen“? Hier die etwas anderen Zahlen. Seit dem Amtsantritt von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wurden die Grenzkontrollen verschärft, um die Zahl der Zurückweisungen zu erhöhen. In den ersten zwei Wochen der neuen Regelung wurden insgesamt 1.676 Menschen zurückgewiesen, darunter 51 Personen, die ein Asylgesuch gestellt hatten.https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-05/migration-grenze-kontrolle-zurueckweisung-fluechtlinge-asylIm Mai 2025 wurden in zwei Tagen 365 unerlaubte Einreisen registriert, von denen 286 Migranten zurückgewiesen wurden. Die Gründe für die Zurückweisungen waren hauptsächlich fehlende Visa, gefälschte oder fehlende Dokumente sowie Einreisesperren.https://www.welt.de/politik/deutschland/article256100284/Zurueckweisung-von-Asylsuchenden-Notwendig-und-zulaessig-oder-gefaehrlicher-Rechtsbruch.html Uns was ist mit denen, die schon… Mehr

Privat
2 Monate her

Ich habe an der Vergangenheit keinerlei Schuld.
Deshalb bezahle ich auch nicht für nichts und niemanden.
Sippenhaft erkenne ich nicht an.
Auch bin ich für nichts aus der Vergangenheit verantwortlich.
Allen die von mir das Gegenteil verlangen, denen zeige ich den Mittelfinger.

Privat
2 Monate her

Es sind die größten politischen Täuscher, die immer ankündigen aber keine Abhilfe schaffen.
Mit den dämlichen Deutschen wird das schon jahrelang so gemacht.

Privat
2 Monate her

Ich habe von den Figuren des Systems immer nur Ankündigungen gehört.
Echte Lösungen haben diese Typen noch niemals eingeleitet.
Dieses Gerede – Es sind Beruhigungstabletten für das dumme Volk.
Und zwischenzeitlich geht die Umvolkung immer weiter.
Nur die AFD Wird die Umvolkung beenden.

Privat
2 Monate her

Es ist eine beispiellose Unfähigkeit am Werk, die unser Land mit Millionen illegaler Kulturfremden zugeschüttet hat.
Weil die erbärmlichen aktuellen Verwalter einzig wirksame Lösungen scheuen. Sie ziehen die bequemste Lösung in Sachen Asyl vor – immer nur bezahlen, nicht fragen und nichts dagegen tun. Geld, das uns hier im Land fehlt – schmerzhaft.
Die einzige Lösung heißt AFD – weil nur die AFD scheut sich nicht, die Probleme, die mit Asyl entstanden sind sicher zu lösen. Sonst wird unser Land langsam aber sicher untergehen.

murphy
2 Monate her
Antworten an  Privat

Die Migrations-Probleme entstanden nicht aus Unfähigkeit, sondern absichtlich. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Klaus Kabel
2 Monate her

„Der Familiennachzug ist wesentlicher Baustein für gelingende Integration.”
Im Gegenteil: Der Familiennachzug ist der Garant für den Aufbau einer Parallelgesellschaft. Somit ergibt der Satz “die Integrationsfähigkeit unseres Landes ist erreicht” einen gewissen Sinn. Wir Deutschen müssen uns in die kommende almanya muslimische Gesellschaft integrieren, denn Muslime integrieren sich in keine Gesellschaft außerhalb des muslimischen Herrschaftsbereichs.

humerd
2 Monate her

„…ondern an ihrer eigenen Moral.“ Definition Moral „Als Moral werden die Werte und Regeln bezeichnet, die in einer Gesellschaft allgemein anerkannt sind.“ https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/320812/moral/
es ist also nicht die Moral, sondern die Ideologie. Wäre es Moral, würden die Kosten & Lasten auf allen Schultern verteilt. Aber wehe eine Flüchtlingsunterkunft ist im eigenen Wohnort / Stadtteil geplant, dann gehen die Moralisten auf die Barrikaden.