Projekt des Bundes dauert bis 2221 – dann fliegt das Raumschiff Enterprise schon

Zu träge, zu langsam und der Digitalisierung meilenweit hinterher. Das ist das Erfolgsrezept, mit dem in Deutschland viele Vorhaben scheitern. Nun die neue Gestaltung des Bundesarchivs – mit fatalen Folgen für die Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen.

picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Die schwarz-rote Regierung packe an. Die Probleme in Deutschland würden jetzt mit Schwung gelöst. Das ist die Botschaft, die Kanzler Friedrich Merz so gerne vermitteln würde – womit er aber scheitert. Vielleicht, weil seine PR-Abteilungen nicht gut genug funktionieren. Aber wahrscheinlich eher doch, weil es einfach nicht stimmt. Die Realität sieht so aus wie beim Umbau des Archivs der Stasi-Unterlagen.

So will der Bund die Standorte des Bundesarchivs neu ordnen und ausstatten. Nicht erst in fünf Jahren, nicht in drei, zwei – sondern – in zehn Jahren. Vielleicht fasst Deutschland die Dinge sehr schnell an, aber dann brauchen sie jede Menge Zeit. Das Ganze läuft unter dem Motto “Masterplan Bundesarchiv 2035”. Was Dynamik vermitteln soll, aber genau wie im Bemühen um Aufschwungs-Stimmung am Ende ins Gegenteil umschlägt.

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Der Abgeordnete Götz Frömming (AfD) hat eine Anfrage an die Regierung gestellt, um den Sachstand zu erfahren. Die Antwort von Staatsminister Wolfram Weimer (CDU) lässt ahnen, mit wie viel Schwung die Bundesverwaltung arbeitet. Was kostet der ganze Spaß? Antwort Weimer: “Der in die Finanzplanung einzubringende Kostenrahmen der einzelnen Standorte wird erst nach der Erstellung der jeweiligen finalen Projektunterlagen feststehen.” Mit anderen Worten: Schaun mer mal. Wie lange dauert das alles? Antwort Weimer: “Die Bedarfsplanungen zu den Archivstandorten sowie zum Archivzentrum Berlin-Lichtenberg befinden sich in Abstimmung, weitere erforderliche Unterlagen werden aktuell erstellt.” Mit anderen Worten: Es ist fertig, wenn es fertig ist.

Fehlt es denn dem Bundesarchiv an Personal. Jein. Das Archiv verfügt über einen stolzen Personaletat von 118 Millionen Euro. Davon stehen für den Masterplan 607 Archivare bereit – und 168 Mitarbeiter für die “Leitung, Sicherung und ortsbezogene Verwaltung”. Auf vier Mitarbeiter, die für die eigentliche Arbeit da sind, kommt einer, der sie verwaltet. Das ist gemeint, wenn es heißt: In Deutschland gibt es zu viel Bürokratie.

Mit dem entsprechenden Tempo. 1500 Millionen Seiten aus Akten und Karteien müssen digitalisiert werden. 30 Millionen Seiten haben die Archivare bisher laut Weimer digitalisiert. Das entspricht zwei Prozent des Bestands. Für die Zukunft hat sich der Staatsminister vorgenommen, jedes Jahr weitere 0,5 Prozent zu digitalisieren. Das entspricht dann 196 Jahren. Damit wären wir im Jahr 2221. Die Serie Raumschiff Enterprise spielt übrigens im Jahr 2200. Also bevor Deutschland mit der Digitalisierung der Stasi-Akten fertig wird.

Nur mal zu Einordnung: Rechnet man von heute an 196 Jahre zurück, dann wäre der Gründer des Kommunismus, Karl Marx, gerade mal elf Jahre alt. Der Sowjetkommunismus existierte 74 Jahre lang, die DDR 40 Jahre lang. Die Digitalisierung ihrer Akten soll fünf Mal so lange dauern. Ambitioniert geht anders.

Es sei denn, es werden noch weitere Externe hinzu verpflichtet – aber dafür muss erst einmal das Geld bereitgestellt werden. Die gesamte Digitalisierung der Stasi-Unterlagen wäre für 100 Millionen Euro zu haben. Viel Geld. Früher mal. Doch bei 850 Milliarden Euro neuer Schulden nur eine kleine Zahl hinter dem Komma.

Der Abgeordnete Frömming mahnt: „Die neue Bundesregierung muss den Ernst der Lage erkennen: Ohne belastbare Angaben zum Investitionsbedarf droht den Stasi-Unterlagen dauerhafter Schaden. Jetzt braucht es entschlossenes Handeln bei der Bereitstellung von Haushaltsmitteln.“ Doch das ist bisher nur in Absichtserklärungen zu haben – die Realität ist der “Masterplan 2035”.

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Kommentare ( 25 )

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Mausi
9 Tage her

Ob Rußland wohl Akten über die Hitlerzeit digitalisiert hat? In russischen Archiven liegen bestimmt noch interessante Informationen. Da bei uns inzwischen jede Arbeit in (Bundes)behörden ideologisch verseucht ist, gehe ich davon aus, dass Digitalisierung von geschichtsrelevanten Unterlagen gründlich verpfuscht wird.

Gert Lange
9 Tage her

Warum noch digitalisieren, in 20-30 Jahren wird sich in den Ruinen von Deutschland keiner mehr für die DDR-Stasi interessieren, wenn noch so lange hält, alles Selbstbefriedigung, oder?

Teiresias
10 Tage her

Das wird ihnen aber leid tun, daß das Ausmass ihrer Erpressbarkeit erst nach ihrem Tod aufgearbeitet wird.

P.Schoeffel
10 Tage her

Und nicht vergessen:
Neben dem Bundesarchiv ein Museum bauen, für die Technik, mit der heute digitalisiert wird. In 200 Jahren kann das nämlich niemand mehr lesen.

Axel Fachtan
10 Tage her

Nur 200 Jahre ? Das geht ja fix.
Gibt es da immer noch keine KI für, die die Lahmärsche das Fürchten lehrt ?
Staatliche Dauerarbeitsplätze bis 2221. Was könnte es schöneres geben ?

JoergJ.
10 Tage her

Alles Geschichte, Deutschland wird es in nicht mal 50 Jahren mehr geben. Das Land hat fertig und ist reif für die Abrißbirne.

November Man
10 Tage her

 Masterplan bis 2035? So lange noch?
Haben die noch nie was vom angeblich menschengemachten Klimawandel gehört?

Lars Baecker
10 Tage her

Ich bin zwar kein Hellseher. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2221 noch existiert, ist doch arg gering. Und da brauchts dann auch keine digitalen Stasi-Akten mehr. Kaum jemand wird dann noch wissen, was die Stasi war.

alter weisser Mann
10 Tage her

Warum wird im Artikel das Bundesarchiv mit den Stasi-Akten gleichgesetzt? Ist Ersteres nicht mehr als Zweite?

verblichene Rose
10 Tage her

Ich weiß gar nicht, was Sie wollen.
Die archivieren nicht, die nutzen und „verfeinern“ ihr eigenes Handeln mittels dieser Unterlagen.
Ist Ihnen das denn noch nicht aufgefallen?