Plagiatsvorwürfe: Kandidat Habeck wird nervös und macht auf „proaktive“ Verteidigung

Plagiatsjäger Stefan Weber wirft Robert Habeck vor, Quellenarbeit vorgetäuscht zu haben. Habeck weist die Anschuldigungen zurück, doch die Debatte ist entfacht. Gilt gleiches Recht für alle?

IMAGO / pictureteam

Am Montagmittag, 10. Februar, kurz vor der Aufzeichnung seines am Abend ausgestrahlten 45-Minuten-Interviews mit ARD und ZDF, ging der „grüne“ Kanzlerkandidat Robert Habeck an die Öffentlichkeit. Auf X erklärte er, er rechne damit, dass bald Plagiatsvorwürfe gegen ihn bekannt würden. Diese beträfen seine Dissertation, mit der er im Jahr 2000 promoviert wurde. Habeck, der damals 31 Jahre alt war, streitet die Vorwürfe ab und verweist auf Untersuchungen der Ombudsstelle der Universität Hamburg sowie eine Stellungnahme des Präsidenten der Leopoldina. Die Plagiatsvorwürfe beziehen sich auf Habecks Dissertation mit dem Titel „Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität.“

Was der Plagiatsjäger Weber moniert

Ebenfalls am 10. Februar veröffentlichte der Plagiatsjäger Stefan Weber (54) auf seinem Blog ein 188-seitiges Gutachten unter dem Titel „Plagiatsverdacht: Die systematisch verfehlte Quellenarbeit des Robert Habeck“. Weber attestiert Habecks Arbeit „Quellen-, Zitats- und Textplagiate“, „Falschzitate“ sowie „Schlampereien bei Quellenangaben“ – insgesamt „grobe wissenschaftliche Verfehlungen“. Weber schreibt, Habeck habe auf „geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat“. Webers Hauptvorwurf: „Die Quellenarbeit von Robert Habeck ist in Summe als verfehlt und unwissenschaftlich zu bezeichnen.“

Weber hält Habeck vor, dieser habe vorgetäuscht und so getan, als habe er Geistesgrößen im Original studiert, während er seine Quellen lediglich aus den Arbeiten anderer Wissenschaftler abgeschrieben habe. Habeck erwecke damit den „Anschein der Gelehrsamkeit“. Konkret: Habeck zitiere gut zwanzig Bücher berühmter Philosophen – je fünf von Kant, Hegel, Adorno und Heidegger. Wäre er ehrlich vorgegangen, dürften im Literaturverzeichnis seriöserweise lediglich vier Literaturquellen auftauchen, die Habeck tatsächlich verwendet hat. Habeck indes suggeriere „einen imposanten Bücherstapel von 24 Werken, die er nicht gelesen bzw. als Originalquellen konsultiert hat“. „Typisch grünes Blendwerk?“ So ist man geneigt zu fragen.

Der „Plagiatsjäger“, der Salzburger Kommunikationswissenschaftler und Privatdozent Dr. Stefan Weber, nimmt sich gerne Dissertationen und andere Arbeiten Prominenter vor. Insgesamt 13-mal war er erfolgreich, sodass den Betreffenden der „Dr.“-Titel aberkannt wurde. Weber hatte aber auch Flops. Im Fall des damaligen CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (2013) oder der Chefredakteurin der „Süddeutschen“ Alexandra Föderl-Schmid (2024) hatte er keinen Erfolg.

Habecks „proaktive“ Verteidigung

Gewiss will der Plagiatsjäger Weber Wirbel in den Wahlkampf bringen. Auffällig ist indes auch, dass bereits vor der Veröffentlichung der Weber’schen Plagiatsvorwürfe Habecks Verteidigungslinie aufgebaut wurde – in erster Linie von Habeck selbst auf X:

Auch „Süddeutsche“, „Welt“, „dpa“, FAZ und die ÖRR übernahmen schnell Habecks Verteidigungsstrategie.

Andreas Audretsch, Habecks Wahlkampfmanager, spricht in einer Stellungnahme von „Desinformationskampagnen“: „Wir wissen, dass Putins Russland oftmals Urheberin dieser gezielten Falschinformationen im Internet ist, die zuletzt wiederholt Robert Habeck, aber auch Friedrich Merz, diskreditieren und ihre Integrität untergraben sollten.“

Was ist die Stellungnahme der Universität Hamburg wert?

Die Universität Hamburg hat Habecks Verteidigungslinie unterdessen bestätigt. Schon im Januar 2025 sei Habeck auf die Ombudsstelle der Uni zugekommen. Das Ergebnis des Uni-Gutachtens lautete: „Kein wissenschaftliches Fehlverhalten.“ Allerdings habe man Habeck die Überarbeitung „einzelner Zitate und Fußnoten“ empfohlen. Ein zweites Gutachten, das neue Vorwürfe prüft, sei noch in Bearbeitung. Das heißt, im Gegensatz zu Habecks Entlastungsgegenattacke konnte Webers am 10. Februar detailliert aufgelistete Kritik noch gar nicht Gegenstand der Überprüfung der Universität Hamburg gewesen sein.

Hat die Verteidigung Habecks durch Leopoldina-Mann Haug Gewicht?

Habeck schrieb auf X unter anderem: „Ich habe auch den Präsident (sic!) der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, um eine Einschätzung gebeten. Auch er hat keine Zweifel an der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit …“ Rückendeckung bekommt Habeck also von Prof. Gerald Haug. Haug, selbst Paläoklimatologe, ist Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Habeck hatte sich an ihn mit der Bitte um eine Einschätzung gewandt.

Was das Wort eines Forschers wert ist, der sich mit dem Weltklima vor Tausenden oder gar Millionen Jahren, aber nicht mit Literatur befasst, kann man durchaus fragen. Auf alle Fälle steht Haug den Grünen nahe, wie sein allerdings fünf Jahre zurückliegender Auftritt als Gastreferent bei einem grünen Sommerfest belegt.

Parallelen zur Causa Baerbock 2021

Für die Grünen ist Stefan Weber jedenfalls ein rotes Tuch. Weber hatte kurz vor der Bundestagswahl vom 26. September 2021 die damalige „grüne“ Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bzw. deren Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ unter die Lupe genommen. Weber beanstandete, Baerbock habe mindestens 100-mal ganze Passagen aus anderen Texten wortgleich oder fast wortgleich übernommen – ohne Kennzeichnung. Das Buch wurde später aus dem Handel genommen. Auffällige Textübereinstimmungen gab es in Baerbocks Buch auch mit Habecks 384-seitigem Buch vom Januar 2021 mit dem Titel: „Von hier an anders. Eine politische Skizze.“

Die Grünen landeten am 26. September 2021 übrigens bei 14,7 Prozent, nachdem sie noch im Mai 2021 von fast allen Instituten auf bis zu 25 Prozent taxiert worden waren. Klar, dass Kandidat Habeck diesen damaligen Absturz aktuell im Hinterkopf hat.

Unter den hundert plagiierten Passagen fanden sich übrigens 17 Plagiatsfragmente aus Armin Laschets Buch „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“ (September 2009). Zu diesem Zeitpunkt, und zwar seit 2005, war Laschet in NRW „Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration“. Beim Abfassen des Buches war Laschet von Mitarbeitern seines Ministeriums unterstützt worden. Das Buchhonorar spendete Laschet dann an einen Jugendhilfe-Verein, er setzte die Spende jedoch privat steuerlich ab, ohne das Honorar als Einnahme anzugeben. Die ausstehenden Steuern wurden nachgezahlt.

Parallelen zu Guttenberg 2011 und Schavan 2013

Im Jahr 2011 wurde dem damaligen Bundesminister der Verteidigung Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nachgewiesen, dass er in seiner Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag“ aus dem Jahr 2007 intensiv plagiiert hatte. Die Universität Bayreuth entzog ihm daraufhin den „Dr.“-Titel. Im März 2011 trat zu Guttenberg als Bundesminister zurück.

Im Jahr 2013 entzog die Universität Düsseldorf der damaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den „Dr.“-Titel. Es ging um ihre Dissertation „Person und Gewissen“ aus dem Jahr 1980. Schavan trat unmittelbar nach der Uni-Entscheidung als Bundesministerin zurück. Die Entscheidung wurde 2014 vom Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigt.

Das Gericht stellte damals fest: „Maßgeblich ist insoweit ausschließlich, ob und inwieweit die der Sekundärliteratur entnommenen Paraphrasen, die sich zu den Primärquellen verhalten, als solche kenntlich gemacht worden sind. Fehlt es, wie hier, an einer solchen Kenntlichmachung und bezieht sich die Klägerin auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung sie letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, täuscht sie.“

Die Frage bleibt: Gilt gleiches Recht für alle?

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Kommentare ( 81 )

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81 Comments
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andreas
1 Monat her

Ein sehens – und hörenswertes Gespräch mit Stefan Weber findet sich dazu im Deutschland Kurier: „Der Plagiatsjäger im Live-Gespräch“

Harry Hirsch
1 Monat her

Ich muss nur auf Mimik und Gestik schauen bzw. der brüchigen Stimme zuhören und merke genau, dass ihm der Hintern mächtig auf Grundeis geht. Er wirkt auf mich nicht wie jemand, der sich seiner Sache sicher ist und ein reines Gewissen hat.

Gert Friederichs
1 Monat her

Doktorarbeit: „Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität.“
Kann mir jemand diesen schwülstigen Wortsalat ins Normaldeutsche übersetzen? Danke im voraus!

verblichene Rose
1 Monat her
Antworten an  Gert Friederichs

Die Natur der Literatur ist das Eigentliche, wonach man eigentlich einen Punkt hätte setzen könnte. Die Gattungstheorie beschreibt demnach grob gesagt, um welche Art Literatur es sich handelt. Und das kann man sogar begründen, wenn man einen Krimi von einem Porno unterscheiden kann, bzw. überhaupt möchte, was also Herr Habeck zunächst ganz offensichtlich vor hatte. Dass man aber dabei auch noch die Ästhetik mit ins Spiel bringen möchte ist allerdings m.E. eine Art Doppelung der Begründung, unter welchem Genre die jeweilige Literatur ein zu ordnen ist. Oder anders ausgedrückt: Herr Habeck hat sich ganz bestimmt kringelig gelacht, als ihm dieser… Mehr

BellaCiao
1 Monat her
Antworten an  Gert Friederichs

Er hätte im Titel seiner Arbeit auch einfach schreiben können:
„Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetik.“
https://tinyurl.com/bdza7mfm

Aber dann hätte es ja jeder verstanden.

puke_on_IM-ERIKA
1 Monat her
Antworten an  Gert Friederichs

Wenn man eigentlich nix zu sagen hat, aber einen auf schwer gebildet gegenüber der pseudogebildeten Blabla-Bubble machen will, dann rotzt man sich so ein Thema raus.
Und alle Volontärinnen kommen willig aus dem verklärten -oder besser verstrahlten- Miosga-Girlie-Getue gar nicht mehr raus.

Martin Buhr
1 Monat her

Definierte man den Grad der Dummheit ueber das Verhaeltnis offener Fragen zu gefundenen Antworten und beruecksichtigt dabei die Tatsache , dass jede neue Antwort einen exponentiell wachsenden Wust weiterer offener Fragen nach sich zieht , kommt man zu dem Schluss , dass die Mehrung des Wissens mit dem relativen Anwachsen der Dummheit einhergeht . Das sollte jedem genuegen , sein Wissen unter dem Lichte angemessener Demut und Zurueckhaltung zu betrachten . Wer allen Ernstes glaubt , dem ultimativen Wissen auf der Spur zu sein und die rudimentaeren Reste auf dem Weg zum Endziel fuer immanent-transzendent zu halten , sollte sich… Mehr

Nix fuer ungut
1 Monat her

Dr. ist kein Titel sondern ein akademischer Grad. Doktor ist deshalb auch kein Namensbestandteil, anders als der Titel Professor.

Sterling Heights
1 Monat her
Antworten an  Nix fuer ungut

Professor ist auch kein Namensbestandteil und wird nicht im Gegensatz zum Doktor in amtliche Papiere eingetragen, wenn der Inhaber es wünscht. Im Person inzwischen auf der Rückseite. ?

Ludwig von Gerlach
1 Monat her

Ave plagiator, morituri te salutant. Die Deutschen sind durch das verderbliche Wirken dieses „Literaturwissenschaftlers“ in einer auswegloseren Lage als weiland römische Gladiatoren. Für sie hebt niemand mehr den Daumen, wenn das Licht ausgeht.

Ho.mann
1 Monat her

Plagiatsvorwürfe gegen Habeck spielen doch keine Rolle. Eine proaktive Verhinderung grüner Ideologie ist schlicht nicht möglich. Der schwarzrotgrüne Abzockverband stellt schon jetzt die Weichen in die Richtung, die ungeachtet der bevorstehenden Wahl auch in der aktiven Verarschung und Ausbeutung nicht nur ihrer eigenen Wählerschaft mündet.

November Man
1 Monat her

Das werden sich die Linksextremisten im Land nicht gefallen lassen. Die Doktorarbeit eines ihrer Führer mit Plagiatsvorwürfen in Frage zu stellen muss Folgen haben. So ist zu lesen, dass der linksextreme Tiefe Staat und Geheimdienste demnächst eine von langer Hand geplante, bislang streng geheime Aktion kurz vor den Wahlen gegen die AfD planen und veröffentlichen wollen. Es soll sich um eine angebliche Zusammenarbeit der AfD mit einer suggerierten Terrorgruppe gehen. Correktiv werden sie aus guten Gründen das nicht veröffentlichen lassen. Denn deren schmutzigen Lügen sind schon beim letzten Komplott komplett aufgeflogen. Mal sehen was kommt. Es wird aber Eilmeldungen und… Mehr

verblichene Rose
1 Monat her
Antworten an  November Man

Ich sehe schon die Schlagzeilen vor meinem inneren Auge:
„Die AfD erdreistet sich als erste Partei, Politik für das Volk zu machen!“
Untertitel:
„Eine Schande für u n s e r e Demokratie!“

sunnyliese
1 Monat her

Schon die Formulierung „Die Natur der Literatur“ im Titel erweckt den Eindruck, dass Habeck nicht ernsthaft Philosophie studiert haben kann, denn mit der Frage nach der Natur, dem Wesen oder dem Eigentlichen von einem Etwas unterstellt er einen Essentialismus, der meint, den wahren Gehalt dieser Begriffe vom platonisachen Ideenhimmel abzapfen zu können, eine Vorstellung längst überwundener Metaphysik. Aber diese Selbsteinschätzung einer exklusiven Zugangsmöglichkeit zur absoluten Wahrheit („…meine Antworten reichen näher an die Wirklichkeit ran als die Antworten anderer…“) prägt ihn durch und durch, und deshalb ist dieser Mann gefährlich. Es ist das Fundament eines narzisstisch-diktatorischen Politikstils.

schwarzseher
1 Monat her

Könnte TE einmal den Titel von Habecks “ Promotion “ nennen und kann man die “ Promotion “ irgendwo nachlesen?

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  schwarzseher

Hier finden Sie alle Angaben, die Sie suchen: https://plagiatsgutachten.com/blog/quellenplagiator-robert-habeck/
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