Krankenkassen vor dem Kollaps: Wie die Politik Deutschlands Gesundheitswesen vor die Wand fährt

Ein beispielloser Skandal und politischer Diebstahl an den Beitragszahlern: Krankenkassen stehen vor dem Kollaps, doch die Regierung wälzt weiter ausufernde Milliardenkosten für Bürgergeldempfänger auf sie ab. Statt Reformen gibt es nur Defizite – und immer höhere Beiträge für die Versicherten.

IMAGO / Zoonar

Während die Bundesregierung die Gesundheitskrise verschleppt, gerät das deutsche Krankenkassensystem immer weiter ins Wanken. Trotz rapide steigender Zusatzbeiträge wächst das Finanzloch rasant – ohne Aussicht auf eine nachhaltige Lösung. „Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wird immer größer, doch die Politik tut nichts“, warnt Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), gegenüber Focus. Die finanziellen Belastungen für Versicherte und Arbeitgeber nehmen weiter zu, ein Ende der Beitragserhöhungen sei nicht in Sicht.

Milliardendefizit und schrumpfende Rücklagen – ein System am Limit

Krankenkassen in Zahlen
Warum die Beiträge steigen, steigen und noch schneller steigen
Die aktuellen Zahlen zeichnen ein düsteres Bild: Laut Politico hat das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen 2024 bereits die Sechs-Milliarden-Euro-Marke überschritten – ein weit schlimmeres Szenario als ursprünglich prognostiziert. Besonders betroffen sind die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK) mit einem Minus von 2,5 Milliarden Euro, gefolgt von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 1,5 Milliarden Euro. Auch die Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen sind mit Schulden in Milliardenhöhe belastet.

DAK-Vorstand Andreas Storm spricht von einer dramatischen Verschlechterung: „Die Lage hat sich von schlecht zu katastrophal entwickelt. Unsere Reserven sind nahezu aufgebraucht, wir stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.“ Sollte sich die finanzielle Schieflage weiter zuspitzen, droht laut Storm eine Kettenreaktion, die das gesamte System destabilisieren könnte. Die Regierung müsse sofort handeln, um eine Pleitewelle unter den Krankenkassen zu verhindern.

Karl Lauterbachs Bilanz
Kosten für Bewohner von Pflegeheimen durchbrechen Schallmauern
Einer der größten Kostenfaktoren liegt in den versicherungsfremden Leistungen, die den Krankenkassen aufgezwungen werden. Besonders gravierend ist die Finanzierung der Gesundheitskosten für Bürgergeld-Empfänger. Laut TK-Chef Baas tragen die Kassen jährlich neun Milliarden Euro für diese Gruppe – obwohl die tatsächlichen Kosten staatlich gedeckt werden müssten. „Für jeden Bürgergeld-Bezieher überweist der Staat gerade einmal 100 Euro an die Krankenkassen, während die Gesundheitskosten mehr als 300 Euro betragen. Die Differenz zahlen unsere Mitglieder und Unternehmen“, kritisiert Baas. Privatversicherte bleiben davon verschont.

Doch damit nicht genug: Auch die Krankenhausreform belastet die gesetzlich Versicherten massiv. Insgesamt 25 Milliarden Euro müssen über die Krankenkassen finanziert werden – eine Rechnung, die eigentlich der Staat begleichen müsste. Während sich die Politik um strukturelle Reformen drückt, werden die Beitragszahler zum Hauptfinanzier des Gesundheitssystems gemacht.

Finanzkrise im Gesundheitswesen – droht eine Pleitewelle wie 2008?

Die Situation erinnere an die Bankenkrise von 2008: Sollte ein halbes Dutzend Krankenkassen mit zusammen über einer Million Versicherten in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, könnte das die gesamte Branche in den Abgrund reißen. Noch nie waren die finanziellen Rücklagen der Krankenkassen so niedrig wie heute, betont Storm. Aktuell reichen die Reserven gerade einmal für zweieinhalb Tage – eine erschreckende Zahl. Die Folge: Weitere Beitragserhöhungen im laufenden Jahr sind unausweichlich.

Kosten explodieren
Rot-Grün verliert die Kontrolle über das Bürgergeld
Besonders prekär ist die Lage bei den Pflegekassen. Laut internen Berechnungen der DAK-Gesundheit beläuft sich das Defizit in diesem Bereich im Jahr 2024 auf mindestens 1,54 Milliarden Euro – selbst die kürzlich beschlossene Beitragserhöhung wird das Loch nicht stopfen. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve wird voraussichtlich erneut unterschritten.

Schon im März könnten erste Pflegekassen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. „Es ist fraglich, ob die verbliebenen Mittel aus dem Ausgleichsfonds ausreichen, um die drohenden Engpässe zu überbrücken“, warnt Storm. Bleibt die Politik weiter untätig, könnten Pflegeleistungen bald eingeschränkt oder verzögert ausgezahlt werden.

Die Lage ist ernst – doch statt entschlossen zu handeln, verzögert die Regierung dringend notwendige Reformen und überlässt es den Versicherten, die Rechnung für das kriselnde System zu zahlen. Ein nachhaltiges Konzept zur finanziellen Stabilisierung der Krankenkassen? Fehlanzeige. Während die Beiträge steigen, bleibt die politische Antwort aus – und mit ihr die Verantwortung für ein System, das immer näher am Abgrund steht.

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Kommentare ( 87 )

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FionaMUC
27 Tage her

Entmüdigung, Enteignung, Kassenbeiträge! Die Kosten sind überall exlodiert, GKV und auch PKV. Die Kriterien sind falsch. Ich bin – über 60 – PKV versichert und soll nun ca. 10.000 pro Jahr an „Beiträgen“ bezahlen. Das ist existenzgefährdend. Ich kann auch nicht kündigen, wie man das normalerweise tut als Marktteilnehmer. Denn die anderen Kassen agieren gleich. Und es gibt VERSICHERUNGSPFLICHT, durchgesetzt von den Lobbyisten 2009. Alles zentral gesteuert. Auch die Höchstbeiträge in der GKV für Selbständige sind so brutal hoch. Zudem: Ich werde altersdiskriminiert, muss das zahlen, obwohl ich so gut wie keine Kosten verursache, weil ich mich um einen gesunden… Mehr

Michael Palusch
25 Tage her
Antworten an  FionaMUC

„Und mein Vermögen in die sogenannte Solidargemeinschaft reinhauen?“
Wenn Sie privat versichert sind „hauen“ Sie Ihr Vermögen nicht in die „sogenannte Solidargemeinschaft“ rein, sondern sichern Ihr persönliches Risiko gemäß Ihrer Altersgruppe ab. Während die Pflichtversicherten der GKV, der „sogenannten Solidargemeinschaft“, die Kosten für jeden Hereingeschneiten übernehmen müssen, bleibt dies Belastung Ihnen, als PKV-Versicherten, erspart.

preacherman
27 Tage her

Die Lösung ist so einfach wie politisch nicht gewollt.
Schliessung aller Ersatzkassen und Einsparung der entsprechenden Verwaltungskosten (die Rentenversicherung lässt sich ja auch zentral abwickeln).
Leistungen bekommt nur der, der auch eingezahlt hat und es sollten alle einzahlen.
Eine vernünftige Abdeckung aller notwendigen Leistungen.
Zusatzleistungen und nur Zusatzleistungen durch private Zusatzversicherung aber ohne Bevorzugung bei Arzt oder Facharzt.
Versicherungsfremde Leistungen streichen.

Als letztes dann noch dringende Gespräche mit der Pharmaindustrie.

Das alles liesse sich innerhalb einer Legislaturperiode umsetzen mit einer CDU-AFD – Mehrheit im Parlament.

Rolling_Stone
27 Tage her

Es verletzt den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, wenn Leistungen auf die Zwangsbeitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen abgewälzt werden, die aus Steuergeld zu finanzieren sind. Beamte, Selbständige und andere Privatversicherte werden nicht an den Gesundheitskosten der Bürgerversicherten und Migranten beteiligt. Das ist doch ein Fall für eine Verfassungsklage, oder?

Michael M.
27 Tage her
Antworten an  Rolling_Stone

Die genannten Personengruppen die sich lt. ihrer Meinung nicht an den Gesundheitskosten beteiligen sind allesamt Steuerzahler, (und insbesondere bei PKV versicherten Angestellten in der Regel im Spitzensteuersatz !) und somit liegen Sie leider falsch.
Dass der Steuerzuschuss zur GKV für Bürgergeldempfänger und Asylbewerber etc. deutlich zu niedrig ist stimmt selbstverständlich, aber das ist eine Thematik die seitens einer Bundesregierung zu lösen ist und für die die genannten/kritisierten Personengruppen absolut gar nichts können.

Last edited 27 Tage her by Michael M.
Michael Palusch
27 Tage her

„…tragen die Kassen jährlich neun Milliarden Euro für diese Gruppe“
Über den dicken Daumen gepeilt, dürften das so um die ~3.500.000 Leistungsbezieher sei. Hinzu kommen noch diejenigen, die Asylbewerberleistungen beziehen und über die GKV versichert sind.
Die Gesamtzahl von 4.500.000 Nutznießern ohne eigenen Beitrag (mitversicherte Familienangehörige sind hier ausgenommen), dürfte nicht zu hoch gegriffen sein.

Apfelmann
1 Monat her

Die Leistungen der Kassen müssen radikal beschnitten werden. Nur so wird das was. Ähnlich wie in den USA wird dann jeder selbst seine Rechnungen bezahlen. Es gibt nur noch minimale Zuschüsse.

Michael Palusch
27 Tage her
Antworten an  Apfelmann

Nicht die Leistungen der Kassen müssen beschnitten werden, sondern die Anzahl derjenigen, die den zahlenden Versicherten auf der Tasche liegen.

rbayer
27 Tage her
Antworten an  Apfelmann

ach ja? wenn jeder selbst seine rechnungen bezahlt und es nur noch „minimale zuschüsse“ gibt, warum dann überhaupt noch eine gesetzliche verpflichtende kassenmitgliedschaft?
merken sie was? hier geht es um das schleifen eines systems, damit anschließend großkonzerne übernehmen.

Kuno.2
1 Monat her

Ich selbst bin nunmehr als Rentner privat krankenversichert und meine Frau gesetzlich. Deshalb weiß ich, dass die Preise der gesetzlichen KV extrem billig sind. Diese zahlt 70 Euro- nicht pro Tag sondern pro Monat!
Bei mir geht die Rente fast vollständig auf die KV auf- 1.140,00 Euro monatlich. Die gesetzliche KV könnte gut und gern 20 Euro monatlich aufschlagen und wäre immer noch eine KV fast zum Nulltarif!

Rosalinde
27 Tage her
Antworten an  Kuno.2

Das stimmt, wenn man sich hier ganz auf die Tarife der Rentner bezieht. Ich bin berufstätig und bezahle monatlich 380,00 für die GKV und mein Arbeitgeber nochmal denselben Betrag. Die PKV interessiert sich nicht für das Einkommen der Versicherten, sondern lediglich für deren Lebensalter.

Michael Palusch
27 Tage her
Antworten an  Kuno.2

70€ sind nur der hälftige Eigenanteil, weitere 70€ überweist die Rentenversicherung. Zudem liegt die Rente in diesen Fall auch nur um die 1.000€. Das Sie jetzt 1.140€ KV-Beitrag hat ja damit zu tun, dass Sie in jungen Jahren wesentlich weniger für Ihre Versicherung bezahlt haben, als ein freiwillig gesetzlich Versicherter vergleichbaren Einkommens (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) hätte zahlen müssen.

Kuno.2
27 Tage her
Antworten an  Michael Palusch

Nicht ganz. Meine 1.140,00 ergeben sich aus dem von mir gewählten Tarif. Der Standardtarif, den jeder Rentner meines Alters und meiner Versicherung zu zahlen hat, beträgt nur knapp 900 Euro.

Abraxas1609
1 Monat her

Ich finde es wichtig, in diesem Zusammenhang die Namen der Parteien zu nennen, die seit 2015 diese Verschlechterung zugelassen haben: CDU und SPD. Die verantwortlichen Kanzler waren Merkel und Scholz, CDU und SPD.
Sie haben die Bürger mit dieser Regelung betrogen und bestohlen. Was im Augenblick passiert, ist Insolvenzverschleppung. Ein Riesen-Skandal!

Last edited 1 Monat her by Abraxas1609
Simplex
1 Monat her

„Laut TK-Chef Baas tragen die Kassen jährlich neun Milliarden Euro für diese Gruppe – obwohl die tatsächlichen Kosten staatlich gedeckt werden müssten. „Für jeden Bürgergeld-Bezieher überweist der Staat gerade einmal 100 Euro an die Krankenkassen, während die Gesundheitskosten mehr als 300 Euro betragen. Die Differenz zahlen unsere Mitglieder und Unternehmen“, kritisiert Baas. Privatversicherte bleiben davon verschont.“ Mit anderen Worten, die Beitragszahler werden knallhart betrogen und die Bundesregierung belügt sie. Dass die Beiträge für die Krankenhausreform eingesetzt werden, dass die Länder jahrelang nicht wie erforderlich in die Instandetzung und Modernisierung der Krankenhäuser investiert haben, gehört auch mal laut gesagt. Das liest… Mehr

Last edited 1 Monat her by Simplex
RMPetersen
1 Monat her

Mir scheint, daß die Krise der Gesetzlichen von der SPD mit voller Absicht geschaffen wurde, um unter dem Druck der Zahlungsunfähigkeit die Beitrags-Bemessungsgrenze abzuschaffen und die Privat Versicherten letztlich in die Gesetzlichen zu zwingen.
Von der absehbaren RotGrünRot-Regierung dürfte das durchgezogen werden.

drnikon
1 Monat her

Vielleicht hat der Wahnsinn doch Methode und es geht darum die gesamte staatliche FürsorgeInstitutionen komplett zu ruinieren, dann billigst an Hedgefonds zu verscherbeln, um dann richtig Kohle zu machen. Warum baggert Genosse Lauterbach sei über 20 Jahre auf diese Entwicklung hin? Zufall? LOL. Das zu viel gedruckte Geld sucht verzweifelt Anlagen, um es sich von den kleinen Leuten mit Wert unterfüttern zu lassen. Geldsozialimus. Oder der hier: die USA drucken wie bekloppt Dollar und lassen sich den von anderen Ländern werthaltiger unterfüttern, um damit den MIC zu ernähren und ihre Militär und CIA-Basen für die Demokratisierung zu unterhalten. Krisen, Krieg,… Mehr

Biskaborn
1 Monat her
Antworten an  drnikon

Na ja, das mit den USA ist natürlich Unfug, die interessieren sich längst nicht mehr für Deutschland, im Gegenteil! Außerdem hat unser kaputtes Gesundheitssystem nichts mit „ den Reichen werden immer Reicher“, zu tun!

Timur Andre
27 Tage her
Antworten an  drnikon

Wall St und City of London haben das Geldsystem in der Hand. Die katastrophale Infrastruktur in D ist aber hausgemacht, auch wenn die Verantwortlichen anderswo die Ideen erhalten. Die Finanzunternehmen ob Hedge oder Privat Equity oder Vermögensverwalter, haben alle Zugang zu viel und billigem Geld, das erst mit einer Investition wirklich Wert erhält. Das hat der Deutsche bis heute nicht verstanden, und lässt sich vor den Karren spannen.