Friedrich Merz will sich die Grünen mit 50 Milliarden Euro Steuergeld kaufen

Den Antrag von Union und SPD, die Schuldenbremse für eine Billion Euro neuer Schulden auszuhebeln, hat im Bundestag zurzeit nicht die notwendige Mehrheit. So sieht es nach der ersten Lesung aus. Nun hat Friedrich Merz viereinhalb Tage Zeit, sich die Grünen zu kaufen. Sein erstes Angebot: 50 Milliarden Euro Steuergeld für den Klimaschutz.

IMAGO / Future Image

Im Bundestag haben sich die Grünen gegen ein Aufweichen der Schuldenbremse ausgesprochen. Damit hätte diese geplante Änderung der Verfassung nicht die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. Die Grünen attackieren den mutmaßlich nächsten Kanzler Friedrich Merz (CDU) scharf, werfen ihm Wortbruch, stilloses Verhalten und fehlende Zuverlässigkeit vor. Doch entscheidend ist die Abstimmung in zweiter und dritter Lesung. Diese ist für den nächsten Dienstag geplant. Bis dahin will sich Merz die Grünen kaufen. Sein erstes Angebot: 50 Milliarden Euro Steuergeld für den Klimaschutz.

Das wird nicht reichen, sagen die Grünen. Merz fehle die Zustimmung ihrer Partei, sagt Britta Haßelmann. Eine der beiden grünen Fraktionsvorsitzenden: „Das ist durch den heutigen Tag nicht besser geworden.“ Zuerst habe Merz ihr Angebote auf die Mailbox gesprochen, nun überrumpele er sie im Plenum des Bundestags mit dem nächsten Vorschlag: eben die 50 Milliarden Euro, die der mögliche nächste Kanzler in die „Sondervermögen“ genannte Neuverschuldung von rund 500 Milliarden Euro aufnehmen will. Sie sollen in den Klima- und Transformationsfonds fließen, den bisher der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwaltet. Sein Vorgehen sei respektlos und zeige die Überforderung, die Merz nach der Wahl mit den Aufgaben eines Kanzlers zeige.

In diesem Punkt ist sich Haßelmann mit Alice Weidel einig. Um Merz zu schmähen, vollzieht deren Fraktionsvorsitzende eine Zeitenwende innerhalb der AfD: Sie gibt der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) recht. Die habe gewusst, dass Merz als Kanzler verhindert werden müsste. Weidel empfiehlt Merz, dieses Amt aufzugeben: „Sie können es nicht.“ Mit dem von ihm verantworteten Aufweichen der Schuldenbremse würde die deutsche Staatsverschuldung auf 85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Das würde die deutsche Kreditwürdigkeit gefährden und in der Folge zu höheren Preisen, Mieten und Hypothekenzinsen führen. Das alles für ein „woke-linkes Ideal“. Versprochen habe Merz das Gegenteil. Damit habe er „Wahlbetrug“ begangen. Hinzu käme ein „Angriff auf die Demokratie“, weil der CDU-Spitzenkandidat die neuen Schulden mit dem alten Bundestag durchpeitschen will.

Die Kritik Weidels ähnelt inhaltlich nicht nur der von Haßelmann, sondern auch der von Christian Lindner. Der FDP-Chef darf noch im Bundestag reden, eben weil Merz keine Woche auf die neue Zusammensetzung warten will. Dank der die AfD mehr als doppelt so stark sein wird wie bisher. Wie Weidel kritisiert auch Lindner den Wortbruch des möglichen neuen Kanzlers: „Die Menschen haben Merz gewählt und Esken bekommen.“ Auch wirft Lindner wie Weidel Merz eine linke Politik vor, mit der er die „fiskalische Resilienz“ gefährde, also die Solidität deutscher Finanzen. Diesen Schritt verteidige Merz damit, die neuen Schulden würden die deutsche Verteidigungsfähigkeit garantieren. Doch zu dieser Fähigkeit gehörten eben auch solide Finanzen, erklärt Lindner.

Haben AfD und FDP recht, wenn sie Merz linke Wirtschaftspolitik vorwerfen? Er selbst sagt, es gehe bei dem rund eine Billion Euro schweren Schuldenpaket nicht nur darum, die Verteidigungsfähigkeit zu erhalten – oder zu erreichen. Es ginge auch darum, die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Investitionen von rund 500 Milliarden Euro allein durch das „Sondervermögen“ sollen das bewirken: Staatsverschuldung, Staatsinvestitionen und in der Folge erhöhte Steuern, um Zinsen und Schulden zu bezahlen. Damit verabschiedet sich der CDU-Chef nicht nur von der Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards. Sondern auch von der Realität:

Rund 500 Milliarden Euro Schulden hat die Ampel in den jüngsten drei Jahren aufgenommen, um sie aus diversen Paketen wie dem „Doppelwumms“ oder den „Entlastungspaketen“ wieder auszuschütten. Das hat die deutsche Wirtschaft 2023 nicht zum Laufen gebracht – sondern zum Schrumpfen. Genauso wie 2024. Für das laufende Jahr rechnen die Handelskammern mit einem weiteren Schrumpfen von 0,5 Prozent. Diese Politik will Merz fortsetzen und beschleunigen. Weidel nennt das eine „Kapitulationsurkunde vor grün-sozialistischen Begehrlichkeiten“. Lindner fragt: „Wer sind Sie und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“ Auch die Linken verhöhnen Merz. Der habe schon keinen Wendehals mehr, sondern allmählich einen gedrechselten Hals, sagt Christian Görke.

Wie geht es weiter? Das Angebot von 50 Milliarden Euro haben die Grünen so öffentlich ausgeschlagen, wie Merz es gemacht hat. Er muss bis Dienstag nachlegen. Mehr Geld dürfte ihm am wenigsten schwerfallen. Wer schon eine Billion Euro Schulden macht, für den haben weitere 50 oder 150 Milliarden Euro zusätzliches Steuergeld auch keinen Wert mehr. Doch das wird immer noch nicht reichen, wie Katharina Dröge, die andere Fraktionsvorsitzende der Grünen andeutet: „Sie machen Klimaschutz zum Privatproblem der Grünen.“ Was bedeutet, dass sich die Öko-Partei nicht allein auf das Öko-Thema festlegen lassen will.

Einen Punkt, den die Grünen fordern, macht Haßelmann öffentlich: Nicht sie sollen dem Antrag von Union und SPD zustimmen. Sondern die „große Koalition“ soll mit dem Antrag der Grünen gehen. In dem ist kein Schuldenpaket für Investitionen in die „Infrastruktur“ vorgesehen. Dafür wären alle Ausgaben für die Verteidigung erlaubt, die 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten. Die Verteidigung würde danach aber so neu definiert, dass alles Mögliche darunterfalle. Sogar staatliches Geld für „Nichtregierungsorganisationen“.

Ein anderer Punkt ist ebenfalls noch möglich, den die Grünen allerdings nicht offen benennen. Auch sie wollen eine Woche vor dem Antritt des neuen Bundestages noch ein Lieblingsprojekt durch den alten Bundestag peitschen: die Erleichterung von Abtreibungen. Bisher stellt sich die Union dagegen. Die Grünen könnten es nun zur Bedingung für das Aufweichen der Schuldenbremse machen. Stimmt die CDU den erleichterten Abtreibungen zu, wäre das ein Bruch mit all ihren Traditionen. Es wäre ein unseriöser Kuhhandel. Ein würdeloser Kniefall vor grün-linker Politik. Mit anderen Worten all das, wofür Friedrich Merz steht.

Doch selbst wenn Merz sich die Stimmen der Grünen für den Dienstag erkauft, sind seine Probleme noch nicht gelöst. Nach der Sitzung des Bundestages begannen SPD und Union mit den eigentlichen Koalitionsverhandlungen. Ohne das Schuldengeld aus dem „Sondervermögen“ würde Sozial- und Christdemokraten das einzige Werkzeug genommen, auf das sie sich einigen können – nämlich der Versuch, alle Probleme mit Geld zuschütten zu wollen. Angesichts von Themen wie Begrenzung der illegalen Einwanderung, Abschaffung des Bürgergelds oder politische Festlegung des Mindestlohns und damit Eingriff in die Tarifautonomie sind diese Verhandlungen auch so schon kompliziert genug.

Selbst wenn das noch klappt, droht Merz weiterer Ärger. AfD und Linke klagen gegen das Vorgehen der „großen Koalition“, die massive Neuverschuldung durch das abgewählte Parlament peitschen zu wollen. Unter dem Vorwand, dass etwa der miserable Zustand von Straßen und Brücken nicht vorhersehbar gewesen und daher jetzt dringlich sei. Das Bündnis Sahra Wagenknecht klagt gar auf eine neue Auszählung der Wahl, weil es im Zusammenhang mit der Partei (wieder einmal) zu Unstimmigkeiten in der Auszählung gekommen ist. Da wartet also weiterer Zündstoff auf die Pläne von Friedrich Merz, der zehnte Kanzler der Bundesrepublik zu werden. Genauso explosiv sind die vielen Ungeschicklichkeiten des Sauerländers. Eine Entscheidung fällt spätestens am Dienstag, weitere stehen weiter offen. Danach braucht der Antrag auch noch eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen in der Länderkammer Bundesrat.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 68 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

68 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Nibelung
5 Tage her

Es ist noch weit schlimmer gekommen, denn nun sind es hundert Milliarden extra für die grünen Extremisten und soeben haben sie des Bürgers Balg verteilt und nun beginnt das große Fressen, was dem Verhalten nach „Tüpfelhyänen“ gleicht, die sich Politiker nennen und der Merkel`schen Einheitsfront gegen die Vernunft angehören. Zu allem Übel haben sie es auch noch mit der dümmlichsten Aussage begründet, daß sie erst vor kurzem den wahren Sachverhalt der Haushaltslage kannten und wer seine eigenen Geschäftsbücher nicht lesen und richtig interpretieren kann ist ehedem untauglich dieses Land zu führen, weil es allesamt Schwachmaten sind und nichts hinter den… Mehr

Nibelung
5 Tage her

Eins zwei, drei, wer hat denn Ball und kaum sind die Roten und Grünen abgewählt sitzen sie schon wieder mit im Boot nach alter Merkel-Tradition und der Merz muß die teuersten Klimmzüge machen um an seine Kanzlerschaft zu kommen und den Bürger wird es freuen, weil er keine Ahnung hat und dumm genug war solche elenden Typen überhaupt zu wählen. Das ist der Deal nach Schwarzen-Art und besser wäre es gewesen, man hätte sie nicht gewählt, denn damit hätte man so manches weitere Unglück verhindern können und nun sind wir wieder einmal Zahlmeister, anstelle eines Rittmeisters und beglücken ganz Europa,… Mehr

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
5 Tage her

Die Grünen haben nichts von einem Kanzler Merz. Jedenfalls nicht, solange sie keine Dienstwagenschlüssel in die Hand gedrückt bekommen, sprich solange sie nicht mit am Kabinettstisch sitzen dürfen. Ganz im Gegenteil ist es im größten Interesse der Grünen, der neuen Möchtegern-Koalition ihr Spielgeld zu verweigern. Denn allein dieses Spielgeld ist der Kitt, der SPD und Union zusammenhalten soll. Wenn aber hinten und vorn das Geld für die linken Träumereien fehlt, wird die harte Realität das Koalitions-Kartenhaus ganz schnell einbrechen lassen. Dann ist es vorbei mit Friedrich Merzens Kanzlerschaft (falls es überhaupt dazu kommt), und es wird wieder Neuwahlen geben. Dass… Mehr

Teiresias
5 Tage her

Ich glaube keine Sekunde, daß hier irgendwas saniert werden soll.
Es geht m.E. darum, über exzessive Verschuldung den Euro zu sprengen und so den Platz freizumachen für CBDCs, den für Oktober angekündigten Digitaleuro.
Die Herrschaft der Finanzindustrie wird für die EU vorangetrieben.

Last edited 5 Tage her by Teiresias
Kassandra
5 Tage her
Antworten an  Teiresias

Ja. Wie will man zudem einen Krieg weiter finanzieren, den die wirklich wichtigen gerade beenden?

Andreas Bitz
5 Tage her

Die vom Wähler abgestraften links-woken Grünen schlüpfen ins Rammelbett hinter der Brandmauer. Beim Kuscheln nach der Bundestags-Aufführung gehts um Klimaprofite und Pöstchen.

Egozentrik
5 Tage her

Merz wird nun nach und nach den Ausspruch des Neffen Caesars , Octavian, zu spüren bekommen: „Ich liebe den Verrat, hasse aber den Verräter!“ Sogar die Bündnis90-Grünen kennen wohl diesen Ausspruch und wissen ihn auf Merz zu deuten, wie sie es mehrfach auch deutlich machten. Merz steht nun allein da, da ihm niemand trauen kann, weder die Politiker der anderen Parteien, noch der eigenen Partei, noch die Wähler. (Ich frage mich: Hat ihn diese unmenschliche Charaktereigenschaft überhaupt erst für den Posten bei Black-Rock Deutschland prädestiniert?) Apropos Geschichte: Erneut wären die Iden des März den Ideen des Merz vorzuziehen!

Last edited 5 Tage her by Egozentrik
MfS-HN-182366
5 Tage her

Pardon, das IST Hochverrat.

MfS-HN-182366
5 Tage her

 Genauso explosiv sind die vielen Ungeschicklichkeiten des Sauerländers.“
Herr Thurnes, da haben Sie sich aber sehr freundlich ausgedrückt. Sind Sie ein Freund von Merzkel?
Ich meine, das sind keine Ungeschicklichkeiten, das ich Hochverrat!

El Gordo
6 Tage her

Die CDU ist die schlimmste Partei überhaupt. Die Linkswähler bekommen was sie möchten. Der CDU Wähler bekommt genau das Gegenteil von dem, was er bestellt hat.

Rob Roy
6 Tage her

Linke, Grüne und CDU wollen verhindern, dass die Bürger erkennen, dass Deutschland das Geld ausgeht. Trotz gewaltiger Einnahmen durch Steuern und Sozialabgaben hat dieser Staat durch Alimentierung der halben Welt und Sinnlos-Energiepolitik keinen Pfennig mehr übrig. Daher sollen um jeden Preis hunderte Milliarden Euro frisches Geld als Kredite aufgenommen werden. Dies wird gerechtferigt mit der Finanzierung von Kriegsanstrengungen und der Sanierung unserer Infrastruktur. Dies sind natürlich nur Ausreden. Vielleicht fließt hier und da was in „Projekte“, welcher Art auch immer. Doch das meiste wird für einfach nur für die laufenden Ausgaben verwendet werden. Man will die Wahrheit, dass wir im… Mehr