Bürgergeld-Reform: Was Merz gerne wollte, wird er mit der SPD nicht durchkriegen

Kanzler Merz will ans Bürgergeld ran, zumindest an die Wohnzuschüsse. Die Linke von SPD bis SED will lieber Mieten deckeln, als endlich einen Sogfaktor ins Bundes-Sozialsystem abschaffen, während die Bauindustrie unter den neuen Klima-Vorgaben ächzt. Es ist angerichtet.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Eigentlich würde Friedrich Merz ja gerne an die Wohnungskosten rangehen, die sich eben auch im Bürgergeld verstecken. Das hat er zumindest in seinem Sommerinterview in der ARD gesagt. Es geht dabei um hohe Mieten, die in urbanen Lagen heute zu zahlen sind – und eben auch vom Sozialamt oder der Bundesagentur für Arbeit gezahlt werden, beide im Ressort von Arbeitsministerin Bärbel Bas gelegen. Bas soll bald eine Reform des Bürgergelds entwerfen, die dann bis zum nächsten Jahr umgesetzt werden soll. Aber schon jetzt deuten sich Widerstände beim Koalitionspartner an. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt nennt Merz’ Vorstoß „wenig ausgegoren“.

In der Tat neigt der Kanzler zu solchen Parforceritten über die Heide mit angeschnalltem Rammbock – das Tor, das er einreißen will, muss irgendwo anders stehen. Die SPD-Vize meint, die CDU wollte das „Problem teuren Wohnraums durch mehr Obdachlosigkeit“ lösen. Geht es noch etwas unsachlicher? Stattdessen will Dagmar Schmidt eine Mietpreisbremse (die ja schon in mindestens einem Bundesland gescheitert ist) und „in bezahlbaren Wohnraum investieren“. Nur könnte das ja längst gemacht werden, wenn der Staat nicht durch die Berliner Mietpreisbremse die Profite der Investoren kappt. In der Tat stellen sich grundsätzliche Fragen, wenn man über die geistig-politische Fitness dieser Koalition und ihrer Mitglieder nachdenkt. Aber Leistungskürzungen, so Schmidt zu Merz, wird es mit der SPD angeblich nicht geben, nicht wo es ums Wohnen geht.

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Die Bezuschussung von vielen Millionen Bürgergeldbeziehern soll also weiterhin ungedeckelt bleiben. Die Linke rief schon schrill aus, diese Mieter würden dann ja aus den Großstädten hinausgedrängt. So ist es, wenn man sich eine Miete im schick gewordenen Kreuzberg nicht mehr leisten kann, auch jetzt schon – also für die normale arbeitende Bevölkerung. Auch Caren Lay, miet- und wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei (der früheren SED), will die Mieten deckeln. Erfolgsrezept Verstaatlichung, bleibt einem da nur auszurufen. Warum nicht gleich alle Immobilien in die gütige Staatshand? Auch das fordern ja – gerade in Berlin – immer mehr.

1,5 Milliarden Euro gibt der Staat in Deutschland für die Wohnungen der Bürgergeldbezieher aus. Das schreibt die AfD-Bundestagsfraktion in einer Pressemitteilung. Und das entspreche „einem Mietanteil von 38 Prozent am Bürgergeld“. Enorme Zahlen und großes Einsparungspotential auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist auch die Sogwirkung dieser Sozialleistung zu bedenken: Sie hält Personen in der bequemen Hängematte Bürgergeld, die dieser vielleicht doch entfliehen würden, wenn die Umstände etwas weniger gemütlich wären. Außerdem gilt die Sog- oder Magnetwirkung natürlich auch für Zuwanderer, die bald nach ihrer Einreise von denselben Vorteilen bei Erwerbslosigkeit profitieren wie die Einheimischen.

Trotz Sondervermögen: Bauindustrie wird von Klima-Vorgaben erstickt

Marc Bernhard, baupolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, erinnert daran, dass die Hälfte der Bürgergeldempfänger Migranten seien – 48 Prozent der „Hartzer“ sind inzwischen Ausländer. Aber als Migranten könnte man eine noch größere Gruppe ansprechen, und die liegt laut offiziellen Zahlen inzwischen bei fast zwei Dritteln, wenn nicht noch höher. Die von der Bundesregierung und nachgeordneten Behörden bereitgestellten Statistiken sind an dieser Stelle besonders löchrig und zum Teil widersprüchlich.

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Zum Bürgergeld-Streit zwischen Merz mit dem Koalitionspartner SPD erklärt Bernhard: „Die Merz-Ankündigung, beim Bürgergeld-Mietzuschuss ein paar Einsparungen vorzunehmen, wird umgehend von der SPD kassiert. Die Mietzuschüsse für Bürgergeldempfänger erreichen ein Rekordhoch, und diese schwarz-rote Regierung macht nichts, um dieses massive Ausgabenproblem anzugehen.“ Bürgergeldempfänger hätten „durch hohe Mietzuschüsse oftmals mehr Geld zum Leben als arbeitende Menschen“. Die AfD werde „die Ungerechtigkeit beim Bürgergeld gegenüber der arbeitenden Bevölkerung beenden“, und so fordert die AfD-Bundestagsfraktion eine vollständige Abschaffung des Bürgergelds „in dieser Form mit seinen ganzen Fehlanreizen … zugunsten einer aktivierenden Grundsicherung“.

Derweil hat auch die Bauindustrie Kanzler Merz und die Bundesregierung harsch kritisiert. Trotz eines beschlossenen Sondervermögens von 500 Milliarden Euro kommt bis heute kaum etwas von dem Geld in der Realwirtschaft an – Geld, das uns als Schulden im Bundeshaushalt erhalten bleiben wird. Stattdessen fließt viel aus dem Sondervermögen direkt in den „Klimaschutz“ und die auf 2045 vorgezogene „Klimaneutralität“. Der Bauindustrie werden so neue Hindernisse in den Weg gelegt. Und das könnte allein schon Milliarden Euro verschlingen. In den aktuellen Rahmenbedingungen tun sich aber auch erfahrene Player am Baumarkt schwer, Projekte durchzubringen. Erst müssen sie genehmigt werden, doch das wird immer schwerer. Die Ausschreibungsverfahren sind schlicht zu komplex geworden, das Bauen wird auch dadurch teurer. Wohnraum fehlt und verfällt, die Infrastruktur tut ein selbiges. Nur weil sich der CDU-Kanzler nicht aus der rot-grünen Umklammerung befreien kann.

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Kommentare ( 21 )

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H.H.
20 Tage her

Ein Lösungsgedanke ( Zucker und Peitsche):

  • Obergrenze bei der Wohnunterstützung (ja, drängt die Betroffenen fort von den teuren Metropolen)
  • Wer wegzieht bekommt das Bahnjahresticket vom Staat für x Jahre bezahlt.
humerd
20 Tage her

. Erfolgsrezept Verstaatlichung, bleibt einem da nur auszurufen. Warum nicht gleich alle Immobilien in die gütige Staatshand? „
genau damit ging doch die Linke auf Wählerfang und hatte bei den Erstwählern Erfolg damit.

Innere Unruhe
20 Tage her

Im Wahlkampf – wo alle Kandidaten Fragen beantworteten- wurde Merz von Weidel gefragt, mit wem er seine Forderungen durchsetzen will…. Merz hat sehr unklar geantwortet. Ich jedenfalls habe seine Antwort nicht verstanden…

November Man
20 Tage her

Merz muss weg. Die einzige Lösung aus der aktuelle katastrophalen Situation ist: Merz tritt unverzüglich zurück und ermöglicht Neuwahlen. Nach den Neuwahlen wird eine starke Regierung unter Führung der AfD mit einer Kanzlerin Frau Dr. Alice Weidel und der Union als Juniorpartner gemacht. Alles andere bedeutet den Untergang dieses Landes.  

H.H.
20 Tage her
Antworten an  November Man

je eher desto besser, denn zu befürchten ist ein EU-Krieg als Nachfolge des bisherigen proxy Kriegs zw. USA und Rußland in der Ukraine. Merz wird es selber nicht spannen in was für ein Abenteuer er und die EU von Trump geschickt wird. Er würde gar günstige Sonderrabatte auf US-Waffen zwecks sofortigem Einsatz in der Ukraine für ihn persönlich gemeinte Schmeicheleinheiten betrachten.

maps
20 Tage her

Was dieser „Merz“ möchte, das wissen wir bereits! Wir brauchen uns nur die Schuldenbremse, die Stromsteuer und all die anderen Vor-Wahl-Versprechen anschauen. „Merz“ will nur Kanzler sein. Er sieht eigentlich keine versicherungsfremden Leistungen in der Kranken- und Rentenversicherung. Und es ist jetzt schon die „beste Regierung“ seit Jahrzehnten. „Merz“ ist ein typischer Münchhausen, alles Lug und Betrug und er will nur Kanzler sein. Die Mehrheit der völlig dummen Deutschen geht da wie immer mit. Seit mind. 25 Jahren.

Michaelis
20 Tage her
Antworten an  maps

Der will nicht nur Kanzler, der will wieder das Großdeutschland, militärisch und politisch, und der will Putins Russland zerschlagen – nein: „besiegen“. Das findet offenbar auch Zustimmung bei den dummen Deutschen.

hho
20 Tage her

Nein, Herr Nikolaidis, da sind sie wieder dem Lügenkanzler aufgesessen: Merz will nicht ans Bürgergeld ran, sondern an das Geld der Bürger. Das einzige was Fritzchen Merz will, ist Kanzler sein und kassieren. Alles andere ist ihm egal.

Innere Unruhe
20 Tage her
Antworten an  hho

Richtig. Merz möchte gut darstehen. Daher hat er Wünsche, dier mit seinem Koalitionspartner LEIDER nicht umsetzen kann…
Na sowas…

Guzzi_Cali_2
20 Tage her

Wieder einmal Applaus an die Bildredaktion. Merz wie er leibt und lebt. Klingbeil unbedarft wie immer. Super.

RandolfderZweite
20 Tage her

Nun, ein „Klimaparagraph“ im GG kostet Geld, viel Geld! Da Brücken und Häuser (fast die komplette Infrastruktur) Beton benötigen und dieser Klimaneutral herzustellen ist, wird sich der Preis verdoppeln! Ob nun 500 Milliarden oder 1000 Milliarden, der Wert halbiert sich, aber nicht die Schulden! Obendrauf die steigenden Transportkosten inkl. Maut und Klimageld tun ihr Übriges! Sollte etwas aus Sicht des Klimaschutzes „schief laufen“, die DUH wartet sicherlich mit Klagen, die für den Steuerzahler teuer werden….(Bürokratie beim Bauen mal außer Acht gelassen!)! Wenn nun ein Herr Merz eine Senkung der Wohnkosten anstrebt, ist dies löblich, wird aber an der linken Einheitsfront… Mehr

Olli Gator
20 Tage her

Was machen eigentlich die über 200 CDU/CSU Abgeordneten so die Woche über, wenn der großspurige Chef außer Haus ist? Gibt es da auch Überlegungen, Meinungsbildungen, Vorschläge, Bedenken oder Vorbehalte. Oder wird nur abgenickt, was die SPD mal wieder ausgeheckt hat?
Psssst, aufwachen!!!

Holger Wegner
20 Tage her

Ein-wenig-Arbeitende haben immer mehr als Bürgergeldbezieher, dafür hat man ja z.B. das Wohngeld (und andere Leistungen) massiv ausgebaut und erhöht. Nur, damit es überhaupt noch einen Anreiz gibt, arbeiten zu gehen, nicht unbedingt, weil es nötig wäre. Und das ist ein Problem, denn so wurden in Folge der Hartz-/Bürgergelderhöhungen nämlich immer mehr Leute zu möglichen Nehmern irgendwelcher Leistungen, während die Zahler immer weniger werden. Und die Zahler leben dann oftmals wiederum nicht auf höherem Niveau als die Wohngeldbezieher, man hat die Ungerechtigkeit nur eine Stufe höher geschoben. Sozialwohnungen einfachen Standards ohne Tiefgarage, Aufzug und Fußbodenheizung können gar nicht mehr gebaut… Mehr