ARD und ZDF zu Brosius-Gersdorf – oder: die Kampagne über eine angebliche Kampagne

Etwa 20 Minuten konzertierte Sendezeit, einseitig und aktivistisch: Noch bevor Frauke Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz auftrat, eröffneten „Tagesthemen“ und „heute journal“ mit dem identischen Thema einer angeblich „rechten Kampagne“ gegen die SPD-Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht – pure Verzweiflung?

Screenprints: ARD, ZDF - Collage: TE

Orchestriert wie vom Taktstock eines Dirigenten beim Einsatz zu Beethovens Fünfter Sinfonie („Schicksalssinfonie“) schießt die vereinte Linke aus allen ihren Sehschlitzen und Rohren: „Stoppt die ‚rechte‘ Kampagne gegen die Nominierung der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf als SPD-Kandidatin für den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts!“

Was hier öffentlich seit rund einer Woche aus dem linken Lager kommt, kann man in zweierlei Hinsicht interpretieren:

  • Erstens verbreitet hier die Linke ihre eigene Verschwörungstheorie, quasi eine Meta-Verschwörungstheorie als Antwort auf eine imaginierte „rechte“ Verschwörungstheorie. Die Linke bildet sich ein, das – übrigens ausgesprochen disparate – „rechte“ Lager habe sich konspirativ und konzertiert darauf verständigt, die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf zu verhindern.
  • Zweitens praktiziert die Linke hier im klassisch psychoanalytischen Sinn Projektion: Projektion eigener (linker) Verirrungen ins „rechte“ Lager. In Unkenntnis auch der Bergpredigt (Mt. 5 – 7): Man sollte doch erst den Balken im eigenen Auge entdecken, ehe man nach dem Splitter im Auge des Anderen suche.
ARD und ZDF als Hilfsbataillone

Die ARD-„Tagesthemen“ und das ZDF-„Heute Journal“ widmeten sich am Abend des 17. Juli denn auch 10:30 Minuten bzw. 9:15 Minuten auf Platz 1 der angeblichen „Kampagne“, „Schlammschlacht“ und „Hetze“ gegen die Kandidatin Brosius-Gersdorf: einseitig, selektiv, suggestiv, aktivistisch.

Gleich beide Sender lassen sich dabei von dem Rechtswissenschaftler der Business & Law School Berlin, Alexander Thiele, assistieren. Am Rande: Da sieht man einmal wieder, wie überflüssig eine der beiden „Anstalten“ ist. Dennoch zurück zu den Kernaussagen in den insgesamt fast 20 Minuten Sendezeit: Die „Kampagne“ gegen Brosius-Gersdorf sei eine Attacke gegen die Wissenschaftsfreiheit, gegen die „phantastische“ Juristin würden nur haltlose Diffamierungen aufgetischt.

Schonungslose Analyse eines Juristen
Wie SPD und Grüne mit ihren Partei-Richterinnen die AfD verbieten und die Macht an sich reißen wollen
ARD spielt obendrein eine „Studie“ des „Beratungsnetzwerks Polisphere“ ein, mit der die gezielte „rechte Kampagne“ belegt werden soll. Die angeblich Schuldigen und finsteren Mächte: Cicero, Tichys Einblick, NIUS, Bild, NZZ, Junge Freiheit und Co. Und natürlich die „Lebensschützer“, die die frühere SPD-Vize-Fraktionsvorsitzende Eva Högl bereits 2018 „widerliche Lebensschützer“ nannte.

Im ZDF-Interview mit Marietta Slomka verrennt sich aktuell sogar der sonst eher besonnen auftretende Karl-Rudolf Korte zu der Aussage, die Wahl der Richter sei gescheitert, weil man „auf demagogische Informationen“ hereingefallen sei. Andere Stimmen qua Interview oder Zitation? Fehlanzeige! Es wäre immerhin unerlässlich gewesen, etwa die Vorsitzende Kölner OLG-Richterin Anke Eilers oder den Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau zu Wort kommen zu lassen. Anke Eilers hat sich übrigens in einem Leserbrief massiv gegen eine Wahl von Brosius-Gersdorf ausgesprochen. Ausgewogenheit, wie im Rundfundstaatsvertrag vorgegeben? Fehlanzeige!

Die belegten, unsäglichen Aussagen der sich damit selbst diskreditierenden Kandidatin Brosius-Gersdorf werden von ARD und ZDF natürlich nicht eingeblendet: Was sie etwa über Abtreibung, das Kopftuch, die Impfpflicht, Gendern des Grundgesetzes, ein AfD-Verbot gesagt bzw. geschrieben hat. Nein, Brosius-Gersdorf wird zu einem Opfer erster Klasse befördert. Dabei hat der vormalige SPD-Vormann Sigmar Gabriel nicht ganz Unrecht, wenn er sagt: Wenn eine Kandidatin für ein solches Amt meint, für ihre Kandidatur durch Talkshows tingeln zu müssen, dann missversteht sie dieses Amt.

Die Lage der Nation
Der verhinderte Staatsstreich: Sieg gegen das Hinterzimmer
Zur Sprache kommt in ARD und ZDF auch nicht, dass die andere SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold ideologisch nicht minder angreifbar ist. Nun, immerhin kommt das brachial-feministische „Argument“ der beiden Grünen Haßelmann und Baerbock zumindest an diesem Tag bei ARD und ZDF nicht zur Sprache: Wenn es nach den beiden Grünen geht, ist die Kritik an Brosius-Gersdorf nämlich Frauenfeindlichkeit pur. Das sagt eine Baerbock, die eine wahrlich hochkarätige Diplomatin zur Seite boxte, um für ein Jahr im UN-Plenum „bella figura“ machen zu können.

„Don Alphonso“ bringt es in seiner Analyse mit Blick auf die Presse als Vierte Gewalt auf den Punkt: Früher war es die vornehmste Tugend der Vierten Gewalt, die Mächtigen im Staate vorab zu prüfen und dem Souverän bei der Meinungsbildung zu helfen. Heute ebnet man den Mächtigen, vor allem wenn sie links daherkommen, das Feld und sediert das Volk.

Und der Schnarchclub Union?

Die Union beweist einmal mehr, dass sie in solchen Sachen politisch, intellektuell, strategisch, taktisch unterbelichtet ist. Die Linken sind ideologisch vernagelt und auch deshalb nicht intelligenter, aber gerissener und kampagnenfähig.

Die Unions-Spitze kannte die Namen der SPD-Favoritinnen Brosius-Gersdorf und Kaufhold seit Wochen. Aber die nicht gerade kleinen CDU/CSU-Apparate waren nicht willens oder nicht in der Lage, die beiden Kandidatinnen zu durchleuchten. So bedurfte es am Ende eines billigen Tricks, die Wahl zu stoppen. Übrigens weil offenbar 50 der 208 Unions-Bundestagsabgeordneten Brosius-Gersdorf für nicht wählbar hielten, die gesamte Fraktion aber die Kandidatin Kaufhold völlig ausgeblendet hatte.

Rhetorische Frage: Und die anderen 158 Unions-MdBs? Waren diese 158 selbstredend zur Wahl von Brosius-Gersdorf und Kaufhold bereit? Nein, so wird das nichts mit CDU/CSU-Profil, da bleibt man der Hund, mit dem der Schwanz SPD wedelt.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 77 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

77 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
andreas
18 Tage her

ARD, ZDF, Deutschlandfunk und Konsorten: man zahlt fast zwanzig Euro im Monat dafür, dass diese Leute einem ins Gesicht scheixxen.

Kassandra
19 Tage her

Der blogger hat sich die Dissertation von Ann-Katrin Kaufhold betrachtet – Doktorvater Andreas Voßkuhle und schreibt ein vernichtendes Urteil: https://www.danisch.de/blog/2025/07/19/die-dissertation-der-ann-katrin-kaufhold/#more-70329
Voßkuhle wurde übrigens statt Dreiers, des Doktorvaters von Brosius-Gersfeld, dort beim BVG als Richter eingesetzt.

Grandler
19 Tage her

Leber Herr Kraus, bei aller Bewunderung für Ihre unermüdliche und wertvolle Aufklärungsarbeit, vermisse ich doch die Nennung von Apollo-News unter den genannten „angeblich Schuldigen und finsteren Mächte“ der Kampagne. Die bestimmt einer derjenigen waren, die das Alles zum Rollen brachten, jedenfalls noch vor der Bild. Oder blitzt da etwas wie Konkurrenzdenken zw TI und AN durch? Aber selbst wenn, sie hätten es verdient.

Salvian
19 Tage her

Kristijan Aufiero, der 1999 den Verein „Pro Femina“ gegründet hat, der Frauen und Paaren kostenlose Beratung zum Thema Schwangerschaft anbietet, war am 10. Februar 2025 neben Frau Brosius-Gersdorf unter den Sachverständigen, die im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum „Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ angehört wurden. Er berichtet dazu folgendes: „Auf den allerletzten Metern und nur wenige Tage vor den anstehenden Neuwahlen wollten Vertreter einer gescheiterten Koalition einen Entwurf in einem unlauteren Hauruckverfahren durchboxen. Jener Gesetzentwurf hätte alles, was wir seit Gründung der Bundesrepublik in Sachen Abtreibung für Unrecht gehalten haben, über Nacht zu Recht erklärt. Das neue Gesetz sollte Abtreibungen… Mehr

spindoctor
19 Tage her

Wie lautet nochmal das sogenannte Bockenförde-Diktum? „Der freiheitliche, säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückfallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“… Mehr

spindoctor
19 Tage her

Sie versuchen alles, und geben alles.
Und wir können sicher sein, dass sie noch viel mehr auffahren werden. Die Bedrohen für den medialen Komplex, in prekäre Verhältnisse abzusinken, ist einfach zu groß. und sie haben es verstanden.
Und Dr. Maximilian Krah zeigt in seinem Vortrag
„Volk, Staat und Gesellschaft im Wandel (Dr. Maximilian Krah)“
https://www.youtube.com/watch?v=1f-IUcrtNXo&ab_channel=Dr.MaximilianKrah
auf, was wir verstehen müssen – auch wenn es uns nicht gefällt.
Der Jubel, Recht gehabt zu haben, ist wenig zielführend, oder besser „Bullshit“.

November Man
19 Tage her

Selbst der sehr grüne stellvertretender Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, der eigentlich die Geheimdienste des Bundes kontrollieren sollte, ist der Meinung, dass es Hinweise bezüglich der Finanzierung und Unterstützung solcher Kampagnen aus dem Ausland gäbe, das unbedingt untersucht werden sollte. Die Treiber dieser angeblichen Kampagne kämen womöglich sogar aus dem Ausland. Dann könnte es sich dann eigentlich nur Putin, Musk oder Trump handeln. Einige vereinigten Linksextremistischen sehen wie schon so oft weiße Mäuse und leiden offenbar mal wieder an Wahnvorstellungen.

verblichene Rose
19 Tage her
Antworten an  November Man

Und, was wäre so schlimm daran? Zeigte das doch nur, daß Deutschland offensichtlich andauernd „Hilfe“ von aussen nötig hat, bevor es komplett überschnappt.

Brotfresser
18 Tage her
Antworten an  November Man

Sie meinen den von Notz, richtig?
Dazu muss man wissen, dass seine holde Gattin Anna von Notz mit den beiden derzeit so heftig umstrittenen Kandidatinnen für den 2. Senat des BVG gaaanz dicke ist! Hadmut Danisch hat das auf Hinweis eines Lesers seines Blogs schön aufgedröselt.

ChristianeB
19 Tage her

Die Moderatoren der genannten Sendungen ticken doch genauso wie die umstrittenen Kandidaten. Von daher war nichts anderes zu erwarten. Speziell beim ZDF war man schwer beleidigt und fing wie immer, wenn das eigene Weltbild nicht überall auf Gegenliebe trifft, gehörig an zu giften. Von Neutralität keine Spur, aber das wusste man auch schon vorher.

Kassandra
19 Tage her
Antworten an  ChristianeB

Es wäre an der Zeit, den örr als AgitProp-Abteilung solcher Politik einzuordnen. Wobei unklar bleibt, woher die Sendeaufträge kommen.

bkkopp
19 Tage her

Die Richerin Eilers und/oder der Staatsrechtler Vosgerau – und/oder andere Fachleute – hätten sicher schon vor 1-2 Monaten vom “ Richterwahlausschuß“ befragt werden müssen. Der Richterwahlausschuß hätte dann schon selektieren, und weitergereichte Empfehlungen an die Fraktionsführungen ausführlich begründen müssen. Man weiß immer noch nicht öffentlich was genau in dieser Phase einer Nominierung vorgeschrieben und Usus ist. Die rein parteipolitischen Gremien orientieren sich gewöhnlich an diesen Empfehlungen. Im vorliegendem Fall scheint man erst 5vor12 darauf gekommen zu sein, dass zumindeste ein Vorschlag, oder möglicherweise beide, nicht wählbar sind. Das mediale Gewitter, das keine wahrnehmbare “ Kampangne“ war, mag dann in Nuancen… Mehr

SwingSkate
19 Tage her

Eine „rechte“ Kampagne? Gerade die Äußerungen der Dame zum Thema Schwangerschaftsabbruch waren bekannt und allen Beteiligten sollte klar gewesen sein, bei entsprechend medialer Verdichtung wird diese Frau niemals Verfassungsrichter(in). Anders als beim Thema Migration funktioniert hier noch ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand. Bleibt die Frage – wie bei allen politischen Querelen der letzten 10 Jahre – nach dem Hintergrund – Ungeschicklichkeit, Dummheit gar oder eiskaltes Kalkül – zu welchem Zweck?