Insolvenzwelle rollt durch Deutschland

Durch Deutschland rollt eine Insolvenzwelle. Im dritten Jahr der Dauerrezession ist die wirtschaftliche Lage inzwischen bedrohlicher als während der Finanzkrise 2009.

IMAGO

Das Sterben deutscher Unternehmen nimmt dramatische Züge an. Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) berichtete, wurde im zweiten Quartal 2025 die höchste Zahl an Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften seit 20 Jahren gemessen. Trotz eines leichten Rückgangs im Juni hat sich der Trend verstetigt: Deutschlands wirtschaftliche Substanz erodiert – und mit ihr verabschiedet sich das Land in bedrohlicher Stille von seinem Wohlstand.

Massensterben deutscher Unternehmen

Allein für den Monat Juni zählten die Ökonomen vom IWH 1.420 Unternehmensinsolvenzen, ein Minus von vier Prozent im Vergleich zum Vormonat. Im Jahresvergleich wird das ganze Ausmaß der Krise sichtbar: Hier schlägt ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Juni 2024 zu Buche. Die Zahlen liegen zudem über 50 Prozent oberhalb des Insolvenzdurchschnitts aus der Zeit vor den Lockdowns. Bemerkenswert hierbei: Mit 80, respektive 79 Prozent stiegen in diesem Vergleich ausgerechnet die Insolvenzahlen der wirtschaftlich starken Bundesländer Bayern und Hessen überproportional stark an.

In der Summe ergaben sich für das zweite Quartal in Deutschland 4.524 Firmenpleiten – ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2025.
Die Ökonomen verweisen neben der anhaltenden Wirtschaftskrise auch auf einen Effekt notwendiger Marktbereinigung nach der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, sieht das wie folgt: „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren.“ Nun entfaltet der Marktprozess seine bereinigenden Kräfte.

Ursachen werden nicht diskutiert

Doch dieser Strukturbruch trifft auf ein wirtschaftspolitisches Vakuum.

Wenn gleich das IWH in dieser Analyse nicht explizit auf die Strukturschwäche der deutschen Wirtschaft und die fatalen politischen Rahmenbedingungen eingehen wollte, so sind diese doch die entscheidenden Faktoren, die Deutschland ökonomisch ins Abseits gestellt haben. Pleiten oder Firmenverlagerungen ins Ausland sind die Folgen der hohen Energiekosten, der Überregulierung und hohen Abgabenbelastung im internationalen Vergleich. Das spüren inzwischen auch vermehrt die Arbeitnehmer.

Allein im laufenden Jahr ist nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft Ernst&Young davon auszugehen, dass die deutsche Industrie als Hauptbetroffene der Regulierungs- und Energiekrise über 100.000 Jobs streichen muss, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verteidigen. Die Industrie, die Herzkammer der deutschen Wirtschaft, hat seit der Zeit vor den Corona-Lockdowns etwa 10 Prozent ihres Produktionsvolumens eingebüßt. Schauen wir isoliert auf diesen Sektor der Wirtschaft, so müssen wir eher von einer wirtschaftlichen Depression als von einer Rezession sprechen. Die Rückkehr auf den potenziellen Wachstumspfad ist unter den gegebenen Bedingungen nicht zu erwarten.

Neben der schwer getroffenen Industrie leidet vor allem auch die beschäftigungsintensive Bauwirtschaft. Während die Branche in den Jahren 2020 und 2021 noch als Stabilisator der Gesamtwirtschaft galt, setzte seit 2022 ein dramatischer Einbruch der Bautätigkeit ein: Das reale Bauvolumen ist seitdem jedes Jahr weiter gesunken. Für 2024 wird ein realer Umsatzrückgang von 4 Prozent gemeldet, für 2025 werden weitere 2,5 bis 3 Prozent Minus erwartet. Damit liegt die reale Bauproduktion im Jahr 2025 insgesamt rund 10 bis 12 Prozent unter dem Niveau von 2019.

Erhoffter Befreiungsschlag

Die Bundesregierung plant, mit einem Schuldenpaket in Höhe von 847 Milliarden Euro, verteilt über die kommenden vier Jahre, das Ausbluten der deutschen Wirtschaft zu stoppen. Geplant sind milliardenschwere Investitionen in die Aufrüstung der Bundeswehr und in die Infrastruktur des Landes. Doch der Löwenanteil dieses Geldes wird wohl krisenbedingt dem Zweck dienen, die aufreißenden Lücken in den deutschen Sozialkassen zu stoppen.

Allein im laufenden Jahr ist von einem Gesamtdefizit der deutschen Sozialversicherung in Höhe von mindestens 140 Milliarden Euro auszugehen. Will man die Dynamik bei den Nebenkosten abmildern, wird der Bund diese Lücke schließen müssen. Dann sind die hochtrabenden Investitionspläne der Regierung Merz perdu.

Deutschland ist zu einem sozioökonomischen Problemfall geworden und man setzt auf die altbackenen Methoden des keynesianischen Rezeptbuchs. Kreditfinanzierte Staatsnachfrage, flankiert durch niedrige Zinsen der Europäischen Zentralbank, sollen das Comeback der deutschen Wirtschaft herbeiführen.

Doch das wird nicht geschehen, da knappe Ressourcen nur über den Marktmechanismus effizient in genau die Kanäle gelenkt würden, die zu Wachstum und Wohlstand führen. Diese Erkenntnis hat sich leider bis heute nicht in Berlin herumgesprochen.

Die Schuldenorgie der Regierung Merz kann möglicherweise auf kurze Sicht die Insolvenzwelle stoppen, wenn dieses künstliche Finanzkapital auf den Markt trifft. Allerdings ist dies nur der Aufschub der bevorstehenden Katharsis der Märkte, um genau die Unternehmen, die von billigem Kredit profitierten, oder im Rahmen der Subventionspolitik des Green Deal von Zuwendungen lebten, liquide zu halten.

Big Government und Interventionismus

Nach wenigen Wochen der Regierung von Friedrich Merz ist eines gewiss: Die Rückkehr zu den Regeln der Marktwirtschaft wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben. Merz präsentiert sich in diesen Tagen als ein Vertreter von Big-Government, Staats-Interventionismus und als ein Verteidiger der grünen Transformationsagenda.

Deutschland besäße ganz sicherlich das politische Gewicht, der Brüsseler Transformationspolitik die entscheidenden Zähne zu ziehen und die Rückkehr zu wirtschaftspolitischer Vernunft zu erzwingen. Allerdings sieht es bislang nicht so aus, als habe die beschleunigte Deindustrialisierung und die Dauerrezession in Deutschland zu einer kritischen Revision der politischen Agenda geführt.

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Kommentare ( 43 )

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Alex_2023
27 Tage her

Ich habe das Gefühl, dass freiwillige geplante Schließungen mittlerweile eine größere Gefahr für den Wohlstand darstellen. Heute war ich einkaufen und sah, dass die Verkaufsstelle von unserem Bauer weg war. Da habe ich Kirschen beim Discounter mitgenommen und die sind einfach nur Mist. Jetzt heißt es Geld zusammen halten, das Leben wird härter.

X1
27 Tage her

Was ist denn Ihrer Meinung nach systemrelevant? Was die Grundbedürfnisse befriedigt? Dann wären das Bauern, Bauindustrie und Kleidungsindustrie. Da sieht es in Deutschland auch nicht gut aus.
Ich empfinde es jedenfalls als schlimm, wenn eine teilweise jahrhundertalte Gaststätte nach der anderen zumacht und verfällt, nur weil verrückte Politiker verrückte Politik machen.

X1
27 Tage her

„Pleiten oder Firmenverlagerungen ins Ausland sind die Folgen der hohen Energiekosten, der Überregulierung und hohen Abgabenbelastung“ — Hier fehlen aber noch einige Faktoren, z.B. die katastrophale Situation oder zumindest deutliche Verschlechterung in Gesundheitswesen, Schulen und Infrastruktur (Bahn…), die zunehmende Korruption, die Verwahrlosung der Innenstädte und verschlechterte Sicherheitslage u.a. mit Dutzenden Messerangriffen pro Tag, die Aussicht auf Enteignung durch absurde Auflagen und Abgaben, die Gefahr eines Krieges mit Russland, die mangelnde Meinungsfreiheit und zunehmende Staatswillkür (fragt einmal uns Ostdeutsche was uns an der DDR am meisten gestört hat) und vor allem die praktisch alternativlose Aussicht, dass es in allen diesen Punkten… Mehr

Logiker
27 Tage her

Es sind nicht nur die Insolvenzen, die zu Buche schlagen.

Habe neulich in einem Radiobeitrag gehört, dass immer mehr kleine Geschäfte, Firmen und Gastrobetriebe schließen, noch bevor sie Insolvenz beantragen müssen.

Leider findet man zum Gesamtbild keine Statistiken, obwohl die garantiert penibel geführt werden, spätestens beim Finanzamt.

Grundsätzlich darf man wohl mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass wir bei allen Veröffentlichungen zu einem negativen Wirtschafts- und Beschäftigungsbild im Lande nur die Spitze des Eisbergs gezeigt bekommen.

Egozentrik
27 Tage her

Bravo, Herr Habeck, erst Deutschland zerstören und dann sich aus dem Staub machen (in das noch heile Dänemark!). Als ob man das nicht vorher wissen konnte …

Jerry
27 Tage her

Die Gastronomie findet das aber klasse, die wollten zwischen 2020 und 2023 schon keine Kunden mehr haben. Ich find‘s gut! Damals durfte ich nicht hinein, heute will ich nicht mehr und vermisse auch nichts!

CasusKnaxus
27 Tage her

Der Kinderbuchautor hat ganze Arbeit geleistet -die Saat geht auf: Deutschland muß sterben, ist halt so! Pöse AKWs, pöse Kohle, pöse Autos, pöser Stahl. Der anderen Verantwortlichen ist eh schon lange alles egal…Und sie alle werden von uns durchgefüttert! RIP

Jerry
27 Tage her
Antworten an  CasusKnaxus

Deswegen geht er auch nach Dänemark, ist ja alles kaputt hier in Germanistan!

Donostia
27 Tage her

Die Mehrheit hat genau das im Februar gewählt. Natürlich hat Merz was anderes versprochen, aber zum Lügen gehören immer zwei. Derjenige der lügt und derjenige der die Lügen glaubt.
Und das bittere daran ist, sie lügen immer wieder und werden trotzdem immer wieder gewählt. Und genau deshalb wird weiterhin gelogen, denn schließlich hat es ja keine Konsequenzen.

Last edited 27 Tage her by Donostia
Laurenz
27 Tage her

Wie Tim Kellner sagen würde, „einfach schlecht gewirtschaftet, kein Problem, Migrantengeld.“ Ich sage, meine Mitbürger haben an der Wahlurne miserabel performt.

dienbienphu
27 Tage her

dass die deutsche Industrie als Hauptbetroffene der Regulierungs- und Energiekrise über 100.000 Jobs streichen muss, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verteidigen.

Aber was würde es ändern an der Krise, wenn die Industrie Jobs streicht. Das hat ja keine Auswirkungen auf die Krise an sich. Bleiben dann nur die krisensicheren Jobs übrig oder wie? Alles in allem schwer vorstellbar für mich, dass ansonsten alles so weitergeht für die Industrie.

Last edited 27 Tage her by dienbienphu
Delegro
27 Tage her
Antworten an  dienbienphu

Verstehe Ihren Post nicht. Wir verlieren massenweise Jobs in Bereich, in denen Wertschöpfung stattfindet. Und wir bauen ständig weitere Stellen in Bereichen auf, die keine Wertschöpfung generieren, sondern in der erster Linie Geld kosten (Staatsdienst, Beamte etc.). Die Hohlköpfe in Berlin wollen aber nicht verstehen, dass es die einen dringend braucht um die anderen überhaupt bezahlen zu können. Selbst dieses kleine 1:1 der Wirtschaft hat man nicht verstanden und sägt munter an dem Ast auf dem man selber sitzt. Dümmer geht es nicht mehr! Passt aber absolut zum Zustand unseres Landes und insbesondere auch der links/grünen Wählerschaft.

Enrico
27 Tage her
Antworten an  dienbienphu

Richtig krisensichere Jobs gibts beim ÖD und in verbeamteten Dienststellen.
Alles andere wird „verschlankt“ werden um überhaupt zu Überleben. Z.B. baut bei mir in der Nähe Daimler Truck bis 2030 massenhaft Arbeitsplätze ab, natürlich sozialverträglich wie es heißt. Und die waren jahrzehntelang DAS Zugpferd beim schwäbischen Autobauer, auch in Zeiten, in denen die Sparte PKW mal stotterte.
Es ist ein strukturelles Problem, vorbereitet, aufbereitet und eingeleitet von „unserer“ akt. Politkaste (auch) aufgrund EU-Hörigkeit (und darüber hinaus).
Irgendwann schneiden sich hier alle gegenseitig die Haare. Vielleicht ist ja das die „Idee“. Barber-Shops gibts ja bereits wie Sand am Mittelmeer…