Europäer verstehen Amis nicht

Trump ist kein Parteipolitiker wie alle in Old Europe und viele bei den Democrats und Republicans. Wenn Macron bei Trump vom bösen Putin spricht, funkt er auf einer Frequenz, die Trump nicht hört. Geschäft ist Geschäft, bleib mir vom Leib mit deinem Moralin.

US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Washington D.C., USA, 24. Februar 2025

Nirgendwo außerhalb deutschsprachiger Länder war ich öfter als in Amerika. Früh lernte ich, dass tendenziell jeder zweite Ami ein geborener Entertainer ist, während jeder zweite hierzulande eher ein Langweiler. Übertreibung gehört zu jeder Show. Ich habe es unzählige Male erlebt von Deadwood in den Black Hills über Keystone, Hollywood und Santa Fe bis Los Alamos. Noch der kleinste Event hatte seine Show. Ein paar runde Tische in einem Restaurant, an jedem Tisch steht nacheinander einer auf und bringt in drei Minuten alles zum Lachen, während er ein ernsthaftes politisches Statement abgibt.

Der damals etwa siebenjährige Sohn eines alten Freundes sagte zu seinem etwas älteren Bruder: Du musst nicht hören, was er sagt, du musst verstehen, was er meint.

Diese Lektion täte vielen gut, die als Journalisten, Politiker und „Experten“ tägliche Botschaften Donald Trumps in Online-Medien einfallslos wörtlich nehmen. Wenn er sagte, den Krieg in der Ukraine beende er binnen 24 Stunden, empfiehlt sich, nicht zu hören, was er sagt, sondern zu verstehen, was er meint. Was er meint, tut er in diesen Tagen. Er will diesen Krieg unbedingt schnell still stellen, weil er bei seiner Mission Make America Great Again keine Nebenkriegsschauplätze mag. Dass er als US-Chefeinkäufer dabei ein Geschäft machen will, versteht sich. Das wird er bei allem, was er anfängt, nie vergessen. Trump ist kein Parteipolitiker wie alle in Old Europe und viele bei den Democrats und Republicans. Wenn Macron bei Trump den bösen Putin adressiert, funkt er auf einer Frequenz, die Trump nicht hört. Geschäft ist Geschäft, bleib mir vom Leib mit deinem Moralin.

Die Lehre vom Verstehen statt nur Hören erinnert mich an ein langes Gespräch mit dem führenden Kopf der Lakota im Pine Ridge Reservat (Lakota Oglala Oyanke), der mir zum Schluss seine Telefonnummer gab und sagte: You are ja keiner von denen aus Europa, der mich morgen anruft, um sich zum Essen zu verabreden, nur weil ich gesagt habe Let’s have Lunch. Eine Höflichkeitsfloskel, die sonst nichts bedeutet, eine Mini-Show.

Von Trump, von Vance und den meisten seiner Secretary of State – vulgo Minister – sind unkonventionelle Lösungen auf allen möglichen Feldern zu erwarten. Wobei er – hoffentlich nicht zu viele – genug Leute in seiner Mannschaft hat, die sich in den Institutionen des Deep State nur zu gut auskennen. Wenn es irgendwo drauf ankommt, wette ich, greift Trump auf seine Art ein und haut den gordischen Knoten durch.

Trump verfolgt seine Strategien wie ein Schachmeister, sagt Victor David Hanson, während die Democrats damit beschäftigt sind, alberne Spiele zu spielen.

Trump und die wichtigsten seiner Leute denken nicht in den alten, eingefahrenen Bahnen. Bei der Ukraine gilt der Ansatz, der Krieg ist nicht zu gewinnen, jedenfalls zu keinem vertretbaren Preis, aber der Frieden ist zu gewinnen – und zwar mit Gewinn für die Ukraine und die USA. Eine amerikanische Wirtschaftspräsenz bringt mehr Sicherheit als Friedenstruppen. Die könnt ihr gern hinschicken und zahlen, sagt Trump der EU.

Der gestrige Auftritt von Ukraines Präsident Selenskyj im Oval Office könnte in die Geschichtsbücher als der historische Moment vom Ende der alten Diplomatie eingehen, wie sie alle gewohnt waren. Die fuß- und kopflahmen polit-medialen Truppen Europas und die schwächer und weniger werdenden legacy media in den USA werden noch lange brauchen, bevor sie das kapiert haben. Nun wird die Welt erleben, dass Trump und Vance, wenn es ernst wird, das, was sie sagen, auch meinen.

Die wahre strategische Bedrohung geht nicht von der Ukraine, dem Vorderen Orient und Russland aus, beurteilen Trumps Leute die Lage. Amerika darf doch nicht selbst eine chinesisch-russische Allianz indirekt fördern, sagen Trumps Strategen.

Wenn Merz bei Macron war und sich beide großer Übereinstimmung rühmen, vor allem auch bei einer neuen Rolle der EU gegenüber den USA, fehlt beiden die Lektion der jungen Söhne meines Freundes. Wenn Macron Merz sagt, wir sind einer Meinung, und Merz das glaubt, hat er nicht verstanden, was französische Präsidenten seit jeher meinen, nämlich: Wir sagen, wo’s lang geht. Ihr dürft folgen und zahlen.

Nichts verändert die Welt ausgehend von Amerika mehr als der Epochenwechsel von der Massenkommunikation der alten Medien zur Kommunikation mit Massen zwischen jedem Einzelnen und vielen auf Onlinekanälen, die jeder betreiben und nutzen kann – an den verschwindenden Gatekeepern vorbei. Die Kommunikation über Kanäleanbieter im Orbit, wie sie Musk und andere vorantreiben, macht den Wohnort der Einzelnen unbedeutend. Auf die Herrschenden wartet der totale Kontrollverlust über die Rede- und Meinungsfreiheit der Bürger.

Sagen die Herrschenden den Beherrschten, sie würden sie vor gefährlichen falschen Nachrichten durch Zensur schützen, meinen sie, dass sie sich selbst vor den freien Gedanken und Meinungen ihrer Bürger schützen wollen. Die Freiheit, online zu sagen, was man denkt, und das auch zu meinen, ist schlecht für die Herrschenden und gut für Freiheit und Wohlstand der Bürger.


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Kommentare ( 99 )

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WandererX1
16 Tage her

Leider waren die amerikanischen Bomben auf Europa im WK2 nicht nur lässige Show, sondern tödlicher Ernst – und ziemlich verbissen abgeworfen. Die USA sind eher fanatisch und nicht locker. Schon im 19. Jh. haben die USA im jeden Jahr krieg geführt – soviel zu deren angebliche Lockerheit, auf viele Deutsche – wie auch der Autor – reinfallen.

Unglaeubiger
19 Tage her

Leider haben die Menschlein vergessen zu hören was gesagt wird, sie hören nur mehr was geredet wird. Ja, zu Viele verstehen diesen Unterschied nicht, oder wollen ihn nicht verstehen. Das ist auch mittlerweile in der deutschen Sprache auf Grund der Umdeutung der Worte nicht mehr ohne Nachdenken möglich: Sondervermögen, Krieg ist Frieden, je nachdem wer das Wort Demokratie sagt, bekommt es schon eine unterschiedliche Bedeutung), in den USA aber noch viel schwieriger, zumal dann, wenn man die Worte eins zu eins ins Deutsche übersetzt und den Kontext außen vor läßt. Trump bedient sich einer sehr, sehr einfachen Sprache und deshalb… Mehr

hansgunther
19 Tage her

Im Artikel wird erwähnt, dass Selensky das Sterben billigend in Kauf nimmt (Vance-Vorwurf) … Die Amerikaner setzen noch einen drauf, man nennt es allgemein beschönigend einen „Deal“ … Bevor das Sterben aufhört, sind erstmal die monetären, wirtschaftlichen Interessen unter Dach und Fach zu bringen.Mindestens doppelte moralische Standards. Der „Deal“ hätte warten können, zuerst hätte man mindestens einen Waffenstillstand erreichen und damit das Sterben auf beiden Seiten beenden sollen, das ist zugegebenermaßen auch mit Putin nicht ganz einfach, denn er macht seine „Deals“ auch ganz gerne auf Kosten von Sterbenden…egal auf welcher Seite. Auch damit haben seine „Freunde“ keine Probleme. Man… Mehr

werner2k
19 Tage her
Antworten an  hansgunther

Die USA haben sich im 1. WK zuvorderst aus wirtschaftlichen Überlegungen beteiligt. Man wollte den Zusammenbruch wichtiger Investoren verhindern. Was ist daran schlecht? Die Ukraine führt den Krieg (zuerst gegen die Separatisten, dann gegen Russland) auch nicht weil sie die weißen Ritter wären, sondern weil den Oligarchen in Kiev sonst die Rohstoffe weg brechen.
Zum Waffenstillstand – der Westen hat Moskau mit 2 solcher Abkommen über den Tisch gezogen (Minsk 1 + 2), ohne dass sich die Ukraine daran gehalten hätte – daher gibts keinen 3. Waffenstillstand – außer die Ukraine kapituliert.

Manfred_Hbg
20 Tage her

Zitat: „Bei der Ukraine gilt der Ansatz, der Krieg ist nicht zu gewinnen, jedenfalls zu keinem vertretbaren Preis, aber der Frieden ist zu gewinnen – und zwar mit Gewinn für die Ukraine und die USA. Eine amerikanische Wirtschaftspräsenz bringt mehr Sicherheit als Friedenstruppen.“ > Mal abgesehen davon, dass ich den Artikel für sehr gut und lehrreich halte und mich frage warum man solch erklärenden Artikel nicht auch mal von den Relotius- und „Qualitätsmedien“ zu hören bekommt, so kann ich aus heutiger Sicht dem obigen Zitat auch nur noch zustimmen. Ich bin kein Politiker und auch sonst mehr der politische Dummie.… Mehr

Franz-Xaver
20 Tage her

Das wichtigste scheint dem Autor zu sein, dass möglichst radikal mit dem Alten gebrochen wird, wobei aus dem Artikel nicht hervorgeht, bei welchen Themen dies erfolgen soll. Überhaupt scheint dem Autor die Brutalität Trumps zu gefallen. Vorgestern hat Trump auf eine zwischenmenschlich äußerst abstoßende Weise Selenskyj behandelt – was Herr Goergen aber positiv bewertet, weil das ja die bisherige Diplomatie beeindruckend über den Haufen wirft. Möchte jemand von uns so gedemütigt werden? Bestimmt nicht. Es ist übrigens derselbe Selenskyj, der von beiden Häusern des Kongresses mit standing ovations gefeiert wurde und dem man ewige Solidarität geschworen hat. Die USA haben… Mehr

hansgunther
19 Tage her
Antworten an  Franz-Xaver

….und keine Grenzverschiebungen, nie!

Der Person
19 Tage her
Antworten an  Franz-Xaver

„Die USA haben diesen Krieg zweifellos mit verursacht, jetzt sehen sie ihn verloren,…“ Aus Sicht der USA ist der Krieg bereits gewonnen, das primäre Kriegsziel (siehe dazu z.B.: Lord Hastings Ismay, NATO, oder George Friedman, Stratfor) ja erreicht, wie Sie sogar selber schreiben: „…außerdem eine zerstörte europ. Friedensordnung, denn früher lebten wir mit den Russen in Frieden und machten gute Geschäfte mit ihnen, jetzt stehen wir uns feindlich gegenüber.“„Ich nenne so ein Verhalten jedenfalls Verrat, denn die USA fallen damit ihrem bisherigen Verbündeten in den Rücken.“ Ja, das ist so, wenn man sich mit den USA einlässt. Das ging Saddam… Mehr

Caroline Hoelzl
20 Tage her

Danke für ihren erhellenden Bericht aus USA. In der Tat sind „wir“ in Europa so damit beschäftigt zu moralisieren, dass wir verlernt haben zwischen den Zeilen zu lesen. Woher kommt das? Ich attestiere vielen Zeitgenossen eine psychologisch schwache Verfassung. Deshalb das ständige Bedürfnis, das eigene Selbstwertgefühl zu erhöhen und wie geht das leichter als ständiges moralisieren? Sich moralisch über andere zu erheben ist hierzulande ein richtiger Volkssport geworden. Was Trump betrifft, verhält er sich proletenhaft und wird deshalb unterschätzt. Klar ist er auch ein etwas naiver Narzisst, aber in einer solchen Position benötigt man einen solchen, wenn ein Präsident sich… Mehr

siebenlauter
20 Tage her

Den letzten Absatz bitte einrahmen.

Donostia
20 Tage her

Ich habe Donald Trump denke ich verstanden. Er will die seltenen Erden der Ukraine und im Gegenzug gibt es den Schutz der USA. Das ist eben „Amerika first“. Hat man schon jemals von einem deutschen Politiker gehört, dass wir die seltenen Erden von der Ukraine wollen und im Gegenzug gibt es dafür Waffen? Unsere Politiker verschenken alles. Auch bei der Migration. Wer hier herkommt und nicht arbeitet bekommt kein Geld. Warum macht man das nicht? Auch ein politisch Verfolgter hat zwei Hände und einen Kopf mit dem man arbeiten kann. Will er das nicht, dann gibt es eben nichts. Was… Mehr

GermanMichel
19 Tage her
Antworten an  Donostia

Halb verstanden. Die seltenen Erden sind da nur Vorwand, es wäre sogar egal wenn es sie gar nicht gäbe. Es geht um NATO Sicherheitsgarantien durch die Hintertür, ohne Nato Mitgliedschaft. Im Prinzip dasselbe wie bei Taiwan, oder warum sollte der Westen ausgerechnet auf einer Insel vor der Haustür von China ein Computer Chip Monopol begründen? Das macht doch nur dann Sinn, wenn dieses Chip Monopol dann als Vorwand für eine existenzielle Bedrohung von US Interessen genommen wird, welche sogar einen nuklearen WK3 rechtfertigt, wenn China nach Taiwan greift. Dasselbe in der Ukraine. Die seltenen Erden werden (zumindest Propaganda technisch) als… Mehr

Donostia
18 Tage her
Antworten an  GermanMichel

Ok die USA kann ja als Schutzmacht für die Ukraine auftreten. Dazu kann man ein bilaterales Abkommen aushandeln. Aber wozu sollte Europa da mit eingreifen wenn andere sich die Bodenschätze sichern und man selbst leer ausgeht? Von Moral kann man sich nichts kaufen. Gut das hat jetzt nichts mit feministischer Aussnpolitk zu tun, sondern eher um Interessen die es anzumelden gelte. Warum sollte die Verteidigung der Ukraine und der Wiederaufbau von Europa geleistet werden, wenn andere sich das bezahlen lassen?

Miguel
20 Tage her

Mein Gott, wenn ich mir Vorstelle, dass Sie Herr Goergen, ein Liberaler der diesen Namen verdient, bald möglicherwise eine MASZ als neue Vorsitzende Ihrer Partei haben könnten, da wird mir nicht nur Angst und bange sondern regelrecht schlecht. Ob das mit einem freundlichen, frischen, liberalen, und progressiven Gesicht der Partei zu tun hat weiß ich nicht! Guter Artikel, wie immer!

usalloch
20 Tage her

“Wenn er sagte, den Krieg in der Ukraine beende er binnen 24 Stunden, empfiehlt sich, nicht zu hören, was er sagt, sondern zu verstehen, was er meint.”
Das ist inzwischen bei uns auch so ähnlich. Wenn Olaf etwas verspricht, wissen wir schon was er meint. Wir wissen aber auch, das er vergesslich ist und angeblich an Gedächtnisstörungen leiden soll.

hansgunther
19 Tage her
Antworten an  usalloch

Dem ist nicht so. Der Mann ist klar bei Verstand, deshalb kann er sich ja nicht erinnern!