Ein US-Reportage-Team begleitet deutsche Behörden bei Hausdurchsuchungen wegen „Hate Speech“. Das Publikum sieht kichernde Beamte und systematische Einschüchterung. In den USA wie in Deutschland sorgt das für einen Schock: Hat Deutschland wirklich aus der Vergangenheit gelernt?

Die von Hannah Arendt dargelegte „Banalität des Bösen“ ist zu einem gewissen Grad selbst banal geworden; der Ausdruck und das Beispiel des Eichmann-Prozesses hat sich tief in das westliche Kulturgedächtnis eingeprägt. Das Sujet des Schreibtischtäters findet sich seit der Nachkriegszeit immer wieder in der Popkultur, nicht nur in Erinnerung an den Nationalsozialismus, sondern auch an die real existierenden totalitären Systeme im Ostblock und der Dritten Welt. Dystopische Romane haben das Thema ebenso aufgegriffen wie Komödien. Ikonisch geworden ist dabei in jüngster Zeit ein Internet-Meme, das ursprünglich vom Comedy-Duo Mitchell und Webb in die Welt gesetzt wurde: „Are we the baddies?“ Plötzlich ahnt ein SS-Offizier, dass seine Division möglicherweise auf der moralisch eher fragwürdigen Seite steht.
Nun könnte man denken, dass gerade die Deutschen, die gleich zwei totalitäre System durchgestanden haben, ein besonders sensibles Gespür dafür hätten, wenn etwas faul im Staate ist. Manchmal hilft ein Blick auf Deutschland aber nur, wenn man die Außenperspektive wahrnimmt – in diesem Fall eine Dokumentation der Sendung 60 Minutes auf CBS. Das US-amerikanische Format begleitet in Niedersachsen die Staatsanwaltschaft, und berichtet von der Verfolgung und Ahndung von „Hate Speech“ – inklusive Hausdurchsuchungen.
Dass die Reporterin dabei eher mit den Zensoren, denn den Zensierten mitfiebert, gibt der Sendung eine unfreiwillig frische Note: Keiner der Beteiligten erkennt wirklich, was er tut, aber die Aussagen und Taten stehen so plastisch vor Augen, dass das Publikum einen Film schaut, in dem es lediglich Schauspieler gibt, die ihre Rolle spielen. Mit dem feinen Unterschied, dass es sich nicht um eine Neuverfilmung von „Brazil“ handelt, sondern den Alltag in Deutschland.
Dass spätestens seit dem Fall Stefan Niehoff und dem „Schwachkopf“-Meme die Hausdurchsuchungen ein umstrittenes Thema sind, ist für die Journalisten eher zweitrangig. Man begleitet die niedersächsische Polizei, die um 6 Uhr morgens ein kriminelles Subjekt aus dem Schlaf klingelt, weil dieses einen rassistischen Cartoon verbreitet hat. Sechs bewaffnete Beamte durchsuchen die Wohnung. Sein Handy und sein Laptop werden beschlagnahmt. Während mittlerweile wöchentliche Attentate Deutschland erschüttern, funktioniert wenigstens hier alles wie am Schnürchen.
Und dann die Nachricht, diesmal mit Bildern aus einem anderen Teil des Landes: zur selben Zeit finden in Deutschland 50 Hausdurchsuchungen auf ähnliche Weise statt. Es handele sich um eine „koordinierte Aktion“ um „Hate Speech“ im Internet einzudämmen.
Fasziniert davon stellt die 60-Minutes-Reporterin drei Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft Fragen zum real-existierenden deutschen Hate-Speech-Verfolgerstaat. Etwa, was denn die erste Reaktion derjenigen sei, die man morgens aus dem Bett klingelt. Höhnisch meint einer: „Das wird man doch wohl mal sagen dürfen!“ Aber nein. Nicht in Deutschland. Die Leute seien überrascht, dass es illegal sei, so etwas im Internet zu posten. Sie glaubten, sie hätten Meinungsfreiheit. Aber Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen.
Es könnte sich um einen neuen Gag von Mitchell und Webb handeln. Aber es folgen keine Lacher, und niemand scheint zu begreifen, was da vor sich geht. Doch es geht weiter. Beleidigungen im Internet seien schwerwiegender als im Alltag. Weil die Worte bestehen bleiben. Später schlägt einer der drei das Kostenregister auf. Es geht um vierstellige Beträge. Der Mitarbeiter spaßt: Das kommt teurer als Falschparken. In einigen Fällen drohten Haftstrafen. Hinter dem treuen Staatshelfer und der ausländischen Bewunderin ragen Regale mit roten Aktenordnern hervor, in denen die Beweise gesammelt sind.
Auf X, wo die Videos viral gehen, sieht sich das US-Publikum mindestens überrascht, wenn nicht schockiert. Da ist es wieder, das Klischee des „Guten Deutschen“. Man handelt nach Vorschrift. Erst am Freitag hatte US-Vizepräsident J. D. Vance die Verfolgung der Meinungsfreiheit in Europa gegeißelt und in München dazu aufgefordert, sich nicht von den Werten zu entfernen, die das transatlantische Bündnis ausmachten. Es gab Hohn, Empörung, Wut.
Viele US-Amerikaner, die nicht wussten, was Vance tatsächlich meinte, sehen es nun mit eigenen Augen. Nicht, weil sie die Sendung selbst gesehen hätten, sondern weil die Ausschnitte in den sozialen Medien geteilt werden – und damit auch zum deutschen Publikum zurückschwappen. Sie sind willkommene Splitter im Ringen um die Realität. Denn insbesondere aus den Reihen von SPD und Grünen wurde immer wieder behauptet, dass Vance sich seine eigene Welt gebaut habe. Doch die Bilder, die Fakten – sie geben ihm, nicht den hiesigen Politikern Recht.
Mehrere große US-Accounts aus der X-Szene greifen das Thema auf. Darunter auch Elon Musk. Doch auch die deutschen Meinungsvervielfältiger sind, obwohl sie die Fakten kennen, überrascht. Kichernde Staatsanwälte. Offene Einschüchterung. Zerstörte Leben, über die man süffisant hinweg geht. Die ganze Welt weiß nun von der deutschen Repression. Aber es fehlt die deutsche Hannah Arendt.
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Ich will jetzt nicht die Stasi verniedlichen, aber genau SO hat die DDR funktioniert. Und an alle, die sich daran ergötzen, anderen Menschen fröhlich lächelnd Schaden zuzufügen: Es läuft auch mal andersrum, und dann bettelt Ihr um den „Runden Tisch“. Fragt mal Antje Hermenau, warum es den in der Nachwende-DDR gegeben hat.
Irgendwo habe ich gelesen, der einzige Unterschied zu früher sei: Heutzutage kommen sie um 06:00 Uhr. Die Gestapo dagegen schon um 04:00 Uhr. Da ist also noch Luft nach oben beim Schikanieren!
Das haben Sie aber nur der work-life-balance der beteiligten Beamten zu verdanken. Die müßten sonst um 03.00 Uhr aufstehen und das ist denen heute auch zu früh.
Es handelt sich um illegale Dreharbeiten!
Für Mietshäuser braucht es eine Drehgenehmigung des Vermieters!
Niemand darf mich zuhause ohne Erlaubnis filmen.
Die feixenden Herrschaften haben mich zu einer Wortschöpfung inspiriert:
Hämiker (Substantiv, mask. & fem.)
[Hä·mi·ker], Plural: Hämiker
–1. Person, die ihre Macht oder Autorität mit offensichtlicher Freude an der Demütigung, Bestrafung oder Schikane anderer ausübt.
–2. Beamter, Jurist, Politiker oder Bürokrat, der unter dem Deckmantel der „Rechtmäßigkeit“ mit übertriebener Strenge und sadistischer Schadenfreude gegen andere vorgeht.
– 3. Jemand, der sich durch eiskalte Prinzipientreue und ein Vergnügen am Leid anderer auszeichnet, insbesondere wenn dieses durch rigide Anwendung von Regeln oder Gesetzen verursacht wird.
Ich würde bei „Sadisten“ bleiben, Hämiker klingt eher wie ein Kleinvolk aus der Zeit der Völkerwanderung 🙂
Sie wissen, was sie tun und haben nicht das geringste Unrechtsbewusstsein. Egal was das BverfG zur Meinungsfreiheit geurteilt hat, es interessiert sie nicht. Das EUGH hat festgestellt, dass wir aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft kein Rechtsstaat sind. Sie scheuen sich, Verbrecher abzuschieben und verfolgen Menschen, die in ihre Wut und Verzweiflung auf diese widerliche Politik nicht immer sauber argumentieren. Ich habe bei einer Unterhaltung mit mehreren Personen vor einigen Tagen gesagt, dass ich mir jetzt vorstellen kann, wie diese unsäglichen Verbrechen der NS-Zeit auch durch Mitläufer passieren konnten. Viele Deutsche haben, gerade in linken Kreisen, nichts dazugelernt. Sie wenden… Mehr
Danke für Ihre Betrachtung.
Hannah Arendt hat das ganz gut beschrieben, hier in dem kurzen Ausschnitt, wenn sie über „Intellektuelle“ in Reich III im Interview bei Günter Gaus reflektiert:
„Die Intellektuellen gingen ihren eigenen Einfällen in die Falle“.
https://www.youtube.com/watch?v=ykVcQ-3MNbQ&ab_channel=PhilosophieKanal
Wer wissen will, wie Hitler möglich war, der weiß es spätestens seit „Corona“.
Hier jetzt zusätzlich schön bebildert für den linken US-Sender CBS … .
Die drei Weltmeister haben ganz sicher nicht damit gerechnet, dass wenn man vom hässlichen Deutschen spricht, nun konkrete Gesichter vor sich hat. Möglicherweise wären sie selbst jetzt froh, ihr Entsetzen hätte sich nur auf die Wegnahme ihres Handys beschränkt.
Diese fürchterlichen 3 – erinnern – mich stark an Loriot.
„Hat Deutschland wirklich aus der Vergangenheit gelernt?“
Gewiss, die Obrigkeit hat gelernt, wo und wie kräftig sie zutreten muss, damit alles in ihrem Sinne läuft! Nun wird das Wissen mit perverser Freude angewendet, de Sade würde die geradezu vergöttern.
Na klar, wir wissen jetzt, wie man eine DDR errichtet, ohne es „Sozialismus“ zu nennen.
Ich weiß nicht ob es nur mir so geht….aber ich habe Angst vor diesen drei Leuten….und ihrer Auffassung von Rechtsstaat. Wahrscheinlich werden die über meine Angst genauso lachen, wie sie über die lachen die Morgens von der Polizei geweckt, ihre Wohnung öffnen und ihre Handys abgeben müssen….aber wie auch immer….die Angst bleibt…vor denen und diesem Staat.
Ja. Ich auch. Und muss an Bonhoeffer denken und das, was er über die Dummheit hinterließ: „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar… Mehr
Bin gespannt, wann es die ersten Asylanträge von verfolgten Deutschen in den USA gibt.