Über 3000 Euro im Monat: Kosten für die Pflege durchbrechen die Schallmauer

Pflegebedürftige müssen mittlerweile über 3000 Euro monatlich für das Leben im Heim zuzahlen. Das hat eine Auswertung der Ersatzkassen ergeben. Hilfe ist nicht in Sicht – die anstehende Reform der Pflegeversicherung wird den Bedürftigen eher schaden.  

Imago/ dts Nachrichtenagentur
In der Pflege fehlt es an allen Ecken: Die Betriebe und ihre Beschäftigten müssen mittlerweile 3,6 Prozent vom Lohn an die Pflegeversicherung zahlen, für Kinderlose kommt ein Zuschlag von 0,6 Prozent dazu. Karl Lauterbach (SPD) hat als Gesundheitsminister die Beiträge zweimal erhöht. Gleichzeitig müssen immer mehr Pflegeheime in die Insolvenz: Seit Anfang 2024 wurden 1200 Einrichtungen geschlossen oder als insolvent gemeldet, wie der Arbeitgeberverband Pflege berichtet.
Und die Bedürftigen müssen ebenfalls mehr zahlen. Durchschnittlich 3108 Euro beträgt die monatliche Zuzahlung für das Leben im Heim im ersten Jahr. Vor einem Jahr waren es noch 2871 Euro im Monat. Ein Anstieg von 8,3 Prozent. Die Zahlen hat der Verband der Ersatzkassen ermittelt, zu denen unter anderem die DAK, die Barmer und die Techniker Krankenkasse gehören.
„Die Eigenbeteiligung der Versicherten steigt seit Jahren kontinuierlich an”, sagt Ulrike Elsner, die Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbands. Den Heimbewohnern seien Belastungen in dieser Größenordnung nicht mehr zuzumuten. Die gute Nachricht: Die Bundesregierung will den Anstieg stoppen. Die schlechte Nachricht: Das hat die Regierung schon genau so oft versprochen, wie sie und ihre Vorgänger den Abbau der Bürokratie versprochen haben – ebenso wie sie dieses Versprechen bisher (nicht) eingehalten haben.
12 Milliarden Euro Defizit
Mehr zahlen und weniger erhalten: Bund und Länder wollen Pflege reformieren
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat das Thema an eine Kommission abgeschoben. Die lässt sich jetzt Zeit für Lösungen ganz so, als ob die Probleme neu wären. Zeit zu gewinnen ist ein Vorteil, den die Kommission Warken bringt. Der andere wird sein, dass sich die Christdemokratin hinter der Kommission verstecken kann, wenn sie die Ergebnisse verkündet. Die werden sein: Die Bundesregierung lässt Betriebe und Beschäftigte noch mehr für die Pflegeversicherung zahlen – im Gegenzug erhalten sie noch weniger aus der Versicherung heraus.
Der Ersatzkassenverband zeigt eine Lösung auf, wie die Pflege gestärkt werden könnte: Die Politik müsste nur aufhören, ihre eigenen Verpflichtungen auf die Beitragszahler abzuwälzen. So könnten die Länder “die Kosten für bauliche und Instandhaltungskosten sowie Ausbildungskosten” übernehmen, wie der Ersatzkassenverband vorschlägt. „Die Länder entziehen sich hier seit Jahren der finanziellen Verantwortung”, sagt Elsner. Allein durch die Übernahme der Investitionskosten könnten die Bewohner monatlich im Schnitt um 507 Euro entlastet werden. Die Übernahme der Ausbildungskosten durch die Länder brächte eine weitere Entlastung um bis zu 114 Euro im Monat.
Die Bundes- wie die Landesregierungen haben sich in den letzten Jahren am Geld der Versicherten vergriffen, um mit ihren eigenen Haushalten die Regeln der Schuldenbremse einhalten zu können. Nun, da diese faktisch gefallen ist, wollen die Verantwortlichen aber das Geld nicht zurückzahlen. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat in seinem 850 Milliarden-Euro-Schuldenrausch gerade mal zwei Milliarden Euro für die Pflegeversicherung übrig. Über zwei Jahre verteilt. Und nur als Kredit. Klingbeil will der Pflege und den Bedürftigen kein Geld überlassen – damit es weiter da ist für Omas gegen Rechts, Bürgergeld, Radwege in Peru, Hitzeschutzinseln oder erfundenen Klimaschutz in China.
Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 36 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

36 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Reinhard Peda
16 Tage her

Ein anderes Problem. Kann jemand von den Pflegebedürftigen berichten, das auf einmal der Medizinische Dienst auftaucht, um den aktuellen Pflegegrad zu überprüfen?

alter weisser Mann
16 Tage her
Antworten an  Reinhard Peda

Es gibt Wiederholungsbegutachtungen und Überprüfungen.

Reinhard Peda
16 Tage her
Antworten an  alter weisser Mann

Ach, auch bei chronisch Kranken, wo im Bewilligungsbescheid steht, das eine neuerliche Begutachtung nicht mehr erforderlich ist?
Damit meine ich Krankheiten, wo eine Heilung ein Medizinisches Wunder wäre. Fragen Sie mal die chronisch Kranken wo eine REHA eine dauerhafte Verbesserung beim Krankheitsverlauf gebracht hat. Ich habe mit einigen gesprochen, da war keiner bei.
Sie sollten wissen, bei REHA steht, es kann eine Verbesserung eintreten und nicht es wird.

alter weisser Mann
15 Tage her
Antworten an  Reinhard Peda

Sie fragten zunächst nur allgemein nach Überprüfungen bei Pflegebedürftigen. Der nachgeschobene Fall mit chronisch Kranken mag anders sein.

Sonny
16 Tage her
Antworten an  Reinhard Peda

Bei uns gab es nie unangekündigte Besuche.
Den medizinischen Dienst haben wir selbst kontaktiert als klar war, dass die bisherige Pflegestufe nicht mehr aktuell war und geändert werden musste.

Reinhard Peda
15 Tage her
Antworten an  Sonny

2 mal im Jahre kommen welche vom Beratungsteam, welche nix mit dem Medizinischem Dienst zu tun haben. Nachweis über einen Beratungsbesuch nach Paragraph 37 Abs. 3 SGB XI Das Beratungsgespräch wurde von mir Bestätigt. Und diese Bestätigung hat der Medizinische Dienst als aufforderung genommen meinen Pflegegrad neu zu bestimmen, nur das ich das nicht wollte. Die Pflege- und Betreuungssituation wird aus Sicht der Beratungsperson wie folgt eingeschätzt. Pflege sichergestellt durch Ehefrau. Stationäres Sauerstoffgerät vorhanden. Wundversorgung durch Ehefrau. Höherstufung empfohlen. ————— War vorher 2,5 Monate wegen Lungenproblemen im Krankenhaus unter wurd dort operiert. Im Beratungsgespräch gesagt: Mir geht es besser. Dies… Mehr

Last edited 15 Tage her by Reinhard Peda
Peterson82
15 Tage her

Das jetzige System ist halt denkbar ungerecht. Wer bis zuletzt auf großem Fuß gelebt hat, keine wirklichen Angehörigen hat und sein Konto pünktlich bis zum Heim geplündert hat, wird genauso behandelt wie derjenige, der jährlich über 30.000€ in so einem Heim lässt. Es wäre also zu prüfen ob die Beiträge die verlangt werden wirklich angemessen sind. Oder ab, warum hier nicht private Pflegeversicherungen notwendig sind. Wer früh abschließt, könnte für 20-40€ im Monat eine Pflegezusatzversicherung abschließen. Macht aber niemand. Man lebt einfach in den Tag hinein. In vielen Fällen zahlt dann die Gemeinschaft für so etwas. Man muss es so… Mehr

Guinan
15 Tage her

Eine ernst gemeinte Frage – was machen diejenigen, die dss nicht bezahlen können, weil die Rente einfach nicht reicht?

Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Staat dafür aufkommt.

Peterson82
15 Tage her
Antworten an  Guinan

doch, genau das. Du läufst durch ein Heim und siehst nirgends ob die Person jetzt 3000€ pro Monat zahlt oder nichts. Denn wenn du es (für dich bezogen) geschickst anstellst, dann ist zum Zeitpunkt deiner Heimeinweisung das Konto leer. Jeder Pfleger wird dich genauso behandeln wie die teuren Gäste. Deswegen ist das System auch vollkommen ungerecht. Eine Haftpflichtversicherung kostet dich bestenfalls 50-60€ im Jahr, verhindert aber private Insolvenz. Hier zieht man das ganze Programm durch. Bei der Pflege nicht. Im Grunde genommen müsste der Staat aktiv auf dich zugehen und sagen…tut uns leid, aber bei ihrem jetzigen Rentenpunkten oder Einkommen… Mehr

verblichene Rose
16 Tage her

Ist es überhaupt anständig, darüber zu sprechen, wie „teuer“ die adäquate Unterbringung von alten Menschen ist? Insbesondere, wenn die Angehörigen heutzutage für „sowas“ überhaupt keine Zeit mehr haben!
Die Kosten sind übrigens eher moderat gestiegen, da sie bereits zu DM-Zeiten ziemlich üppig waren und auch damals schon das Sozialamt in den allermeisten Fällen bezahlte.
Würde dieser Staat also nicht gerade die Spendierhosen für alles und jeden anhaben, könnten die Alten in Vier-Sterne-Hotels untergebracht werden.
Aber was erzähle ich hier? Ist sowieso alles in den Wind…

W aus der Diaspora
16 Tage her

Wir sollten die Alten statt ins Heimm alle auf Krezfahrt schicken. Das dürfte bedeutend billiger sein.

Michaelis
16 Tage her

Jeder halbwegs Vernunftbegabte wusste, dass es so kommen wird. Erst die Klagen über miserable Pflegequalität, und dann das Geschwätz: „Alles wird besser, wenn nur die Pflegekräfte besser bezahlt werden und der Job attraktiver wird“. Parallel dazu die politischen Maßnahmen gegen preiswertes Pflegepersonal aus Osteuropa. Jetzt schlagen die Folgen zu Buche: trotz stetig gestiegener Beiträge zur Pflegeversicherung ist das Ganze für die wirklich Bedürftigen nicht mehr bezahlbar. Aber der Merz weiß ganz genau, wofür er die Schuldenmilliarden an Steuergeld verpulvert: für deutsche Konzerne, für die Rüstungsindustrie, für den Krieg in der Ukraine. Mal schauen was noch kommt.

Last edited 16 Tage her by Michaelis
WandererX
16 Tage her

Löse ich systematisch die Familienverbände auf und werte deren Arbeit gezielt ab, so wie das die liberalistische Wirtschaft und Politik seit 60 Jahren gezielt macht, brauche ich mich nicht über eine Verlagerung aller eher weiblichen Pflegearbeiten von Kleinkind, Kind, Kranke und Alte auf den Staat und seine Versicherungskassen wundern. Die einzigen Profiteure von all dem sind neben so freigestellten besseren Damen die private Unternehmer, die darüber jede Menge neue interessante Geschäftsfelder bekamen. Fazit: zu viel Liberalismus als -ismus (statt LIberalität) zerstört die tradierte Kultur, macht aus ihr einen Kulturalismus, also einen gitftigen Polit- und Arbeitskult.

alter weisser Mann
16 Tage her
Antworten an  WandererX

Zu Zeit der Familienverbände waren trotzdem eher unschöne Zustände und Frühableben die Realität. Gern mal bei zeitgenössischen Autoren nachlesen.

Kundenwohl
16 Tage her
Antworten an  WandererX

Klar, Kranken- und Altenpflege, das sind ja Jodeldiplome, das macht Muttern doch nebenbei zwischen Thermomix anschalten und Pilateskurs… Früher gabs für die Alten Suppe und Brei, einmal am Tag Katzenwäsche und wenn sie mit Hilfe nicht mehr auf den Topf kamen, dann wurde die Suppe weniger und die Natur hats geregelt. Zu glauben, dass man früher auch nur annähernd das geleistet hätte, was heute unterster Standard der professionellen Pflege ist, ist wahrlich weltfremd! Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Deshalb war es auch so billig! Teils demente, inkontinente, oft auch völlig bettlägerige Menschen pflegt man nicht mal ebenso neben der… Mehr

alter weisser Mann
16 Tage her

Das ganze Geplärr kann man sich sparen. Das verlängerte Leben in den heutigen Zeiten (in jeder Beziehung) hat seinen Preis und der ist zu zahlen.
Früher sind die alten, auch mangels Pflege, nicht alt alt geworden, heute sind sie die wertvolle Ressource der Pflegeindustrie.

Schwabenwilli
16 Tage her

Das Geld -der Steuerzahler- ist da, jetzt brauchen wir nur noch Politiker die es zum Wohle der Deutschen einsetzen.

Lamersdorf
16 Tage her
Antworten an  Schwabenwilli

Wer ist denn in Deutschland noch richtig Doitsch?

HDieckmann
16 Tage her

Die Pflegeversicherung ist zunächst einmal ein Bürokratiemonster. Erste Fehlsteuerung: Sie wird von den Krankenkassen auf Rechnung des Staates administriert. Die Kassen haben kein Eigeninteresse, wirtschaftlich zu arbeiten, Pflegegrade restriktiv zu vergeben usw. Das führt zu laufenden Kostensteigerungen, obwohl die Zahl der Heimbewohner in Deutschland mit 800 Tsd. seit Jahren konstant bleibt. 86% (4,9 Mio) der 5,7 Mio. Pflegebedürftigen werden ambulant gepflegt. 40% der Heimbewohner können den Eigenanteil fürs Heim nicht (voll) bezahlen und beziehen neben dem Pflegegeld der Pflegekassen „Hilfe zur Pflege“ und Wohngeld vom Staat. Dagegen beziehen nur 7% der ambulant Gepflegten „Hilfe zur Pflege“ vom Staat. Mit der… Mehr

alter weisser Mann
16 Tage her
Antworten an  HDieckmann

24/7 Pflege durch die Angehörigen ist Selbstausbeutung. Zudem sind die Finanzmittel dafür der pure Hohn, im Vergleich zu dem, was ein Pflegeheim oder Pflegedienst für ähnliche (und geringere) Leistungen kassiert.

Peter Gramm
16 Tage her

Die Probleme in Deutschland sind bekannt. Also nichts neues. So lange aber Milliardenbeträge zwangsweise in diesen unsäglichen Medienapparat gesteckt werden müssen damit sich ein paar wenige Günstlinge die Taschen vollmachen können wird sich an solchen Entwicklungen nichts ändern. Es müssen dringend politische Veränderungen her damit Geld sinnvoll für anstehende Probleme verwendet wird und nicht sinnlos für Prestigeobjekte verschleudert wird. Mit der bestehenden Politnomenklatura funktioniert dies nicht. Die haben sich an den Trögen festgekrallt und lassen nicht mehr los. Völlig unabhängig davon dass sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Für die Günstlinge reicht es – noch.