Zur Zukunft des Verfassungsgerichts: “Übermäßige Politisierung des Wahlverfahrens beenden”

CDU, CSU und SPD haben mit der verpatzten Wahl von Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht eine Koalitionskrise herbeigeführt - vielleicht sogar eine Staatskrise. Wie geht es nun weiter? Das fragt TE den Juristen Ulrich Vosgerau.

Imago/ dts Nachrichtenagentur

Ulrich Vosgerau schlägt eine Weitergabe des Wahlrechts vor, um die “übermäßige Politisierung des Wahlverfahrens zu beenden. Die Bundesregierung hat es aber auch noch selbst in der Hand, eine Entscheidung herbeizuführen. Sie folgt dabei Gesetzen, die CDU, CSU, SPD und Grüne beschlossen haben, um AfD und BSW vom Verfassungsgericht fernzuhalten.

TE: CDU, CSU und SPD konnten sich heute im Bundestag nicht auf die Wahl von drei Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht einigen. Deshalb hat die Koalition den Tagesordnungspunkt ganz abgesetzt. Wie geht es nun weiter, Herr Vosgerau?

Ulrich Vosgerau: Wenn sich der Bundestag nicht einigen kann, dann tritt die Entscheidungskompetenz des Bundesrates ein. Noch ist aber völlig offen, ob das passiert. Der Bundestag hat auch die Möglichkeit, nach der Sommerpause die Wahl wieder anzugehen.

Also wieder Frauke Brosius-Gersdorf, Günter Spinner und Ann-Katrin Kaufhold?

Nicht zwingend. Der Bundestag kann nochmal über die drei selben Kandidaten abstimmen. Das Parlament kann aber auch ganz oder teilweise über andere Kandidaten abstimmen – oder sich schon jetzt entscheiden, dass es kein weiteres Wahlverfahren gibt und es seine Entscheidungskompetenz an den Bundesrat abgibt.

Ist dieses Verfahren eine Folge des Pakets, das CDU, CSU, SPD und Grüne während der Zeit zwischen dem Bruch der Ampel und dem Ende der Wahlperiode beschlossen haben?

Richtig. Dieses Paket hatte den Zweck, jeglichen Einfluss von AfD und BSW auf das Bundesverfassungsgericht zu verhindern. Der Einzug des BSW in den Bundestag war da ja noch eine Option. Zu diesem Paket gehörte auch ein Vorschlagsrecht für das Bundesverfassungsgericht, das eigentlich nicht üblich und auch nicht ganz unproblematisch ist.

Inwiefern?

Eigentlich sollen Richter nicht entscheiden dürfen, wer mit ihnen zusammen entscheidet – quasi als Ausgleich für ihre Unabhängigkeit. Dies gilt nun für das Bundesverfassungsgericht nicht mehr. Es hat ja auch bereits eine Liste von Kandidaten aufgestellt, die seiner Meinung nach geeignete Kandidaten wären. Auf dieser Liste steht unter anderem Günter Spinner, den die CDU-CSU an diesem Freitag eigentlich als ihren Kandidaten wählen lassen wollte – nachdem sie auf Robert Seegmüller auf Druck der Grünen verzichtet haben.

Ist diese Liste der Ausweg?

Das bisherige Vorgehen der Regierungskoalition hat dazu geführt, dass die Besetzung der Richterstellen übermäßig politisiert wurde. Das hat dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts geschadet. Deshalb wäre es am besten, der Bundestag überträgt sein Wahlrecht gleich an den Bundesrat und der schließt sich der Liste des Bundesverfassungsgerichts an. Das würde die übermäßige Politisierung beenden.

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Kommentare ( 52 )

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maps
1 Monat her

Die obersten Richter gehören von den Bürgern direkt gewählt! Alles andere ist reine Show und keine Gewaltenteilung.

BKF
1 Monat her
Antworten an  maps

Auf welcher sachlichen Basis sollten die Bürger diese Entscheidung treffen? Die wenigsten Bürger werden so gut in der Materie stecken, um über die fachliche Eignung von Richtern entscheiden zu können und es werden dann die Richter gewählt, welche die beste PR für sich machen können. Die Ideeist also nmM gut gemeint, aber sachlich nicht zielführend.

jevgeni
1 Monat her
Antworten an  BKF

Auf welcher sachlichen Basis sollten die Parlamentarier, die teilweise nicht einmal eine Berufsausbildung oder ähnliches haben, diese Entscheidung treffen?

Marcel Seiler
1 Monat her
Antworten an  jevgeni

Es gab mal eine Zeit, da haben diejenigen Parlamentarier, die sich dort auskannten (unter über 600 Abgeordneten findet man da meinstens doch den einen oder anderen), diese Wahl stellvertretend für ihre Kollegen getroffen. Da war das Parlament nicht so ideologisiert wie heute.

BKF
1 Monat her
Antworten an  jevgeni

Ich habe überhaupt nicht dazu gesagt, daß das Verfahren über das Parlament besser ist. Ich habe nur festgestellt, wo ich die Probleme sehen würde bei einer Direktwahl durch die Bürger. Aber Ihre Strategie ist ja heutzutage verbreitet, den anderen durch unterstellen von Aussagen, die gar nicht gemacht wurden zu kritisieren – eigentlich eine typische Strategie der Linken.

LunaMystic
1 Monat her
Antworten an  maps

Und die schlechte BILD gibt vor, wer zu wählen ist und wer nicht.

Palim.P
1 Monat her
Antworten an  maps

Ds ist Unsinn.
Niemand hätte ohne die alternativen Medien gewußt, dass beide Vorschläge der SPD linkslastige Besetzungen der Richterposten sind. Selbst in der Schweiz mit ihrer wirklich direkten Demokratie werden die Richter durch den Staat ernannt.
Anders in Italien, da ist die gesamte Judikative vom Staat unabhängig.

Fernando
1 Monat her
Antworten an  Palim.P

Genau darum gibt es diese Medien, dass sich die Wähler orientieren können. Es ist der Sinn der Demokratie, ob das nun Richter- oder Politikerwahlen, in der Schweiz auch Referenden und Initiativen sind, dass sich die Wähler mit Hilfe der verschiedenen Medien „gescheit“ machen. Das setzt natürlich mündige Bürger voraus, die lesen können. Wer zu faul, desinteressiert oder sich nicht kompetent fühlt, bleibt halt zu hause und muss akzeptieren, was andere bestimmen.

Peter Gramm
1 Monat her

Der Souverän sollte solche Richterstellen besetzen dürfen. Ob grüne Ideologen oder ein anders zusammengesetzter Parteienfilz da die bssere Wahl ist wage ich zu bezweifeln da die Auswahl der Kandidaten zu sehr von Parteiinteressen geprägt ist. Das Gekeife dieser grünen Co-Vorsitzenden war bezeichnend. Solche Leute verwandeln das Hohe Haus in ein Hohles Haus.

Siggi
1 Monat her

Richter des Verfassungsgerichtes müssen vom Volk gewählt werden und nicht von denen, due dich da die Absolution für ihren Missbrauch abholen. Jetzt sieht man, wie sich die Regierungen mit den Richtern due eigene Politik sichern deutlich. Besonders die Roten, die keiner will, brauchen Verbündete zur Durchsetzung ihrer widerlichen Politik gegen das eigene Volk.

Asurdistan
1 Monat her

Einfach mal nachsehen wer Mitglied im Bundesrat ist. Unter anderem, Kretschmann, Wegner, Schwesig. Bovenschulte, Tschentscher.Da kann man sich lebhaft vorstellen was für Kandidaten vorgeschlagen werden.

siebenlauter
1 Monat her

Die Judikative sollte wirklich unabhängiger werden, wie beispielsweise in Italien.

Siggi
1 Monat her
Antworten an  siebenlauter

Der war gut. U made my day.

Dr. Muck
1 Monat her

Wie schon im Kommentar zu einem anderen TE-Artikel, möchte ich folgenden Vorschlag zur Diskussion stellen: Das Bundesverfassungsgericht sowie die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative sollen voneinander unabhängig sein und sich gegenseitig kontrollieren. Wie soll aber die Unabhängigkeit des obersten Bundesgerichtes gewährleistet werden, wenn seine Richter durch die Mitglieder der Legislative (Bundestag) und der Exekutive (Bundesrat), letztendlich also von den Parteien, nichtöffentlich in einem Ausschuss „ausgekungelt“ werden? Wäre es nicht angemessener und dem Gericht zuträglicher, wenn die Verfassungsrichter nach ihrer fachlichen Kompetenz parteiunabhängig aus der Richterschaft selbst gewählt würden? Ähnlich, wie schon ein anderer Kommentator vorgeschlagen hat, könnte die Richterschaft… Mehr

Hinrich Mock
1 Monat her

Die Auswahl von Verfassungsrichtern ist immer politisch bedeutend, man sieht das ja auch in anderen Ländern wie z.B. in den USA. Ein erster Schritt in Deutschland wäre aber doch, daß Kandidaten über eine Laufbahn als Richter in Landes- und Bundesgerichten verfügen müßten, bevor sie überhaupt nominiert werden könnten. Es darf nicht passieren, daß rein akademische Gestalten aus linken Universitätsbiotopen im Handstreich vor der Sommerpause in das höchste deutsche Gericht mal eben so durchgewunken werden. Das ist es, was dem Ansehen des Bundesverfassungsrichts erheblich schadet! Auch Politiker, die lediglich mal Jura studiert haben und zwei Staatsexamen vorweisen können, aber keine solide… Mehr

ThinkTwice
1 Monat her

Wenn es witklich eine Gewaltenteilung geben sollte, muss die Besetzungshoheit über hohe Richterstellen komplett der Einflussnahme durch Parteien und Regierung entzogen werden.
Vorschlag: eine wirkliche Fachkommision stellt eine Liste entsprechend qualifizierter Richter zusammen. Zugangsvoraussetzung um auf diese Liste zu kommen ist: Keine Zugehörigkeit zu einer Partei oder parteinahen Einrichtung weder in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Aus dieser Liste, welche mindestens dreimal so viele Kandidaten wie zu besetzende Stellen umfasst, wird per LOS entschieden wer den Zuschlag bekommt.
Ist natürlich reine Utopie, da die Sabotierung der Gewaltenteilung das entscheidende Mittel ist, um aus einer Demokratie eine Demokratur zu machen.

nachgefragt
1 Monat her

Die Wahl der Richter ist die eine Sache. Immer wichtiger erscheint mir die Kontrolle der politisierten Richter. Befangenheit, Willkür, Nicht-Annahme zur Beschwerde, korrupte Urteile (Textpassagen im Klimaurteil wurden sogar übernommen), Anmaßung und fingierte Beschwerden, Kungelei mit Politik. Das BVerfG braucht eine unabhängige Kontrollinstanz, die die Befangengeit und Disziplinarmaßnahmen entscheiden kann, die Bearbeitung einer Beschwerde erzwingen kann, Korruption und Rechtsbeugung verfolgen kann. Diese Kontrollinstanz kann nicht gewählt sein, sondern sollte aus z.b. allen aktiven Richtern der OLG bestehen, was automatisch einen gewissen Parteienproporz ermöglicht. Mit Mehrheitsentscheidung kann diese Kammer dann ein Verfahren erzwingen. Das wird leider nötig, wenn die Politik immer… Mehr

Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat: „Eigentlich sollen Richter nicht entscheiden dürfen, wer mit ihnen zusammen entscheidet – quasi als Ausgleich für ihre Unabhängigkeit. Dies gilt nun für das Bundesverfassungsgericht nicht mehr.Eigentlich sollen Richter nicht entscheiden dürfen, wer mit ihnen zusammen entscheidet – quasi als Ausgleich für ihre Unabhängigkeit. Dies gilt nun für das Bundesverfassungsgericht nicht mehr. Es hat ja auch bereits eine Liste von Kandidaten aufgestellt, die seiner Meinung nach geeignete Kandidaten wären. > Ach, das wird ja immer schöner und doller: „Es hat ja auch bereits eine Liste von Kandidaten aufgestellt, die seiner Meinung nach geeignete Kandidaten wären“. Als wenn wir mit Blick… Mehr

Palim.P
1 Monat her

Es gibt, völlig unbemerkt, in Europa einen Staat, dessen Gerichtsbarkeit komplett unabhängig vom Staat ist: Italien.
Wen es interessiert, man kann es nachlesen unter:
https://www.gewaltenteilung.de/gewaltenteilung-in-italien/

Mausi
1 Monat her
Antworten an  Palim.P

Dankeschön. Vergleiche sind immer notwendig, um zu sehen, welche Alternativen es gibt. Die Richter von den Wählern ins Amt zu wählen halte ich für sinnlos. Wer hat schon Ahnung, welcher Richter sich für das GrunddG als Schutzwall für jeden Einzelnen, sich für unsere Freiheit einsetzen würde?

Siggi
1 Monat her
Antworten an  Mausi

Das wichtigste ist wohl, dass den Richtern nicht das Parteibuch vor der Nase hängt, wie z.B. bei dem Merkel Harbarth.

Last edited 1 Monat her by Siggi
Karl Schmidt
1 Monat her

Ein Verfassungsgericht ist ein politisches Gericht, weil es ja immer eine Gesetzeslage beurteilt, die von einer politischen Mehrheit geschaffen wurde. Es soll eigentlich die Bürger vor übergriffigem Verhalten der Legislative und Exekutive (die manchmal abseits oder ganz ohne Rechtsgrundlage handelt) schützen. Damit rückt es automatisch in das Zentrum der politischen Auseinandersetzung und muss sogar gegen besonders starke politische Kräfte agieren – nämlich gegen die Mehrheit im Parlament und in der Länderkammer, die zu allem übel selbst nur aus Regierungen besteht (schon das ist komplett verrückt). Die Besetzung des Verfassungsgerichts ausgerechnet einer solchen politischen Überlegenheit auszuliefern, ist ein Webfehler, der der… Mehr

Mausi
1 Monat her
Antworten an  Karl Schmidt

Die Krux ist, dass von demokratischer Legitimierung der Richter die Rede ist. Und das führt natürlich immer zu Einfluss durch „die Politik“. Die 2/3 Mehrheit hilft auch nicht weiter, wenn die Parteien sich inoffiziell zu einer einzigen Partei namens „Brandmauer“ zusammengeschlossen haben. Dann kann man nur hoffen, dass die Opposition eine Sperrminorität hat. Insofern ist Ihr Vorschlag eine Alternative. Aber ob er wirklich Unabhängigkeit erzeugt? Denn der Richter ist ja nicht auf Neutralität, sondern auf die ihn einsetzende Partei ausgerichtet. Palim.P hat einen interessanten Artikel verlinkt. Vielleicht haben Mitleser ebenfalls Links darauf, wie Richterstühle in der EU, in der westlichen… Mehr