Robert Habeck (Grüne) hat im Bundestag den „Jahreswirtschaftsbericht“ vorgestellt. Jens Spahn (CDU) nannte diesen Bericht die „Abschlussbilanz“ des „Wirtschaftsministers“ nach drei Jahren im Amt. Und Politiker, die vor dem Ende ihrer Karriere stehen, neigen dazu, plötzlich ehrlicher Bilanz zu ziehen. So auch Habeck: „Wir befinden uns in einer strukturellen Krise“, sagt der „Wirtschaftsminister“. Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes nehme strukturell ab, weswegen es dauerhaft nicht helfen werde, wenn der private Konsum zwischendrin wieder anzöge.
In einem anderen Punkt wird Habeck plötzlich ehrlich: Laut dem Wirtschaftsbericht der Bundesregierung sind 3 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren in Deutschland ohne Abschluss. Sie stünden dem Arbeitsmarkt damit faktisch nicht zur Verfügung. Das habe „auch damit zu tun“, dass es einen hohen Anteil von Schülern gebe, deren Muttersprache nicht Deutsch sei.
Um 1,1 statt 1,4 Prozent werde die deutsche Wirtschaft wachsen, hat sich Habeck im Herbst korrigiert. Mit dem Jahresbericht musste er sich schon wieder korrigieren. Es werden nur 0,3 Prozent sein. Wobei Habeck bisher noch jede Prognose nach unten korrigieren musste. Aber die 0,3 Prozent werden stimmen – bestimmt. Robert Habeck ist nicht langsam im Zugeben der Wahrheit, er tut es einfach nur nicht gerne.
Wobei Habeck es wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) macht. Schuld an seinen schlechten Bilanzen sind alle außer ihm. Ja. Schon. Es gäbe zu viel Bürokratie hierzulande, die Entscheidungswege seien zu lang. Das ist aber für Habeck eine Folge der „europäischen Hybris“. Nicht eine Folge von Habecks Heizungshammer. Nicht eine Folge der deutschen Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Nicht eine Folge, dass Grüne und SPD mit jedem Gesetz die Berichtspflichten für Unternehmen erhöhen und die Regelungen immer kleinteiliger werden. Weil Sozialdemokraten und Grüne bis tief in die Betriebe hinein regieren wollen, weil sie sich für die besseren Unternehmer halten.
Eingestanden, dass Deutschland nach drei Jahren Habeck in der Strukturkrise ist, das hat der „Wirtschaftsminister“. Was sind nun seine Vorschläge? Er will „die Rigidität der deutschen Schuldenbremse“ beenden. Mit staatlichen Schulden will sich Habeck wirtschaftlichen Aufschwung kaufen – zwei Absätze, nachdem er selber gesagt hat, dass ein Konsumanstieg die strukturellen Probleme nicht lösen kann.
Wie die Realität der grün-roten Wirtschafts- und Energiepolitik aussieht, beschreibt Jens Spahn: Mitten in der „Zeitenwende“ hat die Ampel den Atomausstieg durchgezogen. Nun schlägt Scholz vor, „grünen Wasserstoff“ mit französischem Atomstrom künstlich zu produzieren. Deutschland verzichtet auf eigenen Atomstrom, kauft im Ausland Atomenergie ein, um einen Rohstoff zu produzieren, der dann den deutschen Atomstrom ersetzen soll. Fürs Klima. Das ist die „verrückteste Energiepolitik aller Zeiten“, sagt Spahn.
Grenzenlos Schulden und Mehr von dem, was bisher geschadet hat. Das sind die Ansätze von Robert Habeck, um die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft zu beheben. Das ist wenig. Fehlt nur noch, dass er die Schuld für die Krise auf die Union schiebt, weil sie einen Antrag gegen die illegale Einwanderung eingebracht hat, dem die AfD zugestimmt hat. Und genau das tut der „Wirtschaftsminister“.
Nach dem besagten Beschluss hätten ihn Unternehmer angerufen, erzählt Habeck im Parlament, die ihm gesagt hätten, dass Menschen sich überlegen würden das Land zu verlassen, wenn sie jetzt nicht Meier hießen. Der Beschluss sei „der Sargnagel der deutschen Wirtschaft“. Eine bemerkenswerte Zeitabfolge: Ein Beschluss vom Mittwochnachmittag hat dazu geführt, dass Habeck bereits am Mittwochvormittag in einer Pressekonferenz seine eigene Prognose für das Wachstum um zwei Drittel kürzen musste. Für grüne Politiker und Journalisten erfindet Habeck das Raum-Zeit-Kontinuum neu. Für neutrale Beobachter kann er einfach die Uhr nicht lesen.
Jede Woche verlassen zwei Milliarden Euro an Investitionskapital das Land, schildert Spahn. Welche Antwort darauf hat Rot-Grün vorbereitet? Sie konzentrieren sich auf Habecks Lied, der Union-AfD-Beschluss sei der „Sargnagel der deutschen Wirtschaft“. SPD-Chef Lars Klingbeil singt dieses Lied. Sein praktischer Vorschlag ist es obendrein, unbegrenzt Schulden zu machen, um Künstliche Intelligenz in Europa zu entwickeln: Deutsche Beamte, die in den Wettbewerb treten mit den Experten aus dem Silicon Valley, wenn es darum geht, Hightech zu entwickeln. Wäre die Lage nicht so dramatisch, gäbe das Stoff für pures Comedy-Gold ab.
Wie es in Deutschland zu einer derart heftigen Krise kommen kann, demonstriert dann Sven-Christian Kindler. Inhaltlich ist der Grüne schnell durch: alles richtig gemacht, mehr von dem, was bisher zur Krise geführt hat und Schuld ist der Union-AfD-Beschluss. Dann widmet Kindler den Rest seiner Rede seiner Rührung um seinen eigenen Abschied aus dem Bundestag, erzählt von seinem Opa und seinen Mitarbeitern.
„Wir befinden uns in einer strukturellen Krise“, aber die Berliner Blase beschäftigt sich mit sich selbst. Habeck will die deutsche Wirtschaft neu erfinden. Rot-Grün hat den Politikstil schon neu erfunden. Was zeigt, dass neu nicht immer gleich gut ist.
Am 23. Februar ist die Urnenwahl zum Bundestag. Liegen Sie mit Ihrer Prognose besser als die Demoskopen? Machen Sie mit bei der TE-Wahlwette!