Um eine alte Volksweisheit an den Anfang zu stellen: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer …!“ Im übertragenen Sinne gilt das auch für die deutschen Automobilhersteller – Betonung liegt auf deutsche Hersteller. Alle Autohersteller von BMW bis Volkswagen mussten für das erste Quartal 2025 hohe Absatzverluste und Gewinneinbußen bekannt geben. Zudem meldet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ): „Autokrise immer schlimmer: Kia hängt Mercedes und BMW ab“.
Genau das wäre zu prüfen: Steckt die Autobranche in der Krise? Das Ergebnis vorab: Vor einer nachhaltigen, substanziellen Krise ist die deutsche Autoindustrie, Ford und Opel als Töchter ausländischer Autokonzerne nicht mitgerechnet, kilometerweit entfernt.
- Absatzverluste und Gewinneinbußen, selbst wenn sie alle Hersteller treffen, machen per se noch keine Krise, jedenfalls ab 2025 nicht.
- Dass Autohersteller Kia aus Südkorea im globalen Massenmarkt mit drei Millionen Jahresabsatz von Elektro- und Verbrenner-Pkw die hochpreisigen Premium-Hersteller BMW und Mercedes-Benz in den Stückzahlen überholt hat, ist eine Binse.
Noch wesentlich krasser wäre der Vergleich der NZZ ausgefallen, hätte das Blatt zum Vergleich den neuen China-Shooting-Star BYD auf Seiten des Massenmarktes oder Porsche oder Ferrari auf Seiten des High-end-Marktes herangezogen. Doch zunächst zu den sogenannten Krisen-Fakten im Einzelnen.
Dass die deutschen Autobauer einschließlich der Zulieferindustrie schon bessere Zeiten gesehen haben als in den zurückliegenden zwölf Monaten, ist unbestritten. Alle Hersteller hatten Gewinneinbrüche von bis zu 40 Prozent, alle kämpften mit Absatzverlusten im früher hochrentablen Chinamarkt, alle stehen sie unter starkem Wettbewerbsdruck ebenbürtiger chinesischer Elektroautobauer.
Nachdem vor wenigen Tagen BMW als letzter im Reigen nach Audi stark rot gefärbte Geschäftszahlen für das erste Quartal 2025 vorgelegt hat, steht eindeutig fest: Die gesamte deutsche Autoindustrie erlebte im 1. Quartal 2025 einen erheblichen Gewinneinbruch und steht unter schwerem Ertragsdruck. Für die Öffentlichkeit und die meisten Medien war das eindeutig: Krise!
Ob es dabei für alle deutschen Autohersteller „weiter bergab geht“, oder ob nur „Audi in der Krise festhängt“ wie die Süddeutsche Zeitung mutmaßt, ist allerdings zu hinterfragen. Ebenso, ob die NZZ recht hat mit ihrer der Annahme. Fakt ist, bei allen Herstellern sanken im ersten Vierteljahr 2025 Umsatz und Gewinn deutlich. Im Einzelnen:
- Im gesamten Volkswagen-Konzern brach der Gewinn um 41 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro ein, bei der VW-Premium Tochter Audi blieb nach einem Rückgang von 14 Prozent – bereits im 1. Quartal 2024 hatte sich der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr halbiert – lediglich noch ein Gewinn von 630 Millionen Euro übrig. Die Gewinnmarge schrumpfte auf mickrige 1,5 Prozent.
- Bei Mercedes-Benz gab der Umsatz um gut sieben Prozent auf 33,2 Milliarden Euro nach, schrumpfte der Absatz weltweit um 4 Prozent. Der Gewinn des Premium-Herstellers sackte um knapp 43 Prozent auf 1,73 Milliarden Euro ab, die Gewinnmarge um 1,7 Prozentpunkte auf 7,3 Prozent. Wegen der US-Importzölle auf Autos und deren Auswirkungen auf die Nachfrage ihrer einkommensstarken Klientel traut sich der Konzern eine Jahresprognose nicht mehr zu. Viel schwerer dürfte wiegen, dass weder die Luxus- noch die Elektrostrategie von CEO Ola Källenius bislang aufgegangen sind (Retten Luxus-Vans die Strategie von Ola Källenius? | Automobilwoche.de). Die Kunden spielen nicht mit, der Nobel-Konzern rutscht ab. CEO Ola Källenius will die Kosten ab 2027 dauerhaft um fünf Milliarden Euro pro Jahr senken, Prämien kürzen, Tariflohnerhöhungen zum Teil einkassieren, und die Mitarbeiteranzahl durch Abfindungsprogramme senken. – Eine Offensivstrategie sieht anders aus.
- Besonders kritisch ist vor allem die Entwicklung bei Sportwagenhersteller Porsche, bei dem die ohnehin gesenkte Renditeerwartung für das Jahr 2025 nochmals drastisch von über 14 Prozent auf nur noch 6,5 bis 8,5 Prozent zurückgenommen werden musste. Obwohl der Konzernumsatz im ersten Quartal 2025 nur bei 8,86 Milliarden Euro (minus 1,7 Prozent gegenüber 1. Vorjahr 2024) stagnierte, halbierte sich das operative Ergebnis um minus 40,6 Prozent auf 760 Millionen Euro. Die operative Umsatzrendite des einstigen in der Automobilwelt Renditesiegers fiel von 14,2 Prozent auf 8,6 Prozent.
- Den Schlussakkord der automobilen Verlustarie setze BMW, allerdings etwas mehr moderato als der Wettbewerb, aber dennoch für CEO Oliver Zipse alles andere als allegro. Der BMW-Umsatz ging um 7,8 Prozent auf 33,8 Milliarden Euro zurück, der Gewinn verringerte sich um 26 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, die Gewinnmarge sank um 1,9 Prozentpunkte auf „nur“ noch 6,9 Prozent. Zum Vergleich: Beim Dauer-Konkurrenten Mercedes-Benz, der sich laut einer Untersuchung von EY noch in 2024 mit einer Marge von 12.8 Prozent als der profitabelste Autokonzern weltweit gesehen hat, fiel die EBIT-Margen auf 7,3 Prozent zurück.
Unbestritten ist die weitere Geschäftsentwicklung im Jahr 2025 für die Branche höchst unsicher: Absehbar härtester China-Verdrängungswettbewerb und das Damokles-Schwert der erratischen Zollpolitik von US-Präsident Trump verunsichern, das vorerst anhaltend schwache Wachstum der deutschen Wirtschaft begrenzt Absatz- und Erholungsspielräume. Positiv wirken dagegen die bloße Existenz einer neuen Regierung und die Erleichterungen bei den Brüsseler CO2-Regulierungen. Absehbar ist: Das Verbrenner-Aus bleibt, wird aber aufgeweicht.
Allerdings kein Grund zur Entwarnung: Die Auswirkungen der US-Zollpolitik werden erst ab April in den Statistikdaten aufscheinen können. Weder VW, noch Audi, noch Mercedes-Benz sehen sich imstande, angesichts der Unwägbarkeiten in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ein Prognose für 2025 abzugeben. Lediglich BMW-CEO Oliver Zipse ist optimistisch, dass die rigide US-Zollpolitik bereits zur Jahresmitte 2025 nachhaltig geändert wird – zum Positiven.
Als größter Automobilexporteur der USA tut BMW sich da auch etwas leichter als die deutschen Kollegen aus Wolfsburg und Stuttgart. Zudem haben die Münchner Autobauer geographisch wie technologisch mit ihrer Antriebstechnologie-Offenheit und ihrer multifunktionalen Produktionstechnik eine erheblich bessere strategische Ausgangsposition als Wettbewerber Ola Källenius in Stuttgart mit seiner „Electric Only“- und „Nur-Luxus“-Strategie.
Fakt ist, dass alle deutschen Hersteller auf dem chinesischen Markt durch die aggressive Modell- und Preispolitik der chinesischen Autohersteller mit Elektroautos kalt erwischt worden sind. Das Problem der deutschen Nobelhersteller ist: Elektroautos nach dem chinesischen Geschmack (Bling-Bling) und für den chinesischen Geldbeutel haben sie aktuell (noch) nicht im Portfolio, und die, die sie haben, sind erheblich teurer als die der einheimischen Wettbewerber. Jüngstes Beispiel: Porsche Imitat Xiaomi kostet bei gleicher Leistung nur ein Drittel des Originals.
Fakt ist aber auch, dass alle deutschen Autobauer, allen voran VW, heftig an der Lösung dieses Problems arbeiten. An Geld mangelt es nicht, es braucht nur Zeit. Ab 2026 dürften die Zeiten für deutsche Autobauer in China allmählich wieder besser werden.
Zum Abschluss noch eine kurze Anmerkung zur Krisen-Vermutung der NZZ, weil Kia die deutschen Nobelmarken Daimler-Benz und BMW im Weltabsatz überholt habe. Wie bereits oben dargelegt, schockt das nicht. Auch BYD ist bereits vor drei Jahren vorbeigezogen. Der Vergleich hinkt, weil hier Automarken verglichen werden, die in völlig verschiedenen Marktsegmenten mit völlig unterschiedlich großen Kundenpotentialen tätig sind.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Absatz- und Gewinneinbrüche auf einzelnen Märkten, so wichtig sie auch sein mögen, haben nichts mit einer generellen Krise der Branche oder der betreffenden Unternehmen zu tun; sie sind schmerzhaft, aber bringen das Unternehmen nicht um, Aktionäre gelegentlich schon.
Anders wäre es, wenn alle Autokunden sich über Nacht dazu entschlössen, aufs Fahrrad umzusteigen oder nur noch zu Fuß zu gehen. Das wäre für die Hersteller der Knock-out. Ansätze für eine solche nachhaltige Auto-Krise gab es erstmals während der ersten Ölkrise 1972/73 und in allen Ölkrisen danach, als der Mineralölstrom zu versiegen drohte.
Selbst das war aber nur vorübergehend, und dann nicht mehr, selbst in der Weltfinanzkrise 2008 nicht. Insofern kann man zuversichtlich sein, dass die deutsche Autoindustrie auch die aktuellen Herausforderungen überstehen wird – die einen besser, die anderen schlechter.