Tichys Einblick
E-Mobilität

Elektroautos ohne Lichterglanz

Für E-Autos war 2024 kein gutes Jahr. An den Absatzproblemen sind jedoch nicht die Autohersteller schuld, weil es angeblich keinen E-Volkswagen gibt – ein Weihnachtsmärchen. An der Spitze der E-Verkäufe stehen auch keine ausländischen, sondern deutsche Marken. Insgesamt sieht die Lage am Automarkt gut aus.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Das Weihnachtsfest naht, überall leuchten die Weihnachtsbäume in vollem Lichterglanz, auf Weihnachtsmärkten und Marktplätzen, in Kirchen und Kaufhäusern. Und auch in den Verkaufsräumen (neudeutsch: show-rooms) der Autohändler.

Hier werfen die Kerzlein am Baum ihr mildes Licht auf dichtgefüllte Stellflächen bei Elektroautos – und kaum belegte bei Verbrennern. Hier strecken die Tannen ihre bunt dekorierten Zweiglein voller Sehnsucht aus nach neuen Kunden. Vor allem für solche, die sich für Autos mit Batterie-E-Antrieb (BEV) interessieren, denn die sind reichlich vorhanden, und nicht für Verbrenner, weil die sind in den niedrigen Preisklassen nahezu ausverkauft.

Für Statistiker endet das Jahr 2024 im Autohandel durchschnittlich, aber mit dem berühmten mathematischen „unechten“ Durchschnitt gerechnet: Denn während das Geschäft mit Verbrennern nahezu boomt, herrscht bei Elektroautos Stillstand. So, als ob schwere Bleibatterien sie unbeweglich wie zu Beginn des Jahrhunderts machten, statt der sündteuren Hochleistungs-Lithium-Ionen-Akkus. Im Durchschnitt also ein ganz passables Geschäftsjahr – aber eben nur für Statistiker.

Die Lager mit neuen wie mit gebrauchten Elektroautos sind randvoll, aber nicht nur beim Handel als letztem Glied in der Absatzkette, auch bei den Autoherstellern quellen sie über. Einstellung von Fertigungsschichten bei Luxus-Elektroautos (Mercedes), Werksschließungen (Ford, in Verhandlung VW), Kurzarbeit und Entlassungen (Audi, Ford, VW), stehen auf der Tagesordnung. Ganz zu schweigen von sämtlichen großen (Bosch, Continental, Schaeffler, ZF usw.) und mittleren (Brose, Dräxelmaier, Hirschvogel ,LuK, Marquardt usw.) und kleinen Zulieferern. Üerall in der Autobranche wird restrukturiert, rationalisiert, zusammengelegt, abgebaut und/oder geschlossen.

Ein Entlassungs-Tsunami rollt zum Jahreswechsel 2024/2025 durch die gesamte deutsche Automobilindustrie, kein Glied in der Wertschöpfungskette kommt unbeschadet davon. Auch nicht die Curry-Wursterei bei VW. Nur zur Erinnerung die legendäre Bewertung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Currywurst … ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion.“ Betroffen ist auch der berühmte „Bäcker um die Ecke“ oder der Lieferant alkoholfreier Getränke.

Von „Oh du fröhliche…“ ist da nichts zu spüren. Und diejenigen, die das ganze Beschäftigungs-Desaster ursächlich angerichtet haben – allerdings mit fleißigen Helferlein in den Führungsetagen der Hersteller an Aller, Rhein, Neckar und Donau wäre das nicht gegangen –, haben in der Zwischenzeit emsig versucht, mit „Autogipfeln“ das Desaster, das sie angerichtet haben, mit Verbrenner-Aus und einäugiger Konzentration nur auf den Batterie-Elektroantrieb zu begrenzen. Sie werden sich im Februar 2025 wieder zur Wahl stellen, durch die Bank in der wohlmeinenden Absicht, die deutsche Wirtschaft aus dem von ihnen selber verursachten Schlamassel zu retten.

Und verbreiten überall das Märchen, die Autoindustrie sei selber an ihren Absatzproblemen bei E-Autos schuld, weil sie keinen Batterie-„Volkswagen“ herstellen würden und den Chinesen bei billigen kleinen BEV das Feld überließen.

Dieses Märchen belegt nur, dass politische Entscheidungsträger offensichtlich von technologisch-physikalischen Zusammenhängen keine Ahnung haben – und beratungsresistent sind. Denn:

  1. Billige „Volkswagen“ unter 25.000 Euro mit gleich hohem Gebrauchsnutzen und hoher Reichweite wie vergleichbare Verbrennerautos (zum Beispiel VW-Käfer) sind in Deutschland nicht herstellbar, nur in Kinderbüchern. Wer von den deutschen Herstellern die Produktion von Volkswagen fordert, muss gleichzeitig sagen, wo die produziert werden sollen. Jedenfalls nicht am Standort Deutschland, wie Emden oder Zwickau.
  2. Billige chinesische Autos, die die deutschen Hersteller verdrängen würden, gehören ebenfalls ins Reich der Fabel. Billige chinesische Elektro-Autos werden in China von Chinesen gekauft, aber genügen in allen Belangen nicht den Anforderungen der Europäer in Europa. Das gilt für den Massenmarkt, in Randmärkten (Altenpflege, Gesundheits-Service etc.) ausgeschlossen.

Im Zentrum der Absatzkrise der deutschen Autohersteller steht ausschließlich das Batterieelektroauto (BEV), nicht das Plug-In-Hybrid-Fahrzeug (PHEV) und erst recht nicht die Voll-Hybride (HEV); diese werden von einem autonomen dualen Antriebssystem mit einem Verbrenner als Hauptmotor und einem Elektro-Hilfsmotor mit Speicher-Akku angetrieben, der intern im Fahrbetrieb immer wieder neu geladen wird. Vorab sei verraten: Der Voll-Hybrid ist Europas Liebling geworden. Toyota, die das System 1989 mit dem Prius aus der Taufe gehoben haben, eilt von Erfolg zu Erfolg und hat VW längst wieder von der Weltmarktspitze verdrängt. Jetzt zeigt sich immer deutlicher, dass VW in der Interregnum-Zeit nach Winterkorn und vor Blume wertvolle Jahre im Wettbewerb verloren hat.

Zwar liegen die KBA-Jahresdaten für 2024 für den deutschen Automarkt erst gegen Mitte Januar 2025 vor, indessen lassen die Daten von Januar bis November 2024 nichts an Trend-Klarheit zu wünschen übrig. Angesichts verworrener Rahmenbedingungen und Unsicherheiten sieht die Lage am deutschen Automarkt insgesamt gut aus! Mit Ausnahme des Elektroauto-Marktes eben.

Der Markt für BEV brach 2024 um rund ein Viertel ein, wobei deutsche Hersteller – anders als in der Öffentlichkeit kolportiert – nur unterdurchschnittlich schrumpften, BMW sogar Zuwächse von fast 20 Prozent verzeichnen konnte. Verlierer waren vor allem chinesische Marken.

Noch ist der deutsche Markt für die deutschen BEV-Hersteller, vor allem VW, nicht verloren, es gibt auch noch andere Lichtblicke.

Das Vorurteil, das bis heute durch sämtliche deutsche Medien geistert, die deutschen Hersteller hätten gegenüber Tesla oder den chinesischen Elektro-Riesen BYD und Hersteller-Kollegen die Elektromobilität verschlafen, und die Absatzkrise bei ihren E-Autos rühre aus mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, entpuppt sich als reines Märchen.

An der Spitze aller Neuzulassungen mit elektrifiziertem Antrieb (BEV, PHEV, Brennstoffzelle) im Jahr 2024 lagen unangefochten:

  1. Mercedes 71.798 Einheiten
  2. VW 66.337
  3. BMW 59.883

Mit deutlichem Abstand folgen die Importmarken Volvo (35.382) und danach bereits die beiden VW Konzernmarken Seat (28.018) und Skoda (26.358). Kein einziger chinesischer Hersteller befindet sich unter den ersten 10 BEV-Bestsellern.

Noch krasser ist das Verhältnis bei der „grünen Politiks Liebling“, den Batterie-Elektroautos BEV. Hier führt:

Tesla erlebt 2024 ein Desaster: Die Verkäufe brechen von Januar bis November um 43,6 Prozent ein.
Teslas Dominanz ist dahin – vier VW-Marken führen im November das Zulassungs-Ranking an. Die stets als lobendes Beispiel in den Medien erwähnte Billig-Marke DACIA musste 2024 mit 3.075 BEV-Verkäufen einen Absatzrückgang von -72,2 Prozent (!) hinnehmen.

Aber auch bei BEV ist der VW-Konzern mit seinen Töchtern Skoda (23.026) und Seat (15.889) mit weitem Abstand Marktführer. Allerdings reicht dieses Verkaufsvolumen in keiner Weise aus, auch nur eines der von VW mit Milliarden-Investitionen transformierten E-Werke zur Hälfte auszulasten.
Ford startet seinen Eintritt in die Welt der Elektroautos auf Geheiß der Großen Mutter (Ford Dearborn) 2024 bis November mit 4.697 Einheiten, immerhin doppelt so viel wie der mächtige chinesische Markteroberer BYD mit 2.472 verkauften BEV (-28 Prozent gegenüber 2023).

Fazit: Alles in allem kristallisierte sich 2024 immer deutlicher heraus, dass

Offensichtlich ist diese Erkenntnis auch in den Führungsetagen bei VW, Porsche, Mercedes und Audi angekommen. Alle, vor allem Mercedes CEO Ole Källenius, die wenige Monate zuvor noch vollmundig vom völligen Ausstieg aus der Verbrennertechnologie gesprochen haben, rudern seit November 2024 mehr oder weniger offen zurück und korrigieren ihre Elektro-Strategie, zuletzt auch Porsche, dessen Elektero-Taycan nahezu unverkäuflich ist.

Nur BMW hat keinen strategischen Änderungsbedarf. Der Münchner Autobauer ist unter CEO Oliver Zipse von Beginn an unverdrossen und achtsam zweigleisig gefahren. BMW hat den Verbrenner nie aufs Abstellgleis geschoben – und muss 2025 trotzdem keine CO2-Strafzahlungen nach Brüssel leisten.

Der legendäre Vorstandsvorsitzende Eberhard von Kuenheim hätte das nicht anders gemacht.

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