Der weltweite Strombedarf steigt kontinuierlich an. Laut der Internationalen Atomenergie-Organisation wird die globale Stromproduktion bis 2030 voraussichtlich um 16 Prozent im Vergleich zu 2023 zunehmen. Haupttreiber dieses Wachstums sind energieintensive Industrien sowie die steigender Bedarf durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. In diesem Kontext rückt die Kernenergie wieder verstärkt in den Fokus: Atomkraftwerke gelten als kostengünstige, zuverlässige und effiziente Quelle, um den Energiebedarf zu decken.
Derzeit deckt die Kernenergie etwa 10 Prozent der globalen Stromerzeugung ab – eine moderate Steigerung gegenüber 2022, als mit 9,2 Prozent der niedrigste Wert seit über vier Jahrzehnten verzeichnet wurde. Angesichts der verstärkten Nachfrage, erwarten Experten nun nach jahrelangem Abwärtstrend einen regelrechten Boom.
Eine aktuelle Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) weist auf eine bevorstehende globale Renaissance der Kernenergie hin. Das Interesse an Atomkraft sei so groß wie seit der Ölkrise in den 1970er Jahren nicht mehr, erklärte die IEA in Paris. Mehr als 40 Länder planen aktuell eine Erweiterung ihrer nuklearen Kapazitäten.
Globaler Aufschwung: Ausbau der Kernkraftkapazitäten
Besonders in Europa wächst das Interesse an Kernkraft deutlich. Länder wie die Niederlande, Schweden, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Polen wollen ihre Kernkraftkapazitäten ausbauen.
Auch große Akteure treiben ihre Pläne entschlossen voran: China führt den globalen Kernkraftausbau an und plant den Bau von 41 neuen Reaktoren in den nächsten 15 Jahren. Russland produziert mit seinen 36 bestehenden Reaktoren derzeit etwa 20 Prozent seines Stroms und strebt einen signifikanten Zubau an. Indien verfolgt ebenfalls ehrgeizige Ziele: Premierminister Narendra Modi hat angekündigt, den Anteil der Kernenergie am Energiemix des Landes innerhalb der nächsten zehn Jahre zu verdreifachen. Hierbei setzt Indien auf eine enge Zusammenarbeit mit seinem BRICS-Partner Russland. Auch in den USA hat die Regierung unter Präsident Joe Biden ein Rahmenwerk vorgestellt, das die Kernenergie als zentrale Säule für saubere Energie stärken soll. Ziel ist es ebenfalls, die Kernenergiekapazität bis 2050 zu verdreifachen. Selbst Japan nimmt die Atomstromproduktion trotz der Katastrophe von Fukushima wieder auf. Von den 33 betriebsbereiten Reaktoren sind zum jetzigen Zeitpunkt 14 wieder am Netz.
Effiziente Energiequelle: Die Kernkraft biete massive Vorteile
Die Länder sehen in der Kernkraft eine verlässliche und kosteneffiziente Energiequelle. Atomkraftwerke bieten eine konstante Stromversorgung, die nicht wie ein Großteil der erneuerbaren Energien von Wetterbedingungen abhängt.
Abgesehen davon zeichnen sich Kernkraftwerke durch eine durchschnittlich doppelt so lange Lebensdauer wie Wind- oder Solarkraftwerke aus. Zudem werden kontinuierlich neue Entwicklungen und innovative Fortschritte im Bereich der Kerntechnologie gemacht. Eine bedeutende Neuerung im Sektor, sind die sogenannten SMR-Reaktoren (Small Modular Reactors).
Diese Reaktoren haben eine elektrische Leistung von bis zu 300 Megawatt und sind physisch deutlich kleiner als herkömmliche Kernkraftwerke, die in der Regel mehr als 1.000 MW erzeugen. Dank ihrer modularen Bauweise können sie in Fabriken vorgefertigt und anschließend an den Einsatzort transportiert werden, was die Bauzeit verkürzt und den Aufwand vor Ort reduziert. Zudem ist das Risiko schwerer Unfälle bei SMRs deutlich geringer. Da diese Reaktoren weniger Kernbrennstoff verwenden und über moderne Sicherheitssysteme verfügen, fällt das potenzielle Schadensausmaß im Falle eines Unfalls deutlich geringer aus.
Ein weiterer Aspekt, der die Kernkraft in einem neuen Licht erscheinen lässt, ist die Lösung eines langjährigen Kritikpunkts: Die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Neueste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass radioaktive Abfälle künftig als Brennstoff für Kraftwerke genutzt werden könnten. Sogenannte Generation-IV-Reaktoren sind darauf ausgelegt, abgebrannte Brennelemente zu verwerten. Diese Technologie ermöglicht es, langlebige radioaktive Elemente, die sonst endgelagert werden müssten, in nutzbare Energie umzuwandeln. Dadurch wird nicht nur der Bedarf an neuem Uran erheblich reduziert, sondern auch das Volumen des zu lagernden Abfalls minimiert.
Obwohl sich diese Reaktoren noch in der Entwicklungsphase befinden, rechnen Experten mit ihrer Einführung in naher Zukunft. In den USA und Tschechien wird intensiv an der Weiterentwicklung geforscht. Wissenschaftler des Instituts für Kernforschung in Řež arbeiten kontinuierlich daran, aus radioaktivem Abfall verwendbare Brennstoffe zu gewinnen. Die Technologie könnte nach aktuellen Einschätzungen des Instituts ab etwa 2040 kommerziell verfügbar sein.
Großteil der deutschen Politik spricht sich gegen die Kernkraft aus
Trotz der zahlreichen Vorteile und Entwicklungen im Bereich der Atomkraft bleibt Deutschland weitgehend bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber dieser Technologie. Dabei war die Einstellung in der Vergangenheit eine völlig andere: Nach der Wiedervereinigung verhalf die Kernkraft Deutschland zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung.
In den 1990er Jahren machte die Kernenergie rund 30 Prozent der deutschen Stromproduktion aus. Zwischen 1961 und 2023 betrieben deutsche Kraftwerke insgesamt 37 Reaktoren, die gemeinsam fast 5.600 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugten.
Der Wendepunkt kam im Jahr 2000, als die rot-grüne Bundesregierung den schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft beschloss. Die Fukushima-Katastrophe im Jahr 2011 gab der Kernkraft in Deutschland den Rest: Die Regierung unter Angela Merkel ordnete die sofortige Abschaltung von acht Kernkraftwerken an und legte einen Plan für den endgültigen Atomausstieg bis Ende 2022 fest. Am 15. April 2023 wurde schließlich das letzte Kapitel der deutschen Kernkraftnutzung geschrieben – mit der endgültigen Abschaltung der verbliebenen drei Reaktoren.
SPD, Grüne, Linke und BSW verteidigen geschlossen den Atomausstieg, der unter Angela Merkel beschlossen wurde, und sehen ihn weiterhin als gerechtfertigt an. Innerhalb der FDP zeigt sich ein gemischtes Bild: Zwar befindet sich im aktuellen Wahlprogramm der Partei die Förderung neuer Kernkraftwerke als Ziel, die Partei lehnte jedoch auf ihrem Bundesparteitag im April 2024 einen Antrag zum Wiedereinstieg in die Atomkraft ab.
Auch die CDU, die noch vor kurzem die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke als strategischen Fehler kritisierte, scheint ihren Kurs geändert zu haben. Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz kommentierte die Reaktivierung der deutschen Kernkraftwerke wie folgt: „Da ist wahrscheinlich nichts mehr zu machen“.
Stattdessen setzt die Parteispitze nun auf den Neubau von Gaskraftwerken. „Wir müssen so schnell wie möglich 50 Gaskraftwerke in Deutschland bauen, die sofort ans Netz gehen“, äußerte Merz gegenüber t-online. Diese Strategie würde jedoch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiter verstärken. Eine Rückkehr zur Kernkraft unter der CDU scheint somit unwahrscheinlich.
Die einzige Partei, die sich derzeit klar für den Ausbau der Kernenergie einsetzt – und somit eine günstige sowie verlässliche Stromversorgung für Haushalte und Unternehmen garantieren möchte – ist die AfD. Sie fordert nicht nur den Ausbau der Kernkraft, sondern auch die sofortige Wiederinbetriebnahme stillgelegter Atomkraftwerke.
Deutschland zieht die ideologische Klimapolitik der Kernkraft vor
Die Rückbesinnung auf Kernkraft und die Teilnahme am globalen Aufschwung sind von entscheidender Bedeutung. Länder wie Deutschland, die sich vehement gegen Kernenergie stellen und stattdessen einer ideologisch geprägten Klimaschutzagenda folgen, riskieren langfristig, vor enormen Herausforderungen zu stehen.
Der Plan, in Zukunft vollständig auf erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft umzusteigen, wie er in der Bundesrepublik verfolgt wird, ist mit massiven Risiken verbunden. Geringe Sonneneinstrahlung und windarme Phasen – in Deutschland keine Seltenheit – führen zwangsläufig zu einer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die in Zeiten ungünstiger Wetterbedingungen einspringen müssen. Die Energiekosten steigen dadurch enorm an.
Obendrein stoßen Kohle- und Gaskraftwerke enorme Mengen an CO2 aus, was dem eigentlichen Ziel des Klimaschutzes, die Emissionen zu senken, diametral entgegensteht. Die geplante Transformation der Energiebranche erweist sich daher zunehmend als ideologisch getrieben. Der Klimaschutz scheint nicht im Interesse der Entscheidungsträger zu sein, sondern viel mehr die Kontrolle und Regulierung der Gesellschaft und der ökonomischen Landschaft.
Um die globale Wettbewerbsfähigkeit durch günstige und stabile Energieversorgung zu sichern, führt an der Kernkraft jedoch kein Weg vorbei.