Tichys Einblick
Lockere Geldpolitik

EZB senkt erneut den Leitzins: Ein riskantes Spiel mit der Inflation

Um die schwache Konjunktur anzukurbeln, hat die Europäische Zentralbank erneut den Leitzins gesenkt. Seit der Zinswende im Juni letzten Jahres ist es die sechste Zinssenkung in Folge. Mit einer derart lockeren Geldpolitik riskiert die EZB eine Überhitzung der Wirtschaft und Rückkehr der Inflation.

IMAGO / Political-Moments

Am 6. März hat die Europäische Zentralbank (EZB) – wie bereits von vielen erwartet – den Leitzins erneut um 25 Basispunkte gesenkt. Damit fiel der Zinssatz von 2,75 auf 2,50 Prozent. Dies markiert bereits die sechste Zinssenkung in Folge seit der geldpolitischen Wende im Juni 2024 und die zweite Senkung im laufenden Jahr. Insgesamt hat die EZB den Leitzins seit Juni letzten Jahres um 150 Basispunkte gesenkt.

Auch für die kommenden Monate zeichnet sich eine Fortsetzung dieser Strategie ab. Die jüngsten Äußerungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde deuten darauf hin, dass weitere Zinsschritte nach unten geplant sind. „Die Geldpolitik wird spürbar weniger restriktiv“, erklärte Lagarde nach der aktuellen Zinsentscheidung.

Auch Marktbeobachter und Analysten gehen fest davon aus, dass die Notenbank in diesem Jahr weitere Lockerungen vornehmen wird. An den Finanzmärkten sind bereits weitere zwei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte weitgehend einkalkuliert.

Lockere Geldpolitik: Ein riskantes Spiel

Der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) als zentrales Instrument der Geldpolitik im Euroraum beeinflusst unmittelbar die wirtschaftliche Dynamik sowie die Inflationsentwicklung und steuert die Kreditvergabe. Steigende Leitzinsen drosseln das Wachstum und senken die Inflation, indem sie Kredite verteuern und die umlaufende Geldmenge reduzieren. Dies führt zu einer abnehmenden Investitionsbereitschaft und einer schwächeren Nachfrage.

Niedrige Leitzinsen hingegen kurbeln die Wirtschaft an, indem sie günstige Finanzierungsbedingungen schaffen, wodurch sowohl die Investitionen als auch der Konsum angeregt werden. Gleichzeitig bergen sie jedoch die Gefahr, die Inflation weiter anzuheizen. Die Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene Strategie zwischen Zinserhöhungen und -senkungen zu verfolgen. Ziel ist es, die Inflation unter Kontrolle zu halten und gleichzeitig das wirtschaftliche Wachstum nachhaltig zu stützen.

Inflation zieht wieder an: EZB muss mit Zinssenkungen behutsam agieren

Angesichts der erneut steigenden Inflation im Euroraum ist eine vorsichtige geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) unerlässlich, denn die radikalen Zinssenkungen der EZB haben zur Wiederbelebung der Inflation beigetragen.

Nachdem die Teuerungsrate ihren Höchststand im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent erreicht hatte, sank sie bis September vergangenen Jahres auf 1,7 Prozent. Doch diese Entwicklung war keineswegs von Bestand. Stattdessen ist die Inflation nun wieder vier Monate in Folge gestiegen. Im Januar 2025 lag sie bei 2,5 Prozent, ehe sie im Februar minimal auf 2,4 Prozent zurückging. Von nachhaltiger Entspannung kann jedoch keine Rede sein.

Die wieder anziehende Inflation ist neben der expansiven Geldpolitik und den überhasteten Zinssenkungen unter anderem auf steigende Energiekosten zurückzuführen, die durch die CO2-Besteuerung weiter nach oben getrieben werden. Auch der Preisanstieg im Dienstleistungssektor trägt zur Teuerung bei.

Um eine erneute Hochinflationsphase, wie sie zu Beginn der 2020er-Jahre zu beobachten war, zu vermeiden, muss die Zentralbank das Zinsniveau auf einem stabilen Niveau halten. Weitere Zinssenkungen bergen das Risiko einer wirtschaftlichen Überhitzung und sollten daher vorerst vermieden werden – zumindest, bis sich die Inflation wieder stabil um die Zwei-Prozent-Marke eingependelt hat.

Gefahr niedriger Zinsen: Lehren aus der Nullzinsphase

Wie stark niedrige Zinsen die Inflation anheizen, zeigt ein Blick auf die Nullzinsphase, die die Europäische Zentralbank von Anfang 2016 bis Mitte 2022 verfolgte. Zwar waren die niedrigen Zinsen zunächst notwendig, um der Wirtschaft nach der globalen Finanzkrise von 2008 und der darauffolgenden Eurokrise in den 2010er-Jahren neuen Schwung zu verleihen.

Doch eine nahezu sechsjährige Phase mit extrem niedrigen Zinsen hatte langfristig gravierende Auswirkungen auf die Verbraucherpreise. Die notwendigen Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation kamen viel zu spät. Erst im Juli 2022, als die Inflation bereits auf alarmierende 8,9 Prozent gestiegen war, leitete die EZB die erste Zinsanhebung ein.

Teure Energie: CO2-Besteuerung treibt Inflation in die Höhe

Neben den geldpolitischen Maßnahmen der EZB spielen auch die Energiepreise eine entscheidende Rolle für die Inflation. Obwohl die Rohstoffpreise für Öl und Gas seit ihren Höchstständen, die nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs erreicht wurden, deutlich gefallen sind, profitieren die Verbraucher kaum davon. Im Gegenteil – an Tankstellen und bei den Heizkosten sind die Preise weiter gestiegen. Der Grund dafür liegt in der stetig steigenden CO2-Bepreisung, die Unternehmen zwingt, Emissionsrechte für den Ausstoß von CO2 zu erwerben und die Kosten an die Endverbraucher weiterzugeben.

Im Bereich Gebäude und Verkehr – also bei Heiz- und Kraftstoffen – regelt das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) die CO2-Besteuerung. In Deutschland wurde dieses System 2021 eingeführt, mit einem Anfangspreis von 25 Euro pro Tonne CO2 für Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel. Seitdem steigt die Abgabe kontinuierlich und hat im laufenden Jahr bereits 55 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 erreicht. Unternehmen, die Heiz- und Kraftstoffe vertreiben, müssen hohe Summen für den Erwerb von Emissionsrechten aufbringen, was letztlich die Preise für Verbraucher in die Höhe treibt, da die Unternehmen die Kosten auf die Verbraucher umlegen.

Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes wird den Bürgern eine zusätzliche finanzielle Belastung aufgebürdet, um sie zum Umstieg auf angeblich klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen oder Elektroautos zu drängen.

Die Ampelregierung hatte ursprünglich versprochen, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung über eine Entlastungsprämie an die Bürger zurückzugeben – doch dieses Versprechen blieb unerfüllt. Dabei erreichten die Einnahmen aus der CO2-Steuer 2024 mit 18,5 Milliarden Euro einen neuen Rekord, wie die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) mitteilte.

Statt in Entlastungsmaßnahmen für die Bürger zu fließen, versickern die Gelder im Staatshaushalt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Entscheidungsträger im Hintergrund durch die Klimaagenda auf dem Rücken der Verbraucher bereichern.

Inflationstreiber: Dienstleistungen und Löhne treiben Teuerung an

Auch der Dienstleistungssektor erweist sich als einer der maßgeblichen Faktoren, die der Inflation im Euroraum Schub verleihen. Im Februar stiegen die Preise in diesem Bereich um 3,7 Prozent. Besonders auffällig ist der Preisanstieg bei touristischen Dienstleistungen, die in den vergangenen Monaten deutlich teurer wurden – ein Trend, der sich insbesondere in Südeuropa zeigte.

Gleichzeitig zogen die Kosten für Versicherungen zum Jahresende 2024 spürbar an, wobei dieser Effekt vor allem in den nördlichen Eurostaaten zu beobachten war. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der Anstieg der Reparaturkosten in Kfz-Werkstätten, der Versicherer dazu veranlasst, ihre Prämien entsprechend anzupassen.

Ein weiteres Problem ist die Lohnentwicklung, die ursprünglich als Gegenmaßnahme zur Hochinflation gedacht war, inzwischen aber selbst zur Teuerung beiträgt. Zum Jahresbeginn 2025 wurde der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von 12,41 Euro auf 12,82 Euro pro Stunde angehoben. Zudem stieg der Grundlohn in der Zeitarbeit ab März auf 14,53 Euro pro Stunde.

Diese Erhöhungen setzen eine Dynamik in Gang, die als Lohn-Preis-Spirale bekannt ist: Höhere Löhne erhöhen die Produktionskosten für Unternehmen, die diese durch Preisanpassungen an den Verbraucher weitergeben. Dadurch entsteht ein Kreislauf, in dem steigende Löhne und Preise sich gegenseitig anheizen und die Inflation weiter befeuern.

Während die Regierung angesichts dieser Situation kaum Handlungsoptionen hat, wäre es umso wichtiger, an anderer Stelle gezielt gegenzusteuern – etwa durch eine Senkung der Energiekosten. Doch mit der fortlaufenden Erhöhung der CO2-Abgaben verfolgt die Politik genau das gegenteilige Ziel und treibt die Inflation künstlich weiter an. Die Inkompetenz der Entscheidungsträger wird in diesem Zusammenhang immer offensichtlicher.

Zudem wäre es möglich, Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen gezielt zu entlasten – etwa durch direkte Steuererleichterungen oder Entlastungszahlungen. Doch stattdessen fließen Steuergelder in ideologische Prestigeprojekte wie die Klimatransformation, Gender-Programme oder die Finanzierung rot-grüner NGOs.

Fazit: Zinssenkungen mit ungewissen Folgen

Die Europäische Zentralbank setzt weiterhin auf Zinssenkungen, doch die Risiken dieser Strategie sind nicht zu unterschätzen. Während niedrige Zinsen kurzfristig die Konjunktur stützen, treiben sie langfristig die Inflation in die Höhe. Es ist ein gefährlicher Kreislauf, den wir bereits aus der Nullzins-Ära kennen.

Statt einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung droht die EZB, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und Hand in Hand mit der Ideologiepolitik eine neue Inflationswelle zu entfachen. Sollte die Inflation erneut außer Kontrolle geraten, dürfte die Notenbank gezwungen sein, abrupte Zinsanhebungen durchzuführen – mit fatalen Folgen für Unternehmen, Kreditnehmer und den gesamten Euroraum.

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