Wenn die Rüstungsindustrie Politikern oder Parteien Spenden zukommen lässt, dann ist das ebenso legitim, wie wenn andere Firmen, Organisationen oder Privatleute dies tun. Vorausgesetzt, es werden dabei die gesetzlichen Vorgaben beachtet und das Ganze erfolgt transparent. Verboten sind Spenden dann, wenn es sich um eine „Erwartungsspende“ handelt. Das heißt, wenn eine Gegenleistung verlangt wird, wenn es also nach Korruption und Käuflichkeit riecht.
Nun hat eine vergleichsweise kleine Rüstungsfirma, hier die Rheinmetall-Tochter „Blackned“, im Januar 2025 acht Bundestagsabgeordnete mit je 2.000 Euro bedacht. Die Blackned GmbH ist als Softwareentwickler eine 51-Prozent-Tochter von Rheinmetall; sie hat ihren Sitz in Heimertingen bei Memmingen mit gut 200 Beschäftigten. Womöglich spendete Blackned, um auf aktuelle Entscheidungen des Haushalts- und Verteidigungsausschuss Einfluss zu nehmen. Es heißt, Blackned habe bewusst Abgeordnete dieses Ausschusses angefragt, „weil da die Macht ist“, wie ein Mitarbeiter des Unternehmens sagte. „Macht” heißt in diesem Fall: Es geht zumal in Zeiten der Wiederertüchtigung der Bundeswehr um Milliardenaufträge für die Rüstungsindustrie. Es ging also prioritär gar nicht um Wahlkampfhilfe.
Blackned schrieb an die Abgeordneten: „Unsere Intention ist es, Abgeordnete, die im Rahmen ihrer Aufgaben für die Ausrüstung der Bundeswehr speziell im digitalen Umfeld einen Beitrag leisten, bei Ihren [sic] Wahlkämpfen für die anstehende Bundestagswahl mit einer kleinen Summe zu unterstützen … Wir würden uns freuen, wenn sie [sic] uns die hierfür notwendigen Kontaktdaten (Kontoinhaber zB. Kreisverband und IBAN) übermitteln würden (…)“
„Wahlkampf“ vorgeschützt? Ging es um aktuelle Milliardenaufträge?
Spende für „Wahlkampf“? Das dürfte vorgeschützt sein. Das Timing fällt in anderer Hinsicht auf, denn aktuell ging es in den Ausschüssen um die Freigabe für sechs große Digitalprojekte im Wert von etwa 20 Milliarden. Und bei mindestens zwei der Projekte ist Blackned beteiligt, etwa die sogenannte IT-Systemintegration, mit der die deutschen Landstreitkräfte moderne Kommunikationstechnik erhalten sollen. Volumen: rund 1,2 Milliarden Euro. Der Anteil von Rheinmetall Electronics: 730 Millionen, der von Blackned GmbH: rund 470 Millionen. Der zweite Deal: ein Militärprojekt zur digitalen Anbindung von Gefechtsständen namens TaWAN. Gesamtvertragswert: rund 5,5 Milliarden Euro, auch hier profitierte Blackned als Unterauftragnehmerin wohl mit knapp 40 Millionen.
Wer die acht begünstigten MdBs sind, ist nur teilweise bekannt. Der CSU-Politiker Reinhard Brandl wurde von Blackned geoutet; er ist Mitglied im Verteidigungsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied des Haushaltsausschusses. Auch MdB Sebastian Schäfer (Grüne) gehört dazu. Schäfer ist Obmann im Haushaltsausschuss. Brandl äußert sich wie folgt: „Zu Spenden sage ich nichts, das gehört für mich zur Professionalität.“ Und: Er halte sich an die Regeln. Schäfer ist erbost über die Spende und sagt: Wer agiere wie Blackned, „der zerstört die öffentliche Unterstützung für die Zeitenwende“. Es schwingt aus Schäfers Sicht bei der Spende „schon Leistung und Gegenleistung mit“.
Blackned-Mann Obermark betont übrigens, auch Abgeordnete von SPD und FDP hätten Geld erhalten. Obermark sagt auch, seine Firma spende an Abgeordnete, die darum „gebeten“ hätten. Die Wochenzeitung ZEIT fragte schließlich in den Ausschüssen an, wer Geld angenommen habe. Vier Abgeordnete wollten keine Stellung zu möglichen Spenden nehmen oder meldeten sich nicht zurück. Obermark behauptet: Nur einer habe abgelehnt, „ein Haushälter“ – offenkundig Schäfer.
Spenden der Rüstungsindustrie ein Buch mit sieben Siegeln
Was die Rüstungsindustrie der Politik über Jahre hinweg an Spenden hat zukommen lassen, scheint ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Laut Auskünften des Bundestages sollen es in den Jahren 2005 bis 2022 1,83 Millionen gewesen sein, davon 55 Prozent für CDU/CSU. 1,83 Millionen? Nur? Auch die 417 Seiten umfassende, mittlerweile fast zwei Jahre alte Spenden-Auflistung des Bundestages vom 6. März 2023 ergibt vermutlich keinen kompletten Überblick. Und neuere Auflistungen gibt es nicht.
TE hat einfach mal punktuell und ohne Anspruch auf Repräsentativität recherchiert, was es an Spenden gab und was auffiel. Zum Beispiel bekam der damalige Hamburger SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs für seinen Bundestagswahlkampf 2005 knapp 60.000 Euro Unterstützung von den Panzerherstellern Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Nachdem Kahrs erneut in den Bundestag gewählt war, saß er als SPD-Beauftragter für den Verteidigungsetat im Haushaltsausschuss und war dort in den Ankauf von Waffensystemen der beiden Rüstungsschmieden involviert. Der „Tagesspiegel“ vom 29.09.2006 und die „Hamburger Morgenpost“ vom 14.10.2006 haben darüber berichtet. Kahrs ist viel später zweimal spektakulär in Erscheinung getreten: Im Mai 2020 gab er sein Bundestagsmandat auf, weil seine eigene Partei ihn nicht als Wehrbeauftragten haben wollte. Im Sommer 2022 fanden Ermittler im Zuge der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals in einem Schließfach von Kahrs 200.000 Euro. Die Herkunft dieses Geldes ist bis heute nicht geklärt.
Im Jahr 2014 spendete der Südwestmetall-Verband deutschen Parteien mehrere hunderttausend Euro. Zu Südwestmetall gehören zum Beispiel der Waffenproduzent Heckler & Koch sowie Diehl Defence und MTU. Auch die „Grünen“ – damals noch stramm pazifistisch aufgestellt – wurden mit 100.000 Euro bedacht. Der damalige Parteischatzmeister Benedikt Mayer erklärte dazu, bei Südwestmetall seien nicht nur Rüstungsfirmen organisiert, sondern auch solche, „die Umweltschutztechnologie herstellen“.
Fazit: Dummheit auf beiden Seiten
Wenn Abgeordnete inmitten kostspieliger Ausschussentscheidungen und im Vorfeld einer Bundestagswahl Spenden der Rüstungsindustrie annehmen, riecht es streng nach Käuflichkeit. Und nach politischer Dummheit! Zumal es nennenswerte Widerstände in der Wählerschaft gegen eine weitere, dennoch längst überfällige Ertüchtigung der Bundeswehr gibt.
Dumm handelt aber auch die Rüstungsindustrie. Allein schon deshalb, weil sie nicht überall ein gutes Image genießt. Im Übrigen wird die deutsche Rüstungsindustrie ohnehin Milliardenaufträge bekommen. Auch ohne Spenden. Denn keine Bundestagsmehrheit wird wollen, dass noch mehr Milliardenaufträge für Rüstung ins Ausland abwandern. Das wäre ein zusätzliches Stück der von der „Ampel“ ohnehin eingeleiteten Deindustrialisierung Deutschlands.