Tichys Einblick
Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025

Wahlen in unruhiger Zeit

Das Wahlergebnis entspricht bis auf kleinere Abweichungen den Umfrageergebnissen der letzten Wochen. Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.

picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl war innen- wie außenpolitisch viel Dampf im Kessel. Die auf 82,5 Prozent (+6,1) gestiegene Wahlbeteiligung drückt aus, dass es für deutlich mehr Wähler als bei den letzten Bundestagswahlen um wichtige Themen ging.

Das Wahlergebnis entspricht bis auf kleinere Abweichungen den Umfrageergebnissen der letzten Wochen. Der zuletzt sehr intensive mediale Wahlkampf hat zu keinen nennenswerten Veränderungen geführt.

Wie erwartet wurde die CDU/CSU (28,5 Prozent; +4,4) stärkste Partei. Ihr Spitzenkandidat Friedrich Merz hat damit den Auftrag zur Regierungsbildung. Unionsintern verbesserten sich CDU (22,6 Prozent; +3,6) und CSU (6,0 Prozent; +0,8). Strahlende Sieger sehen aber anders aus. Die Unionsparteien verpassten das unausgesprochene Ziel der 30-Prozent-Marke. Auch gelang es ihnen nicht, den schon lange sichtbaren spektakulären Aufschwung der AfD (20,8 Prozent; +10,4) zu verhindern, die ihr Ergebnis von 2021 verdoppeln konnte.

Wie erwartet mussten die Ampelparteien eine krachende Niederlage hinnehmen. SPD (16,4 Prozent; -9,3), GRÜNE (11,6 Prozent; -3,1) und FDP (4,3 Prozent; -7,1) verloren insgesamt fast 20 Prozentpunkte. Die Unzufriedenheit mit den Leistungen der abgewählten Bundesregierung und ihrem Spitzenpersonal fiel damit sehr deutlich aus.

Dass die LINKE (8,8 Prozent; +3,9) nach der Abspaltung des BSW wieder in den Bundestag kommen würde, war lange Zeit bezweifelt worden. Die Umfragen der letzten Wochen hatten jedoch eine ständige Verbesserung gezeigt, sodass an einem Wiedereinzug zuletzt keine Zweifel bestanden. Als Gründe für den Erfolg der LINKE werden eine Reaktion „links“ eingestellter Wähler auf die starke Zunahme der AfD genannt, aber auch ein wohl sehr erfolgreicher Wahlkampf in den sozialen Medien. Offensichtlich hat die LINKE auch davon profitiert, dass in naher Zukunft vor allem von der absehbar „wieder Regierungspartei“ SPD, aber auch von den Grünen, eine engagierte linke Politik nicht mehr erwartet wird.

Vor der Wahl war fraglich, ob FDP und BSW, beide oder eine dieser Parteien die 5-Prozent-Hürde überspringen würden. Im Falle des BSW blieb diese Frage lange offen, letztlich scheiterte die Partei mit 4,97 Prozent knapp, wobei 13.700 Stimmen als Differenz zu glatten 5 Prozent genannt werden. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Forderung des BSW, das Ergebnis zu überprüfen, erfolgreich sein wird.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Dass nun zum zweiten Mal der Regierungsauftrag an eine Partei geht, die weniger als 30 Prozent der Wählerstimmen erhalten hat, wäre noch vor 10 Jahren kaum vorstellbar gewesen. Aber der soziale Wandel hat die Stammwähler reduziert und die potentiellen Wechselwähler dafür sensibilisiert, wie die politischen Themen vom politischen Spitzenpersonal bearbeitet werden. Bemerkenswert ist aber auch, dass sich fast 14 Prozent der Wähler für ausgesprochen „linke“ Parteien entschieden haben, die politischen Ränder breiter geworden sind und die Mitte schlanker.

Was folgt aus dem Wahlergebnis?

Vor allem die Wähler der Unionsparteien, der AfD und der LINKE wollen einen Politikwechsel. Aber wie soll das geschehen? Aus dem Wahlergebnis folgt der Auftrag zur Regierungsbildung für Friedrich Merz und die Unionsparteien. Da FDP und BSW an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind, genügen zwei Parteien, um eine Regierungsmehrheit zu erreichen. Da Friedrich Merz vor der Wahl eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat, kommt nur eine Koalition aus CDU/CSU und SPD in Frage. Dass die Sozialdemokraten, nachdem sie gerade als bisher führende Regierungspartei der Ampel gescheitert sind, direkt wieder als Koalitionspartner der CDU/CSU gebraucht werden, ist eine Herausforderung der besonderen Art und wäre das auch für jede andere Partei. Wie glaubwürdig kann ein Politikwechsel unter diesen Umständen sein?

Die Themen, die den Wahlkampf bestimmten, sind schon längere Zeit bekannt:

• Reduzierung der illegalen Migration
• Wirtschaftswachstum
• Senkung der Energiepreise
• Senkung der Kosten der Lebenshaltung
• Begrenzung der Mietpreise
• Wohnungsbau

Die Liste ließe sich noch verlängern, wobei aufgrund der veränderten außenpolitischen Lage der Verstärkung der Verteidigungsbereitschaft eine besondere Bedeutung zukommt.

Die meisten der angeführten Themen sind für Mehrheiten der CDU/CSU-Wählerschaft und der Anhänger der AfD, aber auch für große Gruppen in allen anderen Parteilagern von größter Bedeutung. Inwieweit es der noch zu bildenden Koalitionsregierung gelingen wird, diese Herausforderungen so zu bearbeiten, dass die Mehrheit der Wähler einen Politikwechsel empfindet, wird darüber entscheiden, ob AfD und LINKE noch stärker werden.

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