Ende August 2022 hatte Annalena Baerbock bereits das Selbstverständnis von Deutschlands dysfunktionalen Eliten mit Blick auf die Ukraine auf einer Podiumsdiskussion in Prag in der unreflektierten Art, die man von ihr kennt, verkündet: „Aber wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen zu euch, solange ihr uns braucht‘, dann will ich das auch halten. Egal, was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern.“
„Für die ukrainische Bevölkerung“ wollte sie liefern, nicht für ihre deutschen Wähler. Damit verlieh sie der seit 2015 herrschenden politischen Maxime „Deutschland zuletzt“ eine neue Facette. Eine Diskussion über Deutschlands Rolle im Krieg in der Ukraine wurde strikt unterbunden, andere Meinungen, Argumente und Analysen, die zu anderen Schlüssen kamen, wurden unterdrückt, in dem die eigene Doktrin sakralisiert, moralisiert und totalisiert wurde und die Vertreter anderer Auffassungen als Putinisten und in der Art banalster Verschwörungstheorien als Agenten Russlands verleumdet wurden. Statt Argumentation pflegen deutsche Politiker und Propagandaschaffende Herabsetzung und Kriminalisierung.
Es war dem Bundeskanzler Scholz zu verdanken, dass er die Lieferung der Taurus verhinderte, die von Baerbock bis Merz, von Hofreiter über Strack-Zimmermann bis Kiesewetter nur allzu sehr gewünscht war. Was diese Leute in ihrem Leichtsinn nicht im Mindesten bedachten, war, dass die Lieferung der Taurus Deutschland zur Kriegspartei gemacht hätte. Nicht Polen, nicht Frankreich, nicht Großbritannien, sondern Deutschland, denn die Taurus ist die einzige Waffe, die bis Moskau reicht. Selbst ein Klippschüler internationaler Politik hätte erkannt, dass eine Situation eintreten könnte, in der es in Selenskyjs Interesse steht, Deutschland aktiv in den Krieg hineinzuziehen. Dass es so ist, hat er gerade in Washington bewiesen. Der exzellenten Analyse Frank Lübberdings auf TE ist nichts hinzuzufügen. Es lohnt aber, einen Blick auf die deutschen Reaktionen auf den Eklat in Washington zu werfen.
Überraschte schon die Heftigkeit der Reaktionen auf die Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, der im Grunde nichts anderes tat, als die Grundsätze der Demokratie und der Freiheit den Anwesenden ins Gedächtnis zu rufen, die einfache Wahrheit, dass das Volk nicht der große und dumme Lümmel ist, der ständig von den dysfunktionalen Eliten zu belehren und zu schurigeln ist, sondern der Souverän, so lassen die Reaktionen auf den Eklat in Washington Vernunft und Wirklichkeitssinn vermissen. Die Außenministerin Baerbock schwang sich zu einem Pathos auf, dass jede vorstellbare Parodie noch übertraf.
Für Baerbock hatte ein neues „Zeitalter der Ruchlosigkeit“ begonnen. Wo hat Annalena Baerbock eigentlich bis heute gelebt und wer hat ihr dieses Wort geschenkt? Dass ein Treffen zwischen zwei Staatsoberhäuptern im Dissens endet, ist für Baerbock ruchlos, also niederträchtig und gemein, doch dieses Wort kam ihr nicht über die Lippen, als die Hamas-Mörder Juden töteten, Juden in den Hamas-Streifen verschleppten, misshandelten und einige von ihnen ermordeten. Stattdessen hilft Baerbocks Ministerium, den Hamas-Streifen zu finanzieren und dadurch mittelbar die Hamas. Als ruchlos klassifizierte Baerbock auch nicht den Terror von Solingen, den Terror von Magdeburg, den Terror von Aschaffenburg und München. Auch nicht, dass der Mörder von Aschaffenburg – wie könnte es anders sein? – „psychisch erkrankt“ ist und unserer Nachsicht und unseres Mitleids bedarf. Nichts Neues also in Deutschland.
Wirklichkeitsverlust zeigt sich in der Überhöhung der Moral, im Verlust der Fähigkeit zur Differenzierung. Baerbocks Empörung ist nicht mehr steigerungsfähig, die Möglichkeiten flexiblen und vor allem adäquaten Handelns haben damit ihren sprachlichen Höhepunkt und mithin ihre Handlungsunfähigkeit erreicht. Baerbocks Aufstampfen ist so lächerlich, so fern jeglichen Verständnisses von Politik und Geschichte, dass sie als Dilettantin der Geschichte entlarvt: „Eine neue Zeit der Ruchlosigkeit hat begonnen, eine ruchlose Zeit, in der wir der regelbasierten internationalen Ordnung und die Stärke des Rechts mehr denn je gegen die Macht des Stärkeren verteidigen müssen.“
Von welcher „regelbasierten internationalen Ordnung“ spricht Baerbock? Von dem Angriff der Hamas auf Israel mit Unterstützung des Irans, der seine neue Stärke auch den fehlgeleiteten Bemühungen eines Außenministers Frank-Walter Steinmeiers verdankt, von der Eroberung Syriens durch Islamisten, die ihr den Handschlag verweigerten, von der Eroberung Afghanistans durch die Taliban, von der Annullierung der demokratischen Wahlen in Rumänien, von der Mit-Finanzierung des Wahlsiegs von Tusk in Polen durch die Biden-Administration?
Als hätte Baerbock für Deutschlands internationale Reputation nicht schon genügend Schaden angerichtet, fordert sie: „Wir müssen unsere deutsche Unterstützung für die Ukraine nochmal ausbauen und zwar unverzüglich! Ich appelliere an alle im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien daher jetzt, die blockierten 3 Milliarden Euro Hilfsgelder für die Ukraine freizugeben.“ Man kann, wenn man Baerbock zuhört, sich nicht völlig des Eindrucks erwehren, dass Deutschlands einzige Rolle und ganze Existenz darin besteht, Wolodymyr Selenskyj zu dienen.
Auch der Präsident des rot-grünen Establishment, Frank-Walter Steinmeier, poltert: „Die Szene gestern im Weißen Haus ließ mir den Atem stocken. Nie hätte ich geglaubt, dass wir einmal die Ukraine vor den USA in Schutz nehmen müssen.“ Ein Bundespräsident, der für Ausgleich sorgen soll, spaltet weiter das Land. Er hat im Amt versagt und das Amt beschädigt. Nicht wie ein Bundespräsident, sondern wie ein Parteipolitiker, den er nie in sich zu überwinden vermochte, redet Steinmeier, wenn er sagt: „Wir müssen verhindern, dass die Ukraine eine Unterwerfung akzeptieren muss. Deshalb braucht unser Land jetzt schnell eine starke Regierung.“
Erstens benötigt Deutschland schnell eine handlungsfähige Regierung nicht wegen der Ukraine, sondern wegen des Verlustes der inneren Sicherheit, des Zusammenbruchs der Infrastruktur, des Gesundheitswesens, der Habeck-Rezession, um dem Niedergang, den die Union, die SPD, die Grünen und die FDP zu verantworten haben, was dem Bundespräsidenten entgangen zu sein scheint. Zweitens sollte der Bundespräsident wissen, dass die Ukraine vor allem eine Waffenruhe benötigt, damit das Morden und Sterben in der Ukraine aufhört, der Blutwolf zum Stillstand kommt. Denn auch während Steinmeier in luftiger Höhe auf dem Flug nach Uruguay über eine „Unterwerfung“ räsoniert, sterben Menschen, junge Männer an der Front, die sich nicht vom Militärdienst befreien oder loskaufen konnten.
Felix Banaszak, der es verzog, keinen Wehrdienst zu leisten, genauso wie die anderen Helden der Grünen, Habeck und Hofreiter, verkündete in moralisch schimmernder Wehr, die Ukraine könne sich darauf verlassen, „dass wir zusammen mit unseren europäischen Verbündeten an ihrer Seite stehen“. Natürlich will auch Banaszak die Schuldenbremse kippen.
Giorgia Meloni sprach sich realistisch dafür aus, dass ein Gipfel zwischen den USA und der EU stattfinden sollte. Doch das kann von der Leyen, aber auch die deutsche Falken-Fraktion nicht riskieren, denn Europa ist nicht einig. Zwar stehen alle Staaten Europas an der Seite der Ukraine, was aber nicht automatisch bedeutet, dass alle Europäer an der Seite Selenskyjs stehen.
Oleksiyj Arestowitsch, der 2023 zurückgetretene Berater Selenskyjs, schrieb auf X: „Es ist klar, dass Präsident Trump dabei helfen will, einen Frieden auf dem Verhandlungswege zu finden, der beide Seiten zufriedenstellt. Und wir müssen bedenken, dass das, was in der Öffentlichkeit als Eröffnungsangebot geäußert wird, nicht immer dem entspricht, was in einer endgültigen Vereinbarung steht. Präsident Selenskyj hätte nicht auf Präsident Trump reagieren sollen, als wäre dessen Position seine ‚endgültige‘ Position, sondern verstehen sollen, dass die wirklichen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, nicht vor den Medien.“
Der Oppositionspolitiker Oleksii Goncharenko sagte der New York Times: Selenskyj „glaubt an die Ein-Mann-Show, aber das funktioniert nicht“. Der Präsident habe sich mit Getreuen umgeben und ignoriere den Rat der Opposition: „Wir sind nicht Russland.“ Der ukrainische Oppositionsabgeordnete Mykola Kniazhytskyi schrieb: „Das amerikanische Volk sollte sich sicher sein: Die Ukrainer wollen vor allem Frieden.“
Laut einer Umfrage der New York Times würde der frühere Oberkommandeur der ukrainischen Streitkräfte Walerij Saluschnyj, den Selenskyj geschasst hatte, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen mit 24 Prozent der Stimmen gewinnen, Selenskyj läge mit 16 Prozent auf Platz zwei, Tymoschenko käme auf 12 Prozent. Eine Umfrage vom November 2024 in der Ukraine, die das Meinungsforschungsinstitut Gallup durchführte, ergab, dass 52 Prozent der Ukrainer Friedensverhandlungen mit Russland befürworten und nur 38 Prozent sich dafür aussprechen, den Kampf fortzusetzen. Selenskyjs Politik ist in der Ukraine nicht unumstritten, seine Popularität sinkt.
Der Streit in Washington dürfte die Zweifel an seiner Amtsführung in der Ukraine erhöhen. Trumps letzter Satz lautete, was von der Falken-Fraktion in der Politik und den Medien nicht gewürdigt wurde, dass Selenskyj gern wiederkommen dürfe, wenn er Frieden wünscht. Es wäre gut, wenn deutsche Medien nicht Propaganda senden würden, sondern differenziert über die Situation in der Ukraine zu berichten wüssten.
Es liegt im deutschen Interesse, mit den USA gemeinsam auf einen Frieden in der Ukraine hinzuwirken und einen ukrainischen Präsidenten zu beruhigen, bei dem die Nerven blank zu liegen scheinen, auf ihn mäßigend einzuwirken, anstatt hysterisch zur Eskalation beizutragen. Es sind jetzt Staatsmänner oder auch -frauen gefragt, nicht Parteipolitiker.