Tichys Einblick
Mission Größenwahn:

Will der hohe Herr der Grünen gebeten werden?

Sein Name wurde gepriesen, seine Worte verklärt, seine Politik zur Glaubensfrage erhoben – doch die Wähler haben den medialen Kult einer linken Blase um Robert Habeck nicht bestätigt. Seine Anhänger möchten nun in absurden Petitionen sein Comeback herbeibeten – ein letzter, verzweifelter Versuch, den Mythos am Leben zu halten.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler

Am 25. Februar 1956, also vor genau 69 Jahren, hielt zum Abschluss des XX. Parteitages der KPdSU Nikita Chruschtschow eine Rede, in der er halbherzig zwar, aber dennoch begann, mit Stalin abzurechnen. Vor allem hielt er es für „unzulässig“, „eine einzelne Person herauszuheben und sie in eine Art Übermensch mit übernatürlichen, gottähnlichen Eigenschaften zu verwandeln. Dieser Mensch weiß angeblich alles, sieht alles, denkt für alle, vermag alles zu tun, ist unfehlbar in seinem Handeln.“

Die Überhöhung des Menschen Robert Habeck stellte den Inhalt der Wahlkampagne des Kanzlerkandidaten Robert Habeck dar. Um sich über die anderen Kanzlerkandidaten im Status zu überheben, ließ er sich dann auch feudalistisch zum „Kandidat[en] für die Menschen in Deutschland“ ausrufen, zum Kandidaten seiner Menschen, die am Ende höchstens 11,3 Prozent ausmachten.

Interessant an Habecks Wahlkampf war, dass er im Gegensatz zu allen anderen Kampagnen aller anderen Parteien ohne Fakten und Argumente auskam und in der religiösen Inszenierung eines gottgleichen Menschen gipfelte, der am Ende als grüngesandter Bündnispatriarch, wie er vom Münchener Siegestor strahlte, die Menschen zusammenführen wollte. Habeck und dessen Apostel glauben wirklich, dass wie Gott über den Wassern Robert Habeck über den Parteien schweben würde. Interessant war es, wie im Verlauf des Wahlkampfes der menschliche, allzu menschliche Robert Habeck vom Küchentisch in den Kandidaten-Runden und in den Reden des Bundestages immer wieder in den tiefsten Jargon rutschte, den man umgangssprachlich als Pöbeln bezeichnen könnte.

Da wurde den Abgeordneten der AfD ein „animalisches Grunzen“ attestiert, frühere Bundesminister aus der Union als „Vögel“ bezeichnet, den Deutschen unterstellt, dass sie faul wären, larmoyant, nicht arbeiten würden, als er im Quadrell sagte: „Machen wir mal den Rücken gerade, geben wir nicht immer anderen die Schuld, sondern fangen wir mal an zu arbeiten, also Aufhören rumzuheulen und wieder die eigene Stärke entwickeln … immer nur dieses Gedröhne: alles geht den Bach runter … ich weiß auch nicht … soll ich hier weggehen…“, Letzteres versuchte Habeck dann noch billig sprachlich zu karikieren. Die Menschen in Deutschland sind also laut Habeck weinerlich und faul, sollten endlich mal den Rücken gerade machen, um Habecks Ideen zu verwirklichen. Denn es ist eine Frage des geraden Rückens und des Fleißes und des Glaubens an Robert Habeck, die Physik, die Chemie, die Biologie, die Mathematik und das Wissen über Wirtschaft zu überwinden. Oder wie es Ernesto „Che“ Guevara sagte: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“

Dass es Robert Habeck ist, für den an der Habeck-Rezession alle anderen schuld sind, nämlich Wladimir Putin, Angela Merkel, Christian Lindner, die Union und nun auch noch die faulen und larmoyanten Deutschen, zeugt nur von der Weltfremdheit des Wirtschaftsministers, der das Thema Wirtschaft im Wahlkampf weitgehend umschiffte. Nicht düstere Zahlen, sondern das strahlende der Zukunft zugewandte Antlitz Robert Habecks, des Erlösers, sollte dem Wähler präsentiert werden.

Dass Habeck jedoch alles, was mit Wirtschaft zusammenhängt, vollkommen fremd ist und nach drei Jahren im Amt fremd geblieben ist, bewies der größte grüne Politiker aller Zeiten am Tage nach der Wahl auf der Pressekonferenz, auf der er tatsächlich sagte: „Es war ein großartiger Wahlkampf, die Mobilisierung der Partei war stark, die Kampagne war toll … und ich will auch sagen für mich, …, das war der Wahlkampf, den ich führen wollte, das war das politische Angebot, das ich unterbreiten wollte und das ich unterbreitet habe, ich bin also sehr zufrieden und sehr eins mit dem, was da passiert ist, …, dieses Ergebnis entspricht nicht meinen Erwartungen, nicht meinen Vorstellungen.“ Oder wie das Habeckblatt, das sich umzuorientieren beginnt, vermeldet: „Das Angebot sei ‚top‘ gewesen, nur die Nachfrage nicht.“ Ein Wirtschaftsminister, der nicht einmal weiß, dass es ruinös ist, ein Angebot in den Markt zu bringen, für das keine Nachfrage existiert, ist dann zwar nicht gescheitert, der hört nur auf zu regieren. Pinguine kaufen nun mal keine Kühlschränke. Wusste nur niemand bei den Grünen, weil sie an die Erderwärmung glauben.

Kaum hatte Robert Habeck mit der allergrößten Geste pathetisch den Verzicht nicht auf das Bundestagsmandat, sondern auf eine führende Rolle bei den Grünen bekanntgegeben, ermöglichte die Kampagnen-Organisation Campact einem Konstantin Kugler eine Petition zu starten, in der es heißt: „Du bist für viele ein Hoffnungsträger. Und Hoffnungsträger dürfen nicht gehen, wenn sie am meisten gebraucht werden, sondern müssen Führung und Verantwortung übernehmen.“ Wer den Ton von Stalins Personenkult in die zwanziger Jahre des 21. Jahrhundert transponiert wissen möchte, muss nur in Kuglers Petition schauen: „Wir verstehen, dass die letzten Wochen auch von dir viel gefordert haben. Trotzdem wenden wir uns an dich, da wir überzeugt sind, dass Deutschland, Europa und die Welt dich brauchen.“ Sogar die Welt. Warum Kugler nicht das Sonnensystem und die ganze Milchstraße hinzugefügt hat, tangiert schon eine Missachtung des Retters des Universums, denn „gerade in einer solchen Zeit braucht es Menschen – und noch wichtiger Führungspersönlichkeiten – wie dich. Du hörst zu, wägst ab, fühlst mit, suchst die Verantwortung und willst die Zukunft mit und für die Menschen gestalten. Du widersetzt dich dem oftmals rückwärtsgewandten, zynischen und entmenschlichten Diskurs und stehst ein für Verstand, Zusammenhalt und Zuversicht. Und genau damit hast du zehntausende Menschen mobilisiert, sowohl für dich als auch für die Werte, die Vision und die Art der Politik, die du vertrittst.“

Und wie wir alle dank Robert Habeck nun wissen, ist Zuversicht Arbeit an der Hoffnung, weil das Fundament die Grundlage unserer Basis ist und die klimaneutrale Gesellschaft siegen wird. Mögen auch die fossilen Heerscharen aufstehen, wird sie doch Robert Habecks gewaltige Rhetorik niederschmettern. Denn „Die Partei,/Die Partei, die hat immer recht./Und, Genossen, es bleibe dabei./Denn wer kämpft/Für das Recht, der hat immer recht/Gegen Lüge und Ausbeuterei./Wer das Leben beleidigt,/Ist dumm oder schlecht./Wer die Menschheit verteidigt,/Hat immer recht.“ Und für heute paraphrasiert: „So, aus Trittinschem Geist,/Wächst von Habeck geschweißt,/ die Partei, die Partei, die Partei“.

Auf X flossen bittere Tränen der Anhänger über Habecks Wahlniederlage, den sie alle schon im Kanzleramt wähnten. Einige witterten bereits eine finstere Verschwörung von unvermuteter Seite, nämlich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Kein Geringerer als der Generalissimus der Grünen, Robert Habeck, wies kurz vor der Wahl bereits in Richtung dieser Abtrünnigen, die die AfD „durch die Einbeziehung in die Wahlkampfarenen, durch die Art, wie diese Wahlkampfarenen dann gemacht wurden“, normalisiert und den Grünen geschadet haben. Auf diese Interpretation sprangen die Habeck-Gläubigen sofort auf, als sie posteten:

Konstantin Kugler zitiert einen der wahrhaft tiefsinnigen Sätze aus Habecks Buch vom Bach runter oder rauf: „‚Die Zeiten sind anspruchsvoll und fordern viel von vielen‘, schreibst du in deinem Buch und damit hast du recht.“ Um dann sogar selbständig weiterzudenken: „Menschen haben Zukunftsangst und verspüren ein Gefühl der Machtlosigkeit im Angesicht der geopolitischen Verschiebung, einer fortschreitenden Klimakrise, steigender Ungleichheit sowie der Bedrohung der Demokratie, der Freiheit und des Friedens.“ Über 200 000 „Zeugen Roberts“ sollen Kuglers „Robertunser“ schon unterschrieben haben.

Weiß man schon, wie viele Stimmen notwendig sind, um Habeck „umzustimmen“? Weiß man, ob Robert Habeck gerufen werden will, ob er zurückkehrt, der Kandidat der Menschen mit dem Mandat der Menschen? Man darf auf den Fortgang des Weihespiels mittelmäßig gespannt sein, wenn man sich nicht für Politik, sondern für Weihespiele interessiert. Mit Robert Habeck ist jedenfalls die Sakralität oder der Personenkult in die deutsche Politik zurückgekehrt, vielleicht ist das auch dasselbe, Personenkult als innerweltliche Sakralität.

So oder so hat Robert Habeck die Politik irrationalisiert. Es wird Zeit für die Grünen zu lernen, dass die Welt kein Buddelkasten ist und dass sie, wenn sie politische Verantwortung übernehmen und wirklich dem Land dienen wollen, erwachsen werden und den Narzissmus überwinden müssen, ansonsten wäre es gut, wenn sie den Wiederaufbau des Landes nicht behindern würden, denn Deutschland glaubt immer weniger an Grüne Ego-Spielchen.


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