Tichys Einblick
Liebesentzug für die Grünen

Robert Habeck im Kälteschock

Nach einem scheinbar endlosen Höhenflug geht es für die Grünen nun steil nach unten. Bürger wenden sich ab, nur der harte Kern der Gläubigen bleibt übrig. Die Partei trauert der Zuneigung nach. Sie tut das nicht erwachsen, sondern infantil – und das heißt: brutal.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Erinnern Sie sich an Ikarus? Das war der olle Grieche, der sich mit Flügeln aus Federn und Wachs in den Himmel schwang. Trotz intensiver Warnungen wurde er übermütig und stieg so hoch hinauf, dass er der Sonne zu nahe kam. Die Hitze ließ das Wachs seiner Flügel schmelzen, die Federn lösten sich, und der vermeintliche Überflieger stürzte ab.

Es wird Sie jetzt nicht übermäßig überraschen, dass an dieser Stelle der Übergang zu den Grünen folgt.

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Ähnlich wie im Marxismus-Leninismus die Menschheitsgeschichte immer nur in eine Richtung verläuft, an deren zwangsläufigem Ende der Kommunismus steht, so schien auch die Entwicklung der grünen Partei und Bewegung nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Es ist noch gar nicht lange her, da eilte man von Wahlsieg zu Wahlsieg und von einer Regierungsbeteiligung zur nächsten.

Der zwangsläufige Endpunkt schien unausweichlich die Eroberung des Kanzleramts durch einen Grünen – also diesmal durch ein echtes eigenes Parteimitglied und nicht durch eine unter falscher Flagge segelnde Sympathisantin wie Angela Merkel.

Erfolg macht sexy. Die Menschen scharen sich lieber um Gewinner als um Verlierer, und so wurden immer neue Umfragehöchstwerte zu einem sich selbst verstärkenden Phänomen. Dazu kam, dass nicht wenigen Menschen grüne Schlüsselwörter prinzipiell ja durchaus sympathisch waren: Umweltschutz, Naturschutz, Verantwortung für den Planeten und Bewahrung der Schöpfung – wer nicht sowieso vehement dafür war, war zumindest auch nicht dagegen.

Kein Zweifel: Der Zeitgeist war grün.

Das galt besonders für die traditionellen Medien. Unter den dortigen Journalisten haben die Grünen mehr Anhänger als alle anderen Parteien zusammen. In der Langzeitstudie „Journalismus und Demokratie“ haben im Jahr 2024 von 525 befragten Journalisten in Deutschland 41 Prozent angegeben, den Grünen nahezustehen. Die SPD auf Platz zwei kommt gerade noch auf 16 Prozent, die AfD ist im nicht messbaren Bereich.

Die Journalistenverbände können ja hartleibig etwas anderes behaupten, aber natürlich beeinflusst so eine ideologische Schlagseite die Berichterstattung. Das ging zunächst von den öffentlich-rechtlichen Anstalten aus, die finanzierungsbedingt sowieso alles sind, aber nicht unabhängig. Sie sind, pardon, notorisch regierungsnah. Und je öfter die Grünen in irgendeiner Landesregierung saßen, desto leichter wurde es für die Grünen-affinen Journalisten in den Landesstudios, der eigenen Neigung zu folgen und die eigene Lieblingspartei bevorzugt zu behandeln.

Der Journalist ist ein Herdentier, und lange Zeit war Twitter sein bevorzugter Lebensraum. Dort gaben die Leittiere die grüne Marschrichtung an, und die Herde folgte. Im Ergebnis kam es zu einer absoluten Dominanz der Grünen in praktisch allen traditionellen Medien in Deutschland.

Das für sich genommen war nicht überraschend. Überraschend war das Ausmaß an Unterwürfigkeit und professioneller Selbstaufgabe, mit dem grünen Politikern vor allem im ÖRR ein maximal bequemes Habitat eingerichtet wurde. In Talkshows mussten sie allenfalls mit Widerspruch von irgendeinem bemitleidenswerten Quoten-Oppositionellen rechnen, der erkennbar nur deshalb eingeladen wurde, um seine Ansichten von allen anderen Gästen zerschreddern zu lassen. In Interviews hatten grüne Gesprächspartner ernsthaft kritische Fragen nicht zu befürchten.

Und ganz allgemein wurde ihnen, ihrer Partei und ihren Positionen mit einem Wohlwollen begegnet, das man nur dann „undistanziert“ nennen kann, wenn man sprachlich ganz, ganz doll untertreiben will.

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Doch der Wind dreht sich.

Die Grünen haben zwar die Erwartungen einer Deindustrialisierungssekte mit dem heiligen Blick erfüllt. Im Gegenzug haben sie aber all jene Wähler bitter enttäuscht, die von Habeck & Co eine erwachsene, verantwortungsvolle – und das heißt immer auch: maßvolle – Politik erwartet hatten. Man kann trefflich darüber streiten, ob solche Erwartungen jemals realistisch waren. So oder so hatte die Partei es nur diesen Wählern zu verdanken, dass sie vor der Bundestagswahl 2021 zeitweise ernsthafte Ambitionen auf das Kanzleramt entwickeln konnte.

Und selbst über die ersten Irritationen in der Regierungsarbeit der Ampel sah die Wählerschaft noch großzügig hinweg:

Erstens wurden die unter Anlaufschwierigkeiten verbucht. Tatsächlich war ja auch die erste rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder ein halbes Jahr lang der reinste Chaos-Club, und dann wurde doch noch eine funktionierende Koalition daraus.

Zweitens konnte man im Zweifel alles, was nicht klappte, irgendwie immer der FDP in die Schuhe schieben.

Und drittens will kein Wähler vor sich selbst sofort zugeben, dass man sein Kreuz wohl doch bei den Falschen gemacht hatte. Es wird schon noch besser, sagte man sich.

Aber es wurde nicht besser, im Gegenteil.

Je länger die katastrophalen Folgen des grünen Wirkens in der Bundesregierung einfach nicht mehr zu verheimlichen waren, desto mehr Bürger wandten sich ab – massenweise. Im Jahr 2023 begann eine einzigartige Niederlagenserie:

In den meisten Redaktionen gab und gibt es diesen Umschwung zwar nicht. Dort ignoriert man weiter seine Leser, Zuschauer und Zuhörer und hält unbelehrbar die grüne Fahne hoch. Aber krachende Wahlniederlagen sind nun mal krachende Wahlniederlagen, und desaströse Umfragen sind desaströse Umfragen. Da können sie schönreden, so viel sie wollen: Daran ändern auch Louis Klamroth und Sandra Maischberger (und all die anderen) nichts, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Die Grünen sind nicht mehr das Lieblingskind des Zeitgeistes.

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Nicht die Medien, aber das Volk zeigt den Grünen zunehmend die kalte Schulter.

Die Partei hat erkennbar große Schwierigkeiten, mit diesem Kälteschock umzugehen. Sie leidet sichtbar unter dem objektiv erwartbaren – und dennoch subjektiv unerwarteten – Liebesentzug. Sie betrauert den Verlust an Zuneigung.

Die fünf Phasen der Trauer bei Erwachsenen sind Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Aber die Grünen, mit Verlaub, sind keine erwachsene Partei. Und bei manchen ihrer Spitzenleute darf man mit einiger Berechtigung leise Zweifel anmelden, ob sie als Menschen schon das Erwachsenenstadium erreicht haben:

Das ist Emilia Fester, Abgeordnete im Deutschen Bundestag für Bündnis’90/Grüne. Der deutsche Steuerbürger zahlt ihr jeden Monat eine Diät in Höhe von 11.227,20 Euro. Infantil ist hier keine Beleidigung, sondern eine absolut zutreffende Diagnose.

Entsprechend verhalten die Grünen sich fast überall anders, als es ein Erwachsener tut. Auch ihr Trauer-Schema ist anders: Es gibt eine erhebliche Abweichung in der letzten Phase. Wir kommen gleich dazu.

Am Anfang steht auch bei ihnen die Verleugnung. Da fällt einem sofort Katrin Göring-Eckardt ein. Die ist immerhin Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und meint allen Ernstes, Migration habe mit dem Alltag der Menschen wenig zu tun:

Dann kommt die Wut. Sehr schön wird die standardmäßig von Claudia Roth vorgeführt. Zuletzt verlor die Kulturstaatsministerin im vergangenen November auf dem Bundesparteitag der Grünen in Wiesbaden völlig die Fassung. Da hat ein Redner (also ein Parteifreund) es gewagt, die Politik der Parteispitze zu kritisieren:

Schritt drei: Verhandeln. Robert Habeck übersetzt das mit: Anbiederung. Man muss schon sehr blind sein, um nicht zu merken, dass der „Kanzlerkandidat“ seit seiner der Partei abgepressten Krönung sich öffentlich fast nur noch mit dem bürgerlichsten aller Herren-Accessoires zeigt:

Die vorletzte Phase ist die Depression. In die stürzte ungefiltert die Ex-Parteivorsitzende Ricarda Lang vor laufenden Kameras wegen des Wahlergebnisses in Thüringen. Da kegelten die Bürger die Grünen aus dem Landtag und machten die AfD zur stärksten politischen Kraft:

Als fünfte und letzte Phase der Trauer käme bei Erwachsenen jetzt die Akzeptanz. Und genau an dieser Stelle ist es nötig, sich in Erinnerung zu rufen: Die Grünen sind keine erwachsene Partei.

Und so ersetzen sie Akzeptanz durch Bestrafung.

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Das trifft zunächst die eigenen Leute. Wegen der Serie von Wahlniederlagen wurden die Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour geschasst, obwohl die beiden nun ganz sicher nicht die Hauptschuld am Niedergang trugen.

Besonders die Berliner Grünen haben die Bestrafung zu einer richtigen kleinen Kunstform entwickelt. Da signalisieren die wichtigsten Strippenzieher hinter den Kulissen Tanja Prinz vom Realo-Flügel klar, dass man sie als neue Landesvorsitzende wählen wird – nur um die arme Frau dann ohne Gegenkandidaten dreimal durchfallen zu lassen.

Denn der Realo-Flügel ist nach Ansicht der linken Parteimehrheit maßgeblich für den Niedergang verantwortlich und sollte so bestraft werden. Prinz verließ weinend den Saal. Die Berliner Grünen versuchten dann auch noch, die Berichterstattung darüber mindestens teilweise zu unterdrücken:

Der grüne Bestrafungswahn trifft mitunter auch Unschuldige. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar verlor seinen sicheren Listenplatz und seinen Wahlkreis für die kommende Bundestagswahl, weil eine Parteifreundin ihm sexuelle Übergriffe vorwarf. Das reichte der Partei, um den Mann zu versenken.

Blöd nur: Jetzt stellt sich heraus, was Gelbhaar immer wieder beteuert hatte – die Vorwürfe sind offenbar frei erfunden. Der RBB, der zuerst über die Sache berichtet hatte, zog seine Berichte zurück und stellte gegen die vermeintliche Belastungszeugin Strafanzeige. Ein besonderes Gschmäckle bekommt der Vorgang dadurch, dass der Listenplatz von Gelbhaar dann ausgerechnet an Andreas Audretsch ging, den Wahlkampfmanager von Robert Habeck.

Da sage noch einer, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

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Bestraft wird natürlich auch nach außen.

Lieblingsziel ist seit geraumer Zeit Elon Musk. Auf den projizieren grüne Spitzenleute massive und für einen Demokraten absolut verstörende totalitäre Fantasien. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, hat sich dafür ausgesprochen, die Plattform X wegen vermeintlicher Verbreitung von Desinformation massiv zu sanktionieren. Robert Habeck höchstdarselbst verlangt, X und Tiktok „hart zu regulieren“:

Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Bestraft wird im Prinzip jeder, der sich von den Grünen abwendet – oder sich auch nur nicht deutlich genug zu ihnen bekennt. Mittel der Wahl sind Steuern (für alles, was man der Umwelt antut) und soziale Ausgrenzung (für alles, was man der Gesellschaft antut).

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Die Grünen haben, wie die gesamte linke Reichshälfte in Deutschland, die Idee der Bestrafung fundamental verinnerlicht. Läuft etwas nicht wie gewollt, dann muss der vermeintlich Schuldige maximal sanktioniert werden.

Der Mechanismus geht auf die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Damals schrieb einer der Gottväter aller Linken, Michel Foucault, seinen Klassiker „Überwachen und Strafen“. Darin lehnt der französische Philosoph Strafen zwar grundsätzlich ab, bezeichnet psychosoziale Maßnahmen aber zumindest als Fortschritt gegenüber der (damals noch absolut üblichen) körperlichen Züchtigung.

Damit war das Konzept der „gewaltlosen Erziehung“ geboren. Was folgte, waren Generationen von Kindern, deren Eltern nicht mehr zuschlugen und Konflikte stattdessen über Strafen lösten. Stubenarrest, Fernsehverbot, „stille Treppen“ (populär gemacht durch Katharina Saalfrank, die ehemalige „Super Nanny“ von RTL): Strafe muss sein.

Dass nicht mehr geprügelt wird, ist natürlich schön. Nur haben wir jetzt im grün-linken Milieu Leute, die alles und jeden bestrafen – weil sie gar keine anderen Konfliktlösungsstrategien mehr kennen.

Und so wollen diese Menschen heute ihre vermeintlich rechten Verwandten dadurch bestrafen, dass sie nicht mehr mit ihnen reden. Oma und Opa, die sich nicht gegen Corona haben impfen lassen wollen, werden dadurch bestraft, dass sie ihre Enkel nicht mehr sehen dürfen. Frauen in den USA wollen Männer, die Donald Trump gewählt haben, mit Sexverweigerung bestrafen. Und so weiter, und so fort.

Insgesamt wollen Grüne alle Nicht-Grünen mit sozialer Ausgrenzung bestrafen. Dann ist man Nazi oder rechts, was mittlerweile absurderweise synonym verwendet wird. Und das ist die letzte Phase in der Trauerarbeit von Habeck & Co gegen den Liebesentzug der Deutschen.

Nach Verleugnung, Wut, Verhandeln und Depression kommt nicht Akzeptanz – sondern Bestrafung.

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Ikarus, unseren Helden vom Anfang dieses Textes, kostete seine Selbstüberschätzung das Leben. Er ertrank. Immerhin wurde das Meer, in das er der Sage nach fiel, dann nach ihm benannt. Wir kennen es heute als Ikarisches Meer.

Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass der grüne Bündniskanzlerkandidat Robert Habeck nach dem 23. Februar politisch untergeht. Das Meer von Tränen seiner Jünger können wir dann ja die Habeck’sche See nennen.

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