Tichys Einblick
Aufruhr in Regensburg

Wenn der Kaufhof zum islamischen Kulturzentrum werden soll

In einem verlassenen Gebäude mitten in der historischen Fußgängerzone der Weltkulturerbe-Stadt wollen arabische Investoren einen orientalischen Basar und eine muslimische Begegnungsstätte unterbringen. Die Empörung in der erzkatholischen Metropole ist groß.

IMAGO

Über uralte Relikte stolpert man in Regensburg an jeder Ecke. Die Hauptstadt des bayerischen Regierungsbezirks Oberpfalz mit ihren fast 160.000 Einwohnern ist ein enorm geschichtsträchtiger Ort – nicht zuletzt dank Schloss Emmeram, dem prächtigen Fürstensitz derer von Thurn und Taxis.

Der Zahn der Zeit hat freilich auch an der viertgrößten Stadt im Freistaat genagt, vor allem an der Fußgängerzone im Zentrum. Dort hat im vergangenen August der „Kaufhof“ aus dem untergegangenen Imperium von René Benko dichtgemacht. Wie es scheint, tritt jetzt ein anderer schillernder Investor in die Fußstapfen des windigen Österreichers.

Genauer ist es eine Investorengruppe aus dem Nahen Osten. Viel weiß man nicht über sie. Es soll sich überwiegend um Geschäftsleute aus den Vereinigten Arabischen Emiraten handeln, aber sie bleiben im Dunkeln. Über sich selbst sagen sie fast nichts, dafür lassen sie ihren Sprecher Rami Haddad ihre Pläne in den buntesten Farben ausmalen:

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Eine Art modernen orientalischen Basar wollen sie in dem grauen Bau aus den 50er-Jahren einrichten – mit traditionellen Händlern wie Metzgern und Barbieren, aber auch mit modernen Unternehmen. So weit, so gut, das regt niemanden auf. Doch die neuen Eigentümer wollen noch etwas anderes im alten „Kaufhof“ unterbringen, und das sorgt in Regensburg derzeit für heiße – nein, für sehr heiße Diskussionen: ein islamisches „Kulturzentrum“.

Alles ganz harmlos, beteuert Investoren-Sprecher Haddad. Seine Formulierung, dass „kulturelle und Veranstaltungsräume als Zentren für Gemeinschaftsaktivitäten dienen“ sollen, legt allerdings die Vermutung nahe, dass der Ex-Kaufhof teilweise auch als Gebetsort genutzt werden soll – sozusagen als Mini-Moschee. Das wäre angesichts der Lage und der Adresse dann durchaus apart: Das Gebäude steht auf dem Neupfarrplatz, der seinen Namen der dort ebenfalls stehenden Neupfarrkirche verdankt, nur wenig südlich vom historischen Regensburger Dom.

Für die Katholische Weltkirche ist Regensburg ein historischer und überdurchschnittlich bedeutsamer Ort. Schon seit dem frühen Mittelalter, seit knapp 1.300 Jahren, sitzt dort der Bischof der Diözese Regensburg.

Kurz: Regensburg ist Weltkulturerbe und sehr christlich.

Islamische Kulturzentren, Kulturvereine und Moschee-Vereine haben sich in den vergangenen Jahren einen denkbar schlechten Ruf erarbeitet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet bei ihnen vielerorts eine Förderung des religiösen Extremismus. Die islamischen Zentren in Hamburg und Fürstenwalde wurden deshalb schon verboten.

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Die Ausbreitung islamischer Einrichtungen in Deutschland wird zwar nicht unbedingt von den beiden großen christlichen Amtskirchen, dafür aber umso mehr von vielen christlichen Gläubigen argwöhnisch beobachtet. Besondere Kritik ruft es hervor, wenn entweihte bzw. entwidmete Kirchen in Moscheen umgewandelt werden. Bekannte (oder soll man sagen: berüchtigte?) Beispiele sind die ehemalige Neuapostolische Kirche im Berliner Bezirk Tempelhof, die ehemalige Evangelische Notkirche Johannes in Dortmund und die sogar denkmalgeschützte ehemalige Kapernaumkirche im Hamburger Stadtteil Horn.

In Regensburg sind sie wegen der Geschichte mit dem „Kaufhof“ jetzt auch deshalb besonders skeptisch, weil die orientalischen Neueigentümer zwar schon öffentlich über ihre Pläne reden, aber nicht mit der Stadtverwaltung: „Der Investor hat noch kein konkretes Konzept vorgelegt oder Kontakt zu mir aufgenommen“, sagt die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer hörbar irritiert.

Das überrascht. Denn wenn das Kaufhaus-Gebäude anders genutzt werden soll, als in der bestehenden Baugenehmigung festgelegt ist, müsste eine Änderung beantragt werden. Die Oberbürgermeisterin von der SPD kann sich kaum vorstellen, dass die Stadt eine neue Genehmigung erteilen würde: „Ein islamisches Kultur- und Einkaufszentrum ist in meinen Augen nicht mit den Zielen der Stadt für die Entwicklung der Altstadt vereinbar.“

Wegen des Widerstands spielen die Investoren den islamischen Charakter ihrer Pläne jetzt herunter. Das geplante Zentrum solle zwar seine kulturellen Wurzeln würdigen, es sei aber „nicht ausschließlich eine religiöse Institution“.

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Da muss man genau hinhören: nicht ausschließlich – aber eben doch auch. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Aumer lehnt die Pläne deswegen rundheraus ab: In Regensburg gebe es schon mehr als genug Orte der Zusammenkunft für Muslime.

Nicht nur deshalb kann das Vorhaben scheitern: Offenbar hat die Stadt ein Vorkaufsrecht mindestens auf Teile des Gebäudekomplexes. Das Rathaus wurde beim Verkauf des Benko-Besitzes an die orientalischen Investoren (zum Schnäppchen-Preis von weniger als 40 Millionen Euro) aber offenbar komplett übergangen. Und auch ein großes Logistikunternehmen sowie ein regionaler Bauunternehmer hatten wohl Interesse am „Kaufhof“ bekundet. Auch sie kamen beide nicht zum Zug.

Die „Mittelbayerische Zeitung“ hat versucht, den dubiosen Deal nachzuvollziehen. Das Ergebnis ist, gelinde gesagt, spannend: Es gibt verschachtelte Firmen-Geflechte. Benkos Mutter Ingeborg spielt als Vorsitzende einer Stiftung eine Rolle, der als Anteilseignerin einer GmbH Benkos private Villa in Innsbruck gehört. Auch die unvermeidlichen Fonds mit Sitz auf den Cayman-Inseln mischen mit. Und sogar Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat die Hände im Spiel.

Die umfangreichen Recherchen lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi – und ganz sicher nicht wie ein Märchen aus 1001 Nacht.

In Regensburg überwiegt nun jedenfalls eindeutig die Ablehnung. Das Lager der Gegner wird immer größer. Als die Pläne ruchbar wurden, hat eine Petition binnen kürzester Zeit mehr als 24.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt.

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